Asche und Staub von Naenia (Marys Vermächtnis) ================================================================================ Kapitel 4: Jacks Tragik ----------------------- Einst gab es ein Leben, das vollkommen war, eine klare Richtung, die seinen Weg bestimmte, und ein Schicksal, das für ihn bestimmt war, doch das, was in den letzten Jahren seinen Geist gefangen hielt, hat ihm die Sicht geraubt. • Der metallische Geschmack von Blut erfüllte seinen Mund, stechender Schmerz durchzuckte seinen Kiefer. Reflexartig tasteten seine Finger über die aufgeplatzte Lippe. Er verlor sich für einen Moment in der Realität dieses Gefühls, das seine Rastlosigkeit verschwinden ließ. Die Hände eines Künstlers, dachte er, als er, noch immer am Boden liegend, seinen Blick wieder nach oben richtete, Johnny hat noch immer die Hände eines Künstlers und gerade jetzt waren er und das Blut, das seinen Mundwinkel hinabrann, sein Kunstwerk. Geistesabwesend richtete er seine Brille und nahm am Rande wahr, dass Jim vom Sofa herübergeeilt war und sich zu ihm runterbeugte, um sich die Verletzung anzusehen. „Scheiße, Johnny, musste das sein? Alles okay mit dir, Jack? Lass mich das mal sehen und nimm’ verdammt nochmal deine Finger da weg, sonst hört das nie auf zu bluten.“ Es hatte etwas Seltsames, ihn so vertraut reden zu hören, sah er doch in dieser förmlichen Kleidung so fremd aus. Jack hielt still und ließ ihn machen, während seine Gedanken weiter um Johnny kreisten. Jim konnte er verstehen. Nicht unbedingt den Glauben an das Christentum, aber den Versuch, an etwas zu glauben. Es war ganz natürlich, die Leere, die zurückgeblieben war, mit etwas füllen zu wollen. Johnny hingegen schien von seinem eigenen Gedächtnis in die Selbstaufgabe getrieben worden zu sein. Nichts in dieser Wohnung erinnerte an den Mann, mit dem Jack früher um die Häuser gezogen war und das erschien ihm falsch und auf gewisse Weise unwirklich. Die Temperatur im Zimmer schien um mehrere Grad gefallen zu sein, Jack fühlte die Kälte der feuchten Kleidung auf seiner Haut und die Regentropfen, die aus seinem Haar fielen und seinen Nacken hinabliefen, jagten ihm Schauer über den Rücken. „Wir müssen das zu Ende bringen.“ Er hatte das Gefühl, dass seine Stimme unnatürlich durch den Raum hallte und er war nicht sicher, ob sie Johnny erreichte. Jim konzentrierte sich noch immer auf die Verletzung und verarztete ihn mit geschickten Handgriffen. „Damals… das war erst der Anfang. Mary und ich hatten immer Recht. Ich muss dahin und sehen, wie es weitergeht. Hast du in den letzten Jahren nie gefühlt, dass sie irgendwie noch da ist?“ Er bemerkte den Schmerz in Jims Augen und es tat ihm für einen Moment lang leid, dass er alte Wunden wieder aufriss. Johnny näherte sich wieder mit schnellen Schritten und Jack rechnete schon damit, wieder geschlagen zu werden, wenn Jim Johnny aus dem Weg gehen würde. Aber nichts dergleichen geschah, also sprach er weiter. „Ich höre sie seit einiger Zeit immer wieder. Wir müssen zurück, es ist noch nicht vorbei.“ „Warum? Warum denkst du, dass wir diesen Unsinn glauben?“ Johnny verschränkte die Arme vor der Brust und starrte aus dem Fenster. Für Jack war die Antwort darauf ganz einfach: „Weil wir es zusammen angefangen haben und zusammen zu Ende bringen müssen. Für Mary. Sonst war alles umsonst.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)