Manchmal ist es einfach Schicksal von Fara_ThoRn ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 04 - Tauziehen --------------------------------- Und weiter geht’s! Woll'n doch mal sehen, ob Leon nicht endlich mal von selbst aus den Puschen kommt und die kleine Chance nutzt, die sich ihm gleich bietet Und danke für die ganzen lieben Kommentare! Mir wird schon ganz schwummerig. @_@ Kapitel 04 - Tauziehen ~Leon~ Nach einer schlaflosen Nacht, liege ich um kurz vor neun Uhr immer noch im Bett und warte darauf, dass ich endlich die Haustüre höre. Meine Eltern gehen in die Kirche. Lächerlich! Ob mein Vater für seine Sünden um Verzeihung bittet? Sollte er das nicht lieber bei mir und Mutter machen? Ich stehe auf und dusche. Mein normaler Tagesablauf Sonntags besteht genau aus diesen Ritual: Warten bis das Haus leer ist, duschen und dann abhauen. Meist drücke ich mich im Park herum, habe ein Buch oder Comics dabei und warte so lange bis mir was anderes einfällt, einer meiner Freunde anruft oder es dunkel wird. Das habe ich auch heute vor. Ich ziehe mich an, bewundere kurz mein Veilchen vom Türrahmen heute Nacht und schnappe meinen Rucksack. Ich verlasse das Haus und gerade in diesem Moment piepst mein Handy. Eine SMS von Phil: *Frühstück bei Flo? Komm einfach vorbei wenn du willst.* Ich überlege kurz. Soll ich? Richtig Lust habe ich keine. Außerdem sehen sie dann mein blaues Auge. Das Handy wandert zurück in die Tasche. Lieber draußen im kalten hocken. Ich brauche erst einmal Zeit für mich. Ich laufe mit gesenkten Kopf durch die Stadt, biege dann rechts in den Park ein, der nicht weit von unserem Haus entfernt ist. Es liegt noch immer Schnee und ich höre, wie das kalte, weiße Zeug unter meinen Schuhen kratzig knirscht. Ich mag den Schnee, die Kälte. Da habe ich das Gefühl, dass die äußere Temperatur meiner Inneren endlich angeglichen ist. "Leon?" Ich bleibe stehen. "Hier! Hinter dir auf der Bank." Langsam drehe ich mich um. Diese Stimme ... "Aaron ..." Da sitzt er und lächelt mich an. Liege ich noch in meinem Bett? Träume ich noch? "Was machst du denn bei der Kälte hier?", fragt er mich. "Das Gleiche könnte ich dich fragen." Fassungslos starre ich ihn an. Er sitzt tatsächlich vor mir! Kein Traum! Keine Wahnvorstellung! Er legt seinen Kopf leicht schief und klopft neben sich auf die Bank. "Setz dich doch. Ist auch trocken." Das überfordert mich jetzt. "Ich dachte, du willst mich nicht mehr sehen?" "Das habe ich nicht gesagt. Nur das du dir wegen mir keine Hoffnungen machen sollst." Ich gebe mich geschlagen. Wollte ich nicht etwas in meinem Leben verändern? Außerdem ist das die Chance, irgendwie an ihn heranzukommen. Oder es zumindest zu versuchen. "Wer hat dir das Veilchen verpasst?" Seine Hand streicht leicht über meine Wange. Mein Körper reagiert umgehend drauf und schickt kleine, glühende Pfeile in meinen Schoß und in meinen Bauch. Ich sage nichts, schaue ihn nur weiter an und genieße die leichte Berührung. Dabei versinke ich in Aarons grünen Augen und wünschte, all diese Scheiße, die zwischen uns zu stehen scheint, gäbe es nicht. "Das war dein Vater." "Ja." "Dieses Schwein!" Ich zucke zusammen. Er brüllt fast. "Wie alt bist du?" "Ähm ... Zwanzig. Wieso?" "Warum haust du nicht ab? Scheiß auf deinen Vater und auf deine Mutter! Sie ist selbst schuld, nichts dagegen zu unternehmen oder dir zu helfen!" Aaron ist richtig in Rage. "Was meinst du, über was ich die ganze Zeit über schon nachdenke?", frage ich ihn und schaufle Schnee mit meinen Schuhen auf einen kleinen, unförmigen Haufen. "Denken bringt nichts. Du musst handeln." "Soll ich das wirklich?" Ich schaue ihn an. Er nickt. "Ja." "Dann tu ich das jetzt einfach", erwidere ich mit zittriger Stimme und wild klopfenden Herzen. Jetzt oder nie! Ich überbrücke schnell die Distanz zwischen uns und küsse ihn. Einfach so! So schnell wie ich ihn quasi überfallen habe, bin ich auch schon wieder von ihm abgerückt. "Sorry. Ich ... also ..." Shit! Jetzt ist mir das echt peinlich. Vorher hielt ich das noch für eine gute Idee, aber jetzt merke ich, wie dumm sie doch war. Aaron hat mir doch gesagt, ich soll mir keine Hoffnungen machen. "Man entschuldigt sich nicht für einen Kuss, du Idiot", sagt Aaron und fixiert mich. "Du machst mich echt fertig!" Nun schüttelt er seinen Kopf und lächelt dabei. Ist das jetzt gut, oder schlecht? Anscheinend gut, denn plötzlich ist Aaron dicht vor meinem Gesicht, wiederholt unseren Kuss, beugt sich zu mir, saugt an meinen Lippen und streichelt sie mit seiner Zunge. Mir entweicht ein leises Seufzen und meine Hand sucht Halt an seiner Jacke. Ganz leicht löst er sich von mir, seinen Mund immer noch ganz dicht an meinen, und wir versinken in den Augen des anderen. "Ich bin nicht gut für dich", flüstert er. "Wieso?" Ich kann es mir denken. Seine Vorwürfe sich selbst gegenüber lassen ihn das denken. Doch ich sage es ihm nicht. Ich an seiner Stelle würde mir verarscht vorkommen und das will ich nicht. Aaron senkt seinen Blick und setzt sich wieder aufrecht hin. "Da kannst du jeden Fragen. Ich bin ein Arsch." "Das interessiert mich nicht. Ich würde gerne selbst Erfahrungen sammeln." Total nervös lege ich meine Hand neben seine, berühre sie mit nur zwei Fingern. Irgendwie kindisch, ich weiß. Aber im Moment habe ich keine Ahnung was ich sonst tun soll. Ihm jetzt einfach nahe sein, ihn vielleicht sogar trösten. Das ist alles was ich will. Ich spüre wie er mich mustert, belustigt eine Augenbraue hebt und dann meine Hand komplett ergreift. So bleiben wir sitzen, reden nicht, schauen uns nicht an, kosten nur diese kleine Berührung aus. Ich könnte ewig so sitzen bleiben! Leider sieht das mein Handy nicht so. Es klingelt und jagt mir einen riesigen Schrecken ein. "Willst du nicht dran gehen?", fragt mich Aaron, als ich mich nicht rühre. "Ähm. Ja." Will ich nicht! Mistding! Ich gehe trotzdem dran und schaue aufs Display. Phil. "Wichtig?", fragt er. "Phil." "Dann solltest du dran gehen. Gute Freunde sind wichtig." Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen. Er klang so traurig eben. "Ja!" /Leon! Hast du meine SMS gelesen?/ "Ähm ... Nee. Sorry. Hab ich nicht gesehen." /Wir frühstücken und haben viel zu viel hier. Willst du nicht vorbei kommen?/ Nein! Will ich nicht! Ich will mit Aaron im Schnee sitzen bleiben und Händchen halten. Aber sagen tue ich: "Mal sehen. Ich bin noch unterwegs. Könnte später werden. Ich überlege es mir." /Ach so. Wir würden uns freuen. Überlege es dir. Bitte. Bis dann./ "Ja. Bis dann." Ich beende das Gespräch. Neben mir steht Aaron auf und lässt deshalb meine Hand los. Sie wird augenblicklich unglaublich kalt und fühlt sich schrecklich leer an. "Ich geh auch mal weiter. Bis irgendwann mal wieder." Sein Grinsen wirkt nicht im geringsten echt. Ich schaue ihm hinterher, genauso wie gestern Abend. Ich kann ihn nicht schon wieder einfach so gehen lassen! "Aaron! Warte!" In weniger als einer Sekunde bin ich aufgesprungen und bei ihm. "Willst du nicht mitkommen? Wir wollen frühstücken. Hast du Lust?" "Du gibst nie auf, oder?" "Naja. Normal versuche ich es erst gar nicht", sage ich. Hoffe ihn so zum mitgehen zu bewegen. "Vielleicht habe ich ja was anderes vor." Aaron läuft langsam weiter. "Gut. Dann komm ich einfach mit." Ich lache ihn an, finde mich gerade extrem aufdringlich, aber es wirkt. "Okay. Du hast gewonnen. Ich komme mit." "Super!" "Solltest du nicht Bescheid sagen, dass noch jemand mitkommt?" "Nö. Das macht Phil nichts aus." Ich bin mir dabei sogar sehr sicher! *** ~Phil~ "Ich glaube nicht, dass er noch kommt. Er war gestern so niedergeschlagen." Flo rührt gedankenverloren in seinem Kaffee. "Das hat nichts zu bedeuten. Du wirst schon sehen. Er kommt!" Selbstsicher stehe ich auf und krame einen weiteren Teller hervor. Gerade als ich mich setzen will, klingelt es. "Siehst du?" Ich renne fast schon zur Tür, öffne sie und drücke fest auf den Summer für die Haustür unten. Und wirklich! Leon kommt um die Ecke. Doch nicht nur er. "Oh ... Hallo." Dieser Aaron ist bei ihm. "Ich hoffe das ist okay. Aaron und ich waren gerade zusammen unterwegs. Da dachte ich, ich nehme ihn einfach mit", redet Leon auch schon los. Er sieht glücklich aus. "Klar! Gerne kann er mitessen." Wie kam es den dazu? ~Leon~ Phils Gesichtsausdruck ist zum schießen und auch Flo scheint überrascht. Ihre fragenden Blicke ignoriere ich, setze mich an den wirklich übervollen Tisch, Aaron neben mir, und muss mir ein Dauergrinsen unterdrücken. Zuerst sagt keiner was und ich glaube Aaron ist das alles mehr als unangenehm. Schließlich kennt er Flo und Phil eigentlich gar nicht. Und mich, ehrlich gesagt, ja auch nicht. "Woher hast du das Veilchen, Leon?" Phil sieht mich an. "Das ist nichts. Hab den Türrahmen nicht gesehen." Stimmt ja auch. Es war dunkel. "Nur der Türrahmen?" Ich nicke. "Dein Vater ..." "Ich will nicht drüber reden." Damit ist das Thema hoffentlich beendet. "Dein Vater ist ein Arsch!" Alle schauen zu Aaron, der diese treffende Äußerung ausgesprochen hat. "Ich wäre da schon längst weg." "Ach und wo hin?", frage ich. Eigentlich will ich das Thema nicht schon wieder mit allen durchkauen. Flo schaltet sich ein. "Das Angebot steht noch. Wir haben Platz genug für dich." "Ich will euch nicht stören. Ihr seid doch erst seit kurzem zusammen", versuche ich mich herauszuwinden. "Du kannst auch bei mir unterkommen. Für einige Zeit." Am Tisch wird es still. Aaron bietet mir eine Unterkunft an? Ich räuspere mich und versuche nicht an meinem Brötchen zu ersticken. "Das kann ich nicht annehmen. Außerdem kennen wir uns doch gar nicht!" Auch wenn ich mir für diese Aussage in den Arsch beißen könnte, so ist es doch die Wahrheit. "War ja nur ein Angebot. Besser, als sich verprügeln zu lassen." Darauf sage ich nichts mehr. Hat er etwa vergessen, was er gestern Abend zu mir gesagt hat? Und nun will er, dass ich bei ihm einziehe? Ich verstehe ihn einfach nicht. Als ob er mit meinen Gefühlen tauzieht. 'Oder mit seinen.' Aaron frühstückt seelenruhig weiter und die anderen zwei scheinen auch lieber ihren Teller zu begutachten. Und ich? Ich kämpfe gerade mit mir selbst. Mit meiner Vernunft, meinem Herzen und meinem Bauch. Es steht zwei zu eins. Die Vernunft scheint zu verlieren ... Zum Glück weiß das mein Mund anscheinend nicht. Der hält die Klappe und ist mit kauen beschäftigt. Gut so! *** ~Leon~ Für den restlichen Vormittag war das Thema vergessen. Darüber bin ich mehr als froh! Wir haben gegessen und uns unterhalten, über belanglose Dinge, Smaltalk eben. Aaron und Flo verstehen sich ausgezeichnet, machen die ganze Zeit über Späße und Phil wurde sogar Eifersüchtig. Was er nicht zugibt. Aber ich habe es ihm angesehen. Entspannt sitzen wir im Wohnzimmer und ich höre zu, wie die drei über Leute reden, die ich nicht kenne. Der hat jenes gemacht, er hat ihn abgeschleppt und warum hat dieser mit seinem Freund Schluss gemacht. Die sind ganz schön am tratschen. Wenigstens scheint Phil auch nicht immer mitzukommen. "Wollt ihr noch etwas trinken? Ich hole noch was. Leon? Hilfst du mir?" Phil greift mich am Arm. Klar komme ich mit, wenn ich so nett darum gebeten werde. "Keine Angst, dass Aaron sich an Flo heranmacht?", frage ich ihn grinsend, als wir in der Küche stehen. "Haha. Dazu gibt es keinen Grund." Ich bekomme eine Wasserflasche in die Hand gedrückt. "Stimmt", sage ich nur. "Warum hast mich mit hier her geschliffen?" Phil hat doch bestimmt Hintergedanken dabei gehabt. "Du überlegst sein Angebot anzunehmen." Er sieht mich ernst an. "Nein. Tue ich nicht", lüge ich und kassiere eine weitere Flasche. Diesmal Cola. "Du weißt wirklich alles über ihn?", möchte er ernst von mir wissen. "Ja. Sein Freund ist tot und er gibt sich dafür die Schuld." "Flo hat Angst, er könnte daran zugrunde gehen und dich gleich mit dazu." Perplex schüttle ich den Kopf. "Es läuft nichts zwischen uns. Wie soll ich da zugrunde gehen." "Aber du bist verknallt. Ich sehe es genau." "Quatsch!" Ich und verknallt? "Das ist nur eine Schwärmerei. Ich will Erfahrungen sammeln, mich an alles heran tasten. Ich will doch nicht gleich dem ersten schwulen Kerl verfallen, dem ich in die Arme gelaufen bin!" Ich gebe nicht zu, dass er recht hat. Jack hat es mir vorgeschlagen, alles erstmal für mich zu behalten und ich halte das für eine gute Idee. "Ich dachte auch erst, dass ihr euch vielleicht gegenseitig helfen könnt. Aber ich habe trotzdem Angst um dich." "Das musst du nicht, Phil." "Das ist alles noch so neu für dich. Da kann man schnell den Kopf verlieren und sich in etwas verrennen." "Das tue ich schon nicht." Ich verlasse die Küche. Ich verrenne mich doch in nichts! Schwachsinn! "Ah! Endlich! Wir verdursten!" Flo lacht mir entgegen. Er ist immer so gut gelaunt. Es tut richtig gut, in seiner Nähe zu sein. Kein Wunder, dass Phil sich so schnell in ihn verliebt hat. "Hier. Nicht das ich schuld bin, wenn Phil als Witwer endet." "Zu gütig!" Ich setze mich wieder neben Aaron. Rückt er gerade näher an mich ran? Sofort bekomme ich feuchte Hände und Herzrasen. Und wie ich verknallt bin! Das sieht doch ein Blinder. 'Mensch! Beruhige dich Leon!' Leichter gesagt, als getan. Denn Aarons Bein drückt sich gegen meines. "Alles klar bei dir Leon?" Mit erhobener Augenbraue sieht Phil mich an. "Könnte nicht besser sein." Ich sammle mich recht schnell wieder. "Was habt ihr heute noch vor?", fragt uns Flo und wühlt damit meine so sorgfältig verdrängten Gefühle wieder hoch. Haben WIR noch was vor? "Völlig planlos heute", antwortet Aaron und macht mich noch nervöser. Obwohl ich gar nicht weiß wieso. "Ach so. Ich dachte, weil ihr schon seit heute Morgen zusammen unterwegs seid." Gott Flo! Sei ruhig! "Wir haben uns zufällig getroffen", plaudere ich aus und hoffe, damit ist genug gesagt. Aaron nimmt sein Glas und trinkt es auf einen Zug leer. "Sorry Leute. Aber ich gehe dann doch besser mal. Danke für die leckere Bewirtung. Das nächste Mal gehen eure Getränke auf mich." Er klopft auf den Tisch und steht auf. Habe ich etwas falsches gesagt? Mich falsch verhalten? "Ich begleite dich", sage ich schnell, laufe ihm nach und hole ihn im Flur ein. Phil und Flo bleiben zum Glück im Wohnzimmer. "Bist du sauer?" "Sollte ich?" Er dreht sich zu mir um und lächelt. Mir kullert ein kleiner Stein vom Herzen. "Ich meine ja nur. Weil du gerade so einen schnellen Abgang hinlegst." "Ich will nicht weiter stören." "Hä?" "Hast du die zwei eben nicht gesehen? Die fressen sich allein mit den Augen auf." "Nein. Habe ich nicht." Ich hatte nur Augen für eine Person hier in der Wohnung. Dann war Flos Frage ein höflicher Rausschmiss gewesen. "Man, bin ich doof!", sage ich und klatsche mir an die Stirn. Aaron zieht seine Jacke an und holt seinen Geldbeutel heraus. "Hier. Meine Adresse. Ruf an oder komm vorbei falls etwas sein sollte." Er reicht mir eine kleine Adresskarte. "Dann hast du das ernst gemeint?" "Ja." Er greift unter mein Kinn und seine Augen funkeln mich an. Mir wird schwummerig und meine Knie werden weich. "Du magst dich schlecht dabei fühlen, aber glaub mir, wenn du den Absprung erst einmal geschafft hast und du zu dir selbst stehst, wird es dir viel besser gehen." Er haucht mir einen zarten Kuss auf die Lippen und lächelt mich wieder an. "Wir sehen uns, Leon." Aaron dreht sich um und verschwindet durch die Tür. Ich bleibe zurück und starre die geschlossene Tür an. 'Wir sehen uns, Leon.' ****** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)