Polity von Undine ================================================================================ Kapitel 9: ----------- »Ma...« Ich blicke sie an, ihr laufen die Tränen über das Gesicht. Es war jetzt eine Woche her, seid sie entlassen wurde, seid ich ihr den Verband abgenommen habe. Nur die Treppen bin ich runter gekommen, habe mir einen Kaffee genommen und sie mit tränenreichem Gesicht gesehen. Mein Herz brennt. Ich komme ihr näher, sie neigt mir ihr Gesicht zu und ich bin entsetzt. Ihre Augen sind Blutunterlaufen, die Tränen sind rosa bei genauer Betrachtung. »Oh Gott, du musst zu einem Arzt«, raune ich entsetzt. Doch sie packt meine Hand und zieht mich zu sich. »Bleib hier, kleines Vögelchen.« Ich mag den Namen nicht, aber ihr zuliebe bleibe ich still. »Weißt du, du bist so warm«, spricht sie. Im ersten Moment verstehe ich nicht, dann sehe ich an mir hinab und blicke auf und sie nickt. »Es tut mir so leid«, setzt sie an, aber ich möchte nichts hören. Ich schüttle den Kopf. »Wofür solltest du dich entschuldigen?« Ich verstehe ernsthaft nicht. Was ist mit meiner Mutter? Ihre Hände zittern, sie streicht mir über die meinen, dann setzte sie an: »Es ist so grausam was du durchmachen musst.« Dabei blickt sie mich an. Ich will das nicht hören, doch ihr Blick und die Worte sind so eindringlich. Es sind ihre Worte, ihre Gefühle, meine Mutter gibt sich für mich die Schuld. Ich umarme sie, atme ihren Duft nach Orangen ein und gebe ihr anschließend einen Kuss auf die Wange. Die Erinnerung an meine Mutter übermannt mich, ich liege im Bett, neben Wilhelm und denke nach. War es damals mehr als die Mutterliebe? Wusste sie etwas spezielles? Ich starre meine Hand an. Sie sieht so echt aus, ist teils auch organisch, wird allerdings von künstlich hergestellten Teilen am Leben gehalten. Es raschelt an meiner Seite, Wilhelm sieht mich an. »Du bist etwas, wonach sich alle die Hände schmutzig machen.« Ich nicke. Das wusste ich schon immer, aber solch Wissen verdrängt man. Dann lege ich mich wieder hin und schlafe weiter. Ich bin wach. Es ist noch früh, der Tag lichtet sich ganz langsam, die Laterne leuchtet noch sacht hinein. Benommen fühle ich mich, meine Glieder sind schwer, die Bettdecke drückt sich wie Tonnen auf mich. Dann ertönt das leise klicken, es wird mir gewahr, weil ich es nicht ausblende. Gelegentlich, wenn ich meinen Daumen bewege, klickt mein Daumengrundgelenk, es ist nicht richtig mit dem Knochen verbunden und renkt sich sozusagen bei der Bewegung wieder ein. Der Daumen ist nicht das einzige was gelegentlich an meinem Körper knackt, wenn ich besonders müde bin, zu wenig Energie habe, dann kann ich meinen Körper nicht wie früher dazu bewegen trotzdem weiter zu kämpfen, diese Energie, welche nur organisch vollständige Menschen haben, die hat mich verlassen. Ich öffne meine Augen. Es ist so still, außer dem leisen Atmen meines Freundes, vernehme ich nichts. Ich hab den Atem angehalten, seitdem ich wach bin, kein Signal schreit in mir, ich halte länger durch, mein Gehirn wird durch etwas anderes gespeist, aber es verbraucht meine Energie. Richtige Menschen Essen, verdauen, nehmen dadurch Energie auf, verbrauchen sie kontinuierlich. Ich esse, speichere die Energie und verbrauche sie sparsamer, da ich mich selbst regulieren kann. Tief ziehen meine Lungen das Sauerstoffkohlendioxidgemisch auf und ich atme langsam und bedächtig. Würde ich es darauf anlegen, könnte ich Autos durch die Gegend werfen, - na ja, vielleicht nicht ganz, aber mir stehen andere Möglichkeiten offen. Bisher habe ich diese Möglichkeit genutzt um meine Mängelernährung auszugleichen, da nur eine Mahlzeit die Woche möglich war, weil Gretchen mehr benötigte als ich. Selbst mit meinem hochtechnisierten Körper, ist das ein baldiges Todesurteil, spätestens wenn die Organe versagen. Noch ist mein Körper nicht komplett mechanisch und das macht mich angreifbarer als manch einer denken mag. Ich kann meine Tränen kaum zurück halten – ich weiß noch immer nicht ob ich ihn mag. es zerreist mich. Zum Mittag sitze ich vor der KI, sie starrt mir aus ihren leeren Augen entgegen und ich speiße ihr Informationen ein, von denen ich weiß sie Georg bekommen wird. Niemand wird erwarten das er ein derart unsicheres System nutzen wird, aber ich habe es so verschlüsselt, dass es sich offenkundig um Familienfotos handelt. Zum einen die Rechnungen seiner Kreditkarte die beweisen das er ziemlich unvorsichtig ist, zwar waren gewisse Überweisungen verschlüsselt, doch ich habe einen Namen gefunden: Alicia Marble. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Geliebte. Außerdem ist er Vorsitzender zweier Firmen, welche aktuell von Ermittlern durchforstet werden, welche von Georg bezahlt werden. Die Informationen werden ihm gefallen. Ich grinse. Die kleine Vögelstunde war zwar nicht schlecht, aber meine Ausbeute besser. Georg tat wahrscheinlich gut daran mich einzusetzen, niemand weiß dass das Netz mein bester Freund ist. Ich stehe abrupt auf, die Ki ist weg und ich starre zur Tür. Georg ist eingetreten. Herzlich begrüßt er Wilhelm, der arrogant wie eh und je ist. Unsicher, wie ich auf ihn reagieren soll, warte ich bis er mich begrüßt. Georg Die Lichter der Stadt funkelten, eine Reklame heller als die andere. Das Glas mit Whiskey in der Hand, starrte er aus dem riesigen Fenster, das einen perfekten Blick hinab gab und ihn in seinen Gedanken versinken ließ. Joy trat ein, er blickte nicht zur Tür, wusste dass sie es war, schließlich waren beide alleine im Gebäudekomplex, alleine in seinem Büro. Erst vorhin hatte er die Umfrageergebnisse gecheckt und war darüber sehr erfreut, da er weiterhin aufgeholt hatte. Sie trat durch den Raum, nahm die Flache Whiskey vom Tisch, musterte das Schild und stellte diesen dann uninteressiert beiseite. »Was machst du noch hier?«, fragte sie. Er reagierte nicht sofort. »Diese Frage könnte ich dir ebenso stellen.« Joy nickte, stellte sich neben ihn und blickte auf die Stadt hinab, dass sie das Privileg hatten in diesem riesigem Haus arbeiten zu dürfen, mit diesem prächtigen Ausblick, war ganz ihr verdienst. »Worüber denkst du nach?«, setzte sie an. Georg nahm einen weiteren Schluck, die Eiswürfel klimperten sachte im Glas. Darüber war er sich nicht ganz sicher. Jedenfalls zuviel. Joy überraschte ihn kurz, als sie das Glas in ihre Hand nahm und selbst einen Schluck nahm, kurz darauf aber herzlich hustete. Das lockte ihm ein Lächeln auf die Lippen. »Ich denke darüber nach, wie mir die Welt irgendwann gehören wird«, sprach er lächelnd. Joy erwiderte dies, allerdings wirkte ihr Lächeln weniger zuversichtlicher als seines. Erneut blickte sie auf die Stadt hinaus. »Wir werden sie zermalmen.«, flüsterte sie mit voller Überzeugung. Weshalb sie flüsterte, wusste sie nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)