Das Lied im Automaten von pandine ================================================================================ Kapitel 1: Das Erbstück -----------------------  Die junge Halbelfe Alyne starrte das Erbstück fassungslos an. Als ihr Vater, ein Mensch, ihr an seinem Totenbett erzählt hatte, sie würde das Kostbarste und für sie nützlichste aus seinem Besitz bekommen, dachte die Kampflustigste der insgesamt vier Geschwister eher an sein Schwert Flire, welches trotz zahlreicher Kämpfe nie geschliffen werden musste und immer noch so scharf wie in seinen besten Tagen war und fast alles mühelos durchtrennen konnte. Seinen Dolch Shil hätte sie auch noch als akzeptabel und passend empfunden, da Shil wie ein Magieverstärker wirkte und so etwas hatte sie mit ihren Halbelfenkräften dringend nötig, um in Magie mit den anderen Elfen mithalten zu können. Aber es wurde nichts von beidem. Ihre Vorstellungen wurden komplett zerstört, als Nihit, der engster Vertraute ihres Vaters, ihr das Erbstück übergeben hatte. Nun lag es auf dem Boden in ihrem Zimmer. Es war eine hölzerne Kiste aus einem dunklem Holz, sie vermutete Ebenholz, mit etlichen Griffen und Hebeln verschiedenster Größe. Es stand auf vier einfach gehaltenen Füßen, jeder davon etwa anderthalb Handspannen groß, sodass auch am Boden noch viele Hebel sein konnten. Deutlich zeichneten sich ihre und Nihits Fingerabdrücke auf der dicken Staubschicht ab. Was hatte sich ihr Vater dabei gedacht? Sie konnte keinen Rat mehr bei Reoli, ihrer Elfenmutter, suchen, denn diese hatte sich direkt neben dem Grab ihres Mannes in einen schützenden Baum verwandelt, um immer bei ihm sein zu können, geistig sowie körperlich. Sie bewirkte, ob ihr Geist nun im Baum war oder nicht, dass sein erkalteter Körper nicht verweste, solange sie dort stand. Es war ein unerklärliches Phänomen, das aus dem Band der Liebe zwischen zwei Wesen, die sich glichen und doch vollkommen anders waren, entstand. Bis heute waren ihre Eltern ein Rätsel für Alyne, ebenso ihre Geschwister, doch dies beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Jedes Familienmitglied und sogar Nihit konnte in ihr lesen wie in einem offenem Buch. Sie war eben eine sehr emotionale Person mit viel Temperament und Kampfgeist, dessen Gefühle sich offen in ihrer Körperhaltung und Mimik zeigten. Auch äußerlich entsprach sie keineswegs dem Bild der stillen, wunderschönen Elfen, aber auch nicht dem eines normalem Menschen. Ihre Haare waren für elfische Verhältnisse zu auffällig, aber auch Menschen besaßen nicht diese feuerrote Haarpracht, die von silbernen Strähnen durchzogen wurde. Alyne trug ihre Haare immer offen - mittlerweile reichten sie der Halbelfe bis zur Mitte des Rückens -, anders als ihre gleichaltrigen Genossinnen, die ihre silbernen, braunen oder schwarzen Haare immer zu aufwendigen Frisuren zusammenbanden oder flochten. Wenn es jedoch um reine Kraft ging, war sie dank hartem und immerwährendem Training die Stärkste, doch was Magie betraf bildete sie das Schlusslicht. Egal wie viel sie übte, richtig gelingen wollte ihr nichts mit dieser mysteriösen Kraft, die überall war. Es lag wohl in ihrem Blut, und oft hasste sie dieses dafür. Wieso konnte oder wollte dieser Körper keine Magie hervorbringen? Ihre anderen Geschwister konnten sie doch auch wie die Elfen und ähnelten auch mehr Elfen als Menschen, wieso also war sie so, wie sie war? Es gab nun aber niemanden, den sie um Rat fragen könnte. Sie war die jüngste von den Geschwistern. Nicht einmal ihre Brüder und ihre einzige andere Schwester befanden sich in ihrer geringen Reichweite, da diese sich alle nach dem Tod ihrer Eltern in die Welt verstreut hatten. Wen konnte sie um Rat fragen? Niemanden, wirklich niemanden. Seufzend ließ sie sich auf den Boden sinken, starrte immer noch gedankenverloren ihr Erbstück an. Es schien ein sogenannter „Automat“ zu sein, ihr Vater hatte ihr immer mit leuchtenden Augen von ihnen erzählt. Es war ein von Menschen gemachtes Etwas, bei dem ein bestimmter Mechanismus betätigt werden musste, der wiederum eine weitere Reaktion auslöste. Als Beispiel hatte ihr Vater immer Uhren genommen, also etwas wie Kuckucksuhren. Aber was sollte sie, eine kämpferische Halbelfe, damit anfangen? Es klopfte nun zum zweitem Mal an der Tür. Widerstrebend erhob sie sich von ihrem Platz und marschierte mit mürrischem Gesichtsausdruck zu der Tür ihrer kleinen Einzimmerwohnung. „Wer ist da?“, fragte sie laut und schaute durch das kleine Loch in ihrer Eichenholztür. Sie erblickte einen nervös aussehenden, jungen Mann, der wohl ein Elf sein musste. Seine Ohren spitzten sich in der typisch elfischen Art. „Ähm... Ich bin gestern nebenan eingezogen und wollte... ähm... kurz 'Guten Tag' sagen“, stotterte er mehr schlecht als recht leise und kaum verständlich als Antwort. Er strich sich die ganze Zeit mit sehr nervösen Blicken in der Luft eine Strähne seines schwarzen Haares zurück. Er hatte seine schulterlangen Haare bis auf eben dieser Strähne an seiner Linken zu einem lockerem Pferdeschwanz gebunden. Er trug das normale, elfische Gewand in Grüntönen mit goldenen Stickereien. „Aha.“ Alyne öffnete die Tür, um den Besucher näher in Augenschein nehmen zu können. Vielleicht hoffte sie aber auch, dass er, wenn er ein Gesicht zum Ansehen hat, diesen nervös wandernden Blick unterließ. Da irrte sie jedoch gewaltig. „H-h-hall-llo“, stotterte er, eingeschüchtert von ihrem direktem Blick, der einen Hauch genervt wirkte. „Hallo.“ Sie musterte den schmächtig wirkenden Elf genau, woraufhin er jedoch nur noch nervöser wirkte. Seufzend sah sie in eine andere Richtung, in der Hoffnung, er würde sein Zittern und Stottern unterlassen. Sie konnte, da sie ihre Augen abgewandt hatte, nicht sehen, wie das endlos scheinende Zittern sich endlich beruhigte. Sein Tonfall jedoch verriet ihr, wie erleichtert er war. Ruhiger und entspannter fuhr er mit der Begrüßung fort: „Ich heiße Feliff, und du?“ „Ich heiße Alyne.“ Sie reichte ihre Hand in die Richtung, in der sie Feliff vermutete. Das war keine ihrer besten Ideen, wie sich sogleich herausstellte. Die Richtung stimmte zwar, aber als er ihre Hand ergriff und schüttelte, war da wieder dieser Zitterkrampf, außerdem schwitzte seine Hand anormal viel. Schnell beendete sie die Geste des Händeschüttelns und warf einen trockenen Kommentar in den Raum: „Du scheinst nicht gut im Kommunizieren zu sein, was?“ Sie hatte keine Antwort erwartet, doch als eine kam, wurde ihr Blick, der dem Türrahmen gewidmet war, immer erstaunter und sie war versucht, sich umzudrehen. „Diese Frage kann ich leider nur Bejahen, ich habe in meinem Leben noch nicht viel mit anderen Halbelfen, Elfen oder Menschen zu tun gehabt.“ Ihre Verwunderung galt der Auflistung der Wesen. Sie fragte sich nicht, wieso er nicht von Wesen im Allgemeinem sprach, sondern vielmehr warum er, ein Elf, seine Rasse nicht zuerst nannte. Elfen waren, was ihre eigene Rasse anbelangte, sehr eigen und stolz. Selbst die gütigste Elfe konnte es sich nicht verkneifen, bei einer Aufzählung der menschlich anmutenden Rassen ihre zuerst zu nennen. Es war einfach in ihrem Denken so festgelegt. Dass es nicht nur das schnelle Erinnern an seine eigene Rasse war, hatte man schnell bewiesen, indem man einige Elfen wie Menschen aufzog und sie auch im Glauben ließ, ein Mensch zu sein. Als dann die Auflistung dran war, hatte jedes der Elfenkinder „Elfen“ als erstes gesagt, und nicht „Menschen“. „Ich weiß, dass es nicht der Norm entspricht, aber ich bin in solchen Punkten nun mal sehr eigen. Außerdem liegt es mir in solchen Dingen näher, die Rasse meines Gegenübers zuerst aufzuzählen.“ Sie spürte ein warmherziges Lächeln von ihm ausgehen, konnte es jedoch nicht sehen. Sie ahnte auch, dass, wenn sie sich nun umdrehen würde, er wieder in seinen großen Zitterkrampf bekommen würde, also seufzte sie nur tief. „Was ist los?“ „Ich frage mich nur, wieso du so extrem nervös reagierst, wenn du angeschaut wirst.“ Fragend sah sie den Türrahmen an, dessen Maserung sie langsam in- und auswendig kannte. „Sagte ich nicht bereits, dass...“, fing er an, wurde aber sofort von ihr unterbrochen: „Deine Sprache scheint aber sehr gehoben und höflich zu sein.“ Ein lautes Seufzen erreichte ihre Ohren. „Ja, ich weiß auch nicht warum...“ Seine Stimme hatte einen frustrierten Unterton, er fuhr sich verzweifelt durch die Haare. Vorsichtig blickte er kurz in ihre Richtung, sah aber sofort wieder weg. Doch in diesem kurzem Moment, den er von ihrem einzigem Zimmer erhascht hatte, bemerkte er etwas, was sein Interesse weckte. „Ähm... Dieser Kasten in deinem Zimmer... Dürfte ich ihn mir vielleicht näher ansehen?“, fragte er schüchtern, aber dennoch mit Nachdruck und Neugierde. Irritiert schwenkte ihr Blick nun doch zu ihm hinüber. „Der Kasten...? Wovon weißt du denn davon?“ Die Verwunderung in ihrer Stimme war nicht zu überhören, eben so wie das Zittern seinerseits nicht zu übersehen war. Sie wandte ihren Blick wieder ab, er setzte zur Antwort an: „Ich habe einen kurzen Blick darauf erhaschen können, als du die Tür aufgemacht hast...“, log er, da ihm die richtige Antwort dann doch irgendwie peinlich war. Kritisch musterte sie ihn, ehe sie seufzte und ihm bedeutete, hineinzugehen. Sie selbst ging schon voraus und vertraute darauf, dass er die Tür hinter sich schloss. Nachdem sie den kurzen Weg zwischen ihrer Tür und ihrer Wohnung hinter sich gelegt hatte, setzte sie sich auf ihren einzigen Stuhl in der Nähe des Automaten. Sie beobachtete ihn, während er ihren Automaten näher in Augenschein nahm. Er zückte aus den Weiten seines Gewands eine ziemlich runde Brille, die irgendwie gar nicht zu seinem sonst sehr elfischen Aussehen passte, heraus und legte sie sich auf die Nase. Er wirkte höchst konzentriert und schien auch ihren bohrenden Blick nicht zu merken. Er strich die Staubschicht sanft weg, ganz so, als wäre der Automat nicht einfach nur eine Konstruktion von menschlicher Hand, sondern vielmehr ein Lebewesen. Er betrachtete die Hebel und die Beine, das Holz und nun fiel auch ihr eine kristallene Kugel auf, die sich zwischen den vielen Hebeln ganz klein gemacht hatte, doch jetzt, wo sie sie einmal gesehen hatte, konnte sie ihren Blick nicht mehr davon abwenden. Sie hatte das Gefühl, irgendetwas Magisches ging von dieser Kugel aus. Vorsichtig kam sie dem Automaten immer näher, ganz fasziniert von dieser Kugel. Sie registrierte das erneut einsetzende Zittern Feliffs gar nicht, die Kugel hatte all ihre Aufmerksamkeit für sich allein. Sie näherte sich langsam der Kugel, sie streckte ihre Hand der Kugel entgegen. Sie bemerkt ebenfalls nicht, wie zitternde Hände sie aufhalten wollten, das zu tun, was sie im nächstem Augenblick schon getan hatte.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)