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Hunter of Darkness

Schattenspiel
von

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Eins

„Angsthase, Pfeffernase! Morgen kommt der Osterhase!“, der Spruch hallte immer und immer wieder von den Wänden des Rohres vor mir zurück und verfing sich in einem Echo in der Dunkelheit darin. Wobei ich nicht sagen konnte, ob das Gehänsel oder das Gekicher der anderen Kinder, über meine Angst, schlimmer war.

Doch noch bevor ich darüber nachdenken konnte, wurde es plötzlich still. Als ich den Blick umwandte – weg von dem dunklen Loch vor mir – erkannte ich, dass der größte Junge dafür gesorgt hatte. Mit einem schiefen Grinsen ging er auf mich zu, wobei sein Blick auf das Loch gerichtet blieb.

„Willst du den anderen nicht beweisen, dass du gar kein so großer Angsthase bist, wie sie denken? Du brauchst dafür nur hinein zu klettern. Und wenn du drinnen bist, bleibst du einfach 5 Minuten dort.“ Zögernd richtete nun auch ich wieder den Blick auf das Loch und musterte es eingehend.

Eigentlich war es ein großes, altes Rohr. Vielleicht war es mal ein Abwasserrohr oder ein Belüftungsschacht oder so etwas ähnliches gewesen. Jedenfalls führte es in ein altes, leerstehendes Fabrikgelände, das mitten im Wald lag. Der Durchmesser des Rohres war größer, als ich es war. Mit meinen 14 Jahren war ich knapp einen Meter sechzig, wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte. Also, ohne zu mogeln, einen Meter sechsundfünfzig. Und wenn ich mit meiner kleinen Gestalt durch dieses Rohr hindurch kriechen würde, hätte ich noch genug Platz zum Wenden.

Doch diese Finsternis, in die es gehüllt war, machte mir Angst. Trotz des hellen Tageslichtes um uns herum, war es in dem Loch stockfinster.

„Glaub' mir! Nach diesen 5 Minuten wird dich niemand mehr ärgern!“, raunte der Junge mir zu, was mich misstrauisch den Blick meiner strahlend blauen Augen zu ihm anheben ließ.

Auch wenn ich ein Mädchen war, so hatten die anderen Kinder in dieser Kleinstadt nie einen Unterschied gemacht. Ein Mädchen musste hier die selben Mutproben bestehen, die auch ein Junge machen musste, wenn er akzeptiert werden wollte. Und da ich erst seit wenigen Wochen hier wohnte und Freunde finden wollte, hatte ich diese Aufgabe zu bewältigen.

„Na, komm' schon, Kris. Trau dich. Wir alle waren schon dort drinnen.“ In seinen Augen konnte ich nichts von einer Lüge erkennen, doch hieß das nicht, dass er die Wahrheit sprach. Trotzdem schluckte ich heftig gegen den Kloß in meiner Kehle an und nickte, ehe ich endlich die Hände auf das Metall legte und mich hoch stemmte, um in die Röhre zu klettern.

„Fünf Minuten...?“, vergewisserte ich mich leise, während ich noch ein wenig zögerte. Doch der Junge grinste nur und nickte.

„Ja, 5 Minuten. Und wir werden dich dann rufen, damit du zurück kommen kannst.“ Ich atmete noch einmal tief durch, ehe ich endlich den langen Weg entlang kroch.

 

Schon nach wenigen Metern konnte ich nichts mehr um mich herum erkennen. Tasten war das einzige, das mir den Weg deuten konnte. Nach einigen hundert Metern wurden die Stimmen der anderen bereits undeutlich und leise. Als unter mir die Röhre ein leises Knacken von sich gab.

Erschrocken hielt ich inne, doch war das Knacken verstummt. Zitternd strich ich über das Metall, doch konnte ich keinen Riss spüren, weshalb ich mir einredete, dass das Knacken nur Einbildung gewesen sein musste. Also krabbelte ich langsam weiter.

Doch keine 2 Meter weiter knackte es erneut und mit einem Mal brach der Boden unter mir weg.

Mit einem erschrockenen Aufschrei stürzte ich in die Dunkelheit und kam äußerst unsanft auf.

 

Da mir der Kopf wie benommen schwirrte, schätzte ich, dass der Fall wohl doch recht tief gewesen sein musste. Aber immerhin tat mir sonst nichts außergewöhnlich weh, weshalb ich es mich wagte, mich auf zu setzen.

Dumpf drangen die Stimmen und das Gelächter der anderen Kinder an meine Ohren. Sie gingen davon aus, dass mich eine Ratte erschreckt hätte.

Wenn die wüssten...

Doch da ich nicht als Angsthase dastehen wollte, biss ich die Zähne zusammen.

Ich würde nicht um Hilfe rufen.

Ich würde hier ganz alleine heraus kommen und in 5 Minuten würden sie sehen, dass ich kein Angsthase war!

 

Vorsichtig tastete ich mich zu einer Wand hinüber und stützte mich an dieser ab, während ich aufstand. Es war so finster, dass ich um mich herum rein gar nichts erkennen konnte. Nur die scharfe Kante des Rohrs, aus dem ich herausgefallen war, war durch einen kaum merklichen Lichtschimmer erhellt. Vermutlich spielte die Sonne von draußen mit den brüchigen Rändern des Rohres. Wehmütig verzog ich die Lippen zu einem Lächeln. Wie gerne wäre ich doch jetzt auch dort draußen im Licht der Sonne.

Achtsam schob ich einen Fuß vor den anderen, während ich das Loch fixierte. Erst als ich direkt darunter stand, gab ich die Hoffnung auf, es ohne irgendetwas, auf das ich mich stellen konnte, dort hinauf zu schaffen.

Also ließ ich seufzend den Blick wieder sinken und blinzelte in die Dunkelheit.

Ob es hier wohl etwas nützliches gab?

So schnell würde ich nicht aufgeben. Weshalb ich ein paar Schritte von der Wand weg machte, in dem Versuch, die gegenüberliegende Wand zu erreichen. Doch noch bevor ich die andere Seite erreichte, stieß ich mir heftig das Schienbein an etwas, das wohl eine alte Weinkiste war. Zumindest fühlte sie sich unter meinen Fingern danach an, als ich sie – mit schmerzverzerrtem Gesicht und Tränen in den Augen – betastete.

Stolz darüber, dass ich nicht erneut aufgeschrien und gleichzeitig etwas gefunden hatte, das mir helfen konnte, nickte ich mir selbst zu. Dann zerrte ich die Kiste unter das Rohr.

 

Erneut stand ich also unter dem Loch und starrte zu dem diffusen Licht auf, während ich tief durchatmete. Ich würde das schaffen, da war ich mir sicher. Also rückte ich noch einmal die Kiste gerade und stieg langsam darauf.

Kaum hatte ich mein Gleichgewicht gefunden, stellte ich mich auf die Zehenspitzen und reckte mich nach oben. Doch kamen meine Fingerspitzen nicht an den Rand heran, was mir erneut die Tränen in die Augen trieb.

Verzweifelt ließ ich mich wieder auf die Fersen nieder, ehe ich leicht die Knie beugte und von der Kiste ab sprang.

Ich hörte, wie die Holzkiste umkippte.

Ich spürte, wie mir der bröselnde Metallrand in die Finger schnitt, als ich ihn zu fassen bekam.

Dann hörte ich nur noch ein kratzendes Geräusch, wie von Hundepfoten auf Betonboden.

Und spürte einen fürchterlichen Schmerz, der von meinem Genick ausgehend in meinem ganzen Körper explodierte.

Ein Schmerz, der mich entsetzlich aufschreien ließ.

 

Während mein eigener Schrei noch in meinen Ohren verhallte, fand ich mich plötzlich auf einer wunderschönen Wiese wieder. Mein Blick wurde wie magnetisch in die Ferne gezogen. Direkt zu einer strahlenden Brücke. Eine Brücke, zu der ich unbedingt hin wollte. Alles in mir zehrte danach.

 

Doch kaum dass ich aufgestanden war, um auf die Brücke zu zugehen, und einen Fuß nach vorn gesetzt hatte, riss etwas unsichtbares mich nach hinten und ich war zurück in der Finsternis. Mein Blick fiel nun nicht mehr auf die Brücke, sondern auf meinen eigenen Körper.

Oder besser gesagt: meinen leblosen Körper, dessen Kopf unnatürlich zur Seite verdreht war.

Erschrocken stolperte ich zurück und schlug mir eine Hand vor den Mund, während ich auf meinen Körper hinab schaute.

Doch wurde mein Blick dann auf ein Wesen gezogen, das von schwarzem Nebel umhüllt war. Es hatte einen hundeähnlichen Körper und war mindestens so groß wie eine Deutsche Dogge. Doch besaß es keine Augen. Stattdessen drehten sich die großen Ohren immer wieder in eine andere Richtung und seine Schnauze schwenkte hin und her, als ob es nach etwas schnuppern würde.

Geifernd lief das Wesen um meinen Körper herum, wobei es ab und an stehen blieb und wütend nach meinem Körper schnappte und daran zerrte, wenn es nicht den gewünschten Effekt erzielte.

 

Entsetzt starrte ich das Wesen an, während Tränen mein Gesicht hinunter perlten und meine Knie unter mir nachgaben. Bis mich der anfängliche Schock soweit frei ließ und ich endlich den Mund auf bekam.

„Hör... Auf... Lass'... Lass' das...“, meine Stimme war ein kaum vernehmbares Jammern und Schluchzen. Doch das Wesen schien es sehr wohl zu hören, denn es hob den Kopf ruckartig an, wobei die schlaffe Hand meines Körpers aus seinem Maul heraus fiel.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich es an und beobachtete, wie es über meinen Körper hinweg stieg, um auf mich zu zugehen. Und gerade, als es sich schließlich sicher war, wo ich saß und sich auf mich stürzen wollte, traf ein Lichtstrahl auf das Wesen und es war einfach verschwunden.

 

„Oh Gott...! Kris! Kris, sag' doch was! Scheiße...!“, die Stimme, des Jungen, der nachschauen gekommen war, wo ich so lange blieb, war vor Panik so schrill, dass ich sie nicht zuordnen konnte. Und auch, als er wieder aus der Röhre heraus gekrabbelt war, war das Stimmgewirr undefinierbar, um zu erkennen, wer was sagte.

„Scheiße, man! Die Röhre ist eingebrochen! Sie liegt dort unten! Sie liegt einfach nur da...! Sie... Sie...“ - „Oh Gott!“ - „Lebt sie noch?“ - „Was sollen wir machen?“ „Hilfe...! Wir müssen Hilfe holen!“

 

Während die Stimmen draußen wieder leiser wurden, ertönten genau hinter mir Schritte. Heftig zuckte ich zusammen, darauf gefasst, gebissen zu werden. Doch legte sich stattdessen sanft eine Hand auf meine Schulter.

Vorsichtig hob ich den Blick an und schaute in ein mitleidiges Gesicht, das auf meinen reglosen Körper schaute. Seine langen, schwarzen Haare fielen glatt über seine Schultern nach vorn.

„Bist du nicht eigentlich noch zu jung, um so zu sterben?“ Verwirrt glitt mein Blick wieder zurück zu meinem Körper. Ich hatte diese Erkenntnis bis jetzt verdrängt...

Ich war tot.

Wirklich, richtig tot.

Dieses Ding hatte mich getötet, nachdem ich den Absturz überlebt hatte.

Ich.

War.

Tot.

Schockiert starrte ich auf meinen leblosen Körper, als mir die Schwere der Worte wirklich bewusst wurde und erneut Tränen über mein Gesicht strömten.

„Du bist doch gerade erst 14 geworden, richtig?“ Langsam nickte ich mit dem Kopf, was eher mechanisch von mir kam. Doch da er nicht weitersprach, war ich dazu gezwungen, den Blick wieder zu ihm an zu heben. Sein Blick ruhte wissend auf mir, nicht mehr auf meinem Körper, als ob er auf eine Frage warten würde. Und irgendwie überzeugte mich dieser Blick sogar, den Mund auf zu machen.

„Was... Was war das... für ein Vieh...?“

„Das war ein Soul Crusher. Ein Wesen der Finsternis.“, kam seine Antwort mit einem bekräftigenden Nicken.

„Es... Es hat mich von dort zurück geholt...“ Sanft lag sein Blick einen Moment auf mir.

„Ja, das hat es. Es tötet, um die Seelen der Menschen zu verzehren, was ihm Kraft verleiht. Doch dafür muss es die Seelen aus der Zwischenwelt zurück holen.“

„Ich... Ich kann nicht wieder dorthin... zurück... oder...?“ Bevor er antwortete, lag sein Blick lange auf mir. Wobei seine zartblauen Augen irgendwie traurig wirkten.

„Nein, das kannst du nicht. Es hat dich von dort zurückgeholt und dir die Möglichkeit genommen, von dort aus, über die Brücke, ins Jenseits zu gehen. Aber...“ Gerade als ich den Blick betrübt abwenden wollte, lockte er meine Aufmerksamkeit wieder an.

„Es gibt eine Möglichkeit, wie du wieder in deinen Körper zurück und weiterleben kannst.“ Er hatte den Satz kaum beenden können, da war ich auch schon aufgesprungen und klammerte mich an dem Mann fest.

„Wie? Wie kann ich das?“ Erneut wurde sein Blick bedauernder.

„Es hat seinen Preis, wenn du zurück gehst. Wenn du dich dazu entscheidest, wirst du zu einem 'Jäger'. Ein sogenannter 'Hunter'. Womit du dazu verpflichtet bist, in unserem Auftrag, Wesen der Finsternis zu jagen und zu vernichten. Jedoch nicht sofort. Erst in ein paar Jahren, wenn du älter bist.“ Während er gesprochen hatte, hatte ich ihn wieder los gelassen und war ein paar Schritte zurück gegangen, um wieder auf meinen Körper hinab zu schauen.

„Kann ich... Kann ich andere dadurch retten...?“

„Vielleicht nicht alle, aber viele schon.“ Er ließ mir Zeit, das Für und Wider abzuwägen und drängte mich zu keiner Antwort. Und das war gut so. Denn so konnte ich unvoreingenommen eine Entscheidung über mein künftiges Schicksal treffen.

„Ich... Ich tu's... Ich will wieder leben... Ich werde ein 'Hunter' sein... Wenn ich andere davor bewahren kann, dieses Schicksal zu teilen...“ Mit ernstem Blick wandte ich mich wieder zu dem Mann um, damit er den Entschluss in meinen Augen lesen konnte.

„Ich werde ein Hunter.“ Langsam nickte der Schwarzhaarige.

„Wie du willst. Wir werden uns dann wiedersehen.“ Und kaum hatte er das gesagt, war ich auch schon wieder zurück in meinem Körper. Meinem eiskalten Körper, der von Blut durchtränkt war. Gerade noch rechtzeitig, bevor von draußen die Sirenen von Krankenwagen und Feuerwehr ertönten und die Rettungskräfte mich bergen konnten.

 

Und so bin ich damals gestorben.

Auch wenn ich seither wieder in diesem Körper bin, so ist es doch anders als früher. Seit ich diese – sogenannte – Nahtoderfahrung hatte – was viel mehr ein wirklicher, echter Tod war –, sind meine Sinne geschärft.

Wenn ich so darüber nachdenke, hatte ich schon damals, bevor ich zurück in meinen Körper gekommen bin, in dieser totalen Finsternis, etwas sehen können. Was vor meinem Tod unmöglich gewesen war. Das hat sich bis jetzt, die letzten beinahe 3 Jahre über gehalten. Doch ist das nicht das einzige.

Ich höre auch besser.

Und ich spüre die Gegenwart von Menschen und anderen 'Wesen' in meiner unmittelbaren Umgebung. Wobei ich mich mehr auf diese Wesen konzentrieren kann, seit ich einen kleinen Begleiter bekommen habe.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2018-06-01T17:06:03+00:00 01.06.2018 19:06
Boah, genialer Anfang. (Und zur Abwechslung mal jemand, der in einwandfreiem Deutsch schreibt; da steh ich ja voll drauf.)

Die Welt, die hier umrissen wird, mit Huntern und Soul Crashern, scheint sehr interessant zu sein. Ich bin wirklich gespannt auf mehr. Über Kris selber erfährt man ja noch nicht viel, außer daß sie 14 und neu im Dorf ist. Daher kann ich noch nicht sagen, wie sympathisch sie mir als Haupt-Chara sein wird. Aber das wird in den folgenden Kapiteln sicher noch. ^^


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