Children of the Sea von Votani (OS-Sammlung | Marco/Ace) ================================================================================ Kapitel 13: marks on his soul [2] --------------------------------- Ace ist schlecht. Sein Magen ist flau und sein Mund ist so trocken, als hätte er die gesamte letzte Woche nichts getrunken. Schlimmer noch, er konnte seinen Würgereflex spüren, der nur einen Grund sucht, um sein Mittagessen wieder hervorzubringen. Es ist sowieso ein Wunder, dass er etwas essen konnte, denn ausnahmsweise ist ihm nicht danach gewesen. Im Gegenteil, für eine Weile hat er angenommen, nie wieder etwas zu sich nehmen zu können. »Es ist der beste Ort«, erklingt Marcos Stimme neben ihm. Sie ist ruhig, ruhiger noch als sonst und beinahe beschwichtigend – und bringt die Wut in Aces Bauch zum Kochen. Er schenkt dem anderen Mann einen knappen Seitenblick. Ringe liegen dunkel unter Marcos Augen und Ace weiß, dass er dieselben auf dem Gesicht trägt. Nicht nur sein Gesicht, sondern sein gesamter Körper ist besäht von Andenken. Thatchs Tod – sein Mord! – hat Spuren hinterlassen. Die Augenringe und die Übelkeit und der Hass sind seine Überbleibsel. Die tiefsitzende Trauer, die Ace furchtbar vertraut ist. Dabei trägt er doch schon Sabos Existenz auf seinem Oberarm und das Zeichen seines Vaters auf dem Rücken, an den meisten Tagen stolz, aber in gewisser Weise ist das Zeichen auch schwer. Doch nun sind da zusätzlich Marcos Fingerkuppen als gelbgrüne Schattierungen auf seinen Handgelenken zu sehen und dunkle Flecken verfärben die Haut an seinem Hals und seinem Nacken, intim an seiner Hüfte. Seine Gedanken an letzte Nacht sind glasklar. Er kann sich daran erinnern, wie Marco ihn auf die Matratze gepresst hat, sein Griff eisern, als raue Lippen nach seinen gesucht haben, jeder Stoß hart und heiß und manisch. Schweißnasse Pausen folgten mit Marco an seiner Seite, aber mit den Fingern mindestens einer Hand besitzergreifend und festkettend an seiner Hüfte, bevor er Aces Kopf in seine Richtung gedreht und ihn abermals geküsst hat, bevor sich sein Körper ein zweites Mal auf seinen geschoben und Ace es zugelassen hat. Und nun sind sie hier vor Anker dieser Insel, die keinen Namen trägt, da alle ihre Bewohner tot und vergessen sind. Der Morgen ist grau, doch es regnet nicht. Da sind nur ferne Nebelschwaden, die über dem Wasser treiben, die Insel jedoch verschonen, als will irgendjemand, dass vorbeifahrende Schiffe die Gräber nicht sehen, welche die gesamte Insel einnehmen, weil kein Baum oder Strauch auf ihr wächst. Nur die Besucher, die an Land zu gehen gedenken, erlaubt sie einen Blick auf das, was sie erwarten wird. »Woran sind all diese Menschen gestorben?«, fragt Ace und er erkennt seine eigene Stimme nicht wieder, die kratzig und rau klingt. Fast so, als hätte er sie ewig nicht gebraucht. Fast so, als hätte er sie in Marcos Kajüte, in Marcos Bett zurückgelassen. Marco lehnt sich mit der Hüfte an die Reling, die Arme vor dem Oberkörper verschränkt. »Niemand hat konkrete Antworten. Doc munkelt, dass es eine Krankheit war, welche sämtliche Leute befallen hat. Ungewöhnlich wäre es nicht. Zumindest nicht auf der Grandline.« »Hier ist alles möglich«, stimmt Ace zu. Es ist eines der wenigen Dinge, worüber sie sich in den letzten Tagen seit Thatchs Tod einig sind. Kein Gelächter und auch keine Gesprächsfetzen hängen in der Luft, als alle Mitglieder ihrer Crew sich von Bord begeben, gefolgt von Whitebeard, der Thatchs Leiche in einer weißen Decke auf dem Arm trägt, als wiegt ihr vierter Kommandant nicht mehr als eine Feder. Ace reiht sich zwischen ihnen ein, hinter Paps und irgendwo vor Marco, dessen Blick sich in seinen Rücken bohrt wie ein Messer. Ein schwarzgepunktetes T-Shirt mit aufgestelltem Kragen hängt ihm um die Schultern, um die Male zu verdecken, die Marco hinterlassen hat. Aber der Stoff ist enganliegend und warm und Ace ballt die Hände zu Fäusten, um sich das T-Shirt nicht vom Körper zu reißen. Jeder Schritt wiegt schwer wie Blei und trotzdem erreichen sie eine geeignete Stelle in einem Kreis aus Gräbern gemacht. Ace zerrt einem der Jungs die erstbeste Schaufel aus den Händen, bevor er beim Ausheben des Lochs hilft. Die Arbeit tut gut, lenkt ihn von seinen Gedanken ab, von den Emotionen, die durcheinanderwirbeln als seien sie in einem Strudel gefangen. Sie sind niederträchtig und dunkel. Sie drehen sich um Teach und seinem Verrat, um die Teufelsfrucht, die mehr wert sein soll, als das Leben eines Kameraden, um Marco und dessen Worte von gestern Nacht. Thatch würde nicht wollen, dass Ace nach diesem Verräter hinterher jagt und ihn rächt. Als ob Marco weiß, was Thatch will! Thatch ist tot. Er kann nichts mehr wollen. Sein Körper wird ins das Loch hineingelegt und Tränen fließen um Ace herum, die ihn nur bestätigen, dass Thatch vermisst werden wird. Dass er hätte gehen sollen, um mit Teach abzurechnen. Aces Blick ist finster, als er dasteht und Whitebeards Worten lauscht, die halb an ihn vorbeigehen. »Thatch war mein Sohn. Er wird immer mein Sohn bleiben«, schnappt er die letzten Worte auf und Zustimmungen erklingen von den Männern um sie herum, die Worte wie »Bruder« und »für immer« verlauten lassen. Das Loch wird zugeschaufelt und Ace bemerkt es erst, als Marco ihm sanft die ergatterte Schaufel entzieht, auf die er sich abgestützt hat, weil seine Knie sich für einen Augenblick wackelig angefühlt haben. Ace schließt die Augen und Marco füllt mit den andere Thatchs Grab, welches mit einem selbstgefertigten Kreuz und seinem dort eingeritzten Namen hinterlassen wird. Die Moby Dick bleibt die kommende Nacht vor der Insel vor Anker. Schwärze liegt wie ein Trauertuch über ihnen. Gemurmelte Unterhaltungen dringen von einigen Kajüten und einigen Ecken an Deck, doch in Aces Kajüte ist es zu mucksmäuschenstill. Das kleine Fenster zeigt ein mit Sternen besätes Firmament und Ace kann nicht schlafen, weil das Bett neben ihm kalt ist und die Hand an seiner Hüfte fehlt. Weil der Körper fehlt, der ihn auf der Matratze hält und ihn davon abhält unüberlegt zu handeln. Marco liegt nur eine Wand entfernt, aber Ace hat es einfach nicht fertig gebracht auch nur einen Schritt in den Raum zu setzen, in dem er sich so oft aufhält, dass es auch bereits zu seinem geworden ist. Seine eigene Kajüte bedeutet ihm nichts. Sie ist kein Ort, an dem er Schutz vor seinen Gedanken findet – und Ace setzt sich schnaufend auf, schlüpft in seine Stiefel und verlässt den Raum. Er hat sich nie die Mühe gemacht, sein T-Shirt oder seine Dreiviertelhose auszuziehen. Er hat gewusst, dass er nicht lange hier liegen wird. Auf seinem Striker dauert es nur wenige Sekunden, bis er die Moby Dick hinter sich gelassen hat und wieder festen Boden unter den Füßen hat. Die Insel strahlt etwas Beruhigendes, etwas Trauerndes, in der Dunkelheit der Nacht aus. Doch Ace braucht kein Tageslicht, um den Weg zu Thatchs Grab zu finden. Er hat sich in sein Gehirn eingebrannt und ein weiteres Mal hinterlassen. Aber wozu ist er hergekommen? Als er vor der frischgeschaufelten Ruhestätte steht, lockert sich die Anspannung in seinen Schultern und die Wut verpufft, weil keine seiner Taten Thatch wiederbringen wird und nichts an dem Geschehenen etwas ändern wird. Ace hebt eine Hand, um Daumen und Zeigefinger gegen seine Augen zu pressen, die brennen und sich feucht anfühlen. Das bittere Gefühl auf seiner Zunge ist zurück, das flaue Gefühl in seinem Magen, ebenso wie die wackeligen Knie. Er hätte da sein sollen. An dem Abend hätte er mit Thatch zusammen Wache schieben sollen. Er hätte diese dumme Teufelsfrucht über Bord werfen sollen, ganz egal wie viel sie wert gewesen ist. Er hätte— »Das bringt Thatch nicht zurück«, sagt Marco. »Nichts kann das.« Der feine Windzug verwuselt Aces Haar, als Marco hinter ihm landet. Doch sein Blick über die Schulter ist zu spät, Marcos Arme haben sich bereits zurückverwandelt und er steht hinter ihm, als befindet er sich schon eine ganze Weile dort. »Das weiß ich selbst«, raunt Ace und kehrt dem ersten Kommandanten wieder den Rücken zu. »Das heißt aber nicht, dass man alles so hinnehmen muss. Dass man es einfach so hinnehmen kann.« Marco schweigt und für eine Sekunde glaubt Ace, dass er versteht und einsieht, dass Ace recht hat. Doch dann schlingt sich ein Arm von hinten um Aces Schultern und Marcos Oberkörper lehnt sich gegen seinen Rücken und trockene Lippen berühren seinen Nacken. »Darum hast du Brüder, Ace. Sie können dir helfen.« Ace braucht kein Genie zu sein, um zwischen den Zeilen zu lesen. Zu wissen, dass Marco ihm seine Unterstützung anbietet und gemeinsam mit ihm trauern möchte. Ein Teil von Ace will sich fallen lassen, doch der andere begreift, dass Marco eben nicht versteht. Seine Finger schließen sich um Marcos Arm und er schiebt ihn von sich, ehe er sich in Marcos Umarmung umdreht. Finster ist sein Blick, während Marco ihn müde, aber unbeeindruckt anschaut. Ace beißt die Zähne aufeinander. Er schubst Marco an der Schulter von sich, der einige Schritte nach hinten taumelt, jedoch wortlos bleibt. »Ich will deine Hilfe nicht. Ich brauch keine Hilfe. Thatch hat es verdient, dass wir seinen Tod rächen!«, platzt es aus Ace heraus. Seine Stimme schallt über den Friedhof, der viel zu viele Tote beherbergt. »Warum ist das so schwer zu verstehen, huh?« »Weil Thatch es nicht gewollt hätte, dass du dich in Schwierigkeiten bringst«, sagt Marco. »Mit der Teufelsfrucht ist Teach zu stark für uns im Moment. Vor allem jetzt, wenn wir noch am Trauern sind.« »Ist mir egal«, erwidert Ace und er weiß, dass es stimmt. »Ich hab keine Angst.« Der Tod ist das einzige, was ihm noch nie Angst gemacht hat. Ein Kloß steckt in seiner Kehle und Marco schaut ihn so intensiv an, als kann er seine Gedanken lesen. Bevor Ace es realisiert, holt er aus und seine Faust kollidiert mit Marcos Kinn. Der Schlag zwingt Marco in die Knie und Ace stürzte sich auf ihn, um ihn einen zweiten zu verpassen, bis Marco auf dem Rücken auf der Erde liegt und Ace über ihm hockt. Seine Unterlippe ist aufgeplatzt und Blut sucht sich seinen Weg zu seinem Kinn hinunter. Ace starrt es an, die Faust erhoben, aber auf halben Weg eingefroren, als er begreift, was er tut. Als ihm bewusst wird, dass Marco sich nicht wehrt, sondern ihn nur mit diesem Blick ansieht, der Ace schon vom ersten Tag an Gänsehaut bereitet hat. Marco durchleuchtet ihn, hat es immer schon getan. »Ich kann das nicht einfach so durchgehen lassen«, sagt er, leiser und kontrollierter diesmal. Ein Beben geht durch seinen Leib. Es ist schwer den Zorn im Griff zu haben, denn normaler Weise hat er Kontrolle über Ace und nicht umgekehrt. Marco streckt den Arm nach ihm aus und seine Hand rutscht in seinen Nacken, als er ihn hinunterzieht, bis Aces Stirn an seinem Schüsselbein ruht. Aces Unterarme sind rechts und links neben Marcos Kopf gebettet und er schließt die Augen, die einfach nicht mehr aufhören zu brennen. »Geh nicht, Ace.« »Morgen«, räumt er ein, denn er kann nicht bleiben und sie beide wissen, dass er früher oder später aufspringen und verschwinden wird, weil er aus Wut und Trauer gemacht ist. »Morgen«, wiederholt er und Marco entweicht ein lautloses Seufzen, das Ace nicht hören kann, aber unter sich fühlt und mit sich tragen wird, wenn er Teach jagt und konfrontiert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)