Das Lied im Automaten von pandine ================================================================================ Kapitel 23: Fließende Gedankenspiele ------------------------------------ Nach der Begegnung mit dem kleinen Rebellenmädchen war Erfline ein wenig durcheinander. Sie konnte, ehrlichweise, noch nie so recht mit Kindern umgehen. Futave hingegen, und das bewunderte sie an ihm, war ein umgänglicher Elf. Im Grunde, so wurde ihr langsam bewusst, konnte sie noch nie so recht mit Personen umgehen, außer es ging um eine Verhandlung. Ihr entfuhr ein trockenes Lachen, während sie auf dem Bett lag und an die Decke starrte, die an einigen Stellen Einbuchtungen zu haben schien. „Stimmt etwas nicht?“, kam es sofort von Futave. Natürlich hatte er die Nachdenklichkeit und den Unmut von ihr bemerkt, natürlich. Sie seufzte. „Nein, es ist alles in Ordnung.“ Nach kurzem Zögern fügte sie noch hinzu: „Oder so.“ Er erhob sich von seinem Platz am Tisch, wo er irgendwelche Papiere mit irgendetwas vollgekritzelt hatte – Papier und Stift hatten sie zum Glück erhalten – und ging zu ihr hinüber. Das Bett quietschte ein wenig, als er sich auf die weiße Bettdecke neben sie setzte. Sie sah monoton zur Decke hinauf, als wäre sie das Interessanteste, was sie jemals in ihrem nicht allzu kurzen Leben gesehen hatte. „So, alles in Ordnung also?“ Es klang unverhohlen skeptisch, doch sie hatte auch nichts Anderes erwartet. Wieso war sie eigentlich nur so unehrlich und arrogant? Und überhaupt nicht gesellschaftsfähig. Sie erinnerte sich an das erste Treffen mit dem reinblütigen Elfen zurück. Es war unglaublich, wie sie sich verändert hatte. „Ich seh dir doch an, dass etwas nicht stimmt“, meinte er dann mit mildem Nachdruck. „Ich denke nur nach.“ „Aha.“ Er sah sie eindringlich an, doch dann stahl sich ein leises Lächeln auf sein Gesicht. „Ich weiß, dass du nachdenkst. Du denkst immer nach.“ „Und was soll das jetzt heißen?“ Sie schlug ihn scherzhaft und drehte sich zur Wand hin, um nicht mehr sein Lächeln sehen zu müssen. Irgendetwas tat in ihr weh, doch sie konnte beim besten Willen nicht sagen, warum. „Du machst dir zu viele Sorgen“, lautete seine knappe, aber sanfte Antwort. Dann schwieg er eine Weile in die Stille hinein, denn sie wusste nichts darauf zu erwidern. Ja? War das so? Sie hatte sich selbst ein wenig verloren, jedenfalls fühlte sie so. Dann fiel ihr eine Tatsache auf, die sie traurig stimmte. „Du gehst bald, oder?“ Sie spürte wieder dieses Ziehen in ihrer Brust, welches sie schon kannte. Es trat immer zu einem bestimmten Ereignis auf, und dies geschah gerade. „Ja.“ Es war die nackte Wahrheit. Sie hatten mit der Anführerin gesprochen. Sie hatte ihre Pläne gehört. Sie hatte überlegt. Es dauerte nicht lange, da ließ sie mittels eines Boten übermitteln, dass er abreisen durfte. Man wollte einen momentanen Krieg mit den Elfen vermeiden, es gab etwas Wichtigeres zu tun. So lautete der offizielle Plan, doch Erfline glaubte nicht so recht daran. „Ich werde morgen schon gehen.“ Sie verkniff sich einen weiteren Seufzer. „Pass auf dich auf, ja?“ „Natürlich. Du aber auch auf dich, okay?“ „Ich bin ja kein kleines Kind mehr!“, erwiderte sie trotziger als sie vorhatte. Sie seufzte und vergrub ihren Kopf im Kopfkissen. „Hey, nicht immer den Kopf einziehen.“ Er lächelte sanft, nahm Haarsträhnen von ihr in die Hand und spielte mit ihnen. „Du solltest dir nicht immer den Kopf zerbrechen.“ Sie murmelte nur etwas Unverständliches in das Kopfkissen hinein. „Ich muss noch etwas für die Reise packen, also lass ich dich erst einmal allein, okay?“ Er strich ihr über die Haare, die er gedankenverloren betrachtete. „Ich bin sofort wieder hier.“ Sie brachte nicht den Mut auf, ihn zurückzurufen, als sie hörte, wie die Tür sich leise wieder schloss. Feliff hatte sich entschlossen, erst einmal den Elfen einen Besuch abzustatten. Denn bei den Rebellen wusste er nach wie vor nur vage, wo dieses sich befand, doch damit konnte er nicht mehr arbeiten. Es stand eine Katastrophe bevor, so viel war sicher, und das Spielfeld... Nun, das würde wohl die Welt bilden. Gleichzeitig wusste er aber nur wenig von den Gebieten außerhalb des Landes. Es gab noch so viel zu entdecken und dennoch... Dennoch drohte alles in einem Abgrund zu versinken. Er konnte diese beiden Mächte einfach nicht verstehen und gleichzeitig konnte er diese Wesen nachvollziehen wie es wohl keinem Anderem gelingen möchte. Ein langes Leben war nicht unbedingt das, was man sich nach der Ewigkeit wünschte. In diesem Sinne konnte er die beiden nachvollziehen, aber dennoch. Es war einfach nicht... nicht fair. Sie konnten das doch nicht nur deswegen tun! Mit jedem weiteren Gedanken wankte sein Entschluss keine Sekunde, mit jedem Schritt, den er tat, gewann er mehr Zuversicht. Er lieh sich etwas von Alynes unverbesserlichem Optimismus, für den er sie schätzte, und schritt erhobenen Hauptes auf das Elfendorf zu, wo alles begonnen hatte. Während er dieselbe Strecke lief, die er schon genommen hatte, als er das erste Mal dahin gezogen war, kamen ihm laue Gedankenflüsse, kleine Erinnerungen in noch winzigeren Päckchen. Es waren die Gründe für seine Reise, warum er überhaupt losgezogen war. Und seine Schritte stockten mit einem Mal. Er wusste nun wieder, was es gewesen war, was ihn getrieben hatte. Er zwang sich, dennoch seine Schritte in diesem schon winterlich anmutenden Wald fortzusetzen. Sie fielen ihm schwer wie schon lange nicht mehr, doch gleichzeitig fragte er sich, wieso er es plötzlich in dieser Form wusste? Hatte es etwas mit dem Besuch in Ainrafe zu tun? Und wenn ja, waren es die ungefälschten Befehle des Lichts oder falschen Illusionen der Finternis? Er wusste es nicht und so leicht würde er es wohl auch nicht herausfinden können. Es war ein Mysterium für sich, ein ungelöstes Rätsel, dessen Antwort so leicht wäre. Doch diese beiden Wesen waren schweigsam und er konnte sich kaum eine Antwort von ihnen erwarten. Sie schwiegen wie ein Grab und waren doch immer dem Plaudern nah. Obgleich er ihre Gründe teilweise nachvollziehen konnte, vom Verstehen war er weit entfernt. Er schluckte, während er den Weg fortsetzte. Er beschloss, dass er diese Erinnerungen ignorieren sollte. Die Gefahr, dass sie irreführend waren, war einfach zu hoch. Besser, er vergaß sie schnell wieder. Er fühlte auch die Präsenz von Elfen wieder. Er war dem Elfendorf nahe, das spürte er und nun musste es schneller gehen. Er durfte sich nichts von seiner Unsicherheit anmerken lassen, es war einfach ein Prinzip, dem er folgen musste. Bruchstückenhaft ließ er seine Aura wieder frei, die ihn als einen Reinblütigen kennzeichnen würde. Er hörte schon förmlich das Gewisper, welches sich erhob. Immer mehr und mehr seiner Kraft ließ er heraus, die die anderen Elfen untertan machen würde. Sofort versiegte der Strom wieder. Was tat er gerade? Er schüttelte den Kopf, zumindest innerlich, während er äußerlich seine Fassade aufrecht erhielt, wie einen Turm, der unter Beschuss stand. Er würde diese Elfen nicht manipulieren, nein. Es musste doch auch so funktionieren, oder nicht? Er drückte seinen Rücken durch, hob sein Kinn minimal und schritt dann festen und aufrechten Ganges die letzten Meter, welche ihn von der Grenze trennten. Er hörte nun wirklich die aufgeregten Stimmen der Bewohner. Es war alles wie beim ersten Mal, so schien es ihm jedenfalls. Natürlich stimmte es nicht, sonst wäre er niemals unbehelligt zu der Wohnung gekommen, die er sich dort gemietet hatte. Ein bescheidener Wunsch stand im Kontrast zu seiner Herkunft. Dennoch hatte er darauf bestanden, diese Wohnung neben dem Halbelfenmädchen zu bekommen. Der Grund... war ungewiss. Als er unter den Bäumen hervortrat, erwartete ihn das bekannte Szenario. Und doch war da etwas Neues, jemand an einem Ort, den er nicht spürte. Wieso war der Dorfberater des Westdorfes hier? Es war ein weiterer Tag, der scheinbar ohne Bedeutung zu verstreichen gedachte. Inkalak war mal wieder auf einem seiner vielen Spaziergänge durch das Rebellendorf, die nun, nach der Begegnung mit dem kleinem Mädchen, viel geselliger abliefen als zuvor. Er war froh um diese Geschäftigkeit wusste er doch um seine baldige Abreise. Unsicheren Schrittes hatte er sich zuerst zur Anführerin aufgemacht, doch als er ankam, war er voller Mut, dass das, was er tat, richtig wäre. Würde dieses Biest verschwinden, würde die Welt sicherer werden, sowohl für seine kleine Halbelfenfreundin als auch für die Rebellen. Er konnte einfach nicht glauben, was der Hof veranstaltete, und doch war es ein laues Gefühl der Bestätigung. Im Grunde wartete man nur auf Bestätigung dafür, dass es stimmte. Ja, natürlich. Was sollte es auch andereres sein? Manchmal glaubte auch er den guten Willen der Hofelfen für verloren, doch darüber wagte er nicht weiter nachzudenken. Stattdessen zog eine andere Tatsache sein Augenmerk auf sich: Das kleine Mädchen. Er begegnete ihr, egal wie oft er an dem Ort ihrer ersten und letzten Begegnung vorbeigelaufen war, einfach nicht. Es war, als würde sie vom Erdboden verschluckt worden. Prüfend stapfte er leicht mit seinem Fuß auf den Boden unter sich, ein kindischer Gedanke trieb ihn. Konnte so ein zartes Mädchen tatsächlich...? Eine abwegige Vorstellung, wenn man bedachte, dass sie doch vor ih stand! Er wollte seinen Augen kaum trauen als sie, wie beim ersten Mal, mit dem Rücken zu ihm am Rand des Dorfes stand. Doch dieses Mal war sie nicht alleine unterwegs. Sie wurde von der Hofelfe begleitet, die zurückhaltend lächelte, während das Mädchen ihr aufgeregt irgendetwas erzählte, dass er nicht mehr hören konnte. Ein Lächeln stahl sich seinerseits auf sein Gesicht, als er diese harmonische Szene erblickte. Sie war also nicht vom Erdboden verschluckt worden. Es weckte jedoch sein Interesse, die beiden zusammen zu sehen. „Guten Tag!“, rief er also kurzer Hand in ihre Unterhaltung hinein. Die Elfe erschrak, doch das Mädchen schien noch ein wenig mehr zu strahlen. „Inkalak!“, rief sie fröhlich aus, gefolgt von einer stürmischen Begrüßung. Ihm kam es nicht komisch vor, dass sie seinen Namen kannte, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, ihn gesagt zu haben. Nun gut, so etwas Alltägliches vergaß man leicht, nicht? „Na, Kleine?“ Er tätschelte ihr den Kopf sanft und strich über ihr weiches, dunkles Haar. „Geht es dir gut?“ Sie nickte heftig und enthusiastisch. „Ja! Und das nette Fräulein hier hat sich für das letzte Mal auch entschuldigt!“ Sie strahlte. Dann drehte sie sich zu dem besagten Fräulein um. „Stimmt's?“ Erfline, die etwas überfordert schien, nickte. „Ich kam hier zufällig vorbei und habe sie dann gesehen.“ Sie fühlte sich wohl ein wenig unwohl, jedenfalls schien es dem Hünen so. „Na dann! Sollen wir nicht etwas zu dritt unternehmen?“, entfuhr es dem Elfen frei heraus. Er lächelte beide gutmütig und fröhlich an, sodass auch die Elfe nicht wirklich anders wusste als zuzustimmen. Sie war ein wenig verwirrt ob der Freundlichkeit, mit der ihr begegnet wurde. Ja, Freundlichkeit war etwas, was in ihrem Leben nur selten Platz gefunden hatte. Die Schule war ein ewiger Konkurrenzkampf gewesen, der sie ausgelaugt hatte. Sie fragte sich, wie sie eigentlich so geworden war, wie sie nun war. Da spürte sie, inmitten all ihrer Nachdenklichkeit, ein Zupfen an ihrem Kleidsaum. Es war das kleine Rebellenmädchen, welches sie wegen ihrem verzogenem Gesicht fragend ansah. „Tut dir etwas weh?“, fragte sie besorgt. Erfline schüttelte den Kopf, auch wenn es nicht stimmte, doch was konnte ein Kind von ihren Sorgen wissen? Genau, nichts. „Nein, es ist alles in Ordnung. Mir geht es gut.“ Das Kind durchschaute die Lüge mit seinem sensiblen Gefühl sofort, doch sagte nichts weiter dazu. Sie schenkte der älteren Elfe ein aufmunterndes Lächeln. „Das wird schon!“ Sie klang zuversichtlich, ihr Optimismus war nicht zu verkennen. Die Haare des Mädchens wippten, was ihr noch mehr Lebendigkeit verlieh als sie ohnehin schon ausstrahlte. „Danke.“ Sie lächelte dem Mädchen schon beinahe scheu zu. Da räusperte sich der Hüne, gerührt von der Szene, aber dennoch mit einem leichten Schmollen versehen, und verschaffte sich Aufmerksamkeit. „Du kennst die Dorfbewohner noch nicht, habe ich Recht?“ Ertappt blickte sie beschämt zu Boden. „Dafür brauchst du dich doch nicht zu schämen!“, polterte der zugegebenermaßen nicht immer ganz so sanfte Elf, dicht gefolgt von einem ermunternden Rückenklopfen. Sie musste sich fassen, um nicht direkt wegen dem Druck seiner Hände direkt vornüber zu kippen. „Oh, entschuldige.“ Er sah sichtlich besorgt aus, hatte er doch schon wieder seine eigene Kraft unterschätzt. „Ich hoffe, dir geht es gut?“ Sie nickte nur stumm und versuchte sich an einem zuversichtlichen Lächeln, welches jedoch auch einen leicht verzweifelten Charakter besaß. „Nun gut!“ Er lachte wieder, als wäre nichts gewesen, was die Elfe ein wenig in Verwunderung setzte, doch gleichzeitig fand sie es auch erleichternd, nicht nur als zierliche Puppe behandelt zu werden. „Wollen wir dann gehen?“ Das Rebellenmädchen hatte bei dem Vorschlag Inkalaks große Augen bekommen. Noch einmal all ihre Freunde sehen, sie freute sich schon riesig. Dennoch kamen Erfline Zweifel, während sie sich auf den Weg in das Dorf machten. Immerhin war sie eine Hofelfe und man war ihr nicht unbedingt wohlgesonnen. Wäre es nicht besser, sie hielte sich zurück? Es wäre doch wirklich besser, wenn man sie nicht mit ihnen vertraut machte. So bekam der Schrecken doch nur einen Namen, oder? Und Futave fehlte ihr. Bei dem Gedanken an ihren Partner, der nun bestimmt im Elfendorf sein musste, riss sie sich am Riemen. Er hatte ihr gesagt, sie solle sich nicht so viele Sorgen machen. Vielleicht hatte er ja Recht und ihre Probleme waren schneller gelöst als sie gedacht hatte. Also beschloss sie, ihr Herz doch nun ein wenig zu öffnen. Sie sollte nicht immer so skeptisch sein. Das tat ihr vielleicht wirklich nicht gut. In der Tat erwies sich der Rundgang, der ein wenig kürzer als der von Inkalak war, als eine gute Idee. Man begegnete ihr zuerst mit Misstrauen und wenig Vertrauen, doch nachdem man ein paar leise und ernste Worte gewechselt hatte, nicht selten zu dem Monster, waren auch ein paar Dorfbewohner bereit, sich auf ein Gespräch mit ihr einzulassen. Man war neugierig, wie man am Hof so lebte. Sie erzählte mehr oder minder bereitwillig das, was eigentlich allgemein bekannt sein dürfte. Von der Erziehung der Elfenkinder bis hin zum Leben am Hof allgemein dachte sie jedenfalls, dass es jederman wissen müsste, doch das erwies sich als falsch. Mit Neugierde lauschte man ihren Schilderungen von der Schule und von den Festmählern und Festen, die der König ab und zu veranstaltete. Sie fühlte sich ein wenig schlecht, wenn sie von dem verschwenderischen Leben am Hof erzählte, wo die Rebellen doch glücklich in ihrer Einfachheit zu leben schienen. Aber es erwiderte niemand irgendetwas Abfälliges, nur geflüstert konnte sie die ablehnenden Kommentare hören, sonst herrschte Neugier und Wissensdurst. Warum sollten diese Elfen eigentlich so viel anders sein als sie selbst? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)