Polity von Undine ================================================================================ Kapitel 1: Perfekter Tag ------------------------ »Ich bin so müde.« So unendlich kraftlose Worte, mehr gehaucht als gesprochen und große braune Augen dessen Lider halb geschlossen waren. Mir zog sich das Herz zusammen, doch äußerlich lächelte ich und nahm meine Schwester in eine Umarmung. Ich lauschte ihrem flachen Atmen, dem leisen Röcheln und fiel irgendwann in ein sanftes Summen. Ich wiegte ihren Körper, er war so dünn, so kalt und ein stetiger Kampf focht in mir. Ich wollte sie zwingen etwas zu essen, ich wollte sie anschreien, ihr Gewalt antun, doch ich verharrte still und genoss ihren frischen Geruch. »Gretchen, bitte.« Wie oft hatte ich ihr schon nahe gelegt etwas zu essen, sich zu stärken, damit wir gemeinsam dieser Welt entgegen treten konnten, doch ich stieß gegen eine sture Wand. »Gretchen«, jammerte ich. Ich neigte mich ihrem Gesicht zu, es war eingefallen, fahl und bar jeglicher Farbe. Langsam strich ich mich an ihr, meine Haut liebkoste die ihre und stille Tränen rannen meinem Gesicht hinab. Mein Gretchen, meine Schwester war sehr krank und mein Lohn reichte gerade so aus uns ein schäbiges Dach über dem Kopf zu bieten und billige Lebensmittel zu essen. Ich beneidete die Menschen, welche es sich leisten konnten richtiges Brot vom Bäcker zu kaufen, frischen Salat, Gurken und Tomaten oder gar Milch zu trinken, das war uns nicht möglich. Wir tranken Leitungswasser, aber nicht zuviel damit die Wasserrechnung nicht mein Budget sprengte, aßen ablaufende Lebensmittel, weißes Toastbrot und wenn es gut lief, kaufte ich eine Packung Magerine. Wenn es klappte, bestrich ich die Toastscheiben extra dick mit Magerine , zerschnitt sie in kleine Würfel und tunkte es in das unangenehm schmeckende Wasser. Dann folgte die eigentliche Arbeit, Gretchen musste die weichen Toastbrotwürfel essen, doch das Essen anreichen dauerte lange und oft war meine Arbeit vergebens, da sie es wieder erbrach. Nun war jedoch meine Arbeit schon lange sinnlos, Gretchen hatte ihr Hungergefühl komplett verloren und meine Worte verklangen in ihren Ohren. Ich fühlte mich so hilflos, auch wenn ich mit fünfundzwanzig Jahren schon mehr erlebt hatte als so manch anderer gut betuchter junger Mann. »Basti.« Ich spürte Gretchens erkaltende Hand, blickte in ihre leeren, braunen Augen und weinte bitterlich. Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurück halten und kuschelte mich immer wieder an ihre Hand, bis ich nichts mehr hörte. Keinen Atemzug. Kein Röcheln. Ich spürte nichts. Es würde keine Beerdigung geben. Das war das Fazit, denn meine mühsam abgesparten 200 Credits waren nicht ausreichend, damit Gretchen wenigstens einen würdevollen Abschied bekommen könnte. Jedoch konnte ich sie per Massenverbrennung den Flammen übergeben. Ich hatte jedoch kein Andenken an sie, keine Urne, keinen Sarg, kein Bild, nur meine bildlichen Erinnerungen im Kopf. Ich willigte ein, damit wäre ich dann 150 Credits los. Ich hatte mir das Geld gespart, in der Chance einen billigen Therapeuten zu finden, doch niemand nahm Klienten ohne einen Monatsnettoverdienst von 3000 Credits an. Jetzt gab ich also das letzte ersparte Geld aus, denn wenn ich ihren Leichnam nicht ordnungsgemäß entsorgen würde, konnte ich dafür im Gefängnis landen oder müsste 5000 Credits Strafe zahlen. So nahm man uns gering verdienenden noch die letzten Münzen aus der Hand. Ich blickte zu, als sie mit etlichen weiteren Leichnamen verbrannt wurde. Es roch bestialisch scharf in der Nase, die Gegend war in einem grauen Nebel versunken, überall war Tot und Verwesung in der Luft. Als ich mich auf den Weg nach Hause begab, beobachtete ich die Menschen welche an mir vorbei zogen. Unglaublich viele schliefen auf der Straße, bettelten und rochen nach Alkohol. Das billigste Nahrungsmittel war Bier, es kostete sogar weniger als Wasser oder Toastbrot. Es vernebelte den Verstand und machte satt, auf seine Weise. Bisher konnte ich mich den ganzen negativen Dingen entziehen, doch es würde nur eine Frage der Zeit sein bis es auch mich erwischte. Ich verdiente auch jetzt nicht genug um gut zu Leben. Meine 900 Credits reichten für die zwanzig Quadratmeterwohnung von sechshundertfünfzig Credits, dann musste ich noch Wasser, Strom und – die Heizung hatte ich mittlerweile abgestellt. Es gab natürlich bessere Jobs um sich über Wasser zu halten, aber die meisten gaben noch weniger Geld oder man kam überhaupt nicht heran, da einem das nötige Vitamin B fehlte. Ich blieb vor einer grellen Leuchtreklame stehen, die warb für schnelle und zahme Jungs. Ich betrachtete die Männer, welche kaum älter als ich waren. Nur wenige Meter weiter betrat ich meine Arbeitsstelle. Ich hatte Glück gehabt. Unsere Jungs waren freiwillig hier, hatten ausreichend Erfahrung und der Laden lief gut, wirklich sehr gut. Ich trat durch die lärmende Hintertür, grüßte ein paar der Angestellten, flüchtete dann jedoch schnell weiter um in mein Büro zu kommen. Ich hatte es nicht fertig gebracht, selbst für Gretchen nicht. Ich bewunderte all die Männer, die es schafften ihren Körper an die Kunden zu verkaufen. Ihre Devise hatte mich stark beeindruckt, denn es waren lediglich Körper, ihre Waffen und Instrumente, nicht sich selbst brachten sie ins Spiel. Dieser Laden war eine Illusion für zahlungswillige Kunden die einen Striptease oder einen guten Fick wollten. Einmal mehr dankte ich meinen Eltern dass sie mir ermöglicht hatten auf die Handelsschule zu gehen. Langsam fuhr sich der alte PC nach oben, ich tippte das Passwort ein und versuchte die traurigen Gedanken beiseite zu schieben. Während ich eine Bilanz für diesen Monat schrieb, überkamen mich erneut Tränen, Gretchen und unsere Eltern, sie fehlten mir so herzlich. Ich konnte nicht an mir halten, ich ließ von meiner Arbeit ab und weinte jämmerlich. Dabei hatte ich nicht bemerkt das meine Tür geöffnet worden war und einige der Angestellten mein Büro betraten. Erst als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte, sah ich auf. Natürlich war es mir unangenehm, doch in diesem Moment war der Schmerz und die Trauer zu groß. »Gretchen?«, es war Jo, ein großer schwarzer Stripper der mich mit einem mitleidsvollen Blick bedachte. Ich nickte leicht und versteckte mich dann wieder hinter den Händen. »Wieso gehst du dann nicht in Urlaub? Das kann jeder verstehen.« Zustimmendes Gemurmel. Das gab mir Zeit mich zu sammeln. Ich erhob mich wieder, wischte die letzten Tränen ab und setzte ein grässliches Lächeln auf. »Weil dann der Laden nicht laufen würde«, erwiderte ich schlicht. Ich unterband aufkeimende Gespräche um meine Schwester und ging meiner Arbeit so gut nach wie ich konnte. Ich teilte die Pläne für eine Spät- und Nachtschicht ein, zahlte Extralohn aus und kapselte mich und meine Gefühle ganz ab. Die Stunden vergingen und ich vergaß was heute geschehen war, bis die Erinnerung umso härter zurück kam und mich fast umwarf. Ich hatte mein heutiges Arbeitspensum geschafft, verließ mein Büro und schloss es ab. Wichtige Papiere händigte ich meinem Chef aus und verfolgte dann die Show. »Hey, Sebastian«, ich drehte mich ob der Stimme um. »Ein Kunde hat nach dir gefragt. Er ist ziemlich hartnäckig. Seid er dich einmal gesehen hat geht er uns auf die Nüsse.« Ein ungutes Gefühl beschlich mich und ich rückte meine streng wirkende Brille zurecht. »Ach ja? Weiß er denn nicht das ich nur der Buchhalter bin?« Anscheinend nicht, denn Erik bettelte mich an heute eine weitere Ausnahme zu machen, schließlich würde dann der Gast, der jeden Monat einmal erschien und nur nach mir fragte endlich ruhe geben. Hatte ich erwartet dass man mich mit Samthandschuhen anfasst? Ich selbst hatte die Gespräche um Gretchen im Keim erstickt und ich wollte meine Arbeit nicht verlieren, also willigte ich dieses eine Mal ein. Ganz genau war mir nicht klar was mich da ritt, aber wahrscheinlich war es ein Mix aus Trotz, Verzweiflung und Trauer dass mich dazu anstachelte etwas derartiges zu tun. Der Kunde war in einem Extraraum untergebracht der eigentlich nur VIPs vorbehalten war, also musste er nicht schlecht begütert sein. Als ich damals getanzt hatte, war mir niemand sonderlich aufgefallen, ich hatte einfach nur getan was mir alle geraten hatten, anscheinend war ich jedoch nicht schlecht gewesen. Erik hatte mir begrifflich gemacht dass es anscheinend einige Faktoren gegeben hatte, zum einen wirkte ich nicht wie ein kleiner Twink, sondern war selbstbewusst auf die Bühne getreten. Niemand hatte von meinem rasendem Herz gewusst, noch meinen schlotternden Beinen, alle sahen nur einen ein Meter achtzig großen Buchhalter, der allgemein sehr nüchtern und strebsam wirkte. Privates blieb privat. Sie hatten nur das wichtigste über Gretchen erfahren. Ich trat in den Raum. Ich hatte mein Outfit nicht gewechselt, trug noch immer einen billigen Anzug, meine Krawatte war schief gebunden und die blonden Haare waren aufgrund des katastrophalen Tages komplett zerzaust. Als ich ihn erblickte, lächelte ich einladend, als wäre es mir eine Freude ihn zu bedienen, obwohl es mich kalt ließ. Ich verstand das laszive Spiel nicht, ich mochte zusehen, spiegelte es, aber es war nie mehr als ein Schauspiel. Dieses eine Mal und auch jetzt. Deswegen wunderte es mich, dass es einen Kunden gab der erpicht darauf schien besonders mich zu bekommen. Meine grünen Augen trafen auf seine amberfarbenen und ich begab mich zur Stange. Langsam beugte ich mich hinab, es widerstrebte mir eigentlich Kunden nahe zu kommen, doch er war ein Sonderfall und wenn ich ehrlich war, gefiel er mir. Dafür dass er den Club jetzt seid Monaten 'gestalkt' und um meine Anwesenheit gebeten hatte, wirkte er seltsam gefasst, als würde er sich gar nicht über mich freuen. Ein schlechter Scherz? An diesem Tag? »Was kann ich für dich tun?« Warum wirkte er so ruhig, so berechnend und gar nicht erfreut mich zu sehen? Ich musste mich zusammenreißen nicht einfach von dem Kunde abzuhauen. Dann öffnete die Tür sich ein weiteres Mal und es kostete mich eine Menge Selbstbeherrschung das eben Gedachte nicht wirklich in die Tat umzusetzen. Wenigstens hatte ich zuletzt schon in meinem Anzug getanzt, es war aus einer Notlösung heraus entstanden, war aber ganz gut angekommen. Deswegen schämte ich mich ob meines Anzuges nicht, erst recht nicht als ich die Gestalten erkannte die diesen Raum betraten. Es war, als würden ihre Gesichter pure Macht ausstrahlen, ihre Anzüge waren teuer, bestimmt die edelsten Marken der Stadt. Unwillkürlich verkrampfte ich mich. »Es freut mich dich zu sehen, Bastian. Ist eine Weile her.« Er trug einen schwarzen Anzug, hatte braune Haare und lächelte süffisant. Marc, einer der Drogendealer der Stadt und Oberwichser meiner Schwester. Ich erhob mich, eine Hand an der Stange, die andere hing schlaff hinab. Ich wollte ihn nicht provozieren und vermutete dass dies nicht das Arrangement war, das meinen Leuten vorgeschwebt hatte. Oder doch? Nur mühsam schluckte ich meine Angst hinunter. Bevor ich etwas erwidern konnte, erhob sich der Gast vor meinen Füßen. Erstaunt begriff ich, dass die beiden anscheinend nicht miteinander verabredet waren und Marc rein 'zufällig' von der Session erfahren hatte. Doch es war schnell klar wer hier das sagen hatte, ein kurzer Blick, ein kleines Wort und Marc nahm seine Kumpanen mit sich. Nicht mal ein Blick wurde mir gewürdigt. Ich betete innerlich das er die Jungs in dem Club am Leben ließ, auch wenn es erst wenige Augenblicke her war dass er bei mir zugegen war. Mein Gast kehrte zurück, musterte mich von oben bis unten und reichte mir dann seine Hand. Ich zögerte, ergriff sie dann und ließ mich mitziehen. »Georg.« Leise gemurmelte Worte, himmelblaue Augen und wirklich hellblonde, von der Sonne geküsste Haare. Er war vielleicht Anfang dreißig und hatte nicht das Gesicht eines Models, doch erschien er mir wie ein typisches Charaktergesicht, mit ausgeprägten Wangenknochen, einer etwas zu großen Adlernase und diesen unglaublich ausdrucksstarken Augen. »Danke.« Ich meinte es ernst und war verwirrt. Eigentlich sollte Tanzen, bisschen den Kunden ruhig stimmen, dann Feierabend machen und nach Hause, in meine verlassende, kalte Wohnung gehen meinen Tag heute ausmachen. Ich hasste Chaos und der heute war es einfach nur grauenvoll gewesen. Das Lächeln auf den Lippen kam mir abhanden und zeigte den mürrischen Sebastian. »Es tut mir Leid«, ich zitterte leicht. »Normalerweise werden unsere Kunden in den Privaträumen nicht gestört, bitte entschuldigen sie dies. Wenn es in Ordnung ist, würde ich weiter machen.« Georg, ob er nun wirklich nun so hieß oder nicht, blieb seltsam still. Er war gut zwei Köpfe größer als ich und während ich wartend vor ihm stand, wurde mir seine Größe immer mehr bewusst. Doch ich hatte es schon mit schlimmeren zu tun gehabt, so wartete ich geduldig, bis er sich endlich regte. »Ich lad dich zum Essen ein. Dann reden wir in Ruhe und lernen uns so besser kennen.« Was? Wieso das denn? Das brachte mich derart aus der Fassung das ich einige Male blinzeln musste, bis ich mich fasste und kein Wort hervor brachte. »Du arbeitest ab nächster Woche für mich, in meinem Büro. Ich hab das alles schon mit Willy abgesprochen, dafür nimmt er einen meiner alten Sekretäre zu sich.« Ich ließ es zu das er mir eine Strähne hellen Haares nach hinten schob. Auch sagte ich nichts als wir den Raum verließen. Als er mir seinen gesamten Namen nannte, sackte alles nach unten, beinahe auch meine Beine. »Georg Johann von Goteborg..« Der Rest seiner Worte verklang als er mich zum Büro meines Bosses führte. Eigentlich war es sein Büro, denn auch wenn es eben unwirklich klang, Georg war der verdammte große Chef von allem. Das war absolut grauenvoll. Denn ich kannte zwar seinen Namen, wusste aber bis dato nicht welche Person dahinter stand. Auch die anderen hatten es nicht gewusst, sonst hätten sie längst etwas gesagt. Ich rieb mir das Nasenbein um die aufkeimenden Kopfschmerzen zu vertreiben, doch es brachte nichts und die Hölle brach herein, während die Schmerzen immer stärker wurden. Das taten sie in letzter Zeit, doch mir fehlte das nötige Geld, noch die Muse mich checken zu lassen. »Hey, Sebastian. Hörst du uns zu?« Ich blickte erschrocken und peinlich berührt auf, dann nickte ich sachte. »Es tut mir Leid, es war ein schrecklicher Tag, ich würde gerne Schluss machen für heute.« Mein Chef nickte, schließlich wusste er um Gretchen, ich war schließlich 1 Stunde zu spät gekommen und das tat ich sonst nie. Man händigte mir meine Kündigung aus. So einfach war es, mein alter Chef gab mich ab an meinen neuen, an Georg. Erneut wurde ich von zwei blauen Augen gemustert, dann nahm ich den neuen Vertrag entgegen, verabschiedete mich und verließ den Club. Ich sagte niemanden Lebewohl, noch gab ich Auskunft wohin ich ging. Ich verließ das Gebäude, es war mitten in der Nacht und meine Hände zitterten. Ich zitterte am ganzen Körper. Kaum zu fassen das in so wenigen Stunden soviele Dinge passieren konnten. Mit dem Rücken presste ich mich an die Mauer und ließ mich fallen. Das Zittern erfasste nun meinen gesamten Körper und so schloss ich meine Augen und ließ den Tränen freien Lauf. Das Lärmen der Menschen war nur noch halb so laut in der Hintergasse wo ich war. Ein paar tiefe Atemzüge, gefolgt von tiefer Verzweiflung die mich befiel. Ich blickte gen Himmel, der durch die Laternen nur noch halb so dunkel erschien. Gretchen war heute gestorben, sie hatte ihren letzten Atemzug getan und alles war so schnell gegangen, nur ein paar Stunden später war sie schon nicht mehr als Asche gewesen. Weitere Tränen liefen meinem Gesicht hinab. Wenn ich jetzt nach Hause gehen würde, wäre ich ganz alleine. Es war so sinnlos. Dann die dämliche Session, die sich als, ich hatte keine Ahnung was es war entpuppt hatte und nun hatte ich meine Kündigung in der Hand und einen neuen Arbeitsvertrag. Es lag an mir zu tun was ich wollte, doch ich war auf den Job angewiesen Im Licht der Laterne und mit einem kurzem Besuch meines ehemaligen Arbeitskollegen, der noch nichts von seinem Glück wusste, las ich den neuen Arbeitsertrag. Als ich die Urlaubstage und den Lohn las setzte mein Herz einen Satz aus. Auch graute es mir um die Bedingungen, denn sie waren sehr scharf und treffend formuliert worden. Ein Schatten fiel auf die Blätter und ich blickte auf. Erneut wurde mir eine Hand hingehalten und nach kurzem Zögern ergriff ich sie. »Sachse hat mir kurz erzählt weshalb sie heute so anders erscheinen. Es tut mir Leid um ihren Verlust.« Ich erblickte ehrliches Bedauern in den Augen. »Hätte ich eher um diesen Umstand gewusst, hätte ich nicht heute um die Aufhebung gebeten.« Er machte eine Pause und wartete auf meine Worte. Ich rückte meine Brille zurecht und räusperte mich kurz bevor ich sprach. »Aufgehoben, nicht aufgeschoben. Es ist nichts zu ändern an meiner Situation.« Vielleicht hätte ich etwas freundlicher sein können, aber er wollte mich als Arbeitskraft und es störte mich nicht im geringsten das ich unfreundlich erschien. Georg nickte. »Natürlich haben sie recht. Ich würde mich dennoch freuen wenn sie mir heute bei einem Essen Gesellschaft leisten könnten und sich zeitnah entscheiden.« Da sprach der eiskalte Geschäftsmann aus ihm, aber mir waren im eigentlichen Sinne sowieso die Hände gebunden. Das Geld war hoch, sehr hoch und es ärgerte mich das er mich nicht eher abgeworben hatte, dann hätte ich vielleicht Gretchen helfen können. Meine Miene verhärtete sich, während ich unterkühlt sprach: »Wohin gehen wir?« Georg lächelte. »Ins 'Barrys'.« Ich nickte und folgte ihm erneut durch den Club. Dann kam mir ein drängender Gedanke. »Sagen sie mir weshalb sie ausgerechnet mich genommen haben?« Warum ich? Die Frage rotierte seid Monaten in meinem Kopf. Kapitel 2: 2 ------------ Das Murmeln der Menschen wurde zu einem stetigen Rauschen im Hintergrund. Kühles Wasser rann meiner Kehle hinunter, es war so wohlschmeckend, prickelte so angenehm auf Zunge, - fast hatte ich dieses Gefühl vergessen. Ich konzentrierte mich auf meine Mahlzeit, eine leichte Suppe. Ich war nicht an derart schwere Gerichte gewöhnt, noch an gesunde, natürliche Dinge, so aß ich meine Tomatencremesuppe langsam und mit viel Genuss. Ich spürte förmlich wie meine Geschmacksknospen explodierten, wie ein halber Orgasmus schmeckte diese Suppe. Gleichzeitig wurde mir bewusst dass ich mir diese Mahlzeit nur leisten konnte weil er mir das Essen ausgab, praktisch auf unser neues Arbeitsverhältnis. Was für eine Verschwendung musste es sein wenn nicht alle verarbeiteten Zutaten im Müll landeten. Meine Gedanken schweiften immer wieder ab, bis ich irgendwann seinen Worten bewusst folgte. »Die Politik ist ein breites Spektrum und ist natürlich mit der Wirtschaft eng verbunden« Ich blickte auf, direkt in seine einnehmenden Augen. Ich nickte, sprach jedoch kein Wort und er setzte seinen Monolog fort. »Du hast herausragende Arbeit geleistet. Du hast den Club innerhalb von 3 Jahren aus dem Ruin gezogen und ihn zum beliebtesten Club für die Szene gemacht.« Wohlwollende Worte verpackt in einem seichten Lächeln. Ich nahm die Serviette, betupfte meine Mundwinkel und ließ mir mehr Zeit als erst beabsichtigt. »Vielen Dank für ihre Worte, doch es waren alle beteiligt gewesen.« Ich schob die Suppe weg, vielleicht noch ein Löffel, mehr nicht, dann wäre der Teller leer, aber ich erinnerte mich das in einem teuren Restaurant es als unschicklich galt den Teller bis auf den letzten Tropfen zu leeren. Mir war warm. Ich schwitzte, dennoch bemühte ich mich um eine kühle Fassade, es wäre unangenehm zu Wissen das er meine Furcht und Unsicherheit sah. Ich hatte das Gefühl jeder hatte meinen billigen Anzug sofort bemerkt, oder aber das ich aus der Unterschicht kam. Ich fühlte mich wie ein Fremder in einer anderen Kultur, trotz das wir in einer Stadt, in einem Land lebten. Georg indes nippte am Wein und schien nun nachdenklicher. Vielleicht hatte er sich das ganze mit mir einfacher vorgestellt, doch die Genugtuung würde ich ihm nicht geben. Ich hasste Stress den ich nicht beeinflussen konnte, ich brauchte meine eigene kleine Befehlsgewalt, die neue Arbeit würde eine neue Herausforderung sein, der nervige war jedoch das ich noch nicht wusste wie diese aussehen würde, noch kannte ich meine Mitkollegen. Ich musste aufgestöhnt haben, denn er blickte mich besorgt an. Ernsthaft? »Sollte ihnen mein Angebot derart unangemessen sein, möchte ich mich natürlich entschuldigen.« Shit. Ich verneinte. So ein Arsch. »Das ist nicht der Fall, nur sie wissen um meine Situation, es ist momentan alles noch ein kleines Chaos, - aber – ich denke ich werde ihr Angebot annehmen.« Damit war es heraus und er konnte sein schmieriges Grinsen kaum verbergen, ich hatte jedoch bekommen was ich wollte. Er hatte eine Stunde lang zappeln müssen, während ich gegessen hatte und er sprechen musste, da ich so Wortkarg war. Wenn er wirklich meine Person haben wollte, so wollte ich wenigstens ein paar Spielregeln bestimmen, der Tag war so schon grauenvoll. »Wann soll ich anfangen?«, sprach ich. Georg lachte, als hätte ich einen leichten Witz erzählt. »So auf die Arbeit fixiert Sebastian? Das sehe ich natürlich gerne. Nun zuallererst müssen wir die IDs austauschen.« Ich nahm meinen SmartP hervor, es war ein kleiner Computer mit allem notwendigen und es war ein Geschenk von der Arbeit auf das ich stolz war. Er hatte natürlich ein Apple, es würde wohl auch nicht in tausend Jahren verschwinden. Meine ID war so etwas wie eine Mailadresse mit der man sich Nachrichten schicken und telefonieren konnte. Eine handelsübliche Nummer wäre zu unsicher, so waren wir in einem geschützten Netz. »Ich möchte sie gerne als meinen persönlichen Assistenten der meine Termine managed, mich begleitet und Verwaltungstechnische Dinge erledigt«, setzte er mich in Kenntnis. Ich rückte meine Brille zurecht und folgte seinen Anforderungen aufmerksam. Während er davon erzählte das er sich für die kommende Wahl aufstellen ließ und die Fraktion gewechselt hatte (es war sogar Medienkundig gewesen) fielen die Kopfschmerzen über mich erneut hinein. Irgendwann konnte ich nicht mehr an mich halten, legte die Brille ab und rieb mir erneut über das Schlüsselbein. Ich murmelte eine leichte Entschuldigung als er verstummte, doch die Schmerzen wollten nicht aufhören. Hinzu kam ein Summen in meine Ohren und ich stützte mich auf den Händen ab. »...batian..« Es dauerte etwas, dann dran erneut seine Stimme an mein Ohr. »Sebastian? Geht es ihnen nicht gut?«, fragte er vorsichtig. Ich wollte etwas sagen, doch als ich die Augen öffnete blendete mich das Licht und verursachte eine Welle der Übelkeit. Ich sackte leicht zusammen. Warme Hände griffen nach mir, etwas Wasser flößte er in mich ein, bevor er sich besann und mich nach oben zog, heraus aus dem Restaurant, hinein in sein teures BMW Modell. Leise sprang der Motor des Elektrowagens an, ich spürte die Lichtkegel auf meinen geschlossenen Lidern während er fuhr. Mein Atem ging flach und schnell, ich stand kurz davor umzufallen. Das wurde mir erst jetzt bewusst. Ich wachte auf als er mir aus dem Auto half. Seine Hände waren angenehm warm. Gemeinsam stiegen wir in den Aufzug, wobei ich mich nicht erinnern konnte einen in meinem Mietshaus zu haben, doch ich war zu müde und lehnte mich an die gläserne Wand. Das gab es bestimmt auch nicht hier. Es war alles ein wenig verwirrend, doch die Gedanken legten sich bald als ich wieder die warmen Hände auf mir spürte. Nur langsam erblickte ich die Inneneinrichtung und dann sprudelten die Worte aus mir hinaus. »Ich bin falsch hier«, keuchte ich und fixierte den Mann der sich in ein anderes Zimmer begab. Kurz danach war er wieder da, hielt eine Decke und Kissen in der Hand und legte es auf das weiße Sofa. Ich schluckte. Komplett falsch, das war nicht mein Zuhause. Betreten blieb ich stehen und massierte meinen Nacken um etwas Zeit zu überbrücken. Eben angesetzt, stand er plötzlich vor mir. Gute zehn Zentimeter größer als ich, weißblondes Haar und stechende Augen, die allerdings in diesem Moment selbst müde wirkten. »Das Bad ist links.« Ich folgte seinem Handzeig. »Schlafzimmer hinter mir und du hast frisches Bettzeug drauf, dass hab ich immer auf Vorrat.« Dann hielt er mir einige Tabletten hin die ich kurz betrachtete dann schüttelnd ablehnte. Warum hatte er mich hierher gebracht? Er hätte mich auch einfach nach meiner Adresse fragen brauchen. »Warum hast du mich mit hierher genommen? Georg war wirklich schön, zumindest empfand ich dies im Augenblick. Er war nicht perfekt, sein Gesicht war nicht chirurgisch gestaltet, noch war er extrem muskulös, aber sein Kinn war irgendwie perfekt geschwungen, seine dünnen Lippen konnten ein freches aber anziehendes Lächeln zeigen, die Nase war zu groß und seine Augen nahmen mich gefangen. Im Bruchteil dieser einen Sekunde,musste ich Lächeln, als seine Antwort kam. »Weil es mir Leid tut was ich ihnen heute angetan habe.« Gut, er war anscheinend vielschichtiger als ich dachte. »Dann nehme ich dankend an Georg, und bitte Duze mich.« Der Moment verflog und ich begab mich in sein Schlafzimmer, nichts mehr interessierte mich als Schlaf, ich war so müde. Helle und warme Sonnenstrahlen weckten mich am morgen.Verkatert öffnete ich meine Augen, auch wenn kein Tropfen Alkohol seid Jahren durch meine Blutbahnen geflossen ist. Ich hob meine Hand und spielte kurz mit dem Licht der Sonne. Ich genoss die friedliche Wärme unter der Decke, auch das ich einmal keine Verpflichtungen hatte. Und dann setzte ein Krampf ein und ich beugte mich zu Seite, hielt mir eine Hand in die Magengegend und schluckte. Gretchens feines Gesicht schlug auf mich ein und ich würgte. Erneut tränten meine Augen, auch wenn ich mühsam dagegen hielt, doch das brennende Gefühl in meiner Magengegend, das dunkle, hohle Loch das mich zu verschlingen drohte griff erneut nach mir. Und dann erwachte ich aus meiner Lethargie und erhob mich mühsam. Ich befand mich in einem fremden Bett, in einem fremden Zimmer, das spartanisch weiß eingerichtet worden war und mehr unbewohnt als alles andere war. Noch immer die Hand in der Magengegend kämpfte ich gegen die negativen Gefühle die gegen meinen Magen schlugen und atmete tief ein. Ich zwang meinen Körper sich zu bewegen und stand auf wackligen Beinen schließlich auf. Das Zimmer wirkte so kalt und unbewohnt, die Möbel waren aus teurem Holz und mit Glas versehen, alles in allem war das Schlafzimmer wahrscheinlich sehr teuer gewesen. Es führte mir meine ärmlichen Verhältnisse vor Augen. Ich verließ das Schlafzimmer in meiner Unterhose und betrat das Wohnzimmer, welches ebenso unbewohnt erschien und in eben jenem weißen Stil gehalten war. Wirklich sehr schick und edel, aber kalt und irgendwie verstörend. Und der sollte Politiker sein und die Massen bewegen? Etwas unsicher suchte ich den Weg zum Bad auf das hingegen bewohnt schien, denn etliche Pflegeutensilien lagen im Bad verteilt, auch entdeckte ich Lippenstift und Mascara. War er verheiratet? Nachdem ich mich um meine körperlichen und hygienischen Bedürfnisse gekümmert hatte stöberte ich in seiner Küche herum. Dann fand ich seinen Brief mit dem Verweis auf Alice und Kleidung zum Wechseln. Alice ist die intelligente KI die sich um alle deine Bedürfnisse kümmern wird. Wechselkleidun liegt bereit. Warte bitte bis 12, dann bin ich wieder da und nehm dich mit ins Büro. Er ließ wirklich nichts anbrennen. »Alice?« Ich wartete einen Moment, dann ertönte eine sanfte Frauenstimme. »Systeme nach oben gefahren. Meister lässt sie Grüßen, bitte nutzen sie den Hololog um etwaige Informationen zu erhalten.« Ich starrte in die Küche, wirklich erwartet hatte ich keine Antwort und bevor ich etwas tun konnte öffnete sich auf dem Tresen eine animierte 3D Karte. Ich nahm das kleine metallene Ding in die Hand das es projizierte und starrte auf die Karte. Ich erkannte das Nummernschild und wusste das es sich dabei um den Wagen meines Bosses handelte. Immer wieder fuhr ich durch die Animation, doch meine Hand konnte nichts erfassen, es war alles nur eine ausgeklügelte Animation. Staunend wurde mir klar das ich immer von solchem Hightechkram geträumt hatte und sich mir hier Türen öffneten. »Ich soll ihnen mitteilen das mein Meister die angepeilte Zeit verpasst, sie sollen sich Essen bestellen und die Zeit mit Nachrichten genießen«, ertönte plötzlich Alice' Stimme. Ich stellte es beiseite und ging zum Kühlschrank – der jedoch nur Orangensaft enthielt. Daraufhin schloss ich ihn wieder, nahm mir ein Glas uns füllte es mit Wasser. Das würde reichen, ich wollte seine Gastfreundlichkeit nicht überstrapazieren, schließlich war er mein Boss. Dann setzte ich mich auf das weiche Sofa, es war gemütlicher als es aussah. »Alice, Nachrichten.« Daran konnte ich mich wirklich gewöhnen. Ein weiterer Bildschirm flackerte auf, zeigte den Reporter lebensecht und in 3D während dieser von der kommenden Wahl in einem dreiviertel Jahr sprach. Eine Revolution brauche das Land, die Abspaltung vom Staat solle angestrebt werden, doch noch war nicht klar wer die Stadt zum Sieg führen konnte. Mehrere Personen zeigte das Bild, als ich Georg erblickte setzte ich mich gerade auf. »Ein aufstrebender Politiker, der zwar erst Anfang dreißig ist, jedoch die Belange der Bevölkerung versteht.« Darum ging es hier also, die Ermöglichung des Aufstiegs in seiner politischen Karriere. Er trat für die Christpartei an und stand für konservative Werte sowie einer Verbesserung der sozialen Struktur. Ich rieb mein Nasenbein. Hoffentlich musste ich niemals ins Fernsehen, mir war eine Position aus dem Hintergrund lieber. Danach zog ich den frischen Anzug an, die Größe war perfekt und befehligte mir selbst zu vergessen wie teuer das Teil gewesen sein musste. Kurz darauf öffnete sich die Tür und er trat hinein, allerdings war er in weiblicher Begleitung. Die Frau war umwerfend schön, hatte langes braunes Haar und nussbraune Augen. Ihr Lächeln war echt und interessiert. »Du bist das also.« Eine Hand wurde gereicht. »Tut mir Leid das er so spät kommt, doch ich wollte dich kennenlernen«, entgegnete sie. Resolut und direkt war das erste was mir zu ihrer Person einfiel. »Joy Jenkins. Ich bin seine Frau.« »Sebastian Steiermark.« Ich passte auf das sie mir nicht anmerkten wie überrascht ich war, aber wenn ich es objektiv betrachtete war es nur eine logische Komponente die ich vielleicht eher hätte berücksichtigen müssen. War er deshalb so uninteressiert an der Session gewesen? »Hey guck doch mal Gorgie, er verkneift sich seine Überraschung gut.« Was wollte die von mir? Nun konnte ich meine Überraschung ob ihrer Worte nicht mehr verstecken. War sie auf Drogen? »Lass ihn in Ruhe Joy«, erwiderte Georg. Dann trat auch er an mich heran und knuffte seine Frau. »Das ist sozusagen meine Fakefrau. Mir ist es wichtig dass die engsten Mitarbeiter in meinem Team das Wissen, außerdem sind sie vertraglich gebunden keine Auskunft diesbezüglich zu geben.«, meinte Georg, er schien bester Laune, vielleicht weil ich aus allen Wolken in diesem Moment fiel. »Ja, ist praktisch für uns beide, so kann ich mit Rena tun und lassen was ich will«, flötete Joy. Mit diesen Worten gab sie Alice Anweisungen drei Essen zu bestellen und ich – stand geschockt da. Wie konnte man nur so verrückt und dumm sein etwas derartiges auszuplaudern? Ich starrte meinen Chef verständnislos an. »Sind sie verrückt?«, flüsterte ich. Georg grinste mich Selbstsicher an. »Ich weiß was ich tue und sie sind vertraglich gebunden.« »Wie können sie sich sicher sein das ich sie nicht einfach verrate?«, hakte ich nach. Georg beugte sich nach vorn und fragte: »Haben sie Alternativen für ihr Leben?« Ich schluckte hart und wurde dann wütend. »Sie haben mich reingelegt.« Er lachte, seidig und siegessicher. »Das habe ich nicht, sie haben den Vertrag unterschrieben, es war genug Zeit um ihn zu lesen und wenn sie nur einen flüchtigen Blick riskiert haben ist es ihre eigene Schuld.« Seine Augen wirkten nun wieder kaltherzig. Er war anscheinend doch ein eiskaltes Schwein. Doch ich verstand nicht weshalb er gerade mich nehmen musste. »Sie hätten jeden x-beliebigen nehmen können. Weshalb gerade mich?« Georg antwortete nicht sofort sondern ließ sich Zeit. »Ich habe sie beobachten lassen«, ein Stich in meiner Magengrube, »sie sind ein fähiger Mann, außerdem hat mir ihre Hingabe für Gretchen gefallen.« Ich nahm einen tiefen Atemzug, bemerkte Joys abschätzende Blicke von der Seite und Georgs abwartende Haltung. Die ganze Zeit über hätte er mir mit Gretchen helfen können, aber er hatte abgewartet, den Zeitpunkt genutzt um mich in einer verwundbaren Zeit aufzufangen. Nun war ich in einem Knebelvertrag gefangen und sollte ich Plaudern würde er mein gesamtes Leben zerstören. Trotzdem konnte er nicht von mir erwarten dass ich so einfach klein bei geben würde. Außerdem verstand ich die ganze Posse nicht. »Das wäre auch einfacher gegangen. Ein fähiger Buchhalter, ein bisschen Lohn und er hätte für sie gearbeitet ohne das es Komplikationen gab«, sagte ich säuerlich. »Dann hätte es keinen Spaß gemacht Sebastian. Außerdem hättest du unter anderen Umständen abgesagt und wir hätten gerne den besten«, erwiderte Joy schlicht. Ihr Lächeln erinnerte mich an eine Schlange. »Ich werde ihnen ein Angebot machen. Wenn sie mich durch diese Wahlepisode bringen und ich gewählt werde, haben sie bis an ihr Lebensende mit einem kleinen Häuschen und etwas Geld ausgesorgt.« Ich starrte Georg an. Dieses Angebot war so verlockend, - wäre es doch nur eher gekommen. Ich verstand ihre Herangehensweise nicht, noch ihre Motive, doch sie spiegelten das wieder was meine Erfahrung mir von den besser Betuchten gezeigt hatte. Alle verlogen und dreist. Oder verrückt, es war so unlogisch was sie taten, ich verstand es nicht. »Ich würde jetzt gerne in meine Wohnung gehen.« Georg blickte auf seine Rolex, sie musste ein Vermögen gekostet haben und schien dann ratlos. »Aber du kannst noch nicht gehen, wir müssen noch arbeiten, außerdem kommt gleich das Essen.« Ich gab mich geschlagen, wiegelte jedoch jedes aufkeimende Gespräch ab. Still aß ich ein viertel des Gerichts und verschloss mich komplett nach außen. Irgendwann sah es auch Joy ein, die uns bald verließ. Bevor ich meine Arbeit antreten konnte wurde ich darauf Aufmerksam gemacht dass eine Untersuchung meines körperlichen und geistigen Befindens fehlen würde. Die letzte Untersuchung sei 5 Jahre her, das stimmte wohl, waren da schließlich meine Eltern ums Leben gekommen. Man stellte mich vor die Wahl einen eigenen Arzt aufzusuchen, dessen Gebühr ich jedoch bezahlen müssen oder aber ich ließ mich vom internen Arzt untersuchen. Bald also wurde mir Blut abgenommen, man untersuchte mich auf Krankheiten wie AIDS oder Hepatitis (der Public wegen). Auch wurden Größe und Gewicht bestimmt, dabei kam heraus das ich Untergewichtig war. Bei einem Meter achtzig wog ich nur siebenundfünfzig Kilo, es wurde mir angeraten auf meine Ernährung zu achten. Innerlich lachte ich nur. Weitere Tests folgten, Fragen wurden gestellt, schließlich könne man keinen Geisteskranken an die Seite eines Politikers stellen. Doch die Tests und allgemeine Ergebnisse waren zufriedenstellend, außer einer kleinen Sache und das waren meine Migräneanfälle, anscheinend musste Georg geplaudert haben. Der Arzt riet mir ein Hobby zu betreiben, 'abzuspannen' und gab mir für den Notfall Tabletten. Ich war es gewohnt immer zu arbeiten, ob es auf Arbeit oder an der Seite von Gretchen war, es klang so abwegig. Einfach mal nichts tun, unlogisch. Ich lernte in seinem Büro meine Mitkollegen kennen, zum einen einen allgemeinen Trupp der sich um alles kümmerte, dann vier weitere ausgewählte Personen die jedoch wieder an ihre Arbeit gingen und kaum Zeit hatten mir Fragen zu beantworten. Denn Fragen hatte ich, sie brannten mir regelrecht auf der Zunge. Hatte er sie auch erpresst? Und dann war da natürlich wieder Georg. »Komm bitte in mein Büro, ich muss mit dir reden.« Ich folgte ihm stillschweigend. Die elektrische Tür hinter mir erschrak mich als sie sich von selbst schloss. Während die Wohnung so kalt war, blühte hier eine heimelige Atmosphäre auf. Er schien dies bemerkt zu haben und lächelte mir wohlwollend zu. »Dieses Gebäude steht unter meinem Eigentum, ich besitze hier eine weitere Wohnung, die andere ist im eigentlichen Sinne für Joy und mich gedacht.« Ich verstand, eine Alibiwohnung. »Wofür?«, fragte ich schlicht, er wusste schon was ich meinte. Ebenso knapp fiel seine Antwort aus: »Fragen.« Ich nickte, wie so oft in letzter Zeit nahm mir einen Stuhl und setzte mich. Wir schwiegen uns an, er faltete seine Hände unter seinem Kinn zusammen. »Hast du Fragen? Dann stell sie jetzt.« Georgs Stimme klang so nüchtern, geschäftlich, jetzt wirkte er wirklich wie mein eigentlicher Boss. Ein Bein winkelte ich an, hob mein Kinn und dachte nach. Dann zählte ich auf: »Ich benötige ihren Terminkalender, Zugang zu ihren Mails, ihrer Nummer und dem Schriftverkehr. Ich benötige die Verschlüsselungsdaten des Büros auf unbestimmten Zugriff. Außerdem möchte ich eine Statistik über ihre derzeitige Lage und einen kompletten Bericht über ihr politisches Programm.« »Alice?«, rief Georg seine KI. Ich nahm meinen SmartP hervor und empfing die Daten welche Alice verschlüsselt an mich sendete, gleichzeitig öffneten sich einige Berichte die ich grob überflog. Gut, das wichtigste hatte ich in der Tasche. »Wie gut das sie wussten das ich zwei Semester Politologie studiert habe, ansonsten hätten sie einen einfachen Buchhalter damit nicht beauftragt«, maß ich mir an und erntete ein Schnauben. »Sie haben jetzt eine Woche bezahlten Urlaub, bereiten sie sich darauf vor in kürze in eine andere Wohnung umzusiedeln.« Es dauerte einen Moment bis mir bewusst wurde das wir ständig vom siezen ins duzen fielen und dass er sich erdreistete mir eine andere Wohnung zu suchen. Ich wollte zwar etwas entgegnen, ließ es dann jedoch sein. Ein Mitarbeiter seinerseits sollte wohl nicht in einem sozialen Brennpunkt wohnen, erst recht nicht wenn dieser in einem Striplokal gearbeitet hatte, wenn auch nur als Buchhalter. Wie kam eigentlich ein Politiker dazu mehrere edle Bordelle und Striplokale zu besitzen, ohne das die Allgemeinheit davon erfuhr? Vielleicht würde ich es irgendwann erfahren, aber Georg war ein zwielichtiger Politiker. Hoffentlich wählte ihn niemand … Obwohl, das wäre auch schlecht, schließlich hatte er mir dieses sensationelle Angebot gemacht, aber auf welchen Leichen würde es aufgebaut sein? Schließlich hatte er meine Situation ausgenutzt und ich hatte immer noch keine Ahnung was er damit bezwecken wollte. Dann schob er einige Blätter über seinen Schreibtisch die ich verdutzt entgegen nahm. Es standen eine Menge Namen in Listen darauf, nebst Adresse und Familienstand. Fragend blickte ich auf, doch ein Verdacht regte sich in mir. »Ich möchte dass sie alle meine Mitarbeiter überprüfen. Ich möchte diese Wahl unter allen Umständen.« Ich wusste damals nicht das mir dieser Satz noch mehr als einmal zum Verhängnis werden würde. Als ich endlich zuhause war, meine Tür öffnete, blieb ich stehen und sah alles mit ganz anderen Augen. Der Bildschirm meines alten Computers blinkte und warf ein schmales Licht in das dunkle, zugezogene Zimmer. Es war karg und zweckmäßig eingerichtet, säuberlich drapierte Decken, Gretchens Decken lagen auf der grauen Couch. Kurzerhand schnappte ich mir diese, ging ins Bad und griff nach meinem Feuerzeug. Ich zitterte kurz, öffnete vorsichtshalber das Fenster und entflammte dann mein Feuerzeug. Sollte ich? Oder nicht? Die Flamme kam näher und nach einem Funken, brannte die erste Decke, entfachte die nächste und erwischte die dritte Decke. Ein paar Sekunden waren seither vergangen dann öffnete ich den Wasserhahn und löschte das Feuer. Ich fühlte mich beschwingt. Im Regal fand ich eine Packung Färbemittel, auch ein Überbleibsel von Gretchen. Eine Idee kam mir, ich las die Bedienungsanleitung und machte mich an die Arbeit … Keine Ahnung ob mir dunkle Haare standen, doch ich fand das braun äußerst ansprechend. Zumindest fühlte ich eine gewisse Genugtuung die damit mündete dass ich meine Brille gegen Kontaktlinsen austauschte die ich zu meinem Geburtstag bekommen hatte. Im Spiegel betrachtete ich mich, grinste und zündete dann eine Zigarette an. Ich setzte mich an meinen alten PC, verband mich mit einem alten Verschlüsselungsprogramm, griff auf Satellit zu und hackte mich dann in das Polizeiregister der Stadt ein. Nacheinander durchforstete ich die Namen auf der Liste, machte vermerke und hielt dann inne. Wusste er was ich tat? Ich hatte mich einfach an meinen PC gesetzt und seine Aufgabe ausgeführt ohne an das drumherum zu denken. Hatte er nur mehr kontrolliert als meine Situation von Gretchen? Woher kannte er Marc? Ich hatte ein verdammt ungutes Gefühl, ich würde jedoch nur Antworten bekommen wenn ich in seinem kleinen Spiel mitmachen würde. Andererseits ging er vielleicht davon aus dass ich mir meine Informationen auch von Google zog. Vielleicht. Ich würde es demnächst herausfinden müssen, denn im Polizeiregister war er nicht gelistet. Ich schaltete meinen kleinen TV ein, es war kein ausgefallenes 3D System, davon träumte ich noch. Um 'abzuspannen', wie mir mein Arzt geraten hatte, spielte ich Solitäre am PC und sah Nachrichten. Erneut war es eine Sondersendung über die aufgestellten Politiker, die sich seid Jahren mal wieder für die Belange aller Menschen interessierten. Nun ja, kein Wunder, die Wahlbeteiligung war auf ein Tiefststand gesunken. Vierzig Prozent der Bevölkerung lediglich wählte, da wurde natürlich neues Potential gesucht. Da es sich dabei hauptsächlich um die untere Schicht der Bevölkerung handelte wurden die politischen Programme sozialer Verpackt. Ja, es war durchaus eine soziale Verpackung, schließlich sah sie besser aus als ihr Inhalt war. Was würde mir übles entgegen kommen wenn ich erst Georgs Programm las? Und dann war der Kommentator erneut bei Georg, blendete ihn ein, hielt ein kurzes Pläuschen und zeigte einen Stab von engagierten Personen die ihn unterstützen. Und dann fiel mein Name. Beinahe fiel ich vom Stuhl, meine Zigarette lag auf dem Boden und hastig hob ich sie wieder auf nur um festzustellen dass es ein Bericht war der live gesendet wurde. Mit offenen Mund starrte ich Georg auf dem Bildschirm an. »Jetzt da bekannt ist das sie auch den Sohn des berühmten Wissenschaftlers Eik Steiermark in ihrem Team ist, ist ihnen bestimmt wohler zumute.« Es war der Reporter der begeistert schien. Dann war es an Georg sich ins rechte Licht zu rücken. »Nun ja, wissen sie, wie sie meinem Programm entnehmen können soll allen Menschen die Möglichkeit gegeben werden aus ihren Ressourcen zu schöpfen. Wie sein Vater ist er ein kluger Kopf und nur weil er im Zuge der Pflege seiner mittlerweile verstorbenen Schwester in Armut abgerutscht ist, sollte ihm eine derartige Chance nicht vorenthalten werden. Deswegen freue ich mich ihn als meinen persönlichen Assistenten vorstellen zu dürfen.« Ein paar Floskeln wurden ausgetauscht, dann wurde zurück ins Studio gegeben. »Ja. Eik Steiermark, der die Verschlüsselung Keysection auf den Markt brachte ist es zu verdanken dass wir Daten verschlüsselt senden und empfangen können.« Die Moderatorin moderierte zu einem weiteren Politiker. Und ich stand geschockt vor dem Bildschirm. Mir fehlten die Worte, so perplex war ich und ein paar Dinge wurden klarer. Dieser Mensch würde alles nutzen was ihm zur Verfügung stand. Als hätte er gewusst dass ich den Bericht gelesen haben musste, blinkte mein SmartP auf und zeigte eine Textnachricht von ihm an. Komm in zwei Stunden zum Essen zu mir. Kapitel 3: Entscheidung ----------------------- Ich hatte schon immer ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl besessen. Schon als Kind schwirrten Fragen durch meinen Kopf, die sich einfach nicht logisch beilegen ließen. Auch mein Vater hatte diese Einstellung angeheizt. Oft saß er noch Abends mit meiner Mutter am Küchentisch und diskutierte bei einem Glas Rotwein. Sie fehlt mir, meine Mutter. Ihr weiches, warmes Gesicht, ihr strenger aber liebevoller Umgang mit uns. Klingt ideal, wie aus einem Hausfrauenroman, war sie aber nie. Sie mochte es zu Kochen und uns etwas schönes zu backen, liebte es ihre Finger geschickt für schöne Basteleien zu nutzen, gleichzeitig war sie politisch engagiert. Damals war sie eine der wenigen gewesen die es gewagt hatte für die Rechte der Frau einzutreten, in einer Zeit die diese langsam und stetig wieder beschnitt. Mein Vater hatte sie damals auf eine dieser Veranstaltungen kennengelernt. Ich lächelte mein SmartP an, während ich im Skyliner saß, einer elektrischen Bahn die mich bald an meinen Zielort gebracht haben sollte. Auch hatte ich es genossen in ihrer Bibliothek zu sitzen, ihren Worten zu lauschen wenn sie uns eine Geschichte vorlas oder von Geschichte und Kultur erzählte. Wenn sie Wissenschaft der Religion gegenüber stellte und uns mahnte alle Seiten der Medaille zu beleuchten. Ein Satz hatte sich jedoch in meinen Kopf gebrannt: »Kinder, wenn ihr manchmal nicht weiter wisst, traurig seid oder eingeengt, dann haltet euch vor Augen euch vorzustellen wie die andere Seite denken würde. Warum könnte sie das tun? Weshalb seid ihr in dieser Situation? Und jetzt kommt das schwierigste, denn es gibt eigentlich kein richtiges gut und böse. Es gibt keine Engel und keine Teufel, jeder Mensch hat etwas das ihn dazu bewegt, etwas das uns zu Menschen macht. Denn Menschen sind sind weder gut noch böse.« »Dann sind wir pures Chaos«, hatte meine Schwester darauf geantwortet. Damals war ich sechzehn gewesen und auch wenn ich den Sinn noch nicht richtig erfassen konnte, etwas hatte es in mir bewegt. Meine Handlungen konnten Bedächtig sein, waren Emotionen jedoch übermäßig stark war ich in der Lage Dinge zu tun und zu sagen die unkontrolliert gewaltig sein konnten. Es war eine Einsicht der Dinge die mir viel erbrachte. Ich vermisse sie und auch meinen Vater. Der Blick aus der Bahn zeigt mir die Lichter der Stadt, welche so unnatürlich hell den Himmel erleuchten und Unmengen von Elektrizität kosten. Es fühlt sich alles so fern an, so falsch, so unnatürlich und gekünstelt. Ohne dass ich es steuern kann tippe ich meinen SmartP erneut an, wähle mich in Satellit ein und folge dem Stromnetz auf dem Bildschirm. Ich denke kurz nach, tippe es an und plötzlich fällt das Licht aus, der Zug bremst kurz ab bis sich die Notreserve einschaltet. Eins. Zwei. Drei. Ich tippe erneut auf den Bildschirm und die Bahn ist wieder vollständig versorgt. Ich lausche der Ansage, erhebe mich und verlasse den Zug der soeben angekommen ist. Die Menschen wirken besorgt und vielmehr verlassen den Zug, sodass ich mich ihnen zuwende und sie beobachte. Wieviel Macht hätte ein Kollektiv? Ich verwerfe den Gedanken. Georgs Büro ist beleuchtet. Ich blicke auf meine Uhr und schlucke das angespannte Gefühl hinunter. Ich müsste sauer sein, wütend, voll von Hass, aber ich kann es nicht. Ich nehme mir einen Kaugummi und drücke dann den Code ein. Die Tür öffnet sich und gibt mir einen sterilen Raum frei. Während ich durch den Gang trete hallen meine Schritte wieder und ich kämpfe gegen das erneut aufkommende Gefühl von Angst und Ungewissheit. Ich weiß nicht wieso ich hier bin, was ich hier soll, noch weshalb er dies tut. Ich bin getrieben von Angst und Neugier. Ich muss wissen was ihn bewegt und außerdem herausfinden welche Informationsquellen er benutzt. Ich brauche etwas um Georg in seine Schranken weißen zu können, etwas dass mir eine gewisse Macht verleiht. Unbedingt, jetzt. Der Aufzug bringt mich langsam nach oben, ich meide die Treppe, zu große Angst das meine Beine nachgeben und ich zusammensacke. Die Türen öffnen sich – und geben ein perfektes Bild auf IHN frei. Irritiert bleibe ich stehen, mit erschrockenem Gesichtsausdruck, überrumpelt, nein, mehr überwältigt ob seines perfekten Gesichts, dass diesen ungewohnten Ausdruck zeigt. Langsam tragen mich meine Füße hinaus, die Türen schließen sich mit einem 'bing', nehme mich zusammen und zwinge mir ein Lächeln auf. Gott hat es wahrlich gut mit ihm gemeint, er erscheint mir sonnengeküsst mit einer ganz besonderen Ausstrahlung, beinahe, aber nur beinahe hätte ich das Interview und damit meinen eigentlichen Besuchsgrund vergessen. »Möchtest du mich nicht mit in dein Büro nehmen?«, frage ich nach einigen Augenblicken, bis mich das Gefühl beschleicht es dauert zu lange. Er wirkt gehetzt, etwas chaotisch, blasser als sonst und gar nicht als ob es sein Ziel wäre mich hier abzufangen. Wahrscheinlich war dies der Fall und ich hatte einfach zu viel erhofft. Ich verschränke meine Arme automatisch. »Was passiert?« Georg antwortet nicht, scheint in Gedanken, doch bald schüttelt er leicht den Kopf und blickt mich entschlossenen an, als hätte er einen Entscheidung gefällt. »Es ist gut das du hier bist«, sagt er. Wahrlich? »Ich bin sehr erzürnt, ich hoffe das ist dir bewusst«, antworte ich steif. Dann lacht er plötzlich und bringt mich damit aus dem Konzept. Ich fühle mich vor den Kopf gestoßen, gleichzeitig prickelt mein Körper. Sein Lachen hat etwas … undefinierbares. Ich bekomme jedoch keine weitere Antwort und folge ihm still in sein Büro. Ich hoffe dass ich meinen Standpunkt zumindest klar gemacht habe und nicht wie eine graue Maus dastehe. Ganz in Gedanken bemerke ich erst sehr spät das er mehrere Bildschirme, Holos geöffnet hat die über unseren Köpfen angeordnet sind. Erst dachte ich es wären Umfragewerte, dann erblicke ich die Zahlen, die Server, einige Programme und bin überrascht. Wahrlich. Erneut spüre ich dieses einzigartige Kribbeln und wende mich Georg zu. Er selbst beobachtet mich aus den Augenwinkeln und scheint mit meiner Reaktion zufrieden. Das lässt einige Schlüsse zu. Er hat eine Ahnung über gewisse Vorlieben meinerseits. Er ist kein stinknormaler Politiker. Und ich weiß praktisch nichts über ihn. Georg holt eines der Holos näher, die Sensoren erfassen seine physische Beschaffenheit der Haut, das Log, welches wie eine projizierte Seite aussieht lässt sich prima führen. Ich nehme es an ohne ein Wort zu sagen an und überfliege die Seite. Ich bin fasziniert und erschrocken zugleich. Auf einmal fällt mir das Atmen schwerer und mein Herz fängt zu rasen an. Ich halte alte Arbeitsdaten meines Vaters in der Hand, die sich aber nicht um den Chip handeln. Es sind ältere Aufzeichnungen, Dinge die eigentlich gelöscht sein sollten. Eine Dimension tut sich auf die mich in eine Enge drängt, denn erneut hat er etwas gegen mich in der Hand und ich Zweifel an seinen Motiven. Motive für seine politische Karriere. Und meine Wenigkeit. Ich blicke auf und gebe ihm das Holo zurück. Er lässt es lässig nach hinten gleiten und wartet auf eine Reaktion meinerseits. Ich möchte nach einem weiteren Holo greifen, seine Hand packt jedoch mein Handgelenk. Meine Hand verkrampft sich während ich sie zu einer Faust balle. Ruhe. »Das gehört mir«, höre ich mich ruhig sagen. Er lächelt, lässt mein Handgelenk los und greift sich eine weitere Log die ein weiteres Holo zeigt. Bilder zeigen sich, während er eines aktiviert, projiziert sich eines vor uns und zeigt eine zerstörte Fabrik. Ein Büro folgt, ebenfalls zerstört. Leichenteile in explodierten Räumen. Meine Mutter die lächelnd uns anblickt und im nächsten Moment tot, - erschossen, auf dem Boden liegt. Ich höre mein Handgelenk knacken, das Blut rauscht in meinen Ohren, mein Bild verschwimmt, während ich instinktiv handle. Im nächsten Moment brennt meine Hand und Georg liegt am Boden, reibt sich sein Kinn. Jetzt ist es an mir zu lächeln, ich habe ihn überrascht und mich gleich mit. Doch diese Wut die keinen klaren Gedanken zulässt treibt noch immer sein Unwesen in mir, ich fühle eine unheimliche Glut in mir, die sich jeden Moment zu entladen droht. Und währenddessen ist Georg wieder bei sinnen, erhebt sich und überrascht nun mich. Ich fühle schmerzhaft die Wand hinter mir. Er drückt mich stetig, langsam, wie ein Schraubstock gegen mich, seine Blick ebenso wütend wie ich. Er kommt mir näher. Mein Herz pocht laut, es rast nicht mehr und erneut fühle ich dieses undefinierbare Kribbeln. Erst war mir kalt, dann heiß, so fühlt es sich an während er mich mit seinen Augen und Händen zerdrückt. Physisch kann ich ihm auch nicht viel entgegensetzen. Dann kommen seinen Lippen sehr nahe … er macht mir Angst, ist mein einziger Gedanke in diesem Moment. »Du hast keine Ahnung«, haucht er mir entgegen. Wie auch? »Ich möchte dir etwas zeigen und dich um etwas erbitten. Ich erwarte keine weiteren schlagenden Argumente oder ich werde Marc bescheid geben das er es ja doch mal mit dir versuchen kann.« Das schlägt ein wie eine Bombe. Nicht Marc und ich möchte auch nicht wissen was er von mir will. Jetzt hält er mir eine Hand auf den Mund, sein Körper drückt sich gegen mich. Ich kann ihn spüren, ihn einatmen, seine Nuance in mich ziehen. … Mein Herz brennt. Gleichzeitig regt sich Widerstand in mir, ich möchte es ihm vergelten. »Wenn du damit klar kommst, dann nickst du jetzt, wenn nicht....«, er ließ es unausgesprochen, aber ich konnte es mir denken. Allerdings antworte ich ihm nicht. Mein Blick ist jedoch hart und ich möchte das er es unausgesprochen weiß, in diesem Moment wünsche ich ihm alles erdenklich schlechte. Erneut kommt er näher. Seine Augen sind faszinierend. Und böse. »Also?« Ich höre es, - als ich ihm in die Hand beiße und den Moment des Schmerzes in seinen Augen genießen. Dann liege ich auf dem Boden – und lache. Lache vor Wut, dann vor Verzweiflung, bis ich schluchze. Nicht mehr lange und ich verliere den Verstand. Ich bin einfach fertig. Mittlerweile liege ich auf dem Rücken und lese eine Holo nach der anderen. Ich sauge Zeitungsberichte, interne Berichte, Polizei, Politik und sonstige Informationen in mich hinein. Ich vergleiche die Geschehnisse von damals, von denen ich weiß wie sie angeblich sein, mit den denen wie sie angeblich waren. Allzu traurige Fotos werden beiseite gelassen beiseite und ich ordne alle Informationen ein. »Und du sagst du hast die Informationen woher?«, frage ich erneut, doch er weigert sich seid einer Stunde mir weitere Informationen zu geben. Allerdings haben wir einen Deal. Ich helfe ihm bei einer internen Angelegenheit, er gibt mir Informationen die ich sonst nicht in einer derart geordneten Form bekommen würde. »Sind eigentlich alle Politiker so zwielichtig wie du?« Georg raucht seine Zigarette mit einer Ruhe die mir nie an ihm aufgefallen ist. Vorhin hat er noch ganz anders gewirkt. »Die meisten sind schlimmer als ich«, erwidert er schließlich. Dann bekomme ich ein Holo bei dem die Informationen im Sekundentakt eingehen. Sofort ist Georg bei mir und wirkt wieder aufmerksamer. »Dafür brauche ich dich.« Er tippt den Bildschirm an. Ein Hackernetzwerk. Ich kenne es, jedoch nur flüchtig da es ein Umschlagspunkt ist bei dem Jedermann zugegen sein kann. »Du musst da rein, mich mitnehmen und etwas für mich klären«, sagt er. Skeptisch blicke ich ihn an. »Da kommt man nur mit Einladung hinein und ich hab keine.« Georg lächelt. »Du bekommst sicherlich eine, dich kennt man.« Erneut spüre ich ein Kribbeln, dieses Mal jedoch ein ungutes. »Hör auf mich zu verarschen. Ich will jetzt wissen wer du bist, woher du das weißt und warum ich den scheiß für dich machen soll.« Georgs Brauen gehen nach oben, während er mich nun selbst skeptisch betrachtet. Dann nimmt er mir das Holo weg, öffnet ein paar Dateien darauf und zeigt sie mir. Mich kennt man unter Tenebre. Unter diesem Namen habe ich schon ein paar Dinge lahm gelegt, aber mehr als Experiment, nie um etwas wirklich wichtiges zu erreichen. Strom, Wasser, Fernsehen und Internet, war meist nie schwer zu bewerkstelligen. Er zeigt mir seine Holo,seine ID und ich halte die Luft an. Zeitlupe. Und blicke auf, denn er ist Sol. Es gibt unzählige Hackernetzwerke, es gibt jedemenge Untergrundorganisationen, doch es gibt nur drei Adressen die wirklich etwas bewirken konnten. Axres. Saint. Und die Liga der Gerechtigkeit. … Das waren eben Comicfans, die aber wirklich etwas drauf hatten. Wenn ich neben Gretchen mal Zeit hatte war mir die Truppe in Axres ans Herz gewachsen, wir setzten uns dafür ein Informationen frei zugänglich zu halten. Und Sol war in den letzten zwölf Monaten ein Emporkömmling gewesen, ein Neuer, mit jede Menge Talent. Ich stellte ihm eine Frage, eine universelle die nur Mitglieder wussten und als er mir die richtige Antwort nannte knickte ich leicht ein. Das rückte natürlich alles in ein anderes Licht, gleichzeitig war ich im Netz nicht ganz so geschützt wie ich mir erhofft hatte. Ich rieb mir den Nasenrückenrücken um meine Kopfschmerzen zu verjagen, doch unaufhörlich wurde der Schmerz stärker. Man musste es ansehen, denn Georg wirkte ehrlich besorgt um mich. »Alles in Ordnung? Oh Gott, ich hoffe ich hab dir keinen Schock verpasst.« Hah, ein Idiot. Ich blickte auf, in seine Augen, forschte nach einem Zeichen von etwa das mir verriet dass er mich anlog. Oder besser, dass es ein Traum war, doch meine Schmerzen waren so real wie ein ehrlich besorgter Georg der mir irgendwie anders erschien. Gelöster. »Wie hast du mich gefunden?«, erkundige ich mich. Neugier und Furcht mischen sich in mir. Doch Georg schüttelt den Kopf und stößt einen Seufzer aus. »Das kann ich dir leider noch nicht sagen.« Instinktiv möchte ich ihm eine weitere Faust verpassen, doch ich schlucke die Wut. So würde ich nicht weiter kommen. »Was wird hier gespielt? Mit mir?«, zische ich. »Es ist kein Spiel und es tut mir Leid dass ich dir keine Auskunft geben kann, aber es ist zu deiner eigenen Sicherheit.« Ich stehe auf, packe im am grauen Hemdkragen, blicke in seine himmlischen Augen, die mich so verkniffen anblicken. Verräterisches Herz … Dann lasse ich ihn los, es hat eh keinen Zweck. »Lass uns an die Arbeit gehen.« Georg zu meiner rechten, den blinkenden Bildschirm vor mir, fällt es mir schwer mich zu konzentrieren. Ich schaffe es nicht in das Netzwerk hinein zu kommen, etwas blockiert mich und Georg wird hinter mir immer unruhiger. »Sonst ging das doch auch schneller bei dir..« Ich verkneife mir eine böse Bemerkung und versuche es erneut, aber langsam zweifel ich an mir. Georg wird immer ungeduldiger, schnippst mit seinen Fingern gegen den Stuhl und bringt mich schier zur Verzweiflung. »Bitte.« »Was?«, fragt Georg. »Sei still.« Ich muss schließlich herausfinden was los ist. Der 'neue' Georg ist irgendwie kindischer als ich erwartet hätte. Dann bin ich im System kann jedoch nicht viel mit der Datenflut anfangen. Ich müsste mich direkt hinein begeben und auch Georg ist enttäuscht als er die Flut der Zahlen sieht. Ich höre ihn murmeln, während er aufsteht und durch das Zimmer geht. Ich schnappe Wörter wie Verflucht, Politik und Idioten auf und Frage mich wer Georg in Wahrheit ist. Der eiskalte Politiker, der mich erpresst oder der Hacker Sol, welcher sich für die Gerechtigkeit eingesetzt hat? Ob er mir nur nahe kommen wollte? War das alles dafür letztendlich inszeniert? Er reißt mich aus den Gedanken als sein Gesicht mich von der Seite leicht streift. Ich kann ihn riechen, herb und kräftig, mit einer unterschwelligen Note die mein Herz immer zum rasen bringt. »Es bringt nichts über dem herkömmlichen Weg«,sagt er ,»du musst dich anschließen.« Und dann ist er an meinem Hinterkopf, ich spüre wie seine Finger meine Haare nach oben schieben, ich bekomme eine Gänsehaut und sein Finger findet meinen 'Zugang'. Ich blinzle, einmal, zweimal und halte dann still. Ich hätte wissen müssen das er auch dieses Geheimnis um meine Person weiß. Und dann blickt er mich wieder an, diesem Mal tragen seine Lippen ein sanftes Lächeln. »Es ist gut dass dein Vater so ein grandioser Erfinder war, ansonsten hätte er dich nicht retten können.« Ich starre ihn mit offenem Mund an. Man sagt der Fortschritt der Wissenschaft sei ein Rückschritt der Menschlichkeit. Ich sage der Kapitalismus hat uns kaputt gemacht. Aber bezieht man alle Institutionen ein, Religion, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Ethik und was es nicht noch gibt, dann ist alles daran schuld. Unser Unvermögen aus der Vergangenheit zu Lernen und die Gier nach mehr. Ich war fünfzehn als damals von Gegnern meines Vaters entführt worden war. Sie standen für eine friedliche Zukunft, mit Chancengleichheit, ohne Hang zu Luxus oder Krieg und ich sollte ihr abschreckendes Beispiel ein. Doch wer Hass sät erntet die Saat des Hasses und so grassiert ein ekliger Kreislauf in denen sich die Menschen von jeher zu übertrumpfen ersuchen. Was so friedlich begann endete in einem Desaster mit viel Blut und Tränen. Es war ein Unfall, meine Entführer hatten mir nichts getan, das vegetarische Essen war sogar ganz lecker, aber als sie mich nach dem Deal wieder abgeben wollten, wusste niemand das der Aufzug präpariert worden war. Überlebt haben einzig diejenigen welche die Treppen benutzt hatten, Wache hielten oder in anderen Stockwerken waren. Alle im Aufzug waren kaputt, wie ich es gerne nannte. Ich unter ihnen. Ein kaputter Körper bei dem das zentrale Nervensystem durchtrennt worden war. Mein Körper war außerstande sich zu versorgen, nur wenige Augenblicke und ich wäre unrettbar gewesen. Doch mein Vater hatte es geschafft, hatte ein künstliches Rückenmark erschaffen, es mit dem Pons und dem peripheren Nervensystem verbunden und so etwas noch nie da gewesenes geschaffen. Ich war praktisch tot gewesen … Nun gut, einige Funktionen haben danach nicht mehr so recht funktioniert und er musste mir nachhelfen, doch ich hatte einen Vorteil. Menschen die künstliche Körper besaßen, welche in einer Art Serienfertigung vonstatten gingen und mein Körper der aus nur wenigen künstlichen Teilen bestand und eine Individuelle Beschaffenheit hatte von der viele träumten. Allerdings war ich ein Prototyp meines Vaters und Prototypen neigen dazu gewisse Schwächen zu haben. Was ich jetzt fühle ist Angst, nein Furcht, nein – Ungewissheit. Meine Gedanken lege ich mir auf die Zunge. »Warum weißt du davon?« Das erste mal seid längerer Zeit schwingen starke Emotionen meinen Worten mit. Wie? »Wenn du das für mich erledigst kannst du dich hinlegen. Morgen werde ich es dir dann erklären.« Politiker. Hacker. Verräter? Meine Glieder fühlen sich so schwer wie Blei. Und ich mich träge. Ich kann kaum atmen. Mein Herz rast. Warme Lippen legen sich auf mich nieder, ich erkunde sie, mache mich mit ihrer weichen Beschaffenheit vertraut. Stoppeln schrammen meine empfindliche Haut, während Haut an Haut reibt und mein Herz so schnell rast dass ich das Gefühl habe den Boden unter meinen Füßen zu verlieren. Aber den habe ich nicht unter meinen Füßen, mein Körper wird in die Matratze gedrückt. Ich kann meine Augen nicht öffnen, seine Hand schirmt mich ab, die andere wandert meinem Körper hinab. Wo bin ich? In seinem Bett? Er kitzelt meine Haut, kneift hinein und alles kribbelt so herrlich. Dann öffnet sich ein Finger und gibt Sicht auf sein schönes Gesicht frei. In seinen Augen sitzt der Schalk und bevor ich etwas sagen kann spüre ich ihn erneut. Zähne vergraben sich in meinem Fleisch und dann küsst er mich wieder, so unendlich langsam dass ich das Gefühl habe bald zu zergehen. Wie eine Leibspeiße beginnt er mich langsam zu vernaschen und ich kann nichts dagegen machen außer erregt zu keuchen, gelegentlich entlockt er mir auch schreie. Ich bin total entrückt. »Du bist mein«, murmelt er immer wieder. Ich wache auf. Total verschwitzt und mit einem harten Phallus. Mein Herz klopft, meine Gedanken wirbeln durcheinander. Ich greife mir in den Nacken und beruhige mich nur langsam. Aber eine weitere Entscheidung formt sich. Ich werde bei Georg bleiben und sehen wohin uns diese Reise führen wird. Er ist ein brillanter Taktiker, dass muss ich ihm lassen, umso neugieriger bin ich auf die Zukunft. Georg kannte Vater und dieser ihn, also habe ich ihn auch gesehen, doch ich besitze keine Erinnerung an ihn. Er ist Sol und ein aufstrebender Politiker. Ich werde ihm helfen und gleich übermorgen wird er den nächsten Kampf in einem weiteren Interview angehen. Wenigstens weiß ich nun was er im Schilde führt … und gemeinsam können wir das schaffen. Die Stadt wird uns gehören und danach der ganze Staat. Kapitel 4: 4 ------------ »Gut. Das Interview in zu unser vollsten Zufriedenheit abgelaufen, allerdings finde ich dass du dich etwas seriöser geben könntest. Ich bin mir nicht sicher ob deine Antworten von jedem so aufgefasst werden wie wir möchten.« Joy blickte auf, versicherte sich Georgs nicken und arbeitete dann ihre Liste weiter ab. Tze, wie die wollten? Oder eher wie Joy wollte? Ich stand an der Wand gelehnt hinter Georg und lauschte gelangweilt ihren Worten. Keine Ahnung woran es lag, doch wir beide wurden einfach nicht warm miteinander. Sie hatte etwas giftiges an sich und jeder Moment der sich ihr ergab wurde genutzt um es mir entgegen zu sprühen. An so einer konnte man sich noch schlimm Verbrennen, aber Georg vertraute ihr scheinbar, also tat ich es auch, vorerst. Außerdem hatte sie mein neues Erscheinungsbild mit einem ziemlich altbackenen Satz abgespeist. In der Regel war mir so etwas egal, aber Joy war wie mein persönlicher Racheengel. »Hey Goldjunge, wo sind deine goldenen Löckchen geblieben?«,dabei hatte sie mir in die Haare gegriffen und ihren Mund angewidert verzogen. »Und deine Brille?Ich hoffe du hast auch wirklich Grips.« Wie er sie allerdings mögen konnte war mir ein Rätsel. Und während sie ihren Monolog fortsetzte schweiften meine Gedanken weiter ab, ich musste mir sogar ein Gähnen verkneifen. Und dann war ich weg. Ich befand mich bei Georg, er an meiner Seite, zusammen starrten wir auf den PC und ich verdaute seine Worte. Er wusste es also. Schweigen. Ungemütlich. Dann erhebt er als erster das Wort: »Ich werde niemandem davon erzählen.« Ich nicke. Erneutes schweigen. Dann ich: »Ich weiß nicht ob ich dir vertrauen kann.« Ehrliche Worte. Erneut Stille. »Das kann ich verstehen«, erwidert er ganz nüchtern. »Aber ich hoffe die kannst es bald.« Das geht runter wie Butter. »Wieso?« Ich kann ihn hören, wie er sich kratzt. »Weil ich dich schätze Sebastian, sehr sogar. Du hast deine Schwester gepflegt, dich aufgeopfert. Du hast ein gutes Herz«, sagt er. Ich schweige, denke kurz nach, - nein, meine Gedanken rasen. »Seid du in mein Leben getreten bist musste ich kaum an Gretchen denken.« Ein Eingeständnis, dabei war sie kaum tot, da stürzte ich mich in ein verrücktes Abenteuer hinein. »Ich habe dir extra viel Mist für deinen Kopf gegeben. Ich wollte dass du sie vergisst.« Seine Worte klangen egoistisch, doch soweit ich ihn einschätzen konnte steckte mehr dahinter. Eine gute Absicht? »Es tut mir Leid dass sie tot ist, ich wollt ich könnte dir helfen, aber mir sind die Hände gebunden«, seufzt er rau. Und mir brennen Fragen auf der Zunge, doch ich verschlucke sie, möchte nicht daran denken, nicht an Marc, die Mafia und zwielichtige Geschäfte mit Georg. »Georg?« »Ja?« »Wann hast du Sol ins Leben gerufen? Wann wolltest du an mich heran?« Schweigen. Plötzlich fühle ich mich müde und mir ist kalt. »Ich möchte etwas erreichen«, fängt er plötzlich an, »ich möchte diese Zustände ändern, wirklich etwas machen, dass kann so nicht weiter gehen.« Nette Worte, aber er ist Politiker, dass kann alles und nichts heißen. Heiße Luft. »Dann verlierst du dein Geld«, sage ich. »Das ist egal. Aber es kann so nicht weiter gehen, ich glaube daran und dafür brauche ich Unterstützung.« Der Bildschirm blinkt, ich habe eine Einladung, doch Georgs Blick fasziniert mich im Augenblick mehr. Er wirkt ernsthaft entschlossen. »Und das wäre?« »Gerechtigkeit.« Das war nicht gerade die Antwort welche ich erwartet hätte, schließlich kann ihn Gerechtigkeit nicht unterstützen. Oder meint er das in einem anderen Kontext? Von der Seite wirkt sein Gesicht im fahlen Licht des Monitors steril. Meine Hand erhebt sich automatisch, Finger streichen über seine Wange, Haut an Haut fühle ich die sanfte Wärme seines Gesichts. Dann kneife ich hinein, meine Gesichtszüge verhärten sich. »Du bist naiv. Soetwas wird es in unserer heutigen Zeit nicht geben, dass hat es noch nie.« Er greift nach, berührt meine Hand und packt ebenfalls zu. »In anderen Ländern klappt es auch. Wenn wir die Medien, Schulen und Institutionen dazu nutzen konnten die Bevölkerung einzuschränken und abhängig zu machen, dann ist es uns auch möglich eben jene zu nutzen um die Gesinnung umzupolen.« Wahre Worte die mich erstaunen, er rückt sich weiter in ein angenehmes Licht. Aber utopisch. Ich glaube nicht an das gute im Menschen, nicht mehr. »Aber wir sind doch schon eine Demokratie, es … « »Es gibt keine richtige Demokratie. Es ist eine Illusion. Wahre Gerechtigkeit ist nicht der Ausdruck einer modernen Demokratie, diese mündet schlussendlich wieder in der Freiheit des Kapitalismus.« Kapitalismus, ein hoch darauf, nein dreimal. Ich nehme ein paar tiefe Atemzüge und ordne meine Gedanken. »Ist Luxus Freiheit?«, frage ich. »Wo definierst du Luxus?« Mmh. Gute Frage. »Wirklicher Luxus fängt für mich da an wo ich entscheiden kann welches der tausend Gerichte ich heute Essen möchte und wenn es nicht so klappt wie ich möchte werfe ich das Essen weg.« Ich habe lange Zeit gehungert, Mineralstoffe und Vitamine waren Mangelware, ich hab alles in Gretchen investiert. Damals wäre ich froh gewesen nur eine vernünftige Mahlzeit zu haben, etwas Vollkornbrot, Käse und Gemüse, noch immer ein Traum. »Ich definiere Luxus daran ob die Person sich das zehnte Auto kaufen muss oder nicht. Wahrscheinlich etwas hochgestochen, aber ich habe viele solcher Beispiele erlebt. Während die einen nicht mal ein Stück Brot hatten, beschwerten sich die anderen über die neue Farbe des zwölften Autos.« Ich fühle mich angesprochen, schließlich habe ich lange Zeit so gelebt, eigentlich bis eben. »Oh, sorry«, ertönt es noch im gleichen Atemzug, da ist ihm sein Patzer aufgefallen. Dann ertönt wieder Joys Stimme, kurz darauf ist die Sitzung beendet und die Angestellten seines Büros beglückwünschen sich und gehen wieder. Georg verlässt das Büro nachdem er einen Anruf bekommen hat und ich bleibe alleine zurück. Joy werde ich mich gewiss nicht anschließen, so logge ich mich bei ihm ein und lese mir seine Reden durch. Ich habe keine Lust seine KI zu rufen, ich weiß dass sie alles aufzeichnen wird und es ggf. wiedergeben wird. Keine Ahnung, aber die KI die Georg benutzt beunruhigt mich, der Gedanke in einer Art und Weise gefangen zu sein missfällt mir. … auch wenn ich das Gefühl habe dass Georg mich für seine eigenen Zwecke missbraucht. Seufzen ertönt, während ich mir die Stirn massiere. Erneut überfallen mich die Kopfschmerzen, aber ich kann nicht anders als ihm zu helfen, ich muss es irgendwie tun. Er gibt mir einen Sinn weiter zu leben ... Georg »Hey, warte doch mal.« »Joy, kann ich noch etwas für dich tun?« Georg wand sich Joy zu, eine helle Strähne hatte sich den Weg in sein Gesicht verirrt und er strich sie geduldig beiseite. Das fahle Licht der Laterne warf sich auf Georgs Gesicht und ließ eine Hälfte im Dunkeln. Nachdem die junge Frau sich nicht rührte wirkte er etwas ungehalten, er ließ sein altes Feuerzeug einige male in der Jackentasche klicken, es war seinen Nerven gescholten. »Ja?« »Du, ich kann das einfach nicht gut heißen«, sagte Joy und blickte dabei in den nächtlichen Himmel. »Ich versteh dich nicht, es ist nichts besonderes an ihm, er erscheint mir sogar ein wenig auf den Kopf gefallen, keine Ahnung was du hast.« Georg nickte ob ihrer Worte. Er folgte ihrem Blick und starrte den Mond am Himmel an. »Du kennst mich ...« »Ja das tue ich und ich soll dir wie immer trauen, doch ich helfe dir nicht dabei aufzusteigen nur damit du dich selber zugrunde richten kannst.« Ihren Worten folgte ein enerviertes Schnaufen. »Wir haben so lange darauf hin gearbeitet und du öffnest dich einem Wildfremden, stellst ihn an und versuchst aus ihm einen Menschen von Welt zu machen.« Die Worte waren ihm unangenehm, doch er konnte sich dem Funken Wahrheit nicht entziehen. »Vergiss nicht seine Eltern und Gretchen.« Erneut erntete er ein schnauben. »Ein verrückt gewordener Professor und eine Drogensüchtige Schwester die schlussendlich auch daran gestorben ist, mehr nicht, egal was mal war. Du musst mehr an dich und unsere Zukunft denken.« Georg blickt auf, starrte in ihre Augen und verzog seinen Mund. »Aber du vergisst etwas... «, begann er. »Natürlich, dass er so folgsam wie ein Hund sein kann und dann alles tut um das Mögliche zu erreichen? Das ist einfach ziemlich schwach und wenn du die Leute bezahlst machen die eh alles für dich.« Mit diesen Worten schloss Joy ihre Konversation, rief sich ein Taxi und war weg. Georgs Laune war im Keller, aber irgendwie brachten ihn ihre Worte zum Schmunzeln. Er hatte ihn genau wegen diesen Fähigkeiten gewollt. Georg betrat dass Restaurant, während sein SmartP in der Hosentasche sanft vibrierte. Er nickte dem Kellner zu und folgte ihm in einen separaten Raum. Auf dem SmartP war der Vermerk dass seine KI abgeschaltet werden sollte und ob er diesem zustimmen wolle. Kurz hielt er inne, dann stimmte er zu, schließlich war es eine Anfrage von Sebastian und auch wenn Joy ihm misstraute, er tat es nicht, schließlich wusste Georg einiges mehr um seine Person. Mit einer ruhe die sein eigen genannt werden konnte betrat er den Raum, erblickte sofort das Antlitz seiner heutigen Verabredung, rein Geschäftlich natürlich. Braune, sanft geschwungene Locken umrahmten ein paar graue Augen, in einem sehr ansehnlichen Gesicht. Sein Anzug war aus den kostbarsten Materialien angefertigt die es diesseits der Erde gab, seine Gestik und Mimik spiegelte genau das wieder was man von der hiesigen Aristokratie erwartete. Sehnig und kein Gramm Fett zuviel machten ihn zu einem der begehrtesten Junggesellen in der Stadt, vielleicht sogar im ganzen Land. Dieser schenkte dem Kellner ein arrogantes Lächeln und winkte ihn dann weg. Die grauen Augen glühten ihn förmlich an, sein Grinsen hatte etwas Raubtierhaftes, während jener an seinem Rotwein nippte. Nachdem beide alleine im Raum waren, setzte Georg sich und ließ sich den Abend keine der noch so unterhaltsamen Anekdoten des Freundes entgehen. »Wilhelm, ich möchte dich nur ungern unterbrechen.« Er spürte wie er fixiert wurde und lächelte sanft. »Ich werde dir die nächsten Tage einen Freund vorstellen, ich möchte dass du ihn gebührend empfängst und mit den hiesigen Gepflogenheiten vertraut machst.« Wilhelms lächeln sprach tausend Bände. Sebastian Mein Kopf dröhnte während wir durch die Eingangshalle schritten. Georg wirkte nach wie vor in seinem Anzug so geschäftig wie eh und je, egal wo wir waren, er sah immer aus als müsste er einen Schönheitscontest gewinnen, vielleicht lag es nur daran dass er sich als Politiker genötigt sah stets einen blendenden Eindruck zu machen. Persönlich hatte ich meine Wenigkeit in einen bequemen Pullover gezwängt, ja, ich hatte in der kurzen Zeit zugenommen und meine alten Sachen passten mir nicht mehr richtig. Als Georg herangetreten war mit der Bitte meinen Vater zu sehen, hatte er mich völlig aus dem Konzept geworfen. Für mich war er praktisch nicht mehr existent, in den letzten Jahren hier hatte man meine Bitte stets abgewiesen. Ich weiß nicht ob es an der Sicherheitsstufe lag, oder an der Erkrankung meines Vaters, aber eine Schizophrenie paranoider Form mit Wahnvorstellungen sollten wohl nicht angemessen für die Öffentlichkeit sein. So hielten die Medien meinen Vater für Tot und er war es auch irgendwann für mich. Den letzten Besuch hatte Gretchen abhalten dürfen, danach war sie ganz zerstreut gewesen und hatte irgendwann ihre Essstörung bekommen. Sie redete nicht mit mir darüber, beharrlich schwieg sie und ritt sich, wie auch mich damit hinein, bis Marc das Interesse an ihr verlor und sie sich komplett aufgab. Oft war ich im Dominus Pflegeheim für Menschen mit physischer wie psychischer Erkrankung gewesen, doch der Pfleger am Empfang hatte mich stets abgewiesen sobald ich seinen Namen nur erwähnte. Dies hatte ich auch Georg mitgeteilt, doch er ließ sich von meinen Worten nicht beirren und fuhr mit mir hierhin. Zum Ort meines persönlichen Grauens. Ich starrte die Patienten förmlich an, irgendwie hatte ich einen siebten Sinn, oder man sah es ihnen schlichtweg an, wenn Schwestern dabei waren war es natürlich ganz logisch dass man sie erkannte. Augen die trüb waren, Haaren meist ungepflegt und strähnig abstehend, Kleidung die nicht so richtig von Farbe oder für deren Zweck passte. Wenn ich an ihnen vorbei ging beschlich mich immer so ein Gefühl als ob sie mich verfolgten, ich konnte ihre Blicke förmlich an meinem Rücken spüren. »Welches Stockwerk?«, holte mich seine Frage zurück. Ich antwortete nicht sondern drückte die Zifferntaste sieben in der Hoffnung der Aufzug würde sich schleunigst beeilen, doch die Tür schloss sich nicht rechtzeitig und eine Schwester nebst Patient stiegen mit hinzu. Sie schenkte mir ein freundliches Lächeln, während sie aus den Augenwinkeln ihren Patienten beobachtete. Dieser allerdings wirkte ganz und gar nicht ungepflegt, er schien recht jung, hatte schwarze Haare und dunkelbraune Augen. Auch wirkte sein Blick recht klar nachdem er den Aufzug gemustert hatte als wäre er das interessanteste bevor er uns beide betrachtete. Ich wich seinen Augen aus und sah kurz zur Schwester die den Ziffernknopf der sechs drückte. »Heute ist ein schöner Tag«, sprach der Patient. Die Schwester nickte und lächelte weiter als könne nichts ihre Miene trüben. Warum fuhren diese Aufzüge nur so langsam? Ich murrte leicht und Georg bestätigte die Aussage des Patienten, wirkte so freundlich wie eh und je, ich hatte das Gefühl allerdings unter den Blicken des Patienten bald zu sterben. Ich blickte auf meine Schuhe, während eine lange Pause entstand und wir weiter nach oben getragen wurden. Hatte ich schon erwähnt das ich in Aufzügen gerne Panikattacken bekam? Dann hielt er und die beiden stiegen aus, bevor die Türen sich allerdings schlossen, wand der Patient sich mir zu: »Angst ist eine Seuche.« Seine Worte waren in einem derart schneidenden Ton hervorgebracht, sodass augenblicklich alles Blut aus meinen Adern floss. Ich hörte die Schwester noch keuchen, dann schloss sich die Tür und lies mich geschockt zurück. »Hey, Sebastian. Alles in Ordnung?« Ich nickte, wand mich jedoch von ihm ab. »Lass dir das nicht zu Herzen gehen, denk daran wo wir uns befinden.« Ja, er hatte Recht, hier waren sie alle krank.. Als der Aufzug ein weiteres mal hielt, stiegen wir beide aus. Wir befanden uns in einem schlicht gehaltenem Flur mit klaren Strukturen an den Wänden, welche sich auch in der Einrichtung und den Bildern wiederfand. Abstrakte Kunst oder weitschweifende Gemälde suchte man vergebens, alles hatte seinen festen Platz. Hier gab es keine herumstreunenden Patienten in Begleitung einer Schwester oder überhaupt andere Menschen, alles wirkte leer und steril. Bis auf eine Frau unweit von hier, die uns neugierig betrachtete. Wir schritten auf sie zu, doch bevor ich etwas sagen konnte, übernahm Georg die Konversation. »Einen wunderschönen guten Tag Frau Schwester Marie.« Ich entdeckte ihr Namensschild und tat es Georg gleich indem ich ein herzliches Lächeln auflegte. »Ich möchte ihre Zeit nicht unnötig vergeuden, aber«, er zeigte auf mich »mein bester Freund hat seid Ewigkeiten seinen Vater nicht mehr besucht und würde dies gerne tun.« »Und warum spricht dann ihr Freund nicht selbst?«, fragte sie freundlich aber mit einem misstrauischen Unterton. Bevor Georg etwas sagen konnte, lachte ich leicht und antwortete: »Weil es eine alte Berufskrankheit von ihm ist.« Sie musterte Georg und mich und ich konnte sehen wie sich die Rädchen des Erkennens drehten. »Oh, Herr Goteborg, sie hier..« Dann schweifte ihr Blick wieder zu mir. »Dann sind sie dementsprechend Herr Steiermark und sie wollen bestimmt zu, oh...« Ihr Stocken war bestimmt kein gutes Zeichen und innerlich kapitulierte ich schon, doch Georg hatte noch ein Ass im Ärmel. Er beugte sich leicht vor, sodass es keine bedrohliche, sondern eine sinnliche Komponente bekam. Natürlich, Schwester Marie war jung und recht hübsch und … »Sie haben bestimmt die Befugnis irgendjemanden herein zu lassen,aber Dr. Steiermark ist ein Sonderfall, oder?«, erkundigte er sich nonchalant. Sie nickte und er fuhr fort. »Hören Sie, sie würden uns bzw. ihm einen riesigen Wunsch erfüllen. Er hat seinen Vater schon lange nicht mehr gesehen und sehnt sich nach ihm. Wir arbeiten jetzt zusammen und wir wollten ihm gerne ein paar gute Neuigkeiten überbringen.« Die Schwester schien mit sich zu ringen und ich starrte nach oben. Ich fand zwei Kameras direkt auf den Empfang gerichtet, da Georg noch immer mit ihr sprach entfernte ich mich und ging auf die Toilette.. Ich nahm mein SmartP und öffnete ein selbst geschriebenes Programm. Es war schwerer als gedacht, doch ein paar Minuten konnte ich die Kameras auf Etage sieben so einstellen dass sie ihren Winkel nicht verändern würden. Mehr konnte ich nicht tun, denn das Heim war außergewöhnlich gut gesichert. Als ich die beiden wieder erblickte, hielten sie tatsächlich doch Smalltalk. Bevor ich etwa erwidern konnte sprach die Schwester: »Es ist jetzt 13 Uhr und sieben Minuten, sie haben also Zeit bis vierzehn Uhr ein ausgedehntes Gespräch zu führen.« Damit winkte sie uns durch und die Sperre gab frei. »Zimmer 0789« »Du hast die Kameras geändert«, flüsterte Georg plötzlich , noch als wir uns den Weg suchten. Auch hier begegneten wir keinem Menschen. Ich zuckte leicht die Schultern. »Das war unnötig«, fügte er ein. Fand ich nicht. »Glaub ich kaum«, sagte ich schlicht. »Wenn wir bei ihm sind wirst du es mir danken.« Dann blieb er stehen, dort waren die Ziffern 0789. Ich klopfte leicht und drückte dann ganz sanft und vorsichtig die Türklinke nach unten, als könne sie jeden Moment kaputt gehen. Als ich eintrat – fand ich niemanden vor. Ich sah ein Bett, Gitterstäbe vor dem Fenster, viele Buntstifte und einen Malblock, sowie einen Kleiderschrank. War er etwa nicht da? Da vernahm ich die Toilettenspülung und im angrenzenden Bad, dann Wasser das aufgedreht wurde. Ich blickte kurz zu Georg, betrat dann den Raum und setzte mich auf das Bettende. Er folgte mir, nahm dann jedoch am vergitterten Fenster platz. Wie würde er reagieren sollte er uns sehen? Ich hoffte … dann ... Nach so viele Jahren erblickte ich meinen Vater und dieser mich. Äußerlich blieb ich ganz ruhig, aber innerlich tobte ein Sturm. Er war abgemagert und - »Ich dachte du wolltest mich nicht mehr sehen.« Ich öffnete meinen Mund, wollte etwas erwidern ob dieser Aussage, doch dann stand er schon ganz nah vor mir und wirkte ebenso ungläubig wie ich. »Ich habe das Interview gesehen vor zwei Tagen, wo ihr von mir geredet habt als wäre ich tot.« Was sagte man nur in so einer Situation? Aber schließlich war es die Wahrheit. »Es tut mir Leid.« Ich ließ den Kopf hängen. Irgendwie war ich nicht auf unser Wiedersehen vorbereitet, auch nicht als ich seine Hände auf den meinen spürte und augenblicklich schnürte sich mein Hals zu. Ich konnte ihn nicht ansehen. All die Jahre hatte er mir so schmerzlich gefehlt und dann war er irgendwann gestorben, in meinen Gedanken, meinem Glauben, ich dachte immer er wolle mich nicht sehen. »Wie ich sehe hast du die Kamera in meinem Raum manipuliert.« Ich sah nach einer Ewigkeit wieder auf, folgte seinem Blick der an der Wand haften blieb. »Ich hoffe du hast auch an die Wanzen gedacht.« »Hab ich«, seufzte ich. Das war eigentlich ganz einfach, denn mein SmartP strahlte eine Frequenz aus die jedes Abhören im Umkreis von 25 Metern unmöglich machte. »Dann können wir ungestört reden.« Ich straffte meine Schultern, wollte etwas sagen, doch Georg kam mir zuvor, er war währenddessen zum Bett getreten. Hatte ich erwartet das er meinem Vater eine Aufwartung macht und sich bedankt oder ähnliches, überraschte es mich als beide Blicke austauschten wie zwei alte Bekannte. Sofort spürte ich einen Stich der Eifersucht, denn ich hatte ein Anrecht auf meinen Vater und ich tat alles mehr oder minder freiwillig für Georg und dieser sollte froh sein das ich überhaupt für arbeitete. »Es tat gut das du Georg mit hierher gebracht hast.« Ich hatte mich also nicht getäuscht. Und mein Vater klang für einen psychisch Kranken ziemlich normal und wirkte auch so. Verdammt. Aber bevor ich etwas sagen konnte banden mir die beiden das Wort ab. »Es tut gut Sie wohlauf zu sehen«, lächelte Georg. »Hast du meinen Sohn aufgeklärt?« »Dafür war noch keine Zeit.« Moment! »Ey, ...« »Wart mal Basti.« Fassungslosigkeit. Meine Vater warf mir einen Blick zu. »Er braucht immer einen Moment länger, aber sein Herz sitzt am richtigen Fleck, außerdem wird er euch sehr viel nützen. Soviel ich aber gesehen habe, seid ihr noch nicht zur Tat geschritten?!« »Nein, wir warten bis zum richtigen Moment. Aktuell ist es unser Ziel diese Kampagne zu gewinnen und unsere Leute einziehen zu lassen, danach können wir dann voran schreiten«, sprach Georg. Mein Vater nickte, öffnete eine Schublade und nahm dann etwas heraus das er mir kurze Zeit später entgegen hielt. »Nimm dir ein Stück, hör uns zu und spar deine Wut für später auf.« Er selbst schob sich ein Stück Schokolade in den Mund, hielt es auch Georg entgegen der jedoch dankend ablehnte. Ich ließ die Zartbitterschokolade langsam auf meiner Zunge zergehen, während ich versuchte meine Wut zu unterdrücken. Georg warf mir noch einen leicht unsicheren Blick zu, bevor er erneut das Wort erhob. »Wir haben einfach bessere Chancen wenn ich gewinnen sollte, vorher öffnet dies uns jedoch Türen zu allen Personen mit Rang und Namen. Bisher konnte ich schon ein paar größere Händler für uns begeistern, allerdings gestaltet sich das meiste noch als schwierig.« Mein Vater nickte und schien zu überlegen. »Und die großen Jungs?« Ich hatte absolut keine Ahnung von was die beiden sprachen, umso mehr sie erzählten desto weniger verstand ich. »Der Einzige mit dem wir in etwa reden können ist Duncan, aber auch er ist eher … schwieriger.« Mein Vater nickte schweigend. »Ich habe dein Programm gesehen Georg und ich muss sagen das du doch sehr angepasst bist, ich denke du musst aggressiver vorgehen, lass die Leute langsam verstehen worauf du hinaus möchtest.« Ich saugte das Gespräch förmlich auf und langsam erschloss sich mir der Sinn der Diskussion. Während sie weitere Dinge austauschten hatte ich ein Bild ganz klar vor Augen. »Sie haben dich hier extra eingesperrt.« Diese Erkenntnis war überaus verrückt, aber anscheinend die einzig wahre Begebenheit. Die beiden Männer unterbrachen mich und mein Vater kam näher und nahm mich in seine Arme. Ich genoss es für den Moment zu Wissen dass er lebendig ist, auch wenn man ihn gefangen hielt. »Man muss dich befreien«, flüsterte ich. »Nein«, sagte mein Vater. »Ich bin euer kleinstes Übel, ihr habt euch auf andere Dinge zu konzentrieren.« »Dein Vater hat Recht«, warf Georg ein. »Dann sag mir endlich was los ist, Georg.« »Das kann ich noch nicht, aber du wirst es bald verstehen.« Wer versteht schon etwas wenn er kaum Anhaltspunkte hat. »Ich hab die Schnauze voll von deiner Geheimniskrämerei, wenn du nicht irgendwann mit der Sprache heraus rückst dann ...« »Dann was?« Georg kam mir gefährlich nahe. »Was möchtest du sagen? Das ich etwas plane? Jeder Politiker plant Dinge. Würdest du mich wirklich verraten? Und deinen Vater gleich mit?« Ich konnte ihm nicht antworten, machte mich jedoch nur von meinem Vater los. Dieser verdammte Arsch, mich im trockenen lassen, aber von mir erwarten ich solle die Situation überblicken. Doch dann: »Nein ich würde es nicht, aber auch nur weil ich weiß das du möchtest dass es gerechter zu geht, aber das kannst du mit unserer hiesigen Regierung nicht erreichen, selbst wenn du an der Macht bist würde es dir nicht gelingen. Das Genfood macht die Leute kaputt, es lässt uns mutieren, die Medikamente und Ärzte sind weiterhin zu teuer, die Menschen mit der meisten Kohle wären weiterhin privilegiert und nicht diejenigen welche ihren Arsch tagtäglich zur Arbeit bewegen. Nein, dafür müsstest du schon … « Oh verdammt, es müsste … »Du müsstest putschen.« Die Tragweite meiner Worte ließ mein Herz schnellen und ich heftete meine Blicke erst an Georg, dann an meinen Vater, doch keiner bestätigte meine Aussage. Allerdings war ihre Entschlossenheit in diesem Moment förmlich greifbar. Deswegen war wahrscheinlich mein Vater hier gefangen, er musste unvorsichtig vorgegangen sein. Bei was auch immer, ich wollte nicht weiter Fragen, ich verdaute innerlich diese wahnwitzigen Vorstellungen. »Ihr habt nicht mehr viel Zeit«, erwiderte mein Vater. Der weitere Verlauf unserer Konversation war überraschend oberflächlich, auch wurde sie nicht tiefer als er vom Tot seiner Tochter erfuhr, er hatte anscheinend mehr mitgemacht als ich angenommen hatte, es brachte mir lediglich einen bedauernden Anblick ein. Und bald war die Zeit herum und wir gingen wieder. Die Musik der Show ertönte und eine dunkle, sehr dünne Frau wurde eingeblendet. Ihre Zähne waren auffallend weiß, ich hatte das Gefühl ihr Lächeln hatte etwas hinterlistiges. »Ich freue mich dass sie heute wieder zu Meballa Jakob eingeschalten haben, denn unser heutiges Thema nimmt vor niemanden halt.« Die Kamera schwenkte zur Seite, stellte Lurk Großheim vor, der als Pressesprecher seiner Industrie auftrat, Journalist Christoph Gries, Kindergärtnerin Sina Mark und die Menschenrechtlerin Anna-Marie Sand, welche als Gegenpart agierte. »Ich heiße sie recht herzlich Willkommen. Wir sind heute zu einem Thema dass die Menschen spaltet, egal ob sie Arbeiter sind, Angestellte oder Manager, denn jeder von uns ist auf eine Rente angewiesen. Aufgrund der massiv gesunkenen Geburtenzahlen wurden vor Jahren Zusatzrenten eingeführt damit die eigentliche vom Staat geförderte und durch Steuergelder finanzierte Rente gestärkt werden kann. Nun aber, nachdem unsere Geburtenrate auf unter Null Komma Acht Punkte gesunken ist, wird die staatliche Rente abgeschafft und es steht jedem frei sich selbst für das Alter vorzusorgen.« Sina Mark schnaubte lautstark und beugte sich nach vorne. »Ich weiß nicht was mit diesem Staat los ist, aber ich kann es nicht verstehen«, wand sie ein und schüttelte dabei übermäßig den Kopf. Der Journalist Christoph lächelte, als wüsste er etwas besser. »Eigentlich können sie dies schon wissen, aufgrund gesunkener Geburtenzahlen kann dieses System nicht beibehalten werden, es wäre eine wirtschaftliche Katastrophe für unseren Staat.« Sina machte ihrer Wut Ausdruck. »Und woran liegt das? Ich selbst habe keine Kinder, einfach weil ich es mir nicht leisten kann! Da haben sie es!« Der Journalist lachte auf eine überhebliche Weise und die Menschenrechtlerin welche bis dato still zugehört hatte fand nun auch das Wort: »Ich empfinde es als blanke Abzocke des Menschen und nicht nur mir geht es so. Selbst Länder wie Mina geht es besser als uns, die eigene Industrie hat zusammen mit dem Staat uns ausgebeutet und nun erreichen sie einen neuen Höhepunkt ...« »Wagen sie es nicht uns dort mit hinein zu ziehen«, meldete sich der Pressesprecher zu Wort. »Dies geht von der Regierung aus, wir haben damit nichts zu tun, oder haben sie schon jemals gehört das Wilka Schokolade jemals ein Gesetz beschlossen hätte?« Nun war es am Journalisten etwas einzuwerfen: »Aber ist es nicht so, dass sie staatliche Parteien mit Spendengeldern versehen? Ich meine, wer ist so dumm anzunehmen das es sich hierbei nicht um Schmiergelder handelt? Haben die Parteien Dinge beschlossen die ihrer Großindustrie zugute kamen, stiegen die Spendengelder um ein vielfaches.« »Ich sehe wir kommen vom Thema ab«, warf Meballa ein, deren dunkles Gesicht ein Lächeln aufwies das über alles erhaben schien. »Sina, sie haben eben schon erwähnt dass die Geburtenzahlen daher resultieren könnten dass sie sich keine Kinder leisten könnten, möchten sie uns etwas ausführlicher dazu sagen?« Der Bildschirm wurde augenblicklich schwarz. Ich legte die Fernbedienung beiseite und ging in die Küche um mir ein Glas Wasser zu holen. Jedes Mal wenn die Themen kritisch wurden, wendeten die Autoren es ab und kamen auf andere, unverfänglichere Themen zurück. Ich hatte es mehr als einmal erlebt dass die Wut oder der Hass auf Personen persönlich gelenkt wurde, das eigentliche Probleme wurde so meist abgewendet. Das war alles falsch, unsere Regierung war nach außen hin perfekt und weiß, innerlich jedoch so falsch und korrupt das ich es kaum in Worte fassen konnte. Kapitel 5: 5 ------------ Stadtrand Schnelle Atemzüge waren zu vernehmen, während der Regen seine dicken Tropfen unaufhörlich auf den Asphalt fallen ließ. Das Plätschern der Pfützen ließ einige Tauben aufschrecken die sich unmittelbar in der Nähe befunden hatten und von den nahenden Menschen flohen. Stoff der auf anderen traf, ein Keuchen, ein erstickter Schrei und Blut dass das Regenwasser zu Füßen Rubinrot färbte, zeugte im Zwielicht der Laterne vom Augenblick. Ein Augenblick der Angst, ein Augenblick der Flucht, Sekunden der Stille und des Todes. Ein letzter Atemzug wurde gehaucht, ein gedämpfter Schuss, bevor der Mann mit den massigen Armen den Jugendlichen auf die Schultern hob und in die riesige Lagerhalle brachte. »Ein weiterer Dieb?«, mehr Feststellung als Frage, gehaucht von sinnlichen roten Lippen. Blonde, lange Haare, großer, trainierter Körper, Augen kalt wie Eis. Ein Lächeln zeichnete ihre Lippen, während sie den Jungen entgegen nahm und ihn auf die stählerne Bank legte. Sie desinfizierte sich lange und ausgiebig die Hände, besonders die Zwischenräume und die Fingernägel bevor sie die Handschuhe überstreifte. Es störte sie in keinster Weise dass ihr Kollege mit den massigen Armen, der auf den Namen Heinz hörte ihr nicht geantwortet hatte. Sie war es gewohnt. Er hing zumeist seinen Gedanken hinterher, antwortete wenn es ihm passend erschien, war jedoch in allen Belangen absolut zuverlässig. »Dr. Sara.« Sara, eben angesprochen nickte leicht, während er ihr half den Jungen zu entgleiden. Er trug keinen Pass bei sich, noch machte er den Eindruck besonders wohlhabend zu sein, der Körper war zwar drahtig, aber unterernährt. Er hatte schmierige Haare, das Regenwasser tropfte auf das kühle Metall. Dann nahm sie eine Spritze und versah den Körper mit einer hellblauen Flüssigkeit, nur wenige Minuten später wurde der Körper eiskalt, dann desinfizierte sie die Stellen an dem sie die Organe entnehmen würde. Später nahm sie sich ihr SmartP zur Hand. »Ich habe hier einen kleinen Dieb. Ja …werde ich machen, schick mir eine Box in einer halben Stunde, bis dann.« »Wir machen heute ein gutes Geschäft, Heinz.« Der bullige Mann lächelte sie wie ein Kind an dass etwas gutes getan hatte. Klub Ignis Grüne Augen starrten Luftlöcher an die Decke während ihre Daumen unermüdlich die feine Haut ihrer Zeigefinger rieb. Dann ertönte endlich das erlösende Klingeln, dass sich jedoch als Niederlage heraus stellte. Er war verschwunden. Vor zwei Stunden hatte sie ihn noch gesehen, dann war er urplötzlich verschwunden, sie hoffte dass er ihren Auftrag rechtzeitig am vereinbarten Ort aufbewahrt hatte. Die zierliche Frau sprang vom Tisch, ihr Blick klarte auf und sie machte sich auf den Weg zum Zimmer ihres Vaters, dicht gefolgt von drei Bodyguards. Sachte öffnete sie dir Tür ohne anzuklopfen, der schlichte Prunk des Zimmers fiel ihr nach den Jahren gar nicht mehr auf. »Papa.« Zwei Männer blickten auf. Am massiven Schreibtisch saß ihr Vater, seine braunen Augen ruhten ruhig auf ihr. Ein weiteres Augenpaar sah auf, erkannte sie, lächelte freundlich, sie waren so silbern wie ein Silberstreifen am Horizont. Sie hatte zwar eine schlechte Nachricht vorzubringen, aber ihren Halbbruder vorzufinden erfreute sie über alle Maßen, sodass die Worte in ihrer Kehle stecken blieben und sie sich in die Arme des Mannes warf. »Es ist schön dich zu sehen Will«, flüsterte sie. Will drückte sie fest an sich und sie atmete seinen angenehmen Duft ein. Einen kurzen Moment gehörte der Augenblick ihr, denn es war selten dass Will zu Besuch war. Einerseits war es unangemessen sollte man ihn mit ihrem Vater sehen, schließlich ging ihr Vater mehr unüblichen Dingen nach, die jedoch sehr erfolgreich in seinem kleinen Reich war, außerdem sorgte ihre Familiengeschichte für Spannung. Schließlich zerstörte Will jedoch ihre traute Zweisamkeit. »Verdammt, er hat lediglich ein kleines Anliegen an dich, hör ihm doch einfach mal zu.« Sie konnte die Spannung zwischen den beiden Männern förmlich spüren. »Melissa, geh raus.« »Nein.« Melissa Harrt war achtzehn Jahre alt, die Tochter des hiesigen Mafiabosses und Halbschwester eines adligen Bruders. Sie war es gewöhnt von allen Seiten herum geschickt zu werden, mit den Jahren hatte sie jedoch ein dickes Fell bekommen und ignorierte die Aussage ihres Vaters. Unangenehm war es dennoch, besonders da sich die beiden jeden Moment an die Gurgel zu gehen drohten und so ihr Unbehagen provozierten, doch was einen nicht tötete machte einen stärker. »Wen soll er denn treffen?«, erkundigte sie sich beiläufig. Sie schlug den linken Ärmel ihrer Bluse zurück. »Ach Melli, es geht um politische Dinge, ich weiß nicht ob dich das so interessiert.« Währenddessen setzte sich auch Will und nahm eine möglichst friedliche Haltung ein. »Ein Politiker möchte mein Vater treffen? So selten ist dass doch nicht.« Dann grinste sie und drückte auf die Haut ihres Unterarmes. Ein kleiner Mechanismus erklang, dann öffneten sich metallene Scharniere und sie konnte die Kabel ihres Cyberarmes erkennen. Ihr Unterarm war quasi wie eine Art Schatulle aufgegangen. Sie nahm einen Chip heraus, schloss es wieder ging dann zum Computer ihres Vaters. Die Männer verfolgten ihr tun, es war selten das sie so etwas öffentlich zelebrierte. »Jonni antwortet mir nicht mehr, ich glaub ich brauch Ersatz.« Kein Zucken, Jonni war nur ein Botenjunge gewesen. Sie legte den Chip in den Rechner und zeigte ihm die bisher aufgenommenen Fotos. Dann zog sie ein Kabel hervor und verband es an ihrem Hinterkopf. »Ich wollte eure Diskussion ja nicht stören, um welchen Politiker es auch immer ging, aber ich möchte euch etwas zeigen. Guck mich nicht so an Papa, ich musste selber etwas nachgehen.« Sie nahm sich einen Stuhl heran, setzte sich und verband sich mit dem Netz. Sie folgte der Spur die Jonni hinterlassen hatte und fand schließlich seine Signatur. Es war alles etwas verzehrt, seine Nachricht wurde von Minute zu Minute schwächer. »Melissa, ich bin deinem miesen Gefühl nachgegangen nachdem du diese Politikschmonzette gesehen hattest. Ich bin auf etwas interessantes gestoßen nachdem ich mich an ihn geheftet hatte. Eigentlich ist es nicht er, sondern sein Assistent.« Er überreichte ihre die virtuellen Daten. »Danke, dass ich für dich arbeiten durfte.« Als Melissa die Augen öffnete waren sie allein, ihr Vater wirkte gelangweilt, doch sie kannte ihn besser, so wirkte er immer wenn ihn etwas besonders interessierte, Will hingegen zeigte seine Neugierde ganz offen. »Ist das der Politiker?«, fragte sie und tippte auf dem Holo einen der Männer an. Will nickte. »Das ist sein Assistent, richtig?« Niemand antwortete. »Wo hast du das Video her?« Melissa zuckte mit den Schultern ob der Frage. Obwohl sie die Aufnahme kannte, verfolgte sie das kurze Video gebannt. Besagter Politiker, sein Assistent und ein verurteilter und unzurechnungsfähig erklärter Staatsverbrecher unterhielten sich angeregt. »Es war nicht so einfach gewesen daran zu kommen, aber weil unsere Körper vom gleichen Hersteller sind, konnte ich ihn umgehen und, na ja ich war einfach neugierig wen die beiden besuchen gehen.« »Du konntest dich in ihn hacken?«, fragte Will ungläubig. »Na ja, Papa wollte wissen mit wem er es zu tun hat wenn er auf ihn treffen soll.« Will starrte Duncan an. »Ich wusste nicht was Georg vor hat«, warf er ein. »Wissen wir auch nicht«, meinte Melissa und grinste. »Aber es ist interessant, sein System ist zwar älter, aber anscheinend ..« Melissa stockte. Ihr bisher heiteres Lächeln verschwand und sie beugte sich näher an die Aufnahme heran. Es war nur ein kurzer Moment, aber es ließ ihr das restlich vorhandene Blut in den Adern gefrieren. »Melissa?« »Da!« Sie spulte die Aufnahme zurück und zeigte darauf. Ihr Atem wurde zittrig. »Er hat mich bemerkt, aber ich dachte es wäre der Assistent.« Es zeigte Georg wie er einen kurzen Moment die Kamera anstarrte und dann lächelte. Das war kurz bevor sie das Zimmer verließen. Melissa wurde etwas mulmig zumute, sie war leichtsinnig mit ihrem Körper, dem Netz und dem Hacken umgegangen und noch immer befand sich eine Signatur bei ihm, neugierig wie sie war hatte sie einen kleinen Trojaner bei ihm eingeschleust. Das war nicht gut. Melissa schloss die Aufnahme und vergaß dabei das Material von Jonni. »Muss mal eben etwas erledigen«, flüsterte sie. Erneut suchte sie nach dieser Verbindung und stellte mit großer Erleichterung fest das ihr kleiner Trojaner unangetastet war. Als sie ihn jedoch greifen wollte, zuckte sie in der virtuellen Welt zusammen, es fühlte sich wie ein Stromschlag an. Will keuchte unterdessen als ihr Körper in sich zusammen sackte und sie Bewusstlos zurück blieb. Nachdem Melissa wie ein Puppe im Bett lag und Duncan einen speziellen Arzt bestellt hatte, entschied er sich dem Treffen einzuwilligen. Duncans Büro Es ist falsch die Welt in schwarz und weiß einzuteilen. Alles ist eine Grauzone, krankheitsbedingt herausgenommen, ist jeder Mensch fähig gute und böse Handlungen zu vollziehen, es ist jedoch ein Prozess aus Erziehung, Erfahrung, Denken und Wahrnehmung, kurz der persönlichen Präferenzen ob wir etwas als gut oder böse einschätzen. Ich Grüble schon seid mehreren Tagen was dieses eigentliche gute und schlechte an uns und unserer Welt ausmacht, ob es sinnvoll ist für Gerechtigkeit zu kämpfen oder es hinzunehmen. Wir Menschen nehmen uns wahrscheinlich zu ernst, wahrscheinlich sind oder waren wir nur ein Prozess biologischer Natur. Waren wahrscheinlich. Viel Zeit zum grübeln habe ich nicht, besonders nicht seid mich dieser Quacksalber so streng anblickt. Ich weiß nicht was er hat, aber anscheinend etwas gegen mich, aber davon werde ich mich nicht beirren lassen. Melissas rechte Hand ist kalt, nicht blau, aber es ist Besorgnis erregend. Georgs Virus hat bestens funktioniert. Eigentlich ist es unglaublich dass er selbst ein ähnliches Modell wie ich ist. Seine Vitalfunktionen sind perfekt, durch seine Adern fließt warmes Blut, seine peripheren Nerven bestehen aus synthetischen Nervengewebe das horrende Preise erzielt auf dem Markt, aber es ist das beste Material was es momentan gibt. Ich hatte es beinahe vergessen, dass er auch einer ist. Eine Überraschung fürwahr, denn nachdem er mich damals am Nacken berührt hatte und ich mich ertappt fühlte, war meine Hand kurzerhand geschnappt worden und ich konnte es bei ihm fühlen. Noch immer wusste ich nicht was er bezweckt, weshalb er mich nimmt, aber er wirkt so sicher, so entschlossen und fit. Wenn ich ehrlich bin genieße ich es, die Aufmerksamkeit. »Tun sie schon etwas«, schnalzt er. Ich ignoriere ihn. Dann nehme ich mir einen Adapter, er wird mich mit ihr verbinden und schließe ihn erst an mir, dann an Melissa an. Ihr Schutz ist deaktiviert, ich kann problemlos die erste Hülle betreten. Alles was ich sehe ist graue leere, ein Programm das gelöscht wurde. Er muss ihre äußeren Schutzschilde schwer beschädigt haben, so leicht fällt es mir immer weiter in ihr Bewusstsein einzudringen. Dabei tue ich dies nicht in Wirklichkeit, sondern dringe mit meinem eigenen Bewusstsein vor. Unsere Gehirne sind intakt. Wenn man sich entschließt sich künstliche Hilfen zu nehmen, geschieht dies meist aus dem Wunsch wieder zu funktionieren. Wie bei mir und anscheinend auch Melissa. Ich kann ihre Erinnerung sehen. Ich kann nicht weg blicken, wie ein kaputter Film spult es sich weiter ab. Die Schläge, sexuelle Gewalt und anschließend das langsame Brechen ihrer Knochen. Ich sehe sie auf ihrem rosa Himmelbett, bald sind die Augen nur noch glasig und er verlässt das Zimmer. Armes, kleines Mädchen, auf dem Weg zur Kindfrau. Viel Zeit vergeht, bevor sie entdeckt wird. »Ist es interessant?« Ich spüre sie hinter mir, kein taktiles Gefühl, mehr ein streichen, ein Tasten an meinen Barrieren, aber sie sind stabil. »Ja.« »Wills Vater war das.« »Mein Beileid.« »Nachdem er heraus fand das ich ein Bastard war.« Ich schweige und wende mich dann ab. Vor mir steht sie, ihre Augen leuchten grün, alles andere verblasst daneben. »Wieso bist du hier?«, fragt sie. Ich lächle. Ich hoffe es visualisiert sich stark genug damit sie es sehen kann. »Ah, ich weiß. Papa.« Ich erkenne ihr schelmisches Grinsen, kurz darauf wandelt sich ihr Ausdruck und sie sieht beschämt zur Seite. »Niemand will mich. Alle wollen nur meinen Vater und benutzen mich.« Ich bleibe still. »Aber du hast meine Frage nicht beantwortet: Wieso bist du hier?« »Damit ich dich beschützen kann«, antworte ich wahrheitsgemäß. Sie lacht, es perlt regelrecht durch ihre Sphäre. Ich spüre Trauer und Wut. »Er hatte schon erwähnt dass es da einen Politiker gäbe der würde alle Register ziehen um sein Ziel zu erreichen. Sehr ehrgeizig und berechnend.« Ich spüre sie erneut an meinen Barrieren, aber sie ist zu schwach, sie wird niemals in mich eindringen können. »Du wirst mir wohl nie direkt antworten, mmh? Na gut, sei's drum.« Irgendwie war sie süß, auf eine Art die ich nicht genau definieren konnte. »Ich bin deine Lebensversicherung. Tötet man mich, wirst du sterben, solltet ihr Georg töten, werde ich mich umbringen.« »Zu allem wohl fähig, nah?« »Wir brauchen deinen Vater.« »Wohl eher seine Macht.« Langsam schwinde ich und ziehe mich zurück. »Hey wo willst du hin?« »Folg mir.« »Hey, das ist einfacher gesagt als getan«, keucht sie. »Tu es einfach«, sage ich. Ich strecke meine Hand aus, wir gleiten ineinander und ich ziehe sie mit mir. Als ich die Augen öffne, blickt sie mich an. Ihre grünen Augen sind noch immer präsent, aber ich erkenne ihre Konturen besser. Wir verharren, blicken uns an, dann laufen Tränen. Sie krallt sich die Hände ins Gesicht und weint fürchterlich. Ich kann nichts tun als sie in den Arm zu nehmen. »Warum tust du das?«, schluchzt sie. Jetzt weiß ich warum ich sie süß finde. Meine Schwester war ihr sehr ähnlich. Hätte ich Geld gehabt wäre Gretchen vielleicht auch gerettet worden … Wenn ich bedenke das Vater dies alles erfunden hat und ich mit seiner Technologie nicht einmal Gretchen retten konnte. Georg »Du hattest Recht«, sagt Georg. Er kann es kaum fassen, starrt seinen Freund an. Wahrscheinlich auch weil Wilhelm leidige Gefühle für Duncan hat, vielleicht eine Art Hassliebe? »Ich sage es doch«, meint dieser nur und zündet sich eine Zigarette an. Sie stehen draußen, warten in der kalten Nacht, flackerndes Laternenlicht erschafft unbändige Schatten. Dann endlich erscheint Sebastian, seine dunklen Haare sind etwas zerzaust, seine Nasenspitze leicht gerötet und er wirkt sehr ernst. »Ich danke dir«, sagt Georg. Er stellt Wilhelm vor und verabschiedet sich dann, viel Arbeit wartet. Etwas irritiert bleibt Sebastian zurück und gibt Wilhelm die Hand. Kalte Hände, ein sehr ansehnliches Gesicht und sofort spürt Sebastian die Anziehungskraft, auch lässt Wilhelm die Hand länger als nötig in der anderen. »Ich hoffe meine Schwester hat dir keine Probleme bereitet.« Sebastian verneint. »Ganz im Gegenteil, sie ist ...« »Lass dich nicht von ihrer weichen Schale verzaubern, sie kann sehr gefährlich werden. Seid froh das ihr es getan habt.« Sebastian lächelt. »Ohne deine Tipps hätten wir die beiden nicht ...« Erneut wird er unterbrochen. »Lass uns Essen gehen und etwas höfliche Konversation führen.« Dass er auch ganz andere Dinge im Sinn hatte, wollte er natürlich nicht preis geben. Kapitel 6: 6 ------------ Hells Kitchen »Wie schmeckt dir das Essen?« Ich blicke auf, der Löffel welcher auf halben Weg stehen blieb, landet wieder im Teller, ich wische mir meinen Mund mit der Serviette ab und trinke einen Schluck Wasser bevor ich ihm antworte. »Es schmeckt sehr gut.« Wilhelm mustert mich und ich verfolge seinen Blick, auch wenn es mir Schauer auf meinen Rücken jagt, doch meine Miene verzieht sich nicht, ich möchte ihn meinen inneren Aufruhr nicht zeigen. »Du isst sehr wenig«, sagt er und erscheint etwas misstrauisch. Auch er legt nun sein Besteck beiseite. »Ich hab zwar gehört dass du nicht gerade besonders beleibt sein sollst, aber du bist zu dünn, erst recht für jemanden der einen teilweise künstlichen Körper besitzt. Bist du sicher dass du nicht selbst Magersüchtig bist?« Ich verschränke meine Hände und blicke an die Decke. Er hat kein Recht dazu, ich gehöre ihm nicht und mein Vertrag gilt Georg der mich alleine zurück lässt und diesem Schnösel überlässt »Sebastian. Ich bitte dich, hör mir zu. Georg hat sich mir gegenüber sehr besorgt gezeigt, du bist jetzt seid einigen Wochen bei ihm und wohnst besser und hast mehr Geld um dich zu versorgen, aber deine Essgewohnheiten haben sich kaum geändert, du machst ihm einfach sorgen.« Ich sehe ihn wieder an, direkt in zwei silberne Augen, die so eindringlich wirken, als würden seine Worte die Wahrheit beinhalten. »Ich lebe«, antworte ich. Ich erkenne an seinem Gesichtsausdruck dass er sich jegliche Kommentare verkneift, aber sein Blick spricht für sich. Ich bekomme Gänsehaut, irgendetwas weckt er in mir dass dem von Georg stark ähnelt. Bisher hat er sich aber sehr umgänglich gezeigt und wenn Georg ihm vertraut, kann ich es wohl auch tun, vielleicht. Einem Impuls heraus greife ich nach seiner Hand, wie ein kleiner Funken, dann streiche ich mit dem Finger über seine Haut, weich. »Gehen wir spazieren?«, frage ich. Draußen ist es sehr kalt, ich könnte zwar einen Teil meiner peripheren Nerven abschalten, aber ich würde Gefahr laufen mich zu unterkühlen, außerdem ist es schwer das Schmerzzentrum alleinig abzuschalten, meist werden andere Signale genauso unterbunden. Wilhelm ist neben mir, spricht kein Wort, wartet auf meine Initiative. »Warum hat Georg mich zu dir geschickt? Bin ich so schlecht?« »Red keinen scheiß, das hat andere Gründe.« Ich brumme vor mich hin und laufe mehr unbewusst in das Stadtzentrum. Straßenlaternen erleuchten den Weg, Leuchtreklamen werden häufiger, Verkehrslärm wird eindringlicher und überall sind Menschen. Sie laufen, rennen, lachen, schreien und reden, überall ist dieser Lärm, wäre ich gänzlich künstlich könnte ich es abschalten und müsste nicht selektieren. Es stört mich, ich bin anscheinend ziemlich müde. »Wie ist es eigentlich wenn ein Teil des Körpers künstlich ist? Kannst du etwas fühlen?« Diese Frage überrascht mich und ich blicke Wilhelm an. Seine etwas längeren, haselnussbraunen Haare wellen sich leicht, es steht ihm, umschmeichelt sein eindringliches Gesicht auf eine anzügliche Weise. Vieles an Wilhelm ist anziehend, seine Figur, die Größe, diese Charakterstimme und das Lächeln. Verdammt. »Es ist nicht anders wie ein menschlicher Körper. Alles ist möglich«, antworte ich sachlich. »Etwa auch Kinder?«, fragt er überrascht. Ich lache, so herzhaft das ich bald ein Schlucken bekomme. Als es endet schaut er mich noch immer fragend an, aber er lächelt, wirkt offen, nicht mehr so Aggressiv wie vorhin. »Es kommt darauf an inwiefern der menschliche Körper beschädigt wurde. In der Regel werden gängige Organe übernommen, es gibt Mittel und Wege damit der Körper mit den künstlichen Einheiten eine funktionierende Einheit eingeht, da aber nicht alle meine Organe zerstört wurden, kann ich auch rein Theoretisch Kinder zeugen. Das ist bei Frauen genauso, wenn ihr Körper, also das Skelett künstlich ersetzt wurde und Nerven - wie Blutbahnen neu gesetzt wurden, aber sie die nötigen Organe noch besitzt, ist es ihr möglich Kinder zu gebären. Geschlechtsorgane mit den entsprechend bildenden Hormonen sind leider noch in der Entwicklung, deswegen können komplett künstliche Menschen sich nicht Fortpflanzen. So, wars das?« »Ich hab zwar nur die Hälfte verstanden, aber das nötigste ist drin geblieben«, meint er. Wir gehen weiter, ich habe kein bestimmtes Ziel, möchte einfach nur laufen und auch er hält sich zurück. »In der Regel können Menschen wie ich nicht magersüchtig werden«, sage ich schließlich. »Wie meinst du das?« »Nun, wenn der Mensch seinen neuen Körper bekommt oder Teile ersetzt werden, wird ihm normalerweise ein Angle eingesetzt. Es ist eine Schutzbarriere dass sein Gehirn beschützt, denn in vielen Fällen wurde das Gehirn oder der Schädel verletzt bevor sie im Labor landen. Der Angle schützt ihn nicht nur vor Angriffen von draußen, also andere Bewusstseins, KIs, Programme, Tracker, sondern auch vor sich selbst. Es ist dafür da dass dieser sich nicht selbst zerstören kann, die Produktionskosten eines solchen Körpers sind, nun, extrem.« Wilhelms Atem bildet kleine Wölkchen, sein nachdenklicher Blick hat etwas intensives. »Der Körper von Melissa hat demnach auch ein Angle und ich nehme an sie kann keine Kinder bekommen.« Ich war in Melissas Bewusstsein, ich wusste was mit ihr geschehen war. »Nein, Melissa hat einen komplett künstlichen Körper, sie kann fühlen, denken und Reize wahrnehmen, aber in ihrem Körper fließt kein Blut und sie ist Fruchtlos.« »Mmh«, macht er. »Ist bestimmt schlimm. Man kann sich nicht einmal das Leben nehmen weil der Körper zu kostbar ist«, antwortet er tonlos. »In der Regel ja, aber einige sind sehr stark und können ihren Körper bis zu den Grenzen treiben, auch gibt es den Angle im Militär nicht.« »Hast du einen Angle?«, fragt er mich. »Nein. Nicht mehr.« Es entsprach der Wahrheit und auch wenn ich meine voreiligen Worte schon bereute, nun war es zu spät. »Also kannst du dir selbst Schaden zufügen«, sprach er. Ich schwieg. »Hattest du nie einen besessen oder ist er, na du weißt schon, verschwunden?« Wilhelm war so verdammt neugierig, aber es ist meine Schuld, schließlich habe ich eine Menge preis gegeben. Dann spüre ich plötzlich Wärme die von meiner Hand nach oben strömt, er hat mich gepackt und hält mich fest. Dicke Tropfen Regen ergießen sich auf unsere Leiber und ich habe das Gefühl mein Gesicht brennt. Ich bleibe schlichtweg stehen und sage nichts, seine Berührung ist so anders als die von Georg. Beinahe habe ich ein schlechtes Gewissen, aber Georg hat mich nie derartig berührt, er war zwar zärtlicher, aber viel kühler. Und Wilhelm ist da anders. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich will ihm näher sein, mein Herz lässt sich nicht steuern, es fängt plötzlich unwillkürlich an zu schlagen, ich öffne leicht meinen Mund und lasse seine Nähe zu. Ich weiß nicht ob uns die Menschen bemerken, aber sie flüchten vor dem Regen und das spärliche Licht der Laternen lässt uns fast mit der Nacht verschmelzen. Der Regen kühlt mich etwas ab, während ich seine Lippen das erste Mal sanft spüre, wie ein kurzer Augenblick voll siedender Lava berührt er meine Lippen, verschließt diese und ich kann ihn ganz nah an mir spüren. Ich atme seinen Geruch ein. Schon beendet er den Kuss, bleibt aber ganz nah bei mir, ich kann ihn hören, sein Atem ist etwas zittrig. »Ich hätte niemals gedacht dass das passiert«, sagt er atemlos. Ich kann nicht an mir halten und lache leise. »Wollen wir ins trockene?«, frage ich. Ich war noch nie bei Wilhelm gewesen, wir kennen uns nun zwar ein paar Tage, aber seine persönliche Wohnung habe ich in dieser Zeit nicht gesehen. Im Gegensatz zu Georg der eher schlicht lebt, ist Wilhelm sehr gemütlich eingerichtet. Viel Zeit zum Umblicken bleibt mir jedoch nicht, etwas ist viel wichtiger und dieser Mensch steht vor mir und hält ein Glas Wasser in der Hand. Ich versuche mich mühsam zu beherrschen, aber dieses Gefühl ist so anziehend das ich nicht mehr lange stand halte. Ich nehme sein Glas, leere es in einem Zug, stelle es auf die Theke und atme anschließend tief durch. Nur Mut. Erneut sein Geruch, ein Kribbeln auf sensibler Haut und jetzt verschließen meine Lippen seine. Ich knabbere an ihm, verwehre ihm den Zugang mit der Zunge, spiele. Ein leises Stöhnen ertönt und ich grinse. Erneut treffen sich unsere Lippenpaare. Ich spüre seine Finger meinen Rücken hinauf krabbeln, es kitzelt, dann krallt er sich in mich und ich schnappe nach Luft. Abschätzend blicke er mich an, doch ich lächele noch immer, es trifft genau meinen Nerv. Seine Finger krallen sich in meinen Rücken, da ich über eine normale Heilrate verfüge, würden blaue Flecken zurück bleiben. Dann – hebt er mich hoch und trägt mich in sein Schlafzimmer. Ich sehne mich nach diesem riesigen Bett, versuche mich zu befreien, doch er hält mich fest und ich lande erst auf dem Bett als er mich unsanft fallen lässt. Ich ziehe mich aus, mein Hemd, meine Hose, die schwarze Unterhose behalte ich an. Unwillkürlich befeuchte ich meine Lippen, während ich ihn beobachte, seinen angenehm, muskulösen Körper betrachte. Ich komme zum Ende des Bettes, ziehe seine Hände beiseite und küsse ihn auf den flachen Bauch. Er fühlt sich so weich an. Ich beiße in seine Haut, streichle mit meiner Zunge darüber, dann ziehe ich seine Unterwäsche nach unten. Wahrscheinlich denkt er jetzt ist bin komisch, aber ich halte sein Becken fest und mustere ihn. Gut, etwas verunsichert es mich, aber ein ebenso wunderbares und klares Kribbeln breitet sich in mir aus. Ganz langsam stoße ich mein Gesicht gegen ihn, atme seinen moschusartigen Geruch ein und reibe mich sanft an ihm. Diese zarte Berührung unserer Haut, mein sanftes einatmen, überhaupt mein Gesicht an seinem Glied lässt ihn zittrig einatmen und er wird härter. Sanft greife ich danach, streichle ihn einmal der Länge nach und lächle erleichtert, bevor meine Lippen sich über ihn stülpen. Ich spüre mich selbst mehr, während meine Lippen zu feuriger Glut werden und jeden Reiz in mein Lustzentrum überträgt. Fast stöhne ich selber, allerdings tut er mir den Gefallen, indem er eindeutige Laute von sich gibt, welche direkt meinem Kopf entsteigen könnten. Wer hat behauptet Oralsex wäre beschissen? Meine Zungenspitze kreist über seine mittlerweile pralle Eichel, kostet den ersten Tropfen purer Lust, bevor ich an ihm sauge. Nicht mehr viel, ich kann es hören, mein Tempo hat beachtlich zugenommen und er ist so hart – dann stößt er mich weg. Mein Herz pocht, meine Lippen brennen, mein Atem kommt abgehakt, mit großen Augen starre ich ihn an. Ich mag das Gefühl wenn ich die Macht habe es zu lenken, dass macht einen großen Reiz aus, weswegen es in meiner Mitte hart pulsiert, allerdings verunsichert er mich in diesem Moment. »Wilhelm?« Er legt sich über mich, stützt sich auf seine Ellenbogen und betrachtet mich ausgiebig. Was war los? War ich zu schnell? Dann kommt er mir wieder näher, ich schließe meine Augen, fühle das sanfte Streichen seiner Lippen. »Ich weiß nicht ob wir so weiter machen können«, sagt er plötzlich. Das reißt mich halbwegs aus meiner Lust. »Wie meinst du das? Angst bekommen?« »Höchstens um dich«, sagt er eigenartig tonlos. Ein ungutes Gefühl macht sich in meiner Magengegend breit, es verunsichert mich und lässt mich erneut zweifeln. Bevor ich etwas sagen kann, hält er seinen Zeigefinger gegen meine Lippen. »Es ist etwas kompliziert und ich möchte dich nicht verletzen.« Seine Worte kamen abgehackt hervor, er schien nach den richtigen Worten zu ringen. »Ich versteh dich nicht Wilhelm, ich meine klar, wir sollen zusammen arbeiten, aber mir war nicht bewusst das sexueller Kontakt mit mir in irgendeiner weise schaden könnte.« Ich wurde so verdammt wütend, dies musste er mir anscheinend ansehen, denn er hob seine Hände um mich zu beschwichtigen, aber ich wollte ihn nur von mir stoßen, leider erwies er sich jedoch als viel stärker als ich und ich war im Moment nicht in der Lage mich weiter aufzuraffen um ihn zurück zu stoßen. Ich blieb liegen und setzte eine resignierte Miene auf. »Das macht mich an«, seufzte er. »Wie bitte?« »Ich mag es wenn du mir ausgeliefert bist, ich werde davon verrückt, es ist wie eine Droge.« »Du bist dominant?« »Nein.« »Hä?« »Ich würde meinen ich bin eher, mmh, welches Wort klingt besser, mmh, gemein.« Gemein? Nicht dominant? Vorhin hatte er mich sehr hart gebissen, war er sadistisch veranlagt? Plötzlich muss ich lachen, ich kann es nicht zurück halten, Wilhelm hat ein derartiges Talent dafür. »Warum lachst du so?, fragt er grinsend und kneift mich in den Arm. »Aah, lass es«, lache ich. Dann wird er schlagartig wieder ernst. »Warum lachst du?«, fragt er erneut. »Weil ich darauf stehe, wie als wären wir beide dafür bestimmt«, meine ich ernst. Wilhelm rollt sich von mir und legt sich zur Seite. Er streichelt meinen Bauch, streicht über meine Brustwarzen und kneift in diese hinein. Dann drückt er fester zu, bis seine Fingernägel mich malträtieren und ich leise wimmere. »Sag mal, magst du Georg?«, fragt er mich. Irritiert blicke ich auf. »Wie meinst du das?« Sein Blick bekommt etwas trauriges. »Ich hoffe für dich nicht, du bist eigentlich ein wirklich lieber. Normalerweise gehörst du nicht in diese Welt.« Ich verstehe nicht genau wie er das meint, aber es beunruhigt mich. Ich stütze mich auf meinen Ellenbogen ab und rutsche nach oben, aus zusammengekniffenen Augen schaue ich ihn an. »Ich gehöre nicht in diese Welt? Aber ich lebe hier. Jeder in dieser gottverlassenen Stadt.« Wilhelm beugt sich über mich und verschließt meine Lippen. Ich lasse mich beirren und gebe mich hin. »Georg ist nicht der, der er erscheint. Vertrau ihm nicht«, flüstert er. Die Augen geschlossen lächle ich und lasse die Worte wirken. Wer war Georg? Ein engagierter Politiker der eine Scheinehe mit einer Lesbe führte und etwas am System ändern wollte? War er wirklich so – zwielichtig wie ihn einige Leute erscheinen lassen wollen? »Warum sagst du mir das?«, frage ich unvermittelt und öffne meine Augen. Das silbergraue Augenpaar blickt mich aufrichtig an. »Weil du dir nicht ermessen kannst worin er dich verstrickt.« Kann ich das wirklich nicht? Mein Vater hat es getan, ebenso meine Mutter und ich selbst kann es auch, wenn ich Wert darauf legen würde. Mal nimmt mich Georg mit seinen Reden ein, dann möchte ich alles ändern, wiederum sind sie mir egal, die Menschen die täglich leiden, mir hat auch niemand geholfen. »Zu spät«, säusle ich und packe ihn, bereitwillig lässt er mich auf sich klettern. Ich habe keine Ahnung wie wir beide mit unserer gegenseitigen Anziehungskraft weiter verfahren werden, aber ich möchte es ersteinmal genießen ohne mir groß Sorgen machen zu müssen. Alles weiter muss warten, seine Neigungen kann er mir später zeigen, nun möchte ich uns Erleichterung verschaffen. Ich packe mein Glied und reibe leicht darüber, es ist sehr empfindlich und nach kurzer Zeit ist es wieder hart. Wilhelm greift nach mir, aber braucht keine Angst haben dass ich ihn nehme, ich möchte uns lediglich streicheln. ...das tue ich schließlich auch, indem ich beide Glieder verwöhne bis wir etwas von diesem Druck abgebaut haben, der uns so einnimmt. »Wilhelm?« »Mmh?« »Erzählst du mir etwas über Duncan?« Ich höre ihn genervt seufzen, während er in das Kissen atmet. Er ist müde, doch ich kann nicht schlafen, Fragen kreisen in meinem Kopf und ich habe das Gefühl dass ich Erinnerungen vergessen habe, etwas fehlt. Es macht mir Angst. Als hätte sich jemand an meinen Erinnerungen zu schaffen gemacht. Seid Gretchens Tod tauchen Albträume auf, die irgendwelche Fetzen an Erinnerungen an mich heran tragen. Erst zuletzt mein schwerer Unfall mit dem Fahrstuhl, ich dachte ich hätte es endgültig vergessen. »Wieso fragst du?« Ich zögere. »Ist es bei dir wie bei mir mit Georg?« Stille, gefolgt vom rascheln der Bettdecke. »Ach verdammt«, stöhnt er und reibt sich die Augen. Mit rotgeränderten Augen sieht er mich übermüdet an. »Du sollst dich doch nicht in Georg verlieben«, sagt er schließlich gereizt. Ich übergehe diesen Ton, beuge mich zu ihm und Küsse seine Wange. »Also muss dir Duncan eine Menge bedeuten«, schlussfolgere ich. Er starrt mich gereizt an, in diesem Moment bröckelt seine adlige Fassade. Wilhelm ist mir in den wenigen Tagen näher gekommen als Georg und trotzdem ist es anders. Dann packen seine Hände mein Gesicht und er küsst mich erneut, dieses mal jedoch mit einer Leidenschaft die mir den Atem raubt. Als ich wieder atmen kann, schlägt mein Herz wie bei einem Marathon. »Wir sind wohl dazu verdammt uns die Wunden zu lecken«, erwidert er schließlich. »Weil?« »... ich nie Duncan bekommen werde, genauso wenig du Georg.« Seine Worte schmerzen, aber ich nehme sie zur Kenntnis. Ich kann es mir nicht verkneifen, aber: »Es hat schon etwas verrücktes wenn der Bruder seiner Tochter, der nicht mit ihm verwandt ist, etwas von ihm möchte, der zudem aus einer anderen Schicht kommt.« Ich schmunzle, ernte aber nur eine hochgezogene Braue. »Halt einfach deinen Mund«, schnauzt Wilhelm. Das SmartP leuchtete auf dem Tresen mehrere Male weiß auf, bevor Wilhelm danach griff und sich vergewisserte dass Sebastian endlich schlief. Mittlerweile fühlte er sich emotional an ihn gebunden, es war eine Freundschaft entstanden die ihn verwunderte, denn so sehr Sebastian das Geld verabscheute, machte dieser aus seiner Zuneigung bezüglich seiner Person keinen Hehl. Er nahm das Gespräch an, welches er erwartet hatte und nickte, auch wenn der Redner am anderen Ende es sowieso nicht sehen konnte. »Mittlerweile sind alle Kandidaten bekannt gegeben. Ich werde auf Sebastians SmartP eine ID mit eurem Auftrag schicken. Ich kann euch dabei nicht helfen, es gibt ein paar Dinge anderweitig zu klären, aber ihr solltet einiges finden um ihn zu kompromittieren.« »Mmh, ja.« Eine unangenehme Pause entstand. »Ist alles in Ordnung? Soll ich dir jemanden schicken?« Wilhelm ließ sich Zeit, dann fand er den Mut: »Georg, ich kann es nicht, er hat das nicht verdient.« Straßenlärm drang an sein Ohr, dann war plötzlich stille. »Sebastian hat eingewilligt mir zu helfen, wenn es dir unangenehm ist, müsst ihr eine andere Lösung finden.« Georg klang so unterkühlt, so berechnend und es war an Wilhelm sich zu Fragen ob er das richtige in diesem Moment tat. Oder war er diesem Mann einfach nur ein wenig verfallen? Also Sebastian der eine faszinierende und naive Ader hatte, der ihn innerlich zerriss. Dann dachte er an Duncan und sein Herz schmerzte, er wollte ihn so schmerzlich. Nein, Sebastian hatte ihn auf einer anderen Ebene berührt, die nichts mit seinen Gefühlen für Duncan zu tun hatte. »Wir werden uns darum kümmern, aber halt Sebastian aus allem heraus, er wird die nächste Zeit genug Stress haben.« Das Gespräch wurde beendet ohne dass Georg antworten konnte. Zurück im Schlafzimmer beobachtete er die friedlichen Atemzüge seines Gastes und legte sich anschließend zu ihm. Das SmartP Sebastians leuchtete grün, doch Wilhelm schaltete es aus. Der erste Schlag hatte schließlich noch ein paar Stunden Zeit. Kapitel 7: [special Chapter 1] Kleiner Vogel -------------------------------------------- »Hallo, kleiner Vogel. Bist du mich wieder besuchen?« Ich vernehme das rascheln der Kleidung, ein leises Seufzen, das quietschen der Schuhe auf dem Boden, doch keine Antwort auf meine Frage. Als sich die Tür schließt, greife ich an die Binde an meinen Augen und zwinge mich sie nicht abzunehmen. Fünfzig Prozent hat man mir gesagt, dass wäre meine Chance etwas zu sehen, allerdings möchten sie mir keine falschen Hoffnungen machen. Da meine Familie nicht viel Geld besitzt, jedenfalls nicht ausreichend um mir neue Augen zu ermöglichen, klammere ich mich an die Hoffnung dass mein Körper es selbst schafft. Es geht nicht anders, ich bin darauf angewiesen und ich möchte niemanden zur Last fallen. Mein kleiner Vogel ist wieder abgeflogen, bestimmt versteckt er sich jetzt irgendwo in den Gängen und weint still vor sich hin. Das sind schlechte Gedanken und die aufkeimende Angst ihm könnte etwas geschehen lähmt mich. Fast. Mühsam bewegen sich meine Beine aus dem Bett, ich greife nach dem Stock der in Nähe meines Kissens liegt, und erhebe mich. Es ist kalt und das Stimmengewirr im Park vor meinem Zimmer begleitet mich den ganzen Weg, auch als ich das Zimmer verlasse. Ich atme den Geruch nach Desinfektionsmittel ein, höre Gezeter, spüre den Schmerz meiner Mitpatienten mit und halte inne. Da ist es, ein leises Geräusch dass mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Er braucht mich, mein fast erwachsenes Vögelchen das seid Monaten von Schmerzen begleitet wird welche ich mir kaum vorstellen kann. Es lässt mein innerstes zerbersten wenn ich nur daran denke, auch jetzt bin ich Schuld an seinen Tränen. Mühsam suche ich mir einen Weg, folge den Geräuschen und nutze den Stock, bald höre ich seine Klagelaute lauter, doch ich pralle gegen eine Tür. »Kleines Vögelchen«, ertönt meine Stimme eigenartig tonlos. Zittrig sucht sich meine Hand einen Weg zur Türklinke, doch diese stellt sich als Knauf heraus und bringt mich an den Rand der Verzweiflung. Sein Schluchzen wird lauter, ich kann mir seine dicken Kullertränen vorstellen, wie sie von seinen rotgeränderten Augen die Wangen dick hinab perlen, während seine Unterlippe bebt. Endlich, ich trete ein und bleibe stehen. Kurz unterbricht sich das Schluchzen, dann fühle ich ihn an mir, seine Wärme und sein Geruch sind mir seid seiner Geburt vertraut. Ich lege meine Wange an seinen warmen Körper und sage nichts, warte dass er sich beruhigt. »Ich hasse sie«, flüstert er schließlich. »Sag sowas nicht.« »Sie haben meine OP nur bezahlt weil Papa mich als Prototyp wollte und dir tun sie nichts, wollten sogar zweihunderttausend Credits für deine Augen. Ich hasse sie so sehr!« Ich seufzte lautstark, aber ich kann nichts sagen, er hat recht und ich bin selbst Schuld. Aber ich kann es nicht ertragen dass er sich selbst geißelt obwohl dass nicht rechtens ist. Ich spüre seine Hände auf meinem Gesicht. »Wie lang sollst du die Binde tragen?« Oh je, das war eine gute Frage. »Ich glaube fünf Tage.« »Dann kann ich sie dir ja abnehmen.« Bevor ich etwas erwidern kann, macht er sie schon ab, schirmt meine Augen mit seinen Händen ab. Langsam öffne ich diese und bin geblendet, mühsame Minuten vergehen, bei dem ich meine Augen immer wieder ein stückweit öffne und er sich erkundigt wie es mir geht. Bald erblicke ich ihn, endlich, zwar noch irgendwie verschwommen, aber sein Gesicht nach zwei Monaten wieder zu sehen macht mich unendlich glücklich. Er küsst mich auf die Stirn und ich spüre seine feuchte Haut, mein großes Vögelchen weint zuviel. Niemand sollte um die eigene Mutter weinen. Dann hebe ich sein Kinn an, die linke Seite ist bläulich, die Augenbraue hat einen Riss der nur verklebt wurde. »Ich weiß zwar dass sich siebzehnjährige Jungen prügeln, aber nicht dass du ein Schläger bist.« Er greift nach meiner Hand, sein Blick ist unheimlich, etwas kühles geht von ihm aus. »Ich Prügel mich nicht. Das ist von einem Experiment was Vater für Guilemont durchführen soll.« Nein! Ich greife nach ihm, doch er ist schnelle,r schnappt sich meine Hand und hält sie stark umschlossen. »Sag nichts zu Gretchen, sie würde es nicht ertragen.« Sebastian wirkt so … eiskalt. Was ist in den letzten Monaten mit meinem Sohn geschehen? Dann verlässt er das Zimmer und ist fort. Irgendetwas zerbröckelt in mir. Wie kann ein Mensch der eben noch voller Schmerz war, derartig kalt sein? Was haben sie ihm angetan? wird Fortgesetzt Kapitel 8: Dreck ---------------- »Hey, Basti, komm aufstehen.« ... »Sebastian, komm wir müssen los.« Ich stöhne in mein Kissen, doch die Hand schubst unermüdlich meine Schulter. Erst ist es ein sanftes Reiben, dann wird es grober. »Schnafen«, nuschle ich in das Kissen. »Das geht nicht«, sagt die sanfte Mädchenstimme. Das Kissen wird mir geklaut und mein Kopf plumpst gegen die Matratze. Verdammt, ich möchte doch nur schlafen! Mühsam öffne ich meine Augen und sehe direkt in Gretchens Gesicht. Ihr Lächeln ist wärmend, es erreicht ihre Augen, erfüllt mich sogleich mit Energie. Sie steckt mich an und ich griene zurück, greife dann nach ihr und werfe sie in mein Bett. Ihr schreien ist laut, ihr lachend magisch. Ich liebe sie, Gretchen ist so eine herzerwärmende Person, sie hat mich nach meiner OP davor bewahrt innerlich zu zerfallen. Ich wollte diesen Körper nicht, ich hätte sterben sollen, doch niemand hatte es mir gegönnt. »Komm Bruderherz, Papas Assistent wartet.« Moment. Sein Assistent? Fragend blicke ich sie an. »Na los, lassen wir Mister umwerfend Blondschopf nicht warten.« Ich rolle mit den Augen ob des Namens und ernte ein weiteres Lachen von Gretchen. Mit klopfenden Herzen wache ich auf, schweißgebadet und völlig außer Atem. Das Gesicht des Assistenten war verschwommen, doch es erinnerte mich an jemanden bestimmten. Wilhelm ist nicht in seinem Bett und als ich Richtung Küche laufe, sehe ich das Licht brennen. Die Küchenuhr zeigt fünf Uhr morgens an, als er mich erblickt, wirkt er milde gesagt überrascht. »Guten Morgen. Kannst du nicht schlafen?« Sein Lächeln ist herzlich, es erinnert mich an Gretchen. Oh Gott, meine Gedanken spielen mir einen weiteren Streich. Ich setzte mich an den Tresen, meine rechte Hand drückt gegen die Stirn. »Hey, geht es dir nicht gut?« Ich spüre seinen Atem ganz nah bei dir. »Möchtest du etwas trinken?« Kurze Zeit darauf nippe ich am Wasser und vermeide Wilhelms Blick, zum Glück sagt er nichts und widmet sich erneut den Nachrichten. Erinnerungen kehren zurück, von denen ich dachte sie wären gelöscht, doch irgendetwas in meinem Kopf muss einen Schaden bekommen haben, anders kann ich mir den ganzen Mist nicht erklären. Ich starre Wilhelm an, der komplett in den Nachrichten vertieft scheint, doch ich kann seinen Blick aus dem Augenwinkel heraus erkennen. Mittlerweile kann ich ihn besser deuten, er macht sich wahrscheinlich sorgen. »Wenn du eine Frage hast ...«, ich lasse meinen Satz verklingen ohne ihn zu einem Ende zu bringen. Wilhelms Finger ballen sich immer wieder zu einer Faust, er scheint sichtlich angespannt zu sein. Bald jedoch stellt er die Nachrichten leiser, kommt zu mir und legt sein SmartP auf den Tresen. Ich nehme einen weiteren Schluck Wasser und lasse ihn kurz auf meiner Zunge perlen, während er ein Holo aktiviert. Ich huste, als ich mich verschlucke und ernte einen strengen Blick, aber ich kann nicht anders, das Holo zeigt schließlich Alexander Jalt, einen Konkurrenten von Georg. Allgemein zugängliche Daten ploppen auf und geben sein öffentliches Leben preis. Er ist sechundvierzig Jahre alt und sieht für sein Alter recht ansehnlich aus mit seinen noch dunkelbraunen Haaren und der gebräunten Haut, besonders sticht mir aber ins Auge, dass er ein sehr ehrgeiziger und vor allem anscheinend gerechter Politiker ist, was ich den Interviews und Artikeln über ihn entnehmen kann. Er ist ein ernstzunehmender Kandidat und Konkurrent, zumindest nehme ich das an, Georg hätte ihn sonst nicht geschickt. »Ich werde nicht groß um den heißen Brei reden, aber Georg möchte das du etwas für ihn nachgehst. Heute Abend ist ein Galaabend im Herold, zu dem ich dich begleiten werde.« Das Hotel Herold ploppt auf, mit seinen pompösen Zimmern, dann der Eintrag um den Spendenabend heute Abend. Ich nicke lediglich, warte ab. »Georg möchte dass du ihm etwas auf den Zahn fühlst, du sollst einer speziellen Neigung nachgehen, dich deswegen mit ihm gut stellen und herausfinden ob einige der Gerüchte die kursieren wahr sind.« Das überrascht mich. »Er muss doch wissen das ich zu Georg gehöre, er wird sich mir niemals vertrauen.« Wilhelm schließt seine Augen einen winzigen Moment, sein Ausdruck hat etwas bedauerndes, erneut sehe ich ihn die Fäuste ballen. »Es tut mir Leid, aber seid du dich mit mir triffst … seitdem du bei mir bist, seitdem hat Georg offiziell bekannt gegeben dass er einige seiner Mitarbeiter entlassen hat um sein Team zu optimieren.« Heißt das er hat mich auch entlassen? Aber wie? Wieso hab ich es nicht bemerkt? Es muss doch auch in den Medien gewesen sein … Dann verstehe ich und blicke Wilhelm an, diesen Verräter. »Wie kannst du, nein, wie könnt ihr es wagen?!« Wie konnten sie derartig mit mir spielen? Wilhelm fängt meine Faust ab, umklammert mein Handgelenk. Ich bemerke wie mir die Tränen in die Augen steigen, mein Magen dreht sich nahezu um. Wie konnte ich annehmen dass ein reicher Typ wie Georg MICH bei sich anstellt und dann noch heile Publicity bekommt. Ich könnte so kotzen. Ich lasse den Kopf hängen, schließe meine Augen und atme tief durch. Was für ein verdammtes Spiel wird hier mit mir gespielt? Ich höre Gretchens Lachen in meinen Gedanken, ihre Mut machenden Worte welche sie mir damals so oft geschenkt hatte und keuche dann überrascht auf, als Wilhelm mich näher zu sich zieht. Er zieht meinen Kopf an sich, ich spüre seine Lippen, höre seinen sanften Kuss auf meinem Haupt und kann nicht an mir halten. Leise weine ich in seiner Umarmung, voll von Verrat und Verwirrung, mein Herz schmerzt. Irgendwann findet er den Mut zu sprechen. »Es tut mir leid«,sagt er wobei seine Stimme bebt. »Ich weiß dass das alles verwirrend und, scheiße ...«, er unterbricht sich, ein räuspern ertönt und spricht dann weiter, »ich habe Georg versprochen dir nichts von alldem zu sagen, da er der Meinung ist dass du sonst getürmt wärst. Ich weiß seine Mittel sind unkonventionell und du fragst dich bestimmt weshalb ich ihm helfe, aber das ganze Mediengeplänkel ist alles nur eine Farce. Du bist immer noch bei Georg angestellt, deine neue Wohnung wird bezahlt, dein Geld wird jeden Monat auf ein Sparkonto transferiert, vorausgesetzt du machst weiter mit. Er, nein, wir brauchen dich.« Ich reibe mein Gesicht an seinem Hemd und nehme mir die Zeit nicht zu antworten. Nebenbei habe ich mich an ihn geklammert, seine Wärme tut gut. Wilhelm war so ganz anders, als ich mir einen dieser Adligen vorgestellt hätte. »Die Kohle bleibt also erhalten?«, ich kann den kalten Ton nicht meiner Stimme entnehmen, zu sehr fühle ich mich missbraucht. »Ja«, ertönt seine reservierte Antwort. Dann löse ich mich von ihm und marschiere ins Bad. An der Badetür bleibe ich stehen und blicke ihn an: »Wann müssen wir los?« Herold ist ein Kaliber dessen ich mir sicher bin, dass es nicht meines ist. Zwar bin ich teuer angezogen, gebe ein ganz nettes Bild ab und stehe meinen Mann, doch eigentlich fühle ich mich total fehl platziert. Wäre Wilhelm nicht an meiner Seite, würde ich wahrscheinlich schnell von hier fliehen. Auf dem Weg hier her haben wir kaum miteinander gesprochen, Ich gebe eine sehr ernsthafte Erscheinung ab, keine Ahnung ob es reicht wenn ich nur eine ernste Miene aufsetze. Wahrscheinlich nicht, wie mir Wilhelm ins Ohr flüstert: »Lächel doch mal, und wenn nur für mich.« In der Masse müsste ich eigentlich untergehen, in dem Prunk des Saals, unter all den Gästen, den Butlern und dem herrlichen Buffet, aber anscheinend wirken wir beide wie ein Magnet. Wilhelm sieht aus wie der Sohn eines Gottes, sein Gesicht ist wie gemeißelt, von unnahbarer Schönheit, sein Körper schlank und trainiert, die Augen wachsam und intelligent, neben im empfinde ich mich wie eine Gazelle, die vom Löwen mit Argusaugen bewacht wird um baldigst gefressen zu werden. Tatsächlich war es in den Medien gewesen, die Zusammenarbeit war mit mir gecancelt worden, der Sohn des berühmten Wissenschaftlers hatte nicht zu ihm gepasst, aber man war in Freundschaft auseinander gegangen, nebenbei wurde geflüstert dass ich die Arbeit beendet haben sollte. Jetzt allerdings, auf diesem gesellschaftlichen Ereignis, in Begleitung von Wilhelm gab ich ein ganz anderes Bild ab, er machte mich begehrenswert. Erneut spekulierte man das ich jetzt persönlicher Assistent von Wilhelm war, dies ergab durchaus mehr Sinn, zum einen da wir eine Freundschaft pflegten, wie er öffentlich bekräftigt hatte und hinter vorgehaltener Hand munkelten sie, würde dass mir mehr Einfluss verschaffen. Wenn die nur wüssten. Ich lächle ihn an, charmant, aber selbstbestimmt, niemand soll und darf denken ich wäre nur ein kopfloser Idiot. Außerdem möchte ich Wilhelm in nichts nachstehen. Der Abend zieht sich, ich lerne über ihn viele Persönlichkeiten der Stadt kennen, Schauspieler, Politiker, Geschäftsmänner, sogar ein paar Professoren der Uni, doch es vermag nicht zu trüben, dass diese Menschen sich gar nicht bewusst sind wie gut es ihnen ergeht. Unsummen an Geldern werden gespendet, der vermeintlich gute Zweck rückt in den Hintergrund, als viele sich allmählich mit teurem Alkohol und Gourmet-Essen eindecken. Ich beobachte zwei betagte Damen wie sie über eine Frau unweit ihrerseits zischeln, wie zwei Schlangen über sich Oberflächlichkeiten austauschen, wie junge Erwachsene sich Gegenseitig in sexuelle Höhen bringen und immer wieder ernte ich Blicke dir mir sagen dass ich nicht in ihre Welt gehöre. Geld als Lösung der Probleme von Welt, Probleme die nicht banaler sein könnten. »Pardon, ich wollte sie nicht schubsen.« Erschrocken blicke ich auf, reibe meine Schulter und nicke, mein Lächeln kehrt zurück. »Tut mir Leid, meine Tochter ist gelegentlich überschäumend«, seine Augen blicken mich warm an als er von seiner Tochter erzählt. Eben jener Mann, der mich versehentlich anrempelte, im Schlepptau seiner Tochter, ist Alexander Jalt. Das erspart mir natürlich eine Menge Arbeit ihn erst zu suchen, so packe ich die Situation am Schopf: »Das macht nichts aus, etwas Frohmut hat noch niemandem geschadet«, scherze ich im Bezug auf seine Tochter. Ich beobachte wie sie ihm noch lachend etwas mitteilt, leider verstehe ich es nicht, dann verlässt sie uns in Richtung eines jungen Mannes. Derweil blicke ich mich um, doch meine Begleitung ist in der Masse untergegangen. Alexander steht noch immer unweit von mir, das deute ich als gutes Omen und lächle ihn einladend an. Er scheint nachzudenken, erwidert dann mein Lächeln auf eine Art die mich an einen Panther erinnert der etwas leckeres gesichtet hat. Ah, daher weht der Wind, nicht überraschend dass Georg mich deswegen auf Alexander angesetzt hat. »Ich muss sagen, es hat mich zunächst überrascht«, setzt er zum Gespräch an, »allerdings jetzt, wenn ich sie so erblicke, erscheint mir dies alles logisch.« Er reicht mir ein Champagnerglas, welches er einem Kellner abgenommen hatte. Bevor ich etwas unpassendes erwidere, nippe ich sanft am Getränk und lasse meine Augen kurz gen Boden richten. Dann blicke ich ihn wieder an und schenke ihm ein einladendes Lächeln, auch wenn mir nicht bewusst ist was er nun damit meint. »Nun, euer Vater ist in Schande gefallen, eure Mutter wurde ermordet, es wird noch immer getuschelt dass er dafür verantwortlich wäre und dann der tragische Drogentot eurer Schwester.« Er nimmt das Glas zu seinen Lippen, seinen Augen fixieren mich, beobachten jede Regung meines Gesichts und trinkt dann ein paar Schlucke. Den leisen Spott seiner Worte, besonders als er meine Schwester erwähnte, ist mir nicht entgangen und auch wenn ich ihn schlagen möchte, beherrsche ich mich mühsam und zeige nur eine Spur von Trauer. Ah, mir war gar nicht klar dass ich derlei Possen besitze, doch ich blicke kurz zur Seite, dann wieder zu ihm. »Seine Familie kann man sich nicht aussuchen, aber seine Freunde«, erwidere ich sacht, gefolgt von einem leichten Lächeln. Alexander grinst und trinkt sein Glas aus. Insgeheim wünsche ich ihm den Tot, liebend gerne würde ich ihn korrigieren und sagen dass sie gestorben ist weil wir zu wenig Geld für Nahrung hatten. Geld dass er sich in den Schlund wirft und nach außen hin einen auf sozial und gerecht macht, aber die letzten Sätze haben es bewiesen, er ist nicht besser als die anderen, ansonsten hätte er nicht versucht mich mit derartigen Dingen aus der Reserve zu locken. »Zuerst dachte ich ihr wäret eine weitere Schachfigur Georgs, doch ich habe mich anscheinend getäuscht, dafür erscheint ihr mir zu gefestigt.« Seine direkte Art verblüfft mich und so kann ich nicht anders, als ihm das erste erstickte Lachen des Abends zu schenken. Seine Dreistigkeit erfüllt den ganzen Saal. Dann ist er näher bei mir und nimmt mein Glas, stellt es beiseite. »Wir sollten uns unterhalten, sicherlich haben wir einiges worüber wir uns austauschen könnten.« Seine Schritte sind schnell als ich ihm nach draußen folge, aus dem Augenwinkel erkenne ich Wilhelm, sein leichtes nicken, doch sein Blick wirkt starr. Nun ist es zu spät, ich soll Alexander drauf gehen lassen, dann muss ich ihm eben näher kommen, vielleicht helfen seine Informationen auch mir. Hauptsache irgendetwas ist nützlich für mich. Wir sitzen in seiner persönlichen Limousine, der Fahrer ist durch eine dicke und dunkle Scheibe zu uns abgeschnitten, einzig wenn sein Boss etwas möchte, kann er mit uns agieren. »Bitte nenn mich Sebastian«, lade ich ihn jetzt ein. Alexander nickt. »Dann nenn mich doch bitte Alex«, meint er wohlgefällig. »Wie kommt es dass jemand wie du an Georg geraten ist?«, fragt er, anscheinend vertraut er mir noch nicht, verübeln kann ich es ihm nicht. »Gretchen starb, da hat er mich am Boden zerstört aufgegabelt.« »Mh«, lautet seine Antwort und ich blicke aus dem Fenster hinaus, die Stadt leuchtet in allen herrlichen Farben die es nur hier gibt. »Und wie kam es dass er sie, nein Pardon, dass du dich von ihm getrennt hast?« Ich starre die Leuchtreklame des Kinos an und lasse mir einen Moment Zeit mit meiner Antwort, eine zu schnelle Antwort würde heißen, ich habe mir alles zurecht gelegt, das stimmt natürlich, aber er soll es ja nicht wissen. »Ich … es tut mir Leid, es fällt mir schwer, aber er hatte etwas an dass ich glauben konnte, doch nach einiger Zeit merkte ich dass er nur gelogen hatte.« Mein Kopf neigte sich nach unten und ich schloss die Augen, innerlich stelle ich mir die Frage ob es nicht auch so ist … »Und worum handelt es sich dabei?« Ich blicke auf, in seine nüchternen Augen und schlucke. Mein Schauspiel ist nahezu perfekt, ich mime den verletzlichen und doch Willensstarken ehemaligen Assistenten von Georg … doch wieviel davon ist wirklich Schauspiel? »Es waren persönliche Wertvorstellung und«, ich blicke erneut aus dem Fenster, bevor ich mich ihm wieder zuwende »ich möchte euch nicht vor den Kopf stoßen, aber ich möchte dennoch eine gewisse Integrität waren, also bitte sei mir nicht sauer wenn ich nicht den Grund beim Namen nenne.« Dann halte ich meine Hand vor den Mund und schlucke, dabei blicke ich in seine Augen. »Tut mir Leid, ich biete dir das 'Du' und gleichzeitig sieze ich dich.« »Du bist wirklich süß«, höre ich ihn murmeln, dann hebt er mein Kinn an. Seine Augen strahlen eine gewisse Macht aus, die mich daran erinnert dass er darin geübt sein muss, sie sind wie die von Georg. Dann schiebt mich eine Hand heran und er küsst mich. … Es ist anders als bei Wilhelm der mir das Gefühl gab dass wir Gleichwertig sind, jetzt habe ich das Gefühl gegen eine wilde See zu kämpfen die mich zu ertrinken droht. Ich kann kaum nach Atem ringen, da verschließen seine Lippen erneut meine, er ist geübt und weiß was er tut, derweil halten mich seine Hände so fest, dass es kein entkommen für mich gibt. Als er mich frei gibt, höre ich mich selbst keuchen, mein Herz schlägt wie nach einem Marathon und ich starre ihn völlig entgeistert an. Zweifellos hat es ihn auch berührt, aber dass kann er besser kaschieren als es mir möglich ist. Dann greift er sich selbst zur Hose, öffnet den Knopf und Reißverschluss seiner Hose und lässt mir nur wenige Sekunden Zeit zu entscheiden. Wenn ich jetzt weiter mache ich es meine Entscheidung, gehe ich, werde ich wahrscheinlich sein leichtes Vertrauen verlieren. Ich beuge mich nach vorne, er selbst bewegt sich nicht, betrachtet mich nur aus den Augenwinkeln und lege dann sein Glied frei. Alles in meinem Körper rauscht, es steigt mir zu Kopf und ich beuge mich hinab. Ein sanfter Kuss an seinem Glied, eine federleichte Berührung seiner Zunge und ich kann seine Hand an meinem Schopf spüren. Unangenehm riecht er nicht, ganz im Gegenteil, nach gewaschener Haut, frei von Haaren mit etwas Moschus und frisch gewaschener Wäsche. Eigentlich dachte ich nicht dass ich so freizügig sein würde, dafür war ich immer zu bieder, jetzt nehme ich das Glied eines mir fast noch unbekannten Mannes in den Mund und versuche ihm einen gewissen Dienst zu erweisen. Bald habe ich ihn ganz in mir, langsam erwacht mein Glied und drückt gegen meine Hose, während meine Lippen so sensibel vom Küssen sind, dass jede unbedachte Verrenkung meines Unterkörpers mich zum keuchen bringt. »Öffne deine Hose«, bemerkt er leicht heißer. Hastig öffne ich diese und gebe das frei was irgendwie geschehen ist, aufgrund seiner Küsse und das Gefühl meiner Lippen und Zunge an seinem Glied. Während ich mich wieder ihm widme, spüre ich plötzlich seine kalte Hand an mir. Ich stöhne auf, als er mein Glied nach unten zieht, es dadurch anschwellen lässt, wie bei einer Kuh die gemolken wird, nur das er meinen Schwanz jetzt melkt, auf das mein Saft sich bald ergießt. Ich bewege mich schneller, möchte ihm zum Höhepunkt bringen und spüre seine Hand umso mehr, dann vernehme ich die sanften Zuckungen und er ergießt sich in mich, es rinnt meiner Kehle hinab und ich schlucke alles hinunter … dieses Gefühl, losgelöst von allen Problemen und Dingen lässt mich erneut heißer werden und ich ergieße mich in seine melkende Hand mit keuchen und stöhnen. Wir kommen in einem Hotel an, das er kürzlich gebucht hatte. Im Zimmer habe ich kaum Zeit mich umzusehen, er nimmt mich mit und drückt meinen Körper gegen die Wand. Meine Gedanken sind klarer, dennoch lässt mich das Gefühl seiner Dominanz erneut heiß werden. Es ist anders als ich gedacht habe, wenigstens macht es mir bis dato Spaß, wer weiß wie es noch enden wird. »Sebastian du bist ein schöner Mann, was hältst du davon wenn wir uns öfters treffen?«, fragt er und lässt mich völlig überrumpelt zurück. Das es so schnell geht … Alexander möchte schon den Raum verlassen, da hält ihn meine Antwort zurück: »Ja sehr gerne, wir können gerne sofort weiter machen.« Ich blicke ihn einladend an, er begibt sich zurück und pinnt mich erneut gegen die Wand. »Ich möchte dir etwas Bedenkzeit geben, ich bin nicht ganz einfach zu handhaben.« Ein leichtes Kichern perlt von meinen Lippen und wird von seinen Lippenpaaren aufgefangen als er mich erneut küsst. »Magst du es härter?«, fragt er mich. »Ja, sehr«, lautet meine vorschnelle Antwort. Bevor ich handeln kann, wirft er mich aufs Bett und ich keuche auf. Alsbald ist er bei mir, greift nach meiner Hose und zieht sie hinunter. Ich kann nicht aufblicken, da eine Hand mein Gesicht gegen die Matratze drückt und mir so das Atmen erschwert. Ich höre ihn im Schubfach wühlen, spüre dann kalte Flüssigkeit hinten und stöhne auf, als ich einen Finger spüre. Als hätte ich mich seid langem danach gesehnt, fühlt sich dieses piksende und dehnende Gefühl wundervoll an. Dann nahm er zwei, dehnte mich, füllte einen kleinen Teil aus und besorgte es mir mit seinen Fingern. Bald waren es drei, die mich stöhnen ließen, mir heiß-kalte Schauer über den Rücken jagten und mich fast zum wimmern brachten. Noch nie hatte ich ein derartiges Gefühl erlebt. Klar, gewisse Erfahrungen hatte ich gemacht, aber nicht dieses brünstige, welches mich einfach nur zu einem sexgeilen Besessenen machte. »Sag das ich dich ficken soll«, lacht er bezüglich meines Zustandes. »Fick dich«, war meine trotzige Antwort. Kurz darauf hob er meine Hüfte nach oben und schob sein Glied mit einem stoß in mich hinein, wobei ich ihn mit stöhnen empfing. Dann verschwamm alles. Später stehe ich wieder vor Wilhelms Wohnung, er gewährt mir einlas, seine Miene ist verschlossen und gibt kein Gefühl, keine Regung preis. »Wie geht es dir?«, fragt er mich. Warum soll ich lügen? »Mein Arsch schmerzt«, scherze ich, aber Georg bleibt verschlossen. Ich nehme das Glas Wasser entgegen und blicke auf die Nachrichten. Ich kann ihn hinter mir spüren, seine Präsenz, die sanfte Wärme, der federleichte Geruch, dann spüre ich seine sanften Lippen auf mir und zucke zusammen. Mein Körper ist wie erstarrt, meine Muskeln sind angespannt und auf lauer. »Sebastian, was ist passiert? Du musst keine Angst vor mir haben«, flüstert er anschließend. Dann legen sich seine Arme um mich und die Anspannung lässt langsam nach. »Es ist nichts passiert, aber ich weiß nicht, ich hab das Gefühl betrogen worden zu sein, obwohl alles gut getan hat.« »Was hat gut getan?«, hakt er nach. »Na was denkst du?! Der Sex.« »Findest du ihn attraktiv und anziehend?« Ich zögere. »Er sieht nicht schlecht aus, aber ...« Dann fange ich an zu zittern und Wilhelm hält mich ruhig in seinen Armen, sodass auch das bald vorbei geht. »Du hast also mit ihm geschlafen?« »Ja.« »Wolltest du das von Anfang an?« Ich schlucke und frage mich wann mein Verstand aufgehört hat zu funktionieren. »Ich hatte das nie vor, Wilhelm«, sage ich. Es verstört mich selbst, natürlich war ich kein Mensch der jeden Tag mit einem anderen ins Bett steigen konnte. »Und wenn er dir etwas gegeben hat?!«, erklingt Wilhelms logische Erklärung. Aber wann? »Scheiße, das Sektglas.« Geschockt starre ich auf die Nachrichten, welche einen ausgebrochenen Militärcyborg ohne Angle zeigten. Sein Name war Isaak Medwedew und er wurde seid bereits zwei Wochen gesucht. »Basti?« »Mh?« »Spiel sein Spiel weiter, aber trink und iss nichts mehr, versuch dass so schnell wie möglich zu einem Ende zu bringen.« »Ich weiß«, antworte ich. Doch wie schnell würde das ganze beendet sein? Welche Informationen sind ausreichend? So schnell wird das kein Ende haben. »Lass uns schlafen Wilhelm, ich möchte bei dir liegen«, flüster ich. »Dann komm.« Kapitel 9: ----------- »Ma...« Ich blicke sie an, ihr laufen die Tränen über das Gesicht. Es war jetzt eine Woche her, seid sie entlassen wurde, seid ich ihr den Verband abgenommen habe. Nur die Treppen bin ich runter gekommen, habe mir einen Kaffee genommen und sie mit tränenreichem Gesicht gesehen. Mein Herz brennt. Ich komme ihr näher, sie neigt mir ihr Gesicht zu und ich bin entsetzt. Ihre Augen sind Blutunterlaufen, die Tränen sind rosa bei genauer Betrachtung. »Oh Gott, du musst zu einem Arzt«, raune ich entsetzt. Doch sie packt meine Hand und zieht mich zu sich. »Bleib hier, kleines Vögelchen.« Ich mag den Namen nicht, aber ihr zuliebe bleibe ich still. »Weißt du, du bist so warm«, spricht sie. Im ersten Moment verstehe ich nicht, dann sehe ich an mir hinab und blicke auf und sie nickt. »Es tut mir so leid«, setzt sie an, aber ich möchte nichts hören. Ich schüttle den Kopf. »Wofür solltest du dich entschuldigen?« Ich verstehe ernsthaft nicht. Was ist mit meiner Mutter? Ihre Hände zittern, sie streicht mir über die meinen, dann setzte sie an: »Es ist so grausam was du durchmachen musst.« Dabei blickt sie mich an. Ich will das nicht hören, doch ihr Blick und die Worte sind so eindringlich. Es sind ihre Worte, ihre Gefühle, meine Mutter gibt sich für mich die Schuld. Ich umarme sie, atme ihren Duft nach Orangen ein und gebe ihr anschließend einen Kuss auf die Wange. Die Erinnerung an meine Mutter übermannt mich, ich liege im Bett, neben Wilhelm und denke nach. War es damals mehr als die Mutterliebe? Wusste sie etwas spezielles? Ich starre meine Hand an. Sie sieht so echt aus, ist teils auch organisch, wird allerdings von künstlich hergestellten Teilen am Leben gehalten. Es raschelt an meiner Seite, Wilhelm sieht mich an. »Du bist etwas, wonach sich alle die Hände schmutzig machen.« Ich nicke. Das wusste ich schon immer, aber solch Wissen verdrängt man. Dann lege ich mich wieder hin und schlafe weiter. Ich bin wach. Es ist noch früh, der Tag lichtet sich ganz langsam, die Laterne leuchtet noch sacht hinein. Benommen fühle ich mich, meine Glieder sind schwer, die Bettdecke drückt sich wie Tonnen auf mich. Dann ertönt das leise klicken, es wird mir gewahr, weil ich es nicht ausblende. Gelegentlich, wenn ich meinen Daumen bewege, klickt mein Daumengrundgelenk, es ist nicht richtig mit dem Knochen verbunden und renkt sich sozusagen bei der Bewegung wieder ein. Der Daumen ist nicht das einzige was gelegentlich an meinem Körper knackt, wenn ich besonders müde bin, zu wenig Energie habe, dann kann ich meinen Körper nicht wie früher dazu bewegen trotzdem weiter zu kämpfen, diese Energie, welche nur organisch vollständige Menschen haben, die hat mich verlassen. Ich öffne meine Augen. Es ist so still, außer dem leisen Atmen meines Freundes, vernehme ich nichts. Ich hab den Atem angehalten, seitdem ich wach bin, kein Signal schreit in mir, ich halte länger durch, mein Gehirn wird durch etwas anderes gespeist, aber es verbraucht meine Energie. Richtige Menschen Essen, verdauen, nehmen dadurch Energie auf, verbrauchen sie kontinuierlich. Ich esse, speichere die Energie und verbrauche sie sparsamer, da ich mich selbst regulieren kann. Tief ziehen meine Lungen das Sauerstoffkohlendioxidgemisch auf und ich atme langsam und bedächtig. Würde ich es darauf anlegen, könnte ich Autos durch die Gegend werfen, - na ja, vielleicht nicht ganz, aber mir stehen andere Möglichkeiten offen. Bisher habe ich diese Möglichkeit genutzt um meine Mängelernährung auszugleichen, da nur eine Mahlzeit die Woche möglich war, weil Gretchen mehr benötigte als ich. Selbst mit meinem hochtechnisierten Körper, ist das ein baldiges Todesurteil, spätestens wenn die Organe versagen. Noch ist mein Körper nicht komplett mechanisch und das macht mich angreifbarer als manch einer denken mag. Ich kann meine Tränen kaum zurück halten – ich weiß noch immer nicht ob ich ihn mag. es zerreist mich. Zum Mittag sitze ich vor der KI, sie starrt mir aus ihren leeren Augen entgegen und ich speiße ihr Informationen ein, von denen ich weiß sie Georg bekommen wird. Niemand wird erwarten das er ein derart unsicheres System nutzen wird, aber ich habe es so verschlüsselt, dass es sich offenkundig um Familienfotos handelt. Zum einen die Rechnungen seiner Kreditkarte die beweisen das er ziemlich unvorsichtig ist, zwar waren gewisse Überweisungen verschlüsselt, doch ich habe einen Namen gefunden: Alicia Marble. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Geliebte. Außerdem ist er Vorsitzender zweier Firmen, welche aktuell von Ermittlern durchforstet werden, welche von Georg bezahlt werden. Die Informationen werden ihm gefallen. Ich grinse. Die kleine Vögelstunde war zwar nicht schlecht, aber meine Ausbeute besser. Georg tat wahrscheinlich gut daran mich einzusetzen, niemand weiß dass das Netz mein bester Freund ist. Ich stehe abrupt auf, die Ki ist weg und ich starre zur Tür. Georg ist eingetreten. Herzlich begrüßt er Wilhelm, der arrogant wie eh und je ist. Unsicher, wie ich auf ihn reagieren soll, warte ich bis er mich begrüßt. Georg Die Lichter der Stadt funkelten, eine Reklame heller als die andere. Das Glas mit Whiskey in der Hand, starrte er aus dem riesigen Fenster, das einen perfekten Blick hinab gab und ihn in seinen Gedanken versinken ließ. Joy trat ein, er blickte nicht zur Tür, wusste dass sie es war, schließlich waren beide alleine im Gebäudekomplex, alleine in seinem Büro. Erst vorhin hatte er die Umfrageergebnisse gecheckt und war darüber sehr erfreut, da er weiterhin aufgeholt hatte. Sie trat durch den Raum, nahm die Flache Whiskey vom Tisch, musterte das Schild und stellte diesen dann uninteressiert beiseite. »Was machst du noch hier?«, fragte sie. Er reagierte nicht sofort. »Diese Frage könnte ich dir ebenso stellen.« Joy nickte, stellte sich neben ihn und blickte auf die Stadt hinab, dass sie das Privileg hatten in diesem riesigem Haus arbeiten zu dürfen, mit diesem prächtigen Ausblick, war ganz ihr verdienst. »Worüber denkst du nach?«, setzte sie an. Georg nahm einen weiteren Schluck, die Eiswürfel klimperten sachte im Glas. Darüber war er sich nicht ganz sicher. Jedenfalls zuviel. Joy überraschte ihn kurz, als sie das Glas in ihre Hand nahm und selbst einen Schluck nahm, kurz darauf aber herzlich hustete. Das lockte ihm ein Lächeln auf die Lippen. »Ich denke darüber nach, wie mir die Welt irgendwann gehören wird«, sprach er lächelnd. Joy erwiderte dies, allerdings wirkte ihr Lächeln weniger zuversichtlicher als seines. Erneut blickte sie auf die Stadt hinaus. »Wir werden sie zermalmen.«, flüsterte sie mit voller Überzeugung. Weshalb sie flüsterte, wusste sie nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)