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A Tale of Sinnoh

von

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Geist und Drache

EWIGWALD
 

Es war ein Fehler gewesen, diesen Wald zu betreten.

Schon früh hatte Pandir diese Geschichten gehört, die sich die Alten seines Dorfes untereinander erzählten. Sie handelten von den Bewohnern des Ewigwaldes: Geist-Pokémon wie Zwirrlicht, Shuppet oder Nebulak. Man munkelte, dass sie mit Vorliebe junge Pokémon an einen unbekannten Ort verschleppen würden, um sich dort von ihrer Angst zu ernähren, bis diese sich buchstäblich zu Tode fürchteten. Ihre armen Seelen würden dann auf ewig in diesem Wald gefangen sein, woher der Wald auch seinen Namen bekommen hätte. Dass die nächstliegende Stadt „Ewigenau“ hieß, ließen die Meisten dabei außer Acht.

In seiner Kindheit hatte Pandir tatsächlich geglaubt, dass Geist-Pokémon existierten. Doch nun, da er herangewachsen war und kurz vor dem Abschluss an der Pokémon-Schule stand, kam er genauso wie die meisten seiner Freunde zu der Erkenntnis, dass es sich schlicht um Aberglauben handelte.

„Großvater Lahmus, wie oft soll ich es dir noch sagen? Es gibt keine Geist-Pokémon!“

Auch wenn das nicht ganz falsch war, war es auch nicht ganz richtig. Die Wahrheit war nämlich, dass es sie nicht mehr gab. Vor mehr als vier Jahrhunderten verbannten die Menschen sie in die Zerrwelt. In Pandirs Augen war das die einzige gute Tat, die die Menschen vollbracht haben. Nach allem, was er von ihnen erfahren hatte, sah er sie als grausame Unterdrücker, die die Pokémon einfingen und nur zu ihrem Vergnügen gegeneinander kämpfen ließen.

„Nicht alle wurden damals verbannt“, sagte Großvater Lahmus träge. „Einige weilen bis heute unter uns… Und wenn es dunkel wird, kommen sie aus ihrem Versteck!“

Großvater Lahmus war nicht wirklich Pandirs Großvater. Er wurde nur von allen Kindern des Dorfes wegen seines hohen Alters so genannt. Wenn Großvater Lahmus nicht gerade vor sich hin döste, erzählte er mit Vorliebe abenteuerliche Geschichten aus vergangenen Zeiten. Einige im Dorf hatten Angst vor ihm, aber nicht Pandir.

„Dann kann uns ja nichts passieren! Hypnomorba und ich wollen nur einen kleinen Spaziergang durch den Wald machen“, sagte Pandir. „Wir bleiben auch wirklich nicht lange.“

Hypnomorba war Pandirs neue Freundin. Viele seiner Freunde hatten anfangs die Nasen gerümpft, schließlich galt das Pokémon mit dem altmodischen schwarzen Kleid und der seltsamen Frisur als exzentrisch und unberechenbar. Doch Pandir ließ sich nicht beirren, und er bereute seine Entscheidung nicht. Er freute sich auf jede Minute, die er mit ihr verbringen konnte. An diesem Tag hatte er frei, und da hatte Hypnomorba vorgeschlagen, einen Ausflug in den Ewigwald zu machen. Pandir hatte sofort zugesagt, doch als der alte Lahmus davon erfuhr, versuchte er sofort, den Jungen von dem Vorhaben abzubringen.

„Aber vergiss‘ nicht, Geister sind sehr heimtückisch. Manchmal kommen sie auch am helllichten Tag. Und ihre Herrscherin, die Drachendame Giratina, kommt und geht, wann immer sie will. Ihr stört Tageslicht überhaupt nicht!“

Pandir lachte, winkte Großvater Lahmus zum Abschied zu und machte sich auf den Weg.

Wenn er doch nur auf seine Warnung gehört hätte…

Als Pandir und Hypnomorba den Wald betraten, war es ein sonniger Tag, und am Himmel keine einzige Wolke zu sehen gewesen. Doch schon wenige Minuten später zog der Himmel sich zu. Es wurde unangenehm kühl, und die Luft wurde stickig. Das Atmen fiel den beiden immer schwerer, als wären sie in eine zähe Flüssigkeit getaucht. Hypnomorba griff nach Pandirs Hand und drückte sie so fest, dass es schmerzte.

„Bitte lass uns umkehren“, sagte sie mit zaghafter Stimme.

Pandir nickte einfach nur, seine Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an, er brachte kein Wort mehr hervor. Und genau in dem Moment, wo sie sich umdrehten, passierte es: Pandir überkam ein Schwindelgefühl; ihm war, als hätte sich die Welt von einer Sekunde auf die nächste auf den Kopf gestellt. Alles hatte sich verändert, und der Wald war nicht mehr derselbe, den sie betreten hatten. Seltsame Kreaturen kamen zwischen den Bäumen hervor und umringten die beiden Jugendlichen, es waren mindestens zehn.

„Wa… was sind das für Wesen?“ hörte er Hypnomorba fragen.

„Ich bin Zwirrfinst, der Anführer der Zwirrlicht-Bande“, antwortete einer von ihnen. Es sah viel größer und kräftiger aus als die anderen. „Wir dienen unserer Herrin Giratina, und ihr seid in unser Reich eingedrungen!“

Endlich hatte Pandir seine Stimme wiedergefunden. „Bitte tut uns nichts“, flehte er. „Wir haben uns nur verlaufen. Wir wollten gar nicht hierher, bitte lasst uns gehen!“

„Ihr seid jetzt in der Zerrwelt“, fuhr Zwirrfinst fort. „Hier gelten die Regeln eurer Welt nicht. Wer herkommt, muss einen Preis zahlen, um wieder gehen zu dürfen: Einer von euch wird daher für immer hier bleiben, der andere darf gehen! Ihr dürft selbst entscheiden, wer hierbleibt.“

Während sich Hypnomorba zitternd an seiner Hand festklammerte, wurde Pandir plötzlich klar, was er zu tun hatte. Er musste Hypnomorba beschützen und sie vor den Geistern retten. Dafür war ihm kein Preis zu hoch. Plötzlich fiel seine ganze Angst von ihm ab. Er atmete tief durch, trat einen Schritt nach vorn und sagte mit entschlossener Stimme: „Lasst meine Freundin gehen, ich werde bleiben!“

„Nein, tu das nicht!“ schluchzte Hypnomorba.

„Es ist okay“, sagte Pandir. „Mir geschieht nichts…“

Gerade als Zwirrklop nach Pandir greifen wollte, blitzte es auf, und ein Donnergrollen ertönte. Vor der gesamten Gruppe war ein großes Pokémon wie aus dem Nichts erschienen. Es hatte einen grauen Körper aus sechs Segmenten, sechs schwarze, zerfledderte Flügel, die wie Klauen aussahen, und sechs goldgelbe Beine. Etwas Majestätisches und Furchteinflößendes ging von dem Wesen aus. Sofort verharrten alle Zwirrlicht auf der Stelle, sogar Zwirrfinst.

„Lady Giratina, meine Herrin“, sagte der Anführer ehrerbietig. „Was kann ich für Euch tun?“

„Ich will den Jungen nicht!“ sagte Giratina in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. „Bringt mir das Mädchen!“

„Wie Ihr wünscht, Herrin!“ sagte Zwirrfinst. Er ließ Pandir los und griff stattdessen nach Hypnomorba. Das Manipulator-Pokémon schrie und versuchte, sich zu wehren, während Pandir sie festhielt. Doch es nützte nichts. Sie entglitt ihm, er hörte noch einen Schrei, bevor er hinterrücks von einer heftigen Verfolgung-Attacke angegriffen wurde und zu Boden fiel.

Pandir sprang zurück auf die Beine, doch in den wenigen Sekunden hatte sich die Welt zurück gewandelt. Er war wieder zurück, die Sonne stand hoch am Himmel, die Luft war klar und warm, und irgendwo sang ein Schwalbini sein fröhliches Lied. Panisch rannte Pandir mehrmals den Waldweg auf und ab, in der Hoffnung, noch einmal in die Zerrwelt zu gelangen, um seine geliebte Hypnomorba zurückholen zu können. Doch wie auf immer sie eben dorthin geraten sind, die Zugangsmöglichkeit war verschwunden. Pandir fiel schließlich zu Boden, er war zu erschöpft, um aufzustehen. Immer wieder rief er den Namen seiner Freundin, bis seine Rufe zu einem heiseren Krächzen wurde. Doch er blieb ungehört.



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