Die Trauerweide von Gurgi ================================================================================ Kapitel 23: Onones Segen ------------------------ Onones Segen Zaghaft begannen ihre Augenlider zu flattern, nur langsam löste sich ihr Geist aus der Welt der Träume, kehrte vorsichtig in die reale Welt zurück. Ihr Körper regte sich, ruhig und entspannt entstieg ihr Atem ihrer Kehle, sie lächelte leicht, als sie die weichen Decken unter sich spürte. Ein seltsames, ihr bis dahin unbekanntes Gefühl bemächtigte sich ihres Körpers. Geborgenheit, Freude, fühlte es sich so an? Sie wusste es nicht, kannte diese Gefühle nicht gut, hatte sie nur wenige Male erlebt, als das sie mit Sicherheit sagen könnte, dass sie sich so anfühlten. Müde schlug sie ihre Augen auf, goldene Sonnenstrahlen tanzten durch den kleinen Raum, verschlafen streckte sie ihre Hand aus, das Lächeln auf ihrem Gesicht erhellte sich, als die jungen Strahlen der Sonne ihre Haut trafen. Es war ein seltsames Gefühl plötzlich hier zu sein, war ihre Suche nun wirklich zu ende? Hatte sie endlich einen Platz gefunden, an welchem ihr rastloser Geist ruhen durfte, eine Heimat finden würde? Sie hoffte es, wünschte es mit jeder Faser ihres Körpers, dass dieser Traum, welcher so lange unerfüllt geblieben war, nun ins Licht treten würde. "Jeder Mensch verdient es glücklich zu werden, auf jeden wartet irgendwo eine Heimat. Glaub mir, Ryan. Auch auf dich wird jemand warten, jemand, der dir endlich das gibt, wonach du so sehr suchst. Auch für dich gibt es einen Platz, und wenn du ihn gefunden hast, halte ihn fest..." Deutlich hallten die Worte Widos in Ryans Geist wider, sie erinnert sich so genau an diesen Satz, dass der Schmerz über den Verlust ihres Freundes sie erneut niederrang. Sie seufzte leise, erinnerte sich an die vielen glücklichen Stunden, an die väterliche Wärme, welche ihr Freund ihr immer gegeben hatte, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Seufzend starrte sie die Decke des Raumes an, viel war passiert, es war schon fast zu unwirklich, als das ihr Geist all diese neuen Umstände klar erfassen konnte. Doch, war das nicht in dieser Situation bedeutungslos? All der Schmerz, die Angst und Schuld war plötzlich nicht mehr von Bedeutung. Früher hatte sie sich nie um die Zukunft oder die Vergangenheit geschert, alles, was geschehen war, konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden, und alles, was sie noch tun würde, war im Dunkeln verborgen gewesen. Doch nun dachte sie plötzlich über all diese Abschnitte nach, nun hatte auch sie eine vollständige Vergangenheit. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich als ganzes, nicht als zerrissene Bruchstücke eines Bildes, sondern als vervollständigt. Und auch zum ersten Mal hatte sie keine Angst vor der Zukunft, sie freute sich auf den nächsten Morgen, überlegte, was er ihr bringen würde, diese Gefühle der Angst und der Dunkelheit waren wie fortgespült. Erneut lächelte Ryan, schloss ihre Augen, sog diesen besondern Duft, welcher durch den Raum strömte, tief in ihre Lungen ein. Bewahrte ihn tief in sich auf, wollte ihn nie wieder missen, es war ihr Duft. Wie sehr hatte sich Ryan nach ihm gesehnt, nach diesem Duft, und nach dem bedingungslosen Verständnis in Ayeshas Augen. Niemals würde sie ihr wehtun, niemals würde sie dieses Mädchen verlassen. Sie hatte viel wieder gut zu machen, dass war ihr bewusst, doch dieses Mal tat sie es nicht, um die Wogen zu glätten, sondern weil sie es wollte. Weil sie dieses Mädchen liebte... Liebe, ein seltsames Wort. Sie hatte Wido und Teleri geliebt, ja, dass hatte sie wahrlich, doch in diesem Augenblick erschien ihr diese Liebe, welche sie nun empfand als tiefer und reiner. Nie zuvor hatte sie solche Gefühle in sich verspürt. Nun wusste sie, wie es sich anfühlte auch mit der Seele zu lieben, nicht nur mit dem Verstand... Ein leises Geräusch drang an Ryans Ohren, leicht drehte sie ihren Kopf, blickte in zwei grüne Augen und eine raue Zunge leckte ihr freudig über die Wange. "Loba", rief Ryan und zog die erschrockene Wölfin zu sich auf das Bett. Fest schlang sie ihre Arme um den struppigen Leb des Tieres, drückte ihn glücklich an sich. "Mein altes Mädchen", flüsterte Ryan und strich Loba sanft über ihr Fell. "Ich habe dich so vermisst, so vermisst..." Loba brummte leise als Antwort, barg ihr Gesicht dicht an Ryans Hals, atmete den Duft des Menschen tief ein. Das große Mädchen war zurückgekehrt, auch das Tier hatte diese Hoffnung aufgegeben gehabt, hatte sich damit abgefunden, dass ihre Herren nie wieder zurückkehren würden... Freude ließ die Augen der Wölfin erstrahlen, sie funkelten wie Sterne am nächtlichen Firmament. Sanft stupste Loba Ryan in ihre Halsbeuge und brummte entspannt, als Ryan sie sanft hinter ihren Ohren kraulte. "Ich bin stolz auf dich", flüsterte Ryan der Wölfin ins Ohr. "Du hast die beschützt, bist bei ihr geblieben, ich danke dir dafür, Loba. Ich danke dir so sehr..." Zärtlich umfing Ryan das Haupt des Tieres mit ihren Händen, blickte lange in die grünen Augen, lächelte und küsste flüchtig das struppige Fell. "Ich habe dich so vermisst, mein altes Mädchen. So vermisst..." "Sie hat dich auch sehr vermisst, dass haben wir beide." Erschrocken wandte Ryan ihren Kopf der Tür zu, ein zärtliches Lächeln schmückte ihr Gesicht. Wusste Ayesha eigentlich, wie wunderschön sie in ihren Augen war? Hatte sie eine Ahnung, was ihre pure Gegenwart tief in Ryan auslöste? Ahnte sie, welche Gefühle in Ryan aufbrachen? Schweigend starrte Ryan die Erscheinung vor sich an, prägte sich ihre Haltung, den Ausdruck in ihren Augen und ihre Mimik genau ein, als wollte sie diesen Moment für immer in ihrem Geist aufbewahren... Zögernd ging Ayesha auf Ryan zu, Unsicherheit ließ ihre Bewegungen fahrig wirken. Sie zitterte leicht, als sie sich stumm auf die Bettkante niederließ und Ryan lange musterte. Verändert erschien sie ihr, diese Dunkelheit und die Schuld, welche Ryans Gesichtszüge stets verdunkelt hatten, waren fort. Ihr Gesicht war weich, verletzlich und so wunderschön... Es erschien Ayesha fast so, als würde sie in das Gesicht eines völlig neuen Menschen blicken. Eines Menschen, der endlich erkannt hatte, dass auch er ein Recht darauf hatte geliebt zu werden und das tat sie, auch wenn Ryan womöglich nicht wusste wie sehr. Zitternd streckte sie ihre Hand nach der Ryans aus, umfing sie, hielt sie fest, wollte sie nie wieder los lassen, nie wieder... "Ayesha", leise drang Ryans Stimme durch Ayeshas Geist, zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen und sie hob den Kopf. "Warum sagst du nichts?" fragte Ryan, legte ihre freie Hand auf Ayeshas Wange, sah sie lange und durchdringend an. "Weil ich nicht weiß, was ich sagen soll", wisperte Ayesha als Antwort, schlang ihre Arme um Ryans Nacken, zog sie fest an sich. "Ich habe so lange gewartet...so lange. Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen, ich hatte solche Angst um dich, betete jeden Tag zu den Göttern, doch es war vergebens. Ich glaube immer noch, dass ich träume. Einen wunderschönen Traum, wie ich ihn so oft während den letzten Wochen träumte und ich fürchte mich davor, dass ich irgendwann aufwache..." Scheu senkte das Mädchen ihren Kopf, wich dem forschenden Blick Ryans aus. Sie spürte, wie sanfte Hände ihr einige verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht strichen, die Nähe und Wärme des anderen Körpers und sie zitterte erneut. "Siehst du", flüsterte Ryan ebenso leise. "Wäre das ein Traum, würdest du mich nicht fühlen. Es wäre unwirklich, fiktiv, dass ist es aber nicht, nicht mehr..." Vorsichtig hob sie den Kopf Ayeshas an, lächelte, es war ein warmes, ehrliches Lächeln, welches man so selten bei ihr sah. Leicht neigte sie ihren Kopf, berührte die zitternden Lippen des Mädchen mit den ihren, wollte sich selbst vergewissern, dass sie nicht mehr träumte. Lächelnd gaben sie sich wieder frei, fest verflochten sich ihre Finger ineinander, gaben sich Halt. Einen Halt, welchen beide gleichermaßen gesucht hatten. "Willst du es mir erzählen?" leise durchschnitt Ayeshas feine Stimme die Stille zwischen ihnen, nervös wich Ryan ihrem Blick aus. Es gab viel zu erzählen, sehr viel, doch an einiges wollte sie sich nicht mehr erinnern. Die Zeit in Katlars Gefangenschaft schien umgeben von Dunkelheit zu sein, tief hatte sie den Schmerz und das Leid in sich verschlossen und sie wollte diese Gefühle nicht erneut ins Licht treten lassen. Sie sorgte sich, dass die alte Wut in ihr aufbrechen würde, wenn sie sich zu erinnern begann. "Du musst es mir auch nicht erzählen, ich dachte nur, du möchtest vielleicht darüber reden." "Ich will es auch", erklärte Ryan ruhig und verstärkte den Druck um Ayeshas Hände noch mehr. "Aber ich weiß nicht, ob ich es jetzt schon kann. Es ist so viel passiert, vieles, was ich selbst erst einmal verstehen muss. Verzeih mir, ich werde es tun, bald, aber ich brauche dafür deine Hilfe, Ayesha." Flüchtig berührten Ayeshas Lippen ihre Stirn, in den Augen des Mädchens schien sich etwas zu regen, leicht runzelte Ryan die Stirn, versuchte zu deuten, an was Ayesha wohl dachte. "Du brauchst dich nicht länger zu fürchten, Ryan. Für Furcht haben wir keinen Grund mehr, keinen." Stumm nickte Ryan, wie gerne würde sie diesen Worten glauben schenken, wie sehr sehnte sie sich nach einem Ort, an welchen sie die Schatten der Vergangenheit nicht erreichen könnten. Hatte sie diesen Platz nun gefunden? Es wäre zu schön um wahr zu sein... "Vertraue mir", flüsterte Ayesha, umarmte sie von neuem, fest, sicher und strich ihr beruhigend durch ihr Haar. "Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht. Nie wieder sollen sie dich quälen, nie wieder wirst du fortlaufen müssen. Ich schwöre es dir, du bist jetzt sicher." Fest, wie eine Ertrinkende klammerte sich Ryan an Ayesha, sie wusste, dass diese Worte nicht der Realität entsprachen. Sie wusste, er würde nicht aufhören, genauso wenig, wie er es während der letzten Jahre getan hatte. Doch dieses Mal wollte sie an das Ende glauben. Dieses Mal wollte sie daran glauben, dass sich alles zum Guten wenden würde. Ja, dieses Mal besaß sie die Kraft daran zu glauben. Alles konnte gut werden, sie musste nur daran glauben. Alles konnte gut werden... Schwitzend und schnaufend rollte sich der wuchtige Körper von ihrem hinunter. Fest presste sie ihre Lippen aufeinander. Übelkeit stieg in ihr auf, als sein bitterer Geschmack ihre Zunge berührte. Grob glitten seine mächtigen Hände über ihren Körper, besitz ergreifend, packten sie ihrem Arm. "Ich wollte es so", dachte sie, wandte ihm den Rücken zu, presste ihr Gesicht in das verschwitzte Laken. "Ich wollte es so..." Stille erfüllte das kleine Zimmer, vereinzelte Lichtstrahlen fielen durch die zugezogenen Vorhänge. Draußen mochte ein schöner Tag sein. Wie lange hatte sie die Wärme der Sonne nicht mehr auf ihrer Haut gespürt? Wie lange war sie nicht mehr frei? Es mochten nur einige Wochen sein, doch für sie fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Immer noch vernahm sie seinen schnaufenden, zufriedenen Atem. Warum war er noch hier? Er hatte von ihr erhalten, wofür er zu zahlen bereit war, mehr musste und wollte sie nicht geben. Ihm stand diese Vertrautheit nicht zu, nicht dieser Frieden... Schmerzlich verzog sie ihr Gesicht, wann hatte sie zum letzten Mal diese Vertrautheit und diesen Frieden verspürt? Sie erinnerte sie daran, an das letzte Mal, als sie einem Menschen diesen Dienst ohne Bezahlung erwiesen hatte. Es war lange her... "Du bist eine wunderschöne Frau", flüsterte der Mann ihr zu, küsste sie auf ihre erhitzte Wange. Angewidert verkrampfte sich ihr Körper, in ihrem Magen brodelte es, Wut vibrierte jäh in ihren Nerven. Grob strichen seine Hände durch ihr Haar, über ihren Rücken und sie erhob sich schnell von dem Lager. "Dafür hast du nicht bezahlt", erklärte sie und ihre Stimme durchschnitt die Stille des Raumes wie eine blanke Klinge. Irritiert betrachtete der Mann sie, streckte eine Hand nach ihr aus, doch er griff ins Leere. "Na, na", lachte er leise und streckte sich. "Wer wird denn so kratzbürstig reagieren. Ich wollte nur nett zu dir sein, Mädchen. Außerdem hat es dir doch auch Spaß gemacht, dass habe ich gemerkt." Lächelnd schüttelte sie ihren Kopf, zog sich ihr Gewand über. Befreit atmete sie auf, der grobe Stoff ihres Kleides stärkte sie, ließ dieses Gefühl des Besitzens in ihr erlöschen. "So, meinst du, ja?" fragte sie amüsiert und ihre blauen Augen blitzten im fahlen Licht auf. "Ein Mann merkt so etwas", bekräftigte ihr Gegenüber mit Sicherheit in der Stimme. Er lächelte sie an, erhob sich seinerseits und trat zu ihr an das Fenster. "Komm schon, ich werde es auch niemanden erzählen. Ich weiß doch, dass dann euer Preis fällt, sobald ihr dafür kein Geld nehmt." Derb umfasste er ihren Nacken, zog ihr Gesicht nahe an das seine, sie roch seinen stickigen Atem, presste ihre Hände grob gegen seine Brust. "Wer hat gesagt, dass ich bei dir kein Geld nehmen würde? Ein zweites Mal könntest du dir mich nicht leisten", versetzte sie bissig. Abermals lachte er leise auf, zog ihr Gesicht näher an sich heran. "Und wer sagte, dass ich zahlen würde? Es schert sich doch niemand darum, was ich jetzt mit dir mache, es interessiert niemanden, Avatra..." "Nenn sie nie wieder so", zischte eine Stimme angriffslustig aus dem Hintergrund. Erschrocken wirbelte der Mann herum, ließ von ihr ab. In der offenen Tür lehnte ein junger Mann, seine Arme waren vor der Brust verschränkt und er musterte die Szene wütend. "Gibt es Probleme, Teleri?" fragte er und kam näher. "Wie man es nimmt, Pers", erwiderte sie. "Wir haben hier offensichtlich einen Besucher, der glaubt, er könne sich ein weiteres Mal etwas nehmen, ohne dafür zu bezahlen." Ein böses Grinsen legte sich um den Mund des jungen Mannes, sein Körper schien sich anzuspannen. "Ist das so?" fragte er den älteren vor sich und ballte seine Hand zu einer Faust. "Weißt du nicht, wen du vor dir hast, Bursche", zischte der Angesprochene aufgebracht. "Wem willst du mehr glauben schenken? Einem ehrbaren Mann oder dieser Avatra dort?" Leicht legte Pers seinen Kopf schief, fing aus den Augenwinkeln den Blick Teleris auf und schüttelte dann kaum merklich seinen Kopf. "Also, wenn das so ist", begann er und trat lächelnd noch näher an den Mann heran. "Dann muss ich darüber eigentlich gar nicht lange nachdenken." Brutal packte er den älteren in seinem Nacken, versetzte ihm einen Schlag in die Magengrube und ließ ihn keuchend gen Boden sinken. "Ich glaube, hoher Herr. Wir unterhalten uns lieber vor der Tür weiter." Er zwinkerte Teleri kurz zu, packte den schreienden Mann an seinen Haaren und zog ihn mit sich. Laut fiel hinter den beiden Männern die Tür ins Schloss. Seufzend ließ sich Teleri auf das Bett sinken, zitternd strich sie sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie war es bereits gewohnt, dass diese Männer glaubten, sie wäre nichts wert und sie könnten über sie verfügen, wie es ihnen beliebte. Doch jedes Mal, wenn es geschah, fühlte sie, wie eine nie gekannte Traurigkeit in ihr aufstieg. Sie wusste, dass sie sich für dieses Leben entschieden hatte, sie wusste um die Schattenseiten, doch sie hatte nicht gewusst, wie häufig sie von nun an im Dunkeln wandeln würde. Ihr Hals schmerzte und sie glaubte noch immer die Hände ihres letzen Besuchers auf ihrer Haut zu fühlen, schmutzig fühlte sie sich, doch es war eine Art von Schmutzt, welchen man nie fortspülen konnte. Zitternd tasteten sich ihre Finger an den breiten Lederriemen, der sich um ihren Hals wandte. Grob fühlte er sich an, jeder konnte sehen, was sie war, immer sein würde. Sie schluchzte leise. "An das Ding wirst du dich nie gewöhnen", hörte sie eine vertraute Stimme sagen. Leicht drehte sie ihren Kopf, blickte in die schelmischen, braunen Augen von Pers. Er lächelte sie freundlich an, legte ihre eine Hand auf die Schulter und hielt ihr einen Becher mit roter Flüssigkeit hin. "Hier, ich habe dir etwas von unten mitgebracht." "Danke, aber das wäre nicht nötig gewesen", erwiderte Teleri, nahm ihm den Becher aus der Hand und lächelte bitter. "Nun, ich dachte, du wolltest vielleicht diesen Geschmack aus deinem Mund vertreiben, jedenfalls tun es so die anderen Mädchen", erklärte er und ließ sich neben ihr nieder. Stumm nickte Teleri, trank einen Schluck, wie froh war sie, in diesem Mann einen Freund gefunden zu haben. Einen Menschen, der ihr keine Fragen stellte, sondern einfach mit ihr sprach. "Was hast du mit unserem Gast gemacht, Pers?" Ein leises Lachen erfüllte den Raum, vertrieb die Schatten der Ereignisse und zauberte selbst auf das erstarrte Gesicht Teleris ein leichtes Schmunzeln. "Was soll ich mit dem Kerl schon gemacht haben? Ich habe ihn raus geworfen, nackt wie er war. Mal schauen, wie weit er kommt." Forschend blickte Pers die junge Frau an, ihm war schon damals, als er sie das erste Mal sah, aufgefallen, wie viel Traurigkeit in ihren Augen ein zu Hause gefunden hatte. Sie sprach wenig, meist nur mit ihm, und selbst dann sprach sie nur über Dinge, welche nie viel über ihre eigentliche Person preisgaben. Sie erschien ihm als so unwirklich wie ein Traum, an welchen man sich nur bruchstückhaft erinnern konnte. "Danke, dass du mir mit dem Kerl geholfen hast", flüsterte Teleri und drückte sanft seinen Arm. "Ich glaube, ohne dich wäre ich nicht mit ihm fertig geworden." "Dafür bin ich doch schließlich hier. Ich bin dafür da solche Leute raus zu werfen, wenn sie euch bedrohen." "Ich weiß", abrupt erhob sich Teleri, trat zum Fenster und öffnete die dunklen Vorhänge. Warmes Sonnenlicht streichelte ihre Haut, genüsslich schloss sie ihre Augen, ließ diese Wärme tief in ihren Körper eintauchen, atmete befreit durch. Wie dunkel war nur ihr eigenes Leben geworden, voll quälender Erinnerungen, voll Leid. Wie dunkel war es seit, seit... "Teleri", kaum merklich drang die kräftige Stimme von Pers zu ihr hinüber, sie schüttelte leicht ihren Kopf. Sie wollte jetzt nicht daran denken, sie wollte es nicht mehr. Es gehörte vergangenen Tagen an, glücklichen Tagen. "Teleri", sagte erneut, doch dieses Mal bestimmter als zuvor. "Ich muss mit dir reden, es ist wichtig." "Und was hast du so wichtiges mit mir zu bereden?" fragte sie unwirsch, ihre Stimme hatte, ohne das sie es wollte, diesen leicht arroganten Tonfall bekommen. Eine Art zu sprechen, wie es nur hier tat. "Über etwas, das dir gewiss nicht gefallen wird", erklärte Pers mit Bedauern in der Stimme. Nachdenklich starrte er auf seine Hände, wie sollte er ihr alles bloß erklären? Wie erklärte man jemanden, dass er nicht mehr lange an diesem Platz weilen würde? Plötzlich spürte er eine sanfte Hand auf seiner Schulter, irritiert hob er seinen Kopf, blickte in blaue Augen, als er der Trauer in ihnen gewahr wurde, schwindelte es ihn. "Was ist denn, Pers?" hörte er ihre Stimme, sie zitterte leicht, fast so, als wüsste sie, dass er ihr eine schlechte Botschaft überbringen sollte. "Hadomar", begann Pers, doch seine Stimme hatte ihre Festigkeit verloren, rau und angespannt war sie nun. "Er hat...Er hat mir aufgetragen, dich zu benachrichtigen, du wirst uns heute noch verlassen. Du hast von heute an einen neuen Besitzer..." Fest umfing nun ihre Hand seine Schulter, beinahe, als würde sie einen Halt suchen, doch Pers wusste, dass er ihr diesen niemals bieten konnte. Niemals, auch wenn er es gerne tun würde. "Bitte sag das noch einmal", wisperte sie erschrocken. "Er hat wohl jemanden gefunden, der für dich einen guten Preis gezahlt hat. Du gehörst nicht mehr ihm..." "Das kann er nicht tun", schrie Teleri aufgebracht, Angst und Wut beherrschten ihr Denken, ließen ihre Glieder starr vor Schreck werden. "Er kann mich nicht einfach verkaufen, er hat dazu kein Recht..." "Du weißt so gut wie ich", fiel ihr Pers ins Wort, sprang auf, hielt ihre Hände fest mit den seinen umschlossen. "Er kann es tun, wir gehören ihm. Er kann mit uns machen, was er will. An dem Tag, an welchem er dir dieses Halsband umlegte, hast du ihm das Recht übereignet, über dich zu bestimmen. Es tut mir leid..." Tränen glitzerten in Teleris Augen, beschämt barg sie ihr Gesicht an Pers Brust, ergab sich, wie so oft in den letzten Wochen, ihrem Schmerz. "Es tut mir leid", flüsterte er abermals, strich ihr durch ihr Haar, hielt sie fest. Stumm lag sie in seinen Armen, klammerte sich an seinem Körper fest, als wäre er der letzte Halt, welchen sie finden konnte. Beruhigend wiegte er sie hin und her, fast so, als wolle er ein kleines Kind zum einschlafen bringen. "Wer weiß", sprach er schließlich nachdenklich. "Vielleicht ist es auch besser für dich..." "Was redest du da", schrie Teleri, stieß in von sich, in ihren Augen funkelten Unverständnis und Furcht. Langsam wich sie einen Schritt nach dem anderen zurück, schlang fest ihre Arme um ihren Oberkörper. "Warum sollte es besser für mich sein", wisperte sie so leise, dass Pers es kaum verstehen konnte. "Gefangen bin ich dennoch, ich kenne diesen Menschen nicht. Weiß nicht, was er mit mir vor hat, was er mir alles antun könnte. Hier bin ich wenigstens auf eine spürbare Weise geschützte, dort nicht..." Schluchzend wandte sich Teleri um, starrte aus dem Fenster hinaus, lautlos liefen ihr Tränen die Wangen hinab. "Ich wollte es so", dachte sie wehmütig und lächelte bitter. "Ich wollte es so..." "Teleri", bei der Erwähnung ihres Namens zuckte Teleri zusammen, doch sie drehte sich nicht um, ausdruckslos starrte sie in diesen wunderschönen Wintertag. "Was hat dich so verbittern lassen? Wer nahm dir den Glauben daran, dass es auch noch etwas Gutes in dieser Welt gibt?" Ein leises Lachen erfüllte den Raum, fest presste Pers seine Lippen aufeinander, als er die Melancholie in ihm vernahm. Sie war drückend, allgegenwärtig. "Die Liebe", hörte er dieses zerbrochene Wesen sprechen und er schluckte hart. "Liebe hat mich zerbrochen, Pers. Eine Liebe zu einem Menschen, welcher nie geliebt werden wollte, nicht länger von mir." "Und woher nimmst du die Erkenntnis, dass du nie wieder einen Menschen finden wirst, der dich liebt?" fragte Pers ebenso leise und legte ihr einen Arm um die Schulter. "Weil ich keinen anderen Menschen will", erwiderte Teleri, wischte sich die Tränen fort und versuchte zu lächeln. "Ich will niemanden anderen, ich will, ich will nur sie...Nur sie..." Stumm nickte Pers, zog Teleri in seine Arme und drückte ihren verspannten Körper fest an sich. Er verstand ihre Worte, besser vielleicht als jeder andere. Hatte nicht auch er aus diesem Grund den dunklen Weg eingeschlagen. Weil er vergessen wollte, nicht fähig war zu glauben, dass es auch andere Möglichkeiten gab? Nun wusste er, er hatte sich den leichtesten aller Wege ausgesucht. Er spürte, dass sich Teleri an ihn klammerte, er genoss dieses Gefühl, jedoch er wusste, es würde nicht lange währen. "Komm jetzt", sagte er ruhig und brachte etwas Abstand zwischen sie beide. "Ich bringe dich nach unten, dein Käufer ist schon da. Es tut mir leid, Teleri." Ein scheues Lächeln huschte über Teleris Antlitz, sie nickte leicht, nahm seine Hand in die ihre. Sie fühlte, wie Pers sacht zudrückte, als wolle er ihr Kraft geben und sie war ihm dankbar dafür. "Du brauchst dich nicht bei mir zu entschuldigen", erklärte sie ruhig und gefasst. "Ich habe mir diesen Weg ausgesucht. Ich wollte es so, Pers. Ich wollte es so." Verstehend nickte Pers, zog Teleri nahe an sich und ließ die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen. Zärtlich streichelten die goldenen Strahlen der Sonne die kahlen Zweige der Weiden. Sanft wiegten sie im Wind hin und her, leise spielte er ihnen sein Lied. Ein Lied, das schon so alt wie die Welt war, doch niemand sonst konnte es vernehmen, nur die Tiere und die Bäume hörten dieser Melodie zu. Genüsslich schloss Ryan ihre Augen, atmete die frische Luft tief in ihre Lungen ein, spürte die Wärme der Sonne auf ihrer Haut. Wie vollkommen war dieser Augenblick, ohne Angst, ohne Schuld und ohne Gefahr. Spärlich waren diese Augenblicke in ihrem Leben gewesen, nur kurze Passagen, welche ein zu geringes Gewicht besessen hatten, als das sie sich mit Freude daran erinnern konnte. Zaghaft zog sie den Körper Ayeshas näher an sich heran, hielt sie fest, lauschte ihrem Atem, lächelte glücklich. Sie wusste, sie hatte dieses Glück nicht verdient, nicht nach allem, was geschehen war. Jedoch, besaß nicht jeder Mensch ein Recht darauf, selbst wenn es nur ein geringer Bruchteil des Lebens war? Besaß nicht jeder das Recht auf einwenig Glück? Seufzend öffnete sie ihre Augen, blickte über den See hinweg... "Ich habe hier schon immer sehr viel Zeit verbracht", flüsterte Ayesha ihr zu, nahm Ryans Hände in ihre und lächelte schief. "Immer wenn ich besonders traurig war oder für mich sein wollte, kam ich hier her. Es ist mein Platz, der meinige und der meiner Mutter." "Es ist hier wunderschön", bestätigte Ryan und vergrub ihr Gesicht in Ayeshas Haaren. "Ich bin mir sicher, du hast gewiss viel von deiner Mutter." Ein leises, trauriges Seufzen entglitt aus Ayeshas Kehle. "Mein Vater sagt oft zu mir, dass ich ihn mit jedem Tag mehr an meine Mutter erinnere. Ich bedauere es, da ich nur die Erinnerungen meines Vaters an sie habe, keine eigenen." Schweigend nickte Ryan, verstärkte ihre Umarmung, wollte somit Ayesha zeigen, dass sie ähnlich empfand. Still verharrten sie so, jeder in seinen Gedanken versunken. Loba lief eilig um sie herum, bellte leise, wedelte freudig mit ihrem Schwanz, beinahe, als wolle sie zeigen, dass sie auch noch hier war. "Ich sehe dich schon, altes Mädchen", erklärte Ryan und lächelte der schwarzen Wölfin glücklich zu. "Sie hat dich doch so sehr vermisst, und jetzt kümmerst du dich kaum um sie." "Ich muss nun einmal Prioritäten setzen, und leider steht Loba im Moment da an zweiter Stelle." Scheu lächelte Ryan, küsste Ayesha auf ihre Wange und flüsterte leise: "Wie fühlt sich Glück an, Ayesha?" Irritiert hob Ayesha eine Augenbraue an, wandte Ryan ihr Gesicht zu, forschte in ihren Augen, ob sie diese Frage erst nehmen sollte oder nicht. "Ich weiß nicht, dieses Gefühl ist nicht dafür geschaffen, dass man es beschreiben sollte. Man muss es fühlen, aber ich glaube, ich spüre es jetzt in diesem Moment..." Kurz hielt Ayesha inne, legte ihre Hand auf Ryans Herz und sah sie eindringlich an. "Ich glaube, auch du spürst es jetzt oder täusche ich mich?" Lächelnd schüttelte Ryan ihren Kopf, zog das Gesicht des Mädchens nahe an das ihre und küsste sie sanft. "Nein, du täuschst dich nicht. Ich danke Onone, sie hat mir meinen Traum erfüllt." "Sie hat uns beiden unseren Traum erfüllt, Ryan. Endlich hat sie uns gehört, endlich..." Stimmengewirr erfüllte die Straße, Menschen liefen eilige durch die Gassen, Kinder liefen neben ihren Müttern her, lächelten sie aus glücklichen Gesichtern an. Wie unschuldig waren sie noch? Sie wussten noch nichts um das Leben, welches einem oft nur dunkle, schmerzvolle Fügungen zudachte. Sie wusste noch nichts von Leid und Schmerz. Wie beneidenswert waren sie um ihre Sorglosigkeit. Kurz kniff Teleri ihre Augen zusammen, bis sie sich an das helle Licht gewöhnt hatten. Wie lange war sie nicht mehr außerhalb ihres Raumes gewesen? Ihr war es nicht erlaubt gewesen auf die Straße zu treten, da Hadomar fürchtete, jemand könnte ihm sein Eigentum stehlen. Immer noch hielt sie die starke Hand Pers umklammert, wollte sie nicht los lassen, wollte ihren Freund nicht verlassen. Sie hörte ihn leise seufzen und wusste, dass er wie sie empfand. In ihm hatte sie einen treuen Freund gefunden, sie würde ihn vermissen. Argwöhnisch blickte sich Teleri nach allen Seiten um, doch sie entdeckte niemanden, der sich mit ihrer Vorstellung eines neuen Besitzers deckte. Die Gesichter, in welche sie blickte, waren wie das ihre. Getrübt von Sorgen, gejagt von der Angst was Morgen auf sie zu kommen würde... "Jetzt müssen wir uns wohl von einander verabschieden", bedauerte Pers und senkte seinen Blick. "Warum jetzt schon? Begleitest du mich nicht?" Ein flüchtiges, bitteres Lächeln schmückte Pers Gesicht und er schüttelte verneinend seinen Kopf. "Du weißt es doch, mir ist es nicht erlaubt mich weiter als zehn Schritte von dieser Tür zu entfernen. Du kennst die Regeln, Teleri." Kurz deutete er auf das Lederband, schloss sie dann in seine Arme, drückte sie fest an sich. "Lebwohl, Teleri. Versprich mir, dass du glücklich wirst, egal wie. Glaub mir, du gehörst hier nicht her, das Leben hat anderes mit dir vor. Sei dankbar dafür." Schluchzend erwiderte Teleri die tröstliche Umarmung, küsste Pers auf seine Wange, lächelte ihn an, doch dieses Mal war es ein ehrliches, warmes Lächeln, wie sie es nur wenigen Menschen schenkte. "Ich verspreche es dir, mein Freund", flüsterte sie ihm zu und strich ihm einige Haarsträhnen aus der Stirn. "Ich schwöre es..." "Geh nun, er wartet bei den Stählen auf dich. Ich bleibe hier, für den Fall, dass etwas passiert." Widerwillig löste sich Teleri aus seiner Umarmung, jeder Muskel in ihrem Körper verspannte sich, sie war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Langsam lief sie los, sie spürte die besorgten Blicke ihres Freundes in ihrem Rücken, doch sie hatte keine Wahl. Ein letztes Mal atmete sie tief durch, hob stolz ihren Kopf. Hell leuchtete ihr blondes Haar in der Wintersonne, ihr Gesicht war verschlossen, wie aus Stein gehauen, keine Gefühlsregung spielte sich in ihren Augen ab. Angst vor dem Unbekannten ließ sie zusammen zucken, doch sie lief weiter. Der Geruch von Stahl schlug ihr entgegen und sie rümpfte leicht die Nase. Hufgeklapper und das Wirren von Pferden empfing sie, unschlüssig blieb sie stehen, blickte sich um, doch sie entdeckte niemanden. Nur ein altes, müdes Pferd, welches an einem Pflock auf seinen Besitzer wartete. Eine kleine Gestalt erschien im Tor des Stahles und Teleri fixierte die gedrungene Person fest mit ihrem Blick. Ein breiter Filzhut bedeckte das Gesicht, die Kleidung war alt und abgerissen. Unwillkürlich fragte sie sich, ob das ihr neuer Herr sein sollte. Kaum merklich zuckte es spöttisch um ihre Mundwinkel. Jäh hob die Gestalt den Kopf, blickte sie aus dunkelbraunen Augen an. Stoßweise entglitt Teleris Atem ihrer Kehle, sie schwankte, stützte sich an einem Pfahl ab. Langsam kam die Gestalt auf sie zu, ausdruckslos schien das Gesicht zu sein, halb lag es noch im Schatten des breiten Hutes. "Das kann nicht sein", flüsterte Teleri zu sich selbst und schüttelte leicht ihren Kopf, versuchte dieses Gefühl abzuschütteln. Kalter Schweiß trat auf ihre Stirn, ihre Gedanken wurden wirr. Tausende von Fragen drängten sich ihr auf, doch sie wusste nicht, welche sie davon stellen sollte. Ein besorgter Blick musterte sie, sie spürte, wie sich eine Hand um ihren Oberarm legte, ihr Halt gab. "Ich hatte mit Verwunderung gerechnet", sagte die Gestalt belustigt und lachte leise. "Aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass du gleich in Ohnmacht fällst." "Was, was, was tust du hier?" stotterte Teleri und kämpfte um ihre Fassung. Immer noch leise lachend zog sich die Gestalt den Filzhut vom Kopf. Lange, langsam ergrauende Haare kamen zum Vorschein und ein liebevolles Lächeln schmückte den Mund. "Ich hole dich ab, nach was sieht es denn sonst aus, Teleri?" fragte Bara und schloss die verwirrte Frau in ihre Arme. Tränen der Erleichterung strömten Teleris Wangen hinab, fest presste sie sich an die ältere Frau und weinte in ihren Armen. "Du, du bist mein Käufer?" Zärtlich nahm Bara das Gesicht Teleris zwischen ihre Hände, wischte ihr die Tränen fort und nickte leicht. "Ja, ich habe mein letztes Geld für dich gegeben, mein Kind..." "Aber warum", schrie Teleri so laut, dass sich einige Arbeiter nach ihnen umdrehten. "Ich habe mich für dieses Leben entschieden, du weißt doch gar nicht, in welche Gefahr du dich bringst. Ich habe Ogronier gesehen und sie haben mich wieder erkannt. Du weißt nicht um die Gefahr." "Hörst du jetzt endlich mit diesem Unsinn auf", schrie Bara ebenso laut, in ihren braunen Augen flackerte Zorn. "Glaubst du, ich könnte mit ansehen, wie du in dein Unglück rennst? Wie irgendein Kerl dich womöglich quält? Nein, Teleri. Das kann und will ich nicht." "Aber warum", schluchzte Teleri und sank kraftlos auf den Boden nieder. Seufzend schüttelte Bara ihren Kopf, diese Frau verstand auch wirklich nichts. Bestimmt zog sie Teleri hoch, hob ihr Kinn an und blickte sie lange schweigend an. "An dem Morgen, an welchen du aufgebrochen warst, verspürte ich ein eigenartiges Gefühl. Ich habe es schon einmal verspürt, damals, als Wido ging und nicht mehr zurückkehrte. Ich wusste, ich würde dich nie wieder sehen, dass dir irgendwo etwas zustoßen würde. Diese Gewissheit ließ mich nicht mehr ruhig schlafen, ich schwor mir, dass ich dich finden und zurückholen würde", kurz hielt Bara inne, ließ ihre Hände sinken. "Es ist nun deine Entscheidung, was du nun tust. Ich habe dich zwar gekauft, dass ist richtig, aber nur, damit du nun wählen kannst. Entweder du kommst mit mir oder du gehst zurück und führst weiterhin ein Leben, welches dir eines Tages den Tod bringen wird. Entscheide dich Teleri, es liegt bei dir." Sprachlos starrte Teleri in Baras Augen, was war das in ihnen. War es Liebe? Blickte so eine Mutter ihre Tochter an? Immer noch versuchte ihr Geist die eben gesprochenen Worte zu realisieren, ihnen eine Wertigkeit zu geben. Kurz blickte sich Teleri um. An einem der Fenster des Hauses glaubte sie ein Gesicht zu erkennen, eine junge Frau blickte hinaus auf die Straße. Ihre Augen waren leer, kalt und leblos. Gezeichnet war sie, gezeichnet von diesem Leben in welchem es keine Liebe und kein Licht gab. Sie mochte einst gewählt haben, doch wie freiwillig war diese Wahl gewesen. Sie hatte damals keine andere Möglichkeit gehabt, als eine Avatra zu werden. Hatte sie Wido für solch ein Leben gerettet. Sie wusste, ihr Freund wäre unglücklich gewesen, könnte er sie nun sehen. "Teleri, bitte, komm mit mir", sagte Bara und ergriff eine ihrer Hände. "Ich könnte ein paar Hände gut gebrauchen, die mir helfen. Sowohl in meinem Haus, als auch bei Widos Geschäften. Komm mit mir, komm nach hause, mein Kind." Unentschlossen blickte Teleri auf ihre ineinander verflochtenen Finger hinab, sie hatte Angst. Angst, dass sie diese Frau mit sich reißen würde... "Und du bist dir ganz sicher, dass du mich bei dir haben willst?" fragte sie vorsichtig. Ein glückliches Lächeln ließ Baras Gesicht erstrahlen, fest schloss sie Teleri in ihre Arme. "Ja, ich will dich bei mir haben. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als das du mit mir kommst, meine Tochter." Bei den letzten Worten Baras traten erneut Tränen in Teleris Augen, sie lächelte und dieses Lächeln wirkte dieses Mal ehrlich und aufrichtig. "Dann lass uns nach hause gehen", sagte Teleri und küsste die ältere Frau sanft auf die Stirn. Bara nickte, löste sich aus Teleris Armen und löste die Zügel, welche das Pferd festhielten, von dem Pflock. Kurz warf sie Teleri einen Blick zu und gewahr, wie sie das Lederhalsband löste und es lange ansah. "Was ist das überhaupt für ein Ding?" fragte sie und trat neben die lächelnde Frau. "Das ist etwas, was ich nie wieder brauchen werde", erklärte Teleri, umfing eine Hand Baras mit der ihren und warf das Halsband weit von sich. Reglos blieb es auf der lehmigen Straße liegen und Teleri atmete befreit die kalte Winterluft in ihre Lungen. "Lass uns jetzt nach hause gehen, Bara. Ich werde dieses Ding nie wieder brauchen, nie wieder..." Nachwort: Hallo, ich hoffe, jemand hat sich durch diesen Teil der Geschichte gequält. Gleichzeitig möchte ich mich für die sehr lange Wartezeit entschuldigen. Hatte einige Probleme, dazu kam noch ein Urlaub etc. Hat sich alles gehäuft und somit hatte keine Zeit fürs Tippen. Ich hoffe trotzdem, dass dieses Kapitel dem einen oder anderen gefallen hat. Ich weiß nicht, aber ich glaube, ich wollt zu Beginn zwei Seiten zeigen. Zum einen Ryan und Ayesha und dann Teleri, welche nun wirklich nicht zu beneiden ist. Deshalb dachte ich mir, auch sie hat es verdient, dass sich jemand ihrer annimmt. Für Kritik bin ich mehr als offen, also, sollte euch etwas nicht gefallen haben, sagt es ruhig. Viele Kapitel werden es nicht mehr werden, aller höchstens noch drei plus Epilog. Bleibt mir diese Dauer noch gewogen. Danke, dass es jemand gelesen hat! © 2004 by seen Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)