Asche und Staub von Naenia (Marys Vermächtnis) ================================================================================ Prolog: Marys Lied ------------------ Der Wind trägt meine Worte fort von hier. Ein Lied, ein Flüstern, eine Melodie, die nicht eher im Blattwerk der Bäume verklingt, bis sie dein Ohr erreicht hat. Es singt von der Zukunft, von Schicksal, von Leben und Tod und zeigt dir den Weg, den du verloren hast. Die Entscheidung ist schon vor Jahren gefallen und nun ist es Zeit, den nächsten Schritt zu machen, bevor wir alle im Chaos ertrinken. Kapitel 1: Jacks Erkenntnis --------------------------- Einst gab es eine Welt, an die sie glauben konnten, ein Gefühl, das sie verband und einen Traum, den sie miteinander teilten, doch das, was seit Jahren an Jacks Verstand nagte, ließ diese Erinnerungen seltsam fern erscheinen. • Es war nicht mehr als ein Flüstern in den kahlen Mauerwänden, das nach sieben Jahren zum ersten Mal wieder den Gedanken an Freiheit in ihm weckte. Er spürte ein Vibrieren unter seiner Haut, den Widerhall einer Stimme in seinem Kopf, die ihn immer wieder rief und seine Schritte durch die schmalen Gänge der Anstalt hinaus in den Hof dirigierte. Die Stimme war vertraut und fremd zugleich, der Schatten eines Bildes, das er nicht klar sehen konnte, das Echo längst vergangener Tage, die fast vergessen waren. Es erinnerte ihn an kühles Bier und endlose Nächte, an den Geschmack von Whiskey auf glühenden Lippen, an betrunkenes Lachen und dröhnende Musik, an den Geruch von Leder und Zigaretten – an alte, verstaubte Bücher, noch ältere Schriften und an die verhängnisvollen Geheimnisse, die ihnen innewohnten. Jack glaubte, dass die abendliche Kühle seinem unruhigen Geist dabei helfen würde, die Unordnung zu beseitigen, doch als er das Gebäude verließ, schlug ihm stickig-trockene, viel zu heiße Abendluft entgegen. Das Atmen fiel ihm plötzlich schwer, das Chaos in seinem Kopf machte ihn schwindelig. Für einen Augenblick verlor er die Orientierung, tastete mit den Händen nach dem Gitter des metallenen Zauns und konzentrierte sich auf den Boden unter seinen Füßen. Er spürte das Vibrieren nun nicht mehr nur unter seiner Haut, sondern in der Erde. Es krabbelte seinen Körper hinauf und lenkte seinen Blick gen Westen: Glutrot stand dort die Sonne tief am Horizont und schien ihren Untergang hinauszögern zu wollen. Sie war umgeben von dichten, dunklen Wolken, die sich am Himmel auftürmten, als wollten sie das Licht mit aller Gewalt verdrängen. Schwarze Schwingen, dachte Jack, und sein zielloses Umherirren hatte endlich ein Ende. Klare Bilder formten sich nun hinter seinen Augen und Prophezeiungen machten endlich den Anschein, als näherten sie sich ihrer Erfüllung. Er bemerkte nicht einmal, wie er sich mit schnellen Schritten zurück in sein Zimmer bewegte und die verstaubten Bücher mit den ausgeblichenen Notizen aus der hintersten Ecke seines Schrankes hervorkramte. Er ließ sie allesamt auf die harte Matratze seines Bettes fallen und sank selbst davor auf die Knie. Seine Finger strichen über die ledernen Einbände und erinnerten sich an die feine Textur der Seiten. Er musste nicht lange blättern, um das zu finden, was er suchte. Seine Augen glitten wie in Trance über die Zeilen, während er gedanklich Bibelstellen und sumerische, babylonische, kanaanitische, nordische und asiatische Mythen rezitierte. Tiamat, die Hydra, Nidhögg und die Midgardschlange, bedrohliche Figuren starrten ihm aus skizzenhaften Zeichnungen entgegen und ihr Blick war für Jack schon immer mehr als Fiktion gewesen: Aus seinem Maul fahren brennende Fackeln, feurige Funken schießen hervor. Rauch dampft aus seinen Nüstern wie aus kochendem, heißem Topf. Sein Atem entflammt glühende Kohlen, eine Flamme schlägt aus seinem Maul hervor… Auf Erden gibt es seinesgleichen nicht, dazu geschaffen, um sich nie zu fürchten, Hiob 41, er schlug die Bücher zu, fuhr sich durch das zerzauste Haar, sprang wieder auf und suchte nach seinem Rucksack. Es wurde Zeit, dass er sich auf den Weg machte. Kapitel 2: Johnnys Zweifel -------------------------- Einst gab es eine Zeit, die stillzustehen schien, ein Lächeln, das die Welt bedeutete und Lieder, die von ihrer Freundschaft erzählten, doch das, was seit Jahren einen dunklen Schatten über Johnnys Erinnerungen warf, hüllte jeden dieser Momente in Finsternis. • Müde Augen blickten Johnny aus dem Spiegel entgegen, umrandet von tiefen schwarzen Schatten. Er war zu blass und sein hellblondes Haar zu lang, die Strähnen hingen ihm ständig wirr ins Gesicht. Er strich sie zurück und band sie zu einem lockeren Zopf, drehte sich um und versuchte das zweite Augenpaar, das ihn beobachtete zu ignorieren. Seine Wohnung war nie besonders groß gewesen, doch jetzt kam sie ihm plötzlich winzig vor. Er fühlte sich eingeengt und hatte das starke Bedürfnis vor dem Mann, der so deplatziert auf der dunkelroten Ledercouch wirkte, zu fliehen. Natürlich gab er diesem Drang nicht nach, griff stattdessen nach der halbleeren Zigarettenschachtel, die auf der Kommode neben ihm lag, und ließ sich in seinen Lieblingssessel sinken. Immerhin hatte er jetzt etwas, womit er seine rastlosen Finger beschäftigen konnte. Jims Blick war noch genauso durchdringend wie damals, nur wollte das lockige Haar mit dem modernen Schnitt nicht so recht in das Bild eines Priesters passen, ebenso wenig wie die Tattoos, von denen Johnny wusste, dass sie unter dem schlichten Schwarz der Robe verborgen lagen. Er kannte die Schriftzüge, die Symbole und Linien vermutlich besser als jeder andere, denn er hatte sie mit seinen eigenen Händen auf die Haut seines damaligen Freundes gezeichnet. Angefangen mit einem Namen, doch darüber wollte er nicht nachdenken. „Ich weiß nicht, warum du überhaupt hergekommen bist“, sagte er, mehr um sich selbst von seinen Gedanken abzulenken, als um mit seinem Gegenüber zu kommunizieren, „Ich bin fertig mit diesem Mist und ich will damit nichts zu tun haben.“ Johnny sank tiefer in das weiche Leder und führte die im Dämmerlicht des Zimmers glimmende Zigarette an die schmalen Lippen. In seiner Hosentasche vibrierte das Handy, um ihn unnötigerweise daran zu erinnern, dass er einen Anruf verpasst hatte. Er blies den Rauch in die Luft und beobachtete konzentriert, wie er sich im Raum auflöste. Das Seufzen des Priesters musste er nicht sehen, er konnte es hören und wahrscheinlich hätte er auch gewusst, dass es da war, wenn es nicht sein Ohr erreicht hätte. Es war erstaunlich, wie viele unwichtige Dinge ihm im Gedächtnis geblieben waren, obwohl er doch versucht hatte, alles zu verdrängen. Jims Schweigen fühlte sich nach einer stummen Anklage an und das machte ihn wütend. Es gab keinen Grund für ihn, sich schuldig zu fühlen, denn es war seine Entscheidung gewesen, den vorherigen Abschnitt seines Lebens zu beenden und damit alle Brücken hinter sich niederzureißen. Warum hatte man ihn überhaupt angerufen? Woher wusste Jim, dass er nun hier wohnte? Jim hatte immer diese Angewohnheit gehabt, über alles informiert zu sein. Johnny hingegen lebte im Vergleich dazu in einem abgeschlossenen Raum, durch dessen Wände nichts hindurch drang. Er war bis zu diesem Abend überzeugt davon gewesen, dass keiner seiner früheren Freunde irgendwelche Kontaktdaten von ihm besaß. Er hatte darauf geachtet, keine Spuren zu hinterlassen. „Ich habe immer gedacht, du würdest mal anrufen.“ Die Worte trafen Johnny unvermittelt und brachten seine sture Determiniertheit, Jim schon jetzt wieder hinauszuwerfen, ins Wanken. „Es ist so lange her… Zeit…“ … heilt alle Wunden. Bullshit. „Ich hatte einfach gedacht, du würdest irgendwann zurückkommen.“ Ein kleiner Teil von ihm konnte das verstehen. Es hatte Momente gegeben, in denen er an ihre frühere Freundschaft gedacht hatte, aber jedes Mal, tauchte auch ihr Gesicht vor seinem inneren Auge auf und dann verschwand alles hinter einem grauen Schleier und verlor sich in trockenen Tränen. Er konnte nicht an Jim denken, ohne Marys Augen vor sich zu sehen und er konnte nicht an Jack denken, ohne zu sehen, wie das Leuchten aus eben diesen Augen verschwand. „Ich hab’ gehört, du arbeitest jetzt in so einem riesen Betrieb. Sitzt du wirklich den ganzen Tag in so einer kleinen Büronische und verschickst Katzenbilder an Kollegen?“ Jims forschender Blick brannte auf seiner Haut und Johnny konnte ihn noch immer nicht ansehen. Ja, er arbeitete in so einem verdammten Job, für den er morgens ein Hemd anziehen musste und seine Skizzenblöcke lagen allesamt in einer Kiste, die er niemals öffnete. Er zuckte mit den Achseln und entschied sich dazu, die Frage unbeantwortet im Raum stehen zu lassen, stattdessen wollte er das Thema wechseln. „Warum denkst du, ist er raus? Wieso gerade jetzt?“ Er riskierte einen Blick in Jims Richtung, fixierte entweder den kleinen Fleck auf der Couch, direkt neben dessen Bein oder beobachtete, wie sich der Stoff der Priesterrobe über die muskulösen Oberarme spannte. Ernsthaft, wer zur Hölle nahm einen Priester mit so breiten Schultern und einem Drei-Tage-Bart das Amt überhaupt ab? Vermutlich halten die meisten ihn für einen Stripper, überlegte Johnny und hätte gerne darüber gelacht. Jim lehnte sich weiter nach vorn und stützte die Ellbogen auf die Knie. Johnny schaffte es gerade noch, dem veränderten Blickwinkel seines Gegenübers auszuweichen. „Ich weiß es nicht, wirklich. Ich hab’ keine Ahnung. Wir haben in den letzten Jahren nicht viel miteinander geredet.“ „Aber ihr habt mal geredet. Hast du ihn besucht?“ „Am Anfang… selten. Er war nicht mehr der Selbe. Keiner von uns war das. Er hat kaum gesprochen und wenn doch, dann nur über Belanglosigkeiten: das Wetter, das Essen und über Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt. Dann war ich für einige Zeit lang auf Reisen, da brach der Kontakt ab. Meine Nummer war als Notfallkontakt gelistet.“ „… und woher hat er meine?“ Die Frage drängte sich auf und beschäftigte ihn, seit sein Handy das erste Mal in dieser Nacht geklingelt hatte. Jim schüttelte den Kopf und lachte müde, bis er mit rauer Stimme erklärte: „Tjah, ich hab’ dich ja auch gefunden und es war wirklich nicht schwer. Dafür musste ich nicht mal ein Genie sein.“ Jacks vermeintliche Genialität war damals das gewesen, was ihr Vorhaben immer weiter vorangetrieben hatte. Es waren seine Ideen und ihr blinder, naiver Enthusiasmus für das Phantastische, die das Unglück heraufbeschworen hatten. Da war der gleiche Glanz in auch in Marys Augen zu sehen. Jack lernte sie erst auf der Universität kennen, zwei Wissenschaftsfreaks, die sich für Archäologie, Mythologie und Geschichte interessierten. Der einzige Grund, warum Johnny in deren Gegenwart nicht verrückt geworden war, war Jim gewesen. Der teilte seine Leidenschaft für Kunst, wenn er auch eher im Bereich der Literatur, Philologie und eben auch in der Religionswissenschaft aktiv war. „Wo bist du denn gewesen?“ Jim lächelte und auch wenn diesem Lächeln die frühere Wärme fehlte, weckte es Erinnerungen. „Hier und da“, begann er kryptisch zu erzählen und Johnny sah ihm an, dass kein Ort auf der Welt weit genug weg gewesen war, um irgendetwas zu vergessen, „Es war allerdings nicht das gleiche. Das Motorengeräusch des Chevy Nova hat mir gefehlt.“ „Dafür bist du auf dieser Reise keinen Hirngespinsten nachgejagt.“ „Bin ich nicht? Manch einer würde das anders sehen. Besteht denn wirklich ein so großer Unterschied darin, ob man nach Drachen oder nach Gott sucht?“ Johnny wusste darauf nichts zu erwidern, aber er spürte wie sich der feine Ansatz eines Lächelns auf seine Lippen legte. „Ich glaub ich hab’ überall auf der Welt Häuser gebaut und anstatt mich am Ende irgendwo niederzulassen, bin ich nur wieder hier gelandet. Schon komisch.“ Ja, als Bauarbeiter konnte er sich Jim vorstellen: „Wenn du dabei auch in diesem Fummel rumgelaufen bist, dann wird das sicher ein lustiger Anblick gewesen sein.“ Jim sah an sich selbst runter und Johnnys Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen. Er konnte sich Jim in Muskelshirt und Jeans vorstellen, aber beim besten Willen nicht in diesem formellen Kleidchen und wie sollte man damit überhaupt richtig arbeiten können? „Haha. Ich bin eben gleich losgelaufen, nachdem ich den Anruf bekommen hatte. Ich wollte unbedingt vor ihm hier sein…“ Das Unbehagen, das ihm Jims Gegenwart zu Anfang bereitet hatte, war mehr und mehr gewichen. Fast hätte er sich sogar wohl fühlen können, doch diese eine Bemerkung reichte völlig aus, um die Anspannung wieder in seine Glieder zurückkehren zu lassen. Er war mittlerweile regelrecht in seinem Sessel versunken, doch jetzt nahm er wieder eine aufrechte Sitzposition ein. Der Blick auf die Uhr an der Wand verriet ihm, dass es auf Mitternacht zuging. Johnny wünschte sich, dass Jim einfach weiter von Reisen und Häusern erzählte. Dann hätte er langsam vergessen, warum sie wirklich in dieser Nacht nach sieben Jahren beieinander saßen. „Es wäre besser, wenn Jack nicht herkommen würde. Ich will ihn nicht sehen.“ Jim atmete hörbar aus, lehnte sich wieder zurück und starrte an die Decke. „Ich weiß... Aber…“ Dann machte er eine Pause, die sich für Johnny endlos in die Länge zog. Er zählte die Sekunden, die ihm vorkamen wie Minuten und verfolgte den kleinsten Zeiger der Wanduhr. Er hatte schon nicht mehr daran geglaubt, dass der Priester noch etwas zu sagen hatte, doch dann traf es ihn unvermittelt hart. „Er ist unser bester Freund“, erklärte Jim schließlich, so als wären die letzten sieben Jahre nie vergangen. Es klang anmaßend, Jim musste sich doch denken können, dass für ihn jede Minute seit diesem Vorfall eine Qual gewesen und jeder Atemzug ein verdammt hartes Stück Arbeit war. Es war nicht richtig, irgendetwas davon mit einer solchen Bedeutungslosigkeit wegzuwischen. „Sie, Jim. Sie ist zuletzt mein bester Freund gewesen. Sie war alles.“ Er stand auf und blickte Jim nun zum ersten Mal direkt in die Augen. Seine Hände suchten Halt an der Rückenlehne des Sessels und trotzdem hatte er das Gefühl, zu fallen. Er sah nichts von dem, was er erwartet hatte. Nur klares Blau und Wahrheit und es tat so weh, denn es waren die gleichen Augen, die ihn jede Nacht verfolgten und wieder verschwanden, bevor die ersten Strahlen der Sonne sein Gesicht erreichten. Er hatte vergessen, wie sehr Jims Augen denen seiner Schwester ähnelten und das war eine Wunde, die niemals hätte wieder aufreißen dürfen. Das zaghafte Klopfen an der Tür machte alles nur noch schlimmer und zeigte ihm endgültig, dass etwas zu verdrängen nicht das Gleiche war, wie damit abzuschließen. Er dachte an Drachen und Legenden, an Gott und Gerechtigkeit und er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte und erst recht nicht, ob er diese Tür wieder öffnen wollte. Kapitel 3: Jims Stärke ---------------------- Einst gab es ein Licht, das selbst im tiefsten Dunkel noch leuchtete, eine Flamme, die niemals erlosch und einen Ort, der ihre Heimat war, doch das, was seit Jahren durch Jims Gedanken fegte, hatte all die Wärme und Geborgenheit dieser Zeit unter sich begraben. • Dieses Gesicht, das kaum gealtert war, sein strubbeliges, dunkelbraunes Haar und die grünen Augen, die hinter dicken Brillengläsern verborgen lagen, hatten sich in all den Jahren nicht ein bisschen verändert. Jack schien noch immer der Gleiche zu sein. Ein Foto, das nicht verblassen wollte, ein Mahnmal ihrer Jugendsünden und ein Zeichen dafür, wie sehr er selbst und Johnny sich mittlerweile verändert hatten. Er stand da, den Rucksack lässig über die Schulter geworfen und starrte ihn direkt an. Johnny verlor sich im Hintergrund und Jim war ehrlich gesagt überrascht, dass er sich nicht hinter dem Sofa versteckte oder gar aus dem Fenster gesprungen war. Da war doch irgendwo eine Feuerleiter gewesen… „Hi“, sagte er schließlich und hätte sich im nächsten Moment auf die Zunge beißen wollen, denn es klang alles andere, als der Situation entsprechend. Andererseits, wie begrüßte man einen Freund, der sich gerade selbst aus der Psychiatrie entlassen und den man seit Jahren nicht gesehen hatte? Es war ihrer aller Dummheit gewesen und Johnny war ein Idiot, wenn er tatsächlich glaubte, dass einer von ihnen Mary davon hätte abhalten können, in den See zu steigen. Keiner von ihnen hatte jemals darüber geredet. Schweigend waren sie in ein Leben zurückgekehrt, das nicht mehr ihres war und jeder war seiner Wege gegangen. Er schluckte hart und rieb sich mit dem Handrücken über den Augen, als würde das die Erinnerung vertreiben. Er musste sich wieder auf Jack konzentrieren. „Ich hatte mir schon gedacht, dass du als erstes hierherkommen würdest.“ Jim versuchte zu lächeln, aber er war nicht sicher, ob es ihm wirklich gelang. Sein Körper fühlte sich seltsam taub an. Jack nickte und sein Blick schien auf der Suche nach Johnny an ihm vorbei in die Wohnung zu gleiten. Für Jack würde Johnny die große Unbekannte sein. Alles das, was an diesem Treffen variabel und unvorhersehbar war. Er würde wissen, dass Jim selbst ihn niemals wegschicken würde, denn er hatte schon immer viel zu sehr auf seine Gutmütigkeit vertraut. Er trat einen Schritt zur Seite und deutete an, dass Jack hereinkommen sollte. Der stürmte an ihm vorbei und er selbst schloss mit einem Seufzen die Tür. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Jacks Kleidung komplett durchnässt war. Er hatte feuchte Spuren auf dem alten Teppich des Wohnzimmers hinterlassen und wenn er genau hinsah, konnte er feine Tropfen beobachten, die sich in seinem Haar verfangen hatten. Erst jetzt, in dieser unnatürlich-angespannten Stille nahm er das Prasseln des Regens an der Fensterscheibe zum ersten Mal wahr. Als er hergekommen war, hatte die Luft vor Hitze geflimmert. Mittlerweile hatte Jack damit begonnen, den Inhalt seines Rucksacks auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers zu entleeren. Jim erinnerte sich an die Bücher, die voller fixer Ideen waren. Eine Sammlung von Kindheitsträumen und Wunschvorstellungen, getrieben von dem Verlangen, die Wahrheit in Legenden zu sehen und mehr aus dieser Welt zu machen, als sie ist. Für Jack und Mary war die Realität nie genug gewesen, sie wollten Abenteuer und Magie. Es gab mal eine Zeit, da hatte Jim tatsächlich geglaubt, Jack und Mary hätten genug abenteuerliche Magie in ihrer Beziehung zueinander gefunden, aber träumende Wissenschaftler brauchten offenbar mehr, als nur die Menschen um sich herum. „Ich weiß es jetzt“, fing Jack irgendwann an und Jim hatte das Gefühl, dass das der Beginn einer seiner wenig kohärenten Reden war. „Es steht überall, ich konnte es nur nicht mehr sehen. Heute Abend stand ich draußen und dann wusste ich es. Am Himmel liegt ein Schatten.“ Jim konnte die zunehmende Anspannung in Johnnys Gesicht sehen, die zitternden Hände, die sich zu Fäusten ballten und er wusste, dass Jack nichts von all dem mitbekam. Jack blätterte sich durch Bücher und deutete auf aufgeschlagene Seiten, verlor sich in wissenschaftlichen Tiraden, die nicht mehr waren, als Theorien, gegründet auf märchenhaften Erzählungen von Ungeheuern und Drachen, von Chaos und Krieg, von Zerstörung und Erneuerung. Jim bekam Kopfschmerzen. Er hatte Jack damals die Bibelstellen gezeigt, die dieser nun gerne als Beleg für die Existenz übernatürlicher Wesen verwendete und heute kam es Jim lächerlich vor, dass er selbst an seinen Freund und dessen Ideen geglaubt hatte. Draußen peitschte der Wind gegen das Fenster und sie hörten sein Heulen durch die schlecht gedämmten Wände des Hauses pfeifen. Ein Blitz durchbrach das Dämmerlicht im Wohnzimmer und die Lampe über dem Tisch flackerte bedrohlich. Es war allerdings kein Donner zu hören. „Ich bin mir ganz sicher. Wir müssen nochmal dorthin, an den See. Wir müssen zurück, denn dort liegt der Schlüssel, wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“ Wieder ein Blitz und diesmal sah Jack wie Johnnys Mundwinkel bedrohlich zuckten, bevor er auf Jack zustürmte, ihn am Hemd packte und auf die Beine zog. Es sah ein wenig seltsam aus, denn Jack war schon immer etwas größer als Johnny gewesen, doch er wehrte sich nicht, sah sein Gegenüber nur mit interessiertem Blick an. Jim hatte sich reflexartig auf das Paar zubewegt, doch als er eingreifen wollte, hob Jack die Hand. „Ist schon okay, alles okay. Jim.“ Ob es das für Johnny auch ist? Jim hielt Abstand und beobachtete Johnnys Gesicht, sah den Kummer und den Zorn in seinen braunen Augen. Er hatte die Lippen fest aufeinander gepresst und Jim war nicht sicher, ob er etwas sagen wollte oder einfach nur daran dachte, sich mit Jack zu prügeln. „Diesmal wird es anders.“ Jacks Stimme klang nun weicher, mehr nach dem Jack, den sie als guten Freund kannten. „Ich weiß es, vertrau mir. Noch dieses eine Mal, bitte. Ich kann das nicht ohne euch.“ Jim meinte, den fernen Glanz von Tränen in Johnnys Augen zu sehen, als das Zimmer wieder für den Bruchteil einer Sekunde in gleißendes Licht getaucht wurde. Johnnys Finger lösten sich langsam aus Jacks Hemd. Jim war erleichtert, konnte sich aber noch nicht wirklich wohl mit der Situation fühlen. Jack blickte Johnny noch für einen Moment nach und verfiel dann wieder in den Forschermodus. Jim setzt sich auf die Couch. Es machte den Anschein, als sei die Gefahr gewalttätiger Eskalation gebannt. „Es wird nicht so sein wie damals. Diesmal wird es funktionieren. Alles musste so sein, versteht ihr? Mary ist immer noch dort und wir haben sie vergessen. Sie wartet darauf, endlich zu erfahren, wie die Geschichte weitergeht. Ihr Geist kann sonst nicht gehen.“ Jim spürte ein Ziehen in seinem Kopf, eine Kälte, die durch seinen Körper fuhr und ihm eisige Schauer über den Rücken jagte. Da war Etwas, das ihn einschnürte und sein Leben fest umklammert hielt. Vielleicht hatte er deswegen an keinem Ort auf dieser Welt Ruhe finden können, mochte es auch noch so schön gewesen sein. „Ich kann sie hören. Es ist ihre Stimme, ich-“, will es wieder gut machen, dachte Jim, aber Jack kam nicht mehr dazu, es auszusprechen. Kapitel 4: Jacks Tragik ----------------------- Einst gab es ein Leben, das vollkommen war, eine klare Richtung, die seinen Weg bestimmte, und ein Schicksal, das für ihn bestimmt war, doch das, was in den letzten Jahren seinen Geist gefangen hielt, hat ihm die Sicht geraubt. • Der metallische Geschmack von Blut erfüllte seinen Mund, stechender Schmerz durchzuckte seinen Kiefer. Reflexartig tasteten seine Finger über die aufgeplatzte Lippe. Er verlor sich für einen Moment in der Realität dieses Gefühls, das seine Rastlosigkeit verschwinden ließ. Die Hände eines Künstlers, dachte er, als er, noch immer am Boden liegend, seinen Blick wieder nach oben richtete, Johnny hat noch immer die Hände eines Künstlers und gerade jetzt waren er und das Blut, das seinen Mundwinkel hinabrann, sein Kunstwerk. Geistesabwesend richtete er seine Brille und nahm am Rande wahr, dass Jim vom Sofa herübergeeilt war und sich zu ihm runterbeugte, um sich die Verletzung anzusehen. „Scheiße, Johnny, musste das sein? Alles okay mit dir, Jack? Lass mich das mal sehen und nimm’ verdammt nochmal deine Finger da weg, sonst hört das nie auf zu bluten.“ Es hatte etwas Seltsames, ihn so vertraut reden zu hören, sah er doch in dieser förmlichen Kleidung so fremd aus. Jack hielt still und ließ ihn machen, während seine Gedanken weiter um Johnny kreisten. Jim konnte er verstehen. Nicht unbedingt den Glauben an das Christentum, aber den Versuch, an etwas zu glauben. Es war ganz natürlich, die Leere, die zurückgeblieben war, mit etwas füllen zu wollen. Johnny hingegen schien von seinem eigenen Gedächtnis in die Selbstaufgabe getrieben worden zu sein. Nichts in dieser Wohnung erinnerte an den Mann, mit dem Jack früher um die Häuser gezogen war und das erschien ihm falsch und auf gewisse Weise unwirklich. Die Temperatur im Zimmer schien um mehrere Grad gefallen zu sein, Jack fühlte die Kälte der feuchten Kleidung auf seiner Haut und die Regentropfen, die aus seinem Haar fielen und seinen Nacken hinabliefen, jagten ihm Schauer über den Rücken. „Wir müssen das zu Ende bringen.“ Er hatte das Gefühl, dass seine Stimme unnatürlich durch den Raum hallte und er war nicht sicher, ob sie Johnny erreichte. Jim konzentrierte sich noch immer auf die Verletzung und verarztete ihn mit geschickten Handgriffen. „Damals… das war erst der Anfang. Mary und ich hatten immer Recht. Ich muss dahin und sehen, wie es weitergeht. Hast du in den letzten Jahren nie gefühlt, dass sie irgendwie noch da ist?“ Er bemerkte den Schmerz in Jims Augen und es tat ihm für einen Moment lang leid, dass er alte Wunden wieder aufriss. Johnny näherte sich wieder mit schnellen Schritten und Jack rechnete schon damit, wieder geschlagen zu werden, wenn Jim Johnny aus dem Weg gehen würde. Aber nichts dergleichen geschah, also sprach er weiter. „Ich höre sie seit einiger Zeit immer wieder. Wir müssen zurück, es ist noch nicht vorbei.“ „Warum? Warum denkst du, dass wir diesen Unsinn glauben?“ Johnny verschränkte die Arme vor der Brust und starrte aus dem Fenster. Für Jack war die Antwort darauf ganz einfach: „Weil wir es zusammen angefangen haben und zusammen zu Ende bringen müssen. Für Mary. Sonst war alles umsonst.“ Kapitel 5: Jims Warnung ----------------------- Einst gab es eine Welt ohne Grenzen und Straßen, die überall hin führten, doch jetzt hatte Jim das Gefühl, dass dieser Weg sie nur ins Verderben führen konnte. • „Wenn wir jetzt losfahren, gibt es kein Zurück mehr“, stellte Jim fest. Eigentlich war es ohnehin längst zu spät dafür, denn sie standen in Johnnys Garage und unter der dicken Staubschicht und der löchrigen Plane versteckte sich der alte Chevy Nova, an dessen Motorgeräusch er sich noch immer erinnerte. Johnny sah ihn an, und Jim dachte, er würde das Ganze abbrechen, aber er zögerte nur einen Moment, bevor er das Auto aus dem Exil befreite. „Es müsste alles funktionieren. Ich bin nicht gefahren, aber ich hab’ mich um Wartungen gekümmert…“ Es wunderte Jim nicht, dass Johnny das Auto nach all den Jahren noch pflegte, auch wenn er es von sich fern hielt, wie alles andere, was mit der Vergangenheit zusammenhing. Ein feines Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er beobachtete, wie der Blonde fast liebevoll über die Motorhaube stricht und hinüber zur Fahrertür ging. Der Regen hatte seine Spuren auf ihrer aller Kleidung hinterlassen. Es schüttete mittlerweile wie aus Kübeln und Jim hatte darauf bestanden, dass sie wenigstens noch bei seiner Wohnung vorbei fahren würden, damit er sich umziehen konnte. Das bisschen Nässe hätte er verschmerzen können, aber ein Roadtrip in Priesterrobe musste nicht sein. Sie stiegen ein, Jack kletterte auf die Rückbank und Jim setzte sich auf Beifahrersitz. Johnny startete den Wagen und Jim bemerkte, wie er für den Bruchteil einer Sekunde den Atem anhielt und hoffte, dass er einfach nicht anspränge. Leider war auf dieses Auto schon immer Verlass gewesen und so bogen sie bei strömendem Regen in die Straße ein. Eigentlich schwammen sie mehr, als dass sie fuhren und Jim hatte keine Ahnung, wie Johnny es schaffte, überhaupt etwas zu sehen. „Ich glaub’ du musst da vorne irgendwo links.“ „Ja, ich weiß schon. Ich bin eine Zeit lang in der Gegend Taxi gefahren.“ „Warum hast du aufgehört?“ Ein bisschen seichte Konversation würde sicher nicht schaden und Jim fühlte sich wohler, wenn er mit jemandem reden konnte. Das half ihm, sich von seinen eigenen Gedanken und dem, was vor ihnen lag, abzulenken. „Weil ihn das Autofahren an uns erinnert hat.“ Jack schaltete sich in das Gespräch ein und antwortete vermutlich ehrlicher, als Johnny es getan hätte. Allerdings brachte er damit die Unterhaltung zu Stillstand. Jim ließ seinen Kopf gegen die Lehne fallen und war dankbar, als Johnny das Radio einschaltete, das sofort eine der alten Kassetten abspielte, die schon seit einer Ewigkeit in diesem Auto lag. Es war fast unglaubwürdig, wie gut das Lied zu seiner eigenen Situation passte: I’ve been travelling, but I don’t know where. I’ve been wandering, but I just don’t care… Er lachte trocken und Jack verstand natürlich, Jack fand jede versteckte Verbindung, nur niemals die offensichtlichen. Der Rest der Fahrt verlief ruhig und Jim hing seinen eigenen Gedanken nach, während Jack und Johnny immer wieder mit Gesprächsfetzen gegeneinander prallten. Vor seiner Wohnung angekommen, sprang er aus dem Wagen und konnte gar nicht schnell genug den schützenden Unterstand erreichen. Das Wetter war wirklich widerlich. Er schloss auf, eilte in sein Schlafzimmer und zog sich schon aus, während er noch nach einem sauberen Shirt und einem Hemd suchte. Seine Lederjacke lag sorgsam gefaltet ganz hinten im Schrank und es fühlte sich gut an, sie überzustreifen. Als er das Zimmer wieder verließ, blieb sein Blick an einem alten Foto hängen, das auf seinem Nachttisch stand. Darauf abgebildet waren er und seine Schwester, Johnny und Jack. Es war eines der wenigen Bilder, auf denen sie alle vier zusammen zu sehen waren. Normalerweise fühlte er sich wohler hinter der Kamera. Er lächelte, wandte seinen Blick ab und schaute nochmal in den Spiegel, fuhr sich durchs Haar und griff dann nach dem Kapuzenpullover, den er auch aus seinem Schrank mitgenommen hatte. Jetzt würde es also wirklich losgehen. Er war nicht sicher, ob er bereit dafür war, aber es gab kein Zurück mehr. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und er lief durch den Regen zurück zum Wagen. „Seid ihr wirklich bereit, zu sehen, was hinter dem Horizont liegt?“ Jim ließ sich wieder auf den Sitz sinken, schloss die Tür schnell und warf den Pullover, den er für Jack mitgebracht hatte, wortlos nach hinten. „Dort wird nichts sein. Dort war schon vor Jahren nichts, warum sollte sich daran etwas geändert haben? Weil Jack denkt, dass er Mary hört? Wer weiß, ob das überhaupt die einzige Stimme ist, die in seinem Kopf Krach schlägt.“ Johnny wirkte trotzig und doch war er jetzt hier. Es war der Gedanke an Mary, vermutete Jim, der ihn zurück trieb und wenn nur, damit er mit eigenen Augen sehen konnte, dass Jack auch diesmal Unrecht hatte. „Sie ist die Einzige“, erklärte Jack daraufhin ruhig, „und ich weiß längst, was sich hinter den Wolken verbirgt.“ Kapitel 6: Jacks Vision ----------------------- Einst gab es eine Zeit, in der die Nächte zu kurz und jeder Moment voller Leben war, doch Jack musste einsehen, dass es nie wieder so sein würde. • Jims Pullover war weich und warm und passte perfekt. Seine eigene Kleidung hatte zu sehr nach der Klinik gerochen, Jack fühlte sich mehr wie er selbst, wenn dieser Geruch nicht an ihm haftete. Gedankenverloren zeichnete er die Kugelschreiberschmierereien auf der Rückenlehne des Beifahrersitzes nach und fragte sich, ob Jim seine Finger dabei spürte. Er folgte den Linien von Marys Namen und denen des Herzchens, das sie damals darum herum gemalt hatte. Er verlor die Orientierung auf dem Leder, als der Wagen ins Schleudern geriet und das Vibrieren des Abends zurückkehrte. Stärker und überall um sie herum bebte die Erde. „Fuck!“, hörte er Johnny Zischen und Jim presste sich tiefer in den Sitz, gegen dessen Lehne Jack gefallen war. Er hätte sich wirklich besser anschnallen sollen. Johnny hielt den Wagen unter Kontrolle, aber der regennasse Boden machte diese Fahrt zu einem Höllenritt. Er rappelte sich wieder hoch, setzte sich und legte den Sicherheitsgurt um. „Es wird stärker werden, wir müssen uns beeilen.“ Jack hob die Bücher auf, die aus seiner Tasche gefallen waren und verstaute sie wieder sicher. Er wusste längst alles, was er wissen musste, aber es fühlte sich sicherer an, seine Notizen dabei zu haben. „Das ist noch nicht alles.“ Er hatte selbst nur eine vage Vorstellung davon, was vor ihnen lag. Aber immer stärker werdende Gewitter und Erdbeben waren eindeutiger Teil davon. Darin war sich jede der Schriften, die er studiert hatte, einig. Auch die stickige Hitze des Abends ging damit einher. Wetterphänomene kündigten seit jeher das Erscheinen von Drachen an, Jack hatte darüber gelesen und Jahre damit verbracht, alles miteinander zu verbinden. Das Ende der Welt, der Gedanke an das Jüngste Gericht, Ragnarök und die Mythen und Sagen, die davon erzählten, waren für ihn mehr als nur Geschichten gewesen. Er hatte bereits als kleiner Junge versucht, die Wahrheit hinter den Buchstaben zu erkennen. Hatte in Bildern mehr gelesen als das Offensichtliche und sich in alten Büchern verloren. Schon immer glaubte er, dass es eines Tages so weit sein würde und die Drachen ihren Platz im Schicksal der Welt einnahmen. Mary hatte seine Begeisterung von Anfang an geteilt und es war ganz leicht, Jim mitzureißen. Als Johnny sich einige Jahre später ihrer kleinen Gruppe anschloss, fühlte Jack, dass bald etwas passieren würde, das ihrer aller Leben veränderte. Es war, als gäbe es Fäden, die sie zusammenführten und in die richtige Richtung zogen. Er wusste auch damals, dass es nicht sein Fehler war, aber die Schuld trübte trotzdem seinen Blick. „Wow, danke für den optimistischen Ausblick“, Jack konnte im Rückspiegel sehen, wie Johnny die Augen verdrehte und fand sich in der Gegenwart wieder. Der Boden wackelte nach wie vor bedrohlich, aber der Regen hatte mittlerweile nachgelassen. „Es wäre mir auch lieber, wenn ich euch etwas anderes sagen könnte.“ Der Horizont färbte sich bereits heller, die dichten Wolken verzogen sich nicht, aber der Sonnenaufgang nahte und die Welt verwandelte sich in ein überhitztes Treibhaus. Kapitel 7: Johnnys Erinnerung ----------------------------- Einst gab es ein Leben, das voller Erwartungen war und eine leuchtende Zukunft für sie bereithielt, doch Johnny hatte es vor langer Zeit aufgegeben, vorauszuplanen. • Das war der Ort, an dem Mary gestorben war. Das war der See, aus dem sie nicht mehr aufgetaucht war. Hier hatte sich alles geändert. Das war der Moment, in dem er seinen Glauben verloren hatte und seine Freunde verließ. Das war der Teil seines Lebens, den er seither hatte vergessen wollen. „Und wer soll sich diesmal für dich darunter wagen? Wer von uns ist diesmal das Opfer? Vielleicht hätten wir ihr alle schon damals einfach hinterherspringen sollen.“ Er schmeckte die Bitterkeit seiner Worte auf der Zunge und ihm wurde übel. Er wusste nicht einmal, wohin er blicken sollte, denn jeder gottverdammte Stein und jeder beschissene Grashalm barg Erinnerungen an einen Ausflug, der glücklicher hätte enden sollen. Schon der Weg hierher hatte ihm alles abverlangt. Der Geruch der Ledersitze, die abgewetzten Stellen auf den Bezügen, jedes kleine Loch darin und jeder verblichene Fleck erzählte eine Geschichte, an die er sich nicht erinnern wollte. Er hörte das Lachen und die Musik, Jims Flüche, Jacks Summen und Marys gleichmäßige Atemzüge, wenn sie an seiner Schulter eingeschlafen war. Er war nicht bereit hierfür und er würde es niemals sein. Er wollte zurück in dieses Leben, das sieben Jahre lang genug gewesen war und er wollte nicht daran erinnert werden, dass er einmal so viel mehr als die tägliche Routine eines Bürojobs gehabt hatte. Unruhig bewegte er sich hin und her, steckte die Hände in die Hosentaschen, suchte dann nach einer Zigarette, nur um sie im nächsten Moment schon auf dem weichen Boden ausbrennen zu lassen. Er öffnete sein Haar, band es dann erneut zu einem Zopf, strich sich Strähnen, aus der schweißnassen Stirn und verlor in der Hitze fast den Verstand. Das Wasser müsste eigentlich kochen, so verdammt heiß war es. Die Luft fühlte sich elektrisiert an und irgendetwas jagte ihm trotz der Hitze eisige Schauer über den Rücken. Das Donnergrollen wurde lauter und der Himmel über ihnen verlor seine Farbe und verwandelte sich in aschfarbenes Grau. Etwas Seltsames schien mit der Sonne zu geschehen. Es war, als ginge die Hitze nicht von ihr aus, ganz im Gegenteil, Johnny fand, dass sie fast kühl wirkte, wie sie da so unangenehm grell vom Horizont auf sie herab schaute. „Niemand. Ich werde gehen.“ Er nahm Jacks Antwort kaum wahr, während er die Spiegelung der Sonne auf der ruhigen Oberfläche des Sees beobachtete, doch als die Worte sein überanstrengtes Gehirn erreichten, verstand er nicht sofort: „Hä?“ Zugegeben das war sehr unartikuliert und eindeutig nicht sonderlich sinnvoll, aber Jim verlieh seiner verwaschenen Frage Ausdruck: „Bist du verrückt? Willst du vielleicht einfach hinabsinken wie ein Stein? Du kannst nicht schwimmen, hast du das vergessen?“ Danke, dachte Johnny und verschränkte die Arme vor der Brust, während er Jack taxierte. Es sollte mir egal sein, doch musste er einsehen, dass es das nie gewesen war. Tag für Tag hatte er überlegt, dass es besser gewesen wäre, wenn Jack selbst für seine Dummheit bezahlt hätte, doch das war nicht wahr. Es hätte rein gar nichts geändert. Er wäre genauso weggelaufen und hätte statt Jack Mary irgendwo in einer Psychiatrie zurückgelassen und Jim ebenso aus seinem Leben verbannt. Vor ihm zuckte Jack mit den Schultern und fing an, sein Hemd aufzuknöpfen, „Ich muss gehen. Anders geht es nicht. Wir haben keine Zeit. Hast du die Sonne gesehen? Schwarze Schwingen!“ Ganz ehrlich? Ihm war seit der Nacht, in der Jack vor seiner Wohnung aufgetaucht war, klar gewesen, dass etwas mit dessen Verstand nicht stimmte. Früher war dieser Mann genial gewesen. Jetzt war er vermutlich einfach verrückt und er hatte gemeinsam mit Jim dieses lächerliche, vollkommen abgedrehte Spiel mitgespielt, obwohl er es hätte besser wissen müssen. Er hätte wissen müssen, wie das alles enden würde. „Alter, komm mal wieder runter. Das ist nur der Klimawandel oder der Treibhauseffekt oder was auch immer.“ Vielleicht hätte er genau das auch schon damals sagen sollen. Ob sie dann noch leben würde? Kapitel 8: Jacks Traum ---------------------- Einst gab es ein Licht am Ende des Weges, das Jack magisch anzog, doch der Abgrund, der nun vor ihm lag, ließ ihn erschauern. • Das Wasser war eiskalt und Jack sog die Luft scharf ein. Er klammerte sich noch an der matschigen Kante des Ufers fest und bemerkte, dass seine Entschlossenheit sich langsam auflöste, je tiefer sein Körper sank und je schwerer er sich fühlte. Jim hatte sein Handgelenk gepackt und bildete einen angenehm warmen Kontrast zur Kälte des Sees. „Glaub’ nicht, dass ich dir hinterherspringe, wenn du nicht mehr hochkommst.“ Johnny sah trotz der harschen Worte besorgt aus, Jack erkannte es an seinen Augen und an der Art, wie er seine Arme vor der Brust verschränkte. „Es ist okay, du musst das nicht durchziehen, um uns irgendetwas zu beweisen. Wir können einfach wieder fahren.“ Jim hatte Jacke und Hemd längst ausgezogen, das schwarze T-Shirt klebte an seiner Haut. Für Jack gab es kein Zurück, auch wenn er sich gerne von Jims starken Armen aus dem Eiswasser würde ziehen lassen, da war etwas, dass ihn hinunter in die Tiefe rief und dieser Ruf war stärker als alles andere, denn dort würde die Wahrheit auf ihn warten. Er lächelte und gerade als er anfangen wollte, etwas zu sagen, bebte die Erde erneut und er verlor den Halt und seine Hand glitt aus Jims Fingern. Die Gesichter seiner Freunde verschwammen mehr und mehr und am liebsten hätte er die Augen zusammengekniffen, um nicht zu sehen, wie sie in verschwommenem Schwarz verschwanden. Er verlor die Orientierung und drehte sich hilflos im Wasser während er immer tiefer hinabsank. Er glaubte, am Grund des Sees ein Licht glänzen zu sehen. Schwach, aber eindeutig dort. Ein blasser Schimmer umrahmte es und je näher er kam, umso deutlicher wurden die Konturen, bis er sich sicher war, dass ein Mensch die Quelle dieses Lichts sein musste. Auch wenn das unmöglich war. Er fühlte wie sein Bewusstsein schwand. Dieses Licht musste eine Illusion sein, etwas, das er sehen wollte und nichts, was er wirklich sah. Der Druck in seinem Kopf war unerträglich, Wunsch und Wahrheit waren längst miteinander verwoben. Er spürte wie seine Glieder wild um sich schlugen und verzweifelt versuchten, zu schwimmen. Das Licht kam auf ihn zu: Ihr Haar, ihr Gesicht, ihr Lächeln und dann wurde alles schwarz. Das Blut rauschte in seinen Ohren und Wasser hatte sich in seinen Lungen gesammelt. Er hustete und spuckte, sein Hals brannte und das Atmen fiel ihm so schwer wie nie zuvor. Gierig sog er den Sauerstoff ein und langsam, ganz langsam kehrte das Leben in ihn zurück. Er nahm seine Umgebung zunächst nur wie durch einen Schleier wahr, es musste sich um eine Höhle handeln, denn um ihn herum war kein Wasser, nur kalter, glatter Stein. Er zitterte und spürte ein Ziehen hinter seinen Augen, er konnte sich kaum bewegen, so kraftlos war sein Körper. Irgendwie rappelte er sich hoch und stolperte, wie von einem unsichtbaren Faden gezogen, in eine Richtung, von der er nicht wusste, ob es die richtige war. Der Widerhall seiner eigenen Schritte begleitete ihn und dann vernahm er eine leise Melodie, die er schon einmal gehört hatte, das Lied, die Stimme, die ihn aus seiner Lethargie gerissen und schließlich hierher geführt hatte: Tief im Inneren der Höhle wartete Mary. Kapitel 9: Johnnys Glaube ------------------------- Einst gab es eine Zeit, in der er seinen Freunden blind vertraute, doch das, was vor sieben Jahren passiert war, hatte Johnny gezeigt, wie dumm das ist. • Hin und Her. Hin und Her. Das dauert viel zu lange. Johnnys innere Unruhe war beinahe unerträglich und seine Nervosität und Ungeduld schlugen sich in grenzenlosem Bewegungsdrang nieder. Immer wieder starrte er hinab in den See und versuchte bis auf den Grund zu sehen. Damals waren er und Jim Mary nachgesprungen, sie fanden nicht einmal ihre Leiche und als sie wieder an Land gingen, war Jack nicht mehr der Gleiche. Keiner von ihnen hatte danach weitermachen können, wie bisher. Sie hatten bis zu diesem Moment in einer Seifenblase gelebt und die war zerplatzt, als Mary nicht zurückkehrte. Mary. Auch nach all den Jahren schwebte ihr Bild noch über ihm, doch gehört hatte er sie nicht. Jack behauptete, ihre Stimme hätte ihn hierher zurückgeführt und wenn Johnny jetzt darüber nachdachte, hatte er ihn deshalb geschlagen. Warum hat sie nicht nach mir gerufen? Er schüttelte den Kopf, vertrieb den Gedanken an Eifersucht. Mary liebte ihn und nur ihn. Auch wenn Jack damals, als sie sich kennenlernten, noch ihr Freund gewesen war. Was die beiden miteinander verband war keine Liebe, wie Mary sie mit ihm geteilt hatte und deswegen musste er sich nie sorgen. Ein Ruck ging durch die Erde und er verlor das Gleichgewicht. Jeder Laut verstummte plötzlich. Die Stille wirkte unnatürlich und bedrohlich. Er suchte Jims Blick und der Priester näherte sich ihm, reichte ihm die Hand, half ihm auf. Aus der Ferne hörten sie das Grollen des Donners und ihr Blick richtete sich gleichzeitig gen Himmel: Die Sonne verschwand hinter einem furchterregenden Schatten und Johnny stockte der Atem. Er hielt sich die Ohren zu, lautes Gebrüll hallte über die Erde. Der Himmel färbte sich blutrot, als krähenartige Todesflüche auf die Erde hinabstürzten. Er fiel auf die Knie. Das ist noch nicht alles, warum fielen ihm Jacks Worte gerade jetzt wieder ein? Kapitel 10: Jims Gedanken ------------------------- Einst gab es eine Zeit, in der wollten sie unbedingt, dass Mythen und Märchen Wahrheit würden, doch jetzt, da Jim das Chaos sah, das vor seinen Augen begann, wünschte er sich, es wäre alles nur ein böser Traum. • Der Himmel über ihnen brannte in leuchtendem Rot; in der Erde unter ihnen klafften übergroße Risse wie offene Wunden und das Wasser hatte sich in einen schwefeligen Sumpf verwandelt, aus dem Jack niemals lebendig wieder auftauchen würde. Nie zuvor hatte er ein solches Erdbeben erlebt. Er sah den Drachen und ein Teil von ihm konnte nicht glauben, dass das die Wirklichkeit sein sollte. Und siehe, ein großer roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen; und sein Schwanz zog den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde. Die Offenbarung des Johannes gehörte früher zu den Büchern der Bibel, die er am interessantesten gefunden hatte. Stundenlang sinnierte er mit seinen Freunden über die Apokalypse und jetzt, jetzt war tatsächlich etwas davon wahr geworden. Der Drache, dessen lederne Flügel die Sonne hinter sich verbargen, trug zwar keine Krone, aber die würde er auch nicht brauchen. Die ganze Welt wusste, dass es nichts gab, das ihm seinen Platz streitig machen konnte und Jim musste das Zittern seiner Hände verbergen, damit Johnny ihm die Angst und Unsicherheit nicht ansah. „Was jetzt? Was machen wir?“ Johnny klang genauso panisch, wie er sich fühlte, und er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Wohin sollten sie fliehen? Gab es überhaupt einen Ort, der sicher war? Der Geruch des Schwefels trieb ihm die Tränen in die Augen und Übelkeit machte sich in ihm breit. Jack, wo verdammt nochmal bleibst du? Das ist das, was du immer wolltest. Komm und sieh’ es dir gefälligst an! Johnny deutete zum Auto, das nicht weit entfernt von ihnen stand und bedrohlich schwankte, während überall Risse im Boden auftraten. „Wir können noch nicht weg, was ist mit Jack?“ Johnnys Blick sagte das, was keiner von ihnen aussprechen wollte. Es war nicht zu erwarten, dass Jack wieder auftauchen würde. Er war verschwunden und hatte sie in diesem Chaos allein gelassen. Kapitel 11: Jacks Rückkehr -------------------------- Einst gab es einen Jungen, der von Abenteuern träumte und in einer Phantasiewelt lebte und jetzt, da all das, wovon er geträumt hatte, Realität wurde, hatte Jack seine Bestimmung gefunden. • Er konnte sich nicht erklären, wie er die Oberfläche erreichte. Jim und Johnny reagierten schnell, griffen nach seinem Körper, hielten ihn fest und zogen ihn hinaus. Jack hielt die Kiste noch immer fest umklammert. Darin befand sich Marys Vermächtnis, ihr Wissen, ihr Geschenk, dessen Wert Jack noch nicht kannte, aber er wusste, dass er sich daran festhalten konnte. Hart schlug sein Rücken auf den Boden. Der Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen, die schwere Kiste landete auf seiner Brust. Einer seiner Freunde, er konnte nicht sagen wer, denn seine Augen brannten und ließen ihn nicht richtig sehen, zog sie von ihm fort und er musste widerwillig loslassen. Er wollte seine Augen schließen und sich ausruhen, doch ein gellender Schrei holte ihn in die Realität zurück. Er starrte in den Himmel und sah die schwarzen Schwingen, die ihn Nacht für Nacht verfolgt hatten. „Wir müssen hier weg“, stammelte er und versuche sich mit Hilfe seiner Freunde auf die Beine zu ziehen. „Die Kiste, wir brauchen die Kiste. Vorsicht damit! Mary, das ist ein Geschenk von Mary.“ Er wischte sich mit dem Handrücken über das nasse Gesicht. „Ich brauch’ meine Brille. Wo ist meine Brille?“ „Im Auto. Johnny, schnapp’ dir die verdammte Kiste und dann los. Wir müssen hier weg!“ Jim zog ihn in Richtung des Wagens, vermutete Jack. „Ich hab’ sie gesehen, Jim. Es ist alles gut, es war wirklich nicht meine Schuld.“ Er fühlte wie heiße Tränen über seine eisige Haut liefen und war in diesem Moment so endlos erleichtert, dass er fast vergessen konnte, was für ein Weg vor ihnen lag. Jim hievte ihn ins Auto und er suchte nach seiner Brille, die auf dem Pullover neben ihm lag. Johnny warf die Kiste mit einer Leichtigkeit, die Jack bei dem Gewicht überraschte, neben ihn in den Wagen und sprang dann auf den Fahrersitz. „Du hast echt verdammtes Glück, wärst du ein paar Minuten länger da unten geblieben, hätten wir ohne dich abhauen müssen.“ Johnny startete den Motor und fuhr los, bevor Jim seine Tür geschlossen hatte. „Abhauen?“ „Alter, du bist nicht das einzige, was plötzlich aus dem See aufgetaucht ist. Sieh’ dich mal um!“ Jack drehte sich um und spähte aus der Heckscheibe. Schleimige Riesenschlagen krochen aus dem See und reckten ihre Körper gen Himmel und wollten dem Wagen folgen. „Schneller“, keuchte er und Johnny schien zu gehorchen. „Was war da unten los?“, fragte Jim dann und Jack wusste, dass er die gleichen Schwierigkeiten haben musste, das alles zu verstehen, wie er selbst. „Mary hat mich gerettet und das, was sie mir erzählt hat, wird uns alle retten. Alles, woran wir geglaubt haben, war richtig. Drei Drachen werden auftauchen. Einer wird den Himmel verdunkeln, den haben wir wohl schon gesehen. Einer wird das Meer beherrschen und der dritte bricht aus der Erde hervor. Wir sind im Moment alles, was die Welt an Widerstand hat. Es ist an uns die Zerstörung aufzuhalten. Erinnert ihr euch an Ragnarök? Wir müssen die Hörner schlagen, Waffen finden, eine Armee aufbauen. Mary hat mir diese Kiste gegeben. Darin ist etwas, was uns helfen soll.“ Sein Kopf war zu voll und er wusste, dass das, was er sagte, für Jim und Johnny vielleicht lächerlich klang. Andererseits hatten sie ihm auch früher vertraut. „Es fängt jetzt erst an.“ Das Auto schlitterte gefährlich um Kurven, wich Rissen aus und hielt sich möglichst im Schatten der Bäume versteckt. Immer wieder konnten sie sehen, wie gefährlich aussehende Kreaturen sich langsam aus den Erdlöchern herausschleppten. Der Gestank von Verwesung und Schwefel drang in den Wagen und es war unerträglich heiß. Johnny fuhr schnell, kein Lied begleitete jetzt ihre Fahrt, nur ein Gebet, das Jim vor sich hin murmelte. Verse, die auch Jack kannte. Jack saß auf der Rückbank, versuchte das Gleichgewicht zu halten und zog die nasse Kleidung aus. Immerhin hatten sie daran gedacht, den geliehenen Pulli, den er vorhin ausgezogen hatte, wieder mitzunehmen. Bei der Hitze brauchte er ihn zwar nicht, aber das Wetter würde von nun an keinerlei Konstanz mehr vorweisen. In wenigen Minuten könnte es schneien. Nachdem er sich aus seiner Jeans geschält hatte, hörte er ein Kratzen neben sich, dann ein Knacken. Das Ei, dachte er und befreite die Kiste aus dem Kleidungshaufen, öffnete sie und fühlte warmen Atem auf seiner Haut. Als er seine Hand langsam wieder hob, schlängelte sich ein kleines Wesen, eindeutig ein Drache, um seinen Arm und blickte ihm neugierig ins Gesicht. Das fluoreszierende bläulich-weiße Schuppenkleid war weich, glatt wie die Schale des Eies zuvor. „Sie zeigt uns den Weg.“ Jack erinnerte sich an Marys letzte Worte und lächelte. „Wir sollten sie Rye nennen.“ Jims Gemurmel brach ab und Jack spürte auch Johnnys Blick durch den Rückspiegel: „Es gibt noch Hoffnung. Wir kriegen das schon hin.“ Epilog: Marys Abschied ---------------------- Mein Lachen verklingt im Wind, eine Erinnerung, die langsam verblasst, aber keinen von euch jemals ganz verlässt. Es ist noch nicht vorbei, aber ich kann jetzt gehen. Nach all den Jahren bin ich endlich frei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)