Hunter of Darkness von Plotchaser (Schattenspiel) ================================================================================ Kapitel 10: Zehn ---------------- Am Morgen meines Geburtstages frühstückten Loren und ich alleine. Erst nach dem Essen wollten wir uns mit Chester treffen, also machten wir uns nach dem Abräumen direkt auf den Weg. Doch, noch während wir den Essenssaal durchquerten, fiel mein Blick auf einen jungen Mann. Als ich ihn sah, blieb mir augenblicklich die Luft weg und ich blieb wie angewurzelt stehen. „Kris“, kam es zwar fragend von Loren, doch konnte ich ihm nicht antworten. Ich schaffte es ja kaum, Atem zu holen, wie hätte ich da auch nur einen Ton herausbringen sollen? Außerdem konnte ich meinen Blick um nichts in der Welt von diesem Jungen los reißen. Von seinen kupferblonden Haaren, seinen strahlend grünen Augen, seinen niedlichen Sommersprossen. Von all dem, was mir so unendlich vertraut war. Immerhin war er mein bester Freund gewesen, bevor wir vor mehr als 3 Jahren aus meiner Heimatstadt weggezogen waren. Ich merkte vor lauter Starren nicht einmal, dass mir Tränen über die Wangen liefen, bis er direkt vor mir stand und diese aus meinem Gesicht wischte. „Hey, Krissy, du weißt doch, wie wenig ich es mag, wenn du weinst“, er lächelte sanft, als er mich ansprach. Und ich konnte nicht anders, als mich ihm augenblicklich in die Arme zu werfen und das Gesicht an seiner Brust zu verstecken. „Damien“, flüsterte ich fast tonlos seinen Namen, während er die Arme um mich legte und mich sanft aber bestimmt festhielt. „Ich dachte mir, es wäre vielleicht ein schönes Geburtstagsgeschenk, wenn ich dich endlich mal besuchen komme.“ Langsam hob ich den Blick zu ihm an. „Oh, ja, das ist es!“ Und noch bevor ich ihn fragen konnte, wie er überhaupt hier her gekommen war, sah ich die goldenen Ringe um seine Iriden und mir wurde klar, dass er ein Hunter war. Ein Animalist. Während ich ihm noch immer in die Augen starrte, streichelte Damien mir eine Strähne aus dem Gesicht und begutachtete interessiert meine außergewöhnlichen Augen. „Du siehst gut aus, Krissy. Deine Haare sind schön lang geworden.“ Geschmeichelt von seinem Kompliment ließ ich den Blick zur Seite wandern. „Ach, quatsch. Ich seh' aus wie immer, Damien.“ Doch runzelte ich dann die Stirn und schaute ihn wieder ernst an. „Woher weißt du eigentlich, dass ich hier bin?“ „Ich hab's nachgelesen. Schon vor 3 Jahren, um ehrlich zu sein. Sorry, dass ich erst jetzt hier her gekommen bin.“ Erschrocken riss ich die Augen auf und krallte die Finger in sein Shirt. „Vor 3 Jahren“, hauchte ich beinahe tonlos. Vor 3 Jahren war ich gestorben. Kurz vorher, bevor wir hierher gezogen waren, hatte ich Damien das letzte Mal gesehen. Und mit 15 Jahren war er mit Sicherheit noch kein Hunter gewesen. „Genau an dem Tag, als du gestorben bist, hab ich es erfahren. Denn an diesem Tag kam Sammy zu mir.“ Unwillkürlich schüttelte ich langsam meinen Kopf, als er mir meine Gedanken auch noch bestätigte. „Du warst erst 15!“ Erneut streichelte Damien mir eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. „Und du 14. Hätte sie mich damals nicht gezwungen, mit ihr zu gehen, wäre ich durchgedreht, als ich spürte, was mit dir passiert ist. Aber so hat sie mich zu der Hunter-Gilde meiner Stadt gebracht und die Leute dort konnten mir versichern, dass es dir wieder gut geht.“ Augenblicklich schossen mir wieder Tränen in die Augen. „Du hast es gespürt...“ „Ja. Du weißt doch, dass ich schon immer wusste, wie es dir geht. Aber, es geht jetzt nicht um damals, es geht um jetzt. Also, Krissy, wie geht es dir? Und wie geht es deiner Mom so?“ Bei dieser Frage schaffte ich es endlich, Damien wieder los zu lassen und trat einen Schritt zurück. Auch wenn er wusste, wie es mir ging, so wusste er doch nichts von meiner Mom. Immerhin hatte sie sämtliche Kontakte nach dem Umzug unterbunden. „Wenn sie Glück hat, kommt sie nun – zur Abwechslung mal – in die Psychiatrie und bekommt endlich geholfen“, sagte ich bitter, während ich seinem Blick auswich und die Arme um meinen Oberkörper legte. „Zur Abwechslung mal?“ Hakte Damien jedoch direkt nach und ich seufzte schwer. „Ja... Wir werden uns wohl das nächste Mal erst vor Gericht wiedersehen...“ Einen Moment lang starrte Damien mich einfach nur streng an. „Sie hat dich vor 4 Tagen verletzt.“ Da dies keine Frage war, hatte ich keine Lust dazu, ihm auch nur irgendeine Antwort zu geben. Und, auch wenn ich erschrocken zusammen zuckte, so war ich doch froh darüber, dass Loren die darauf folgende, unbehagliche Stille mit einem Räuspern durchbrach. Oh man, ich hatte ihn völlig vergessen... „Ich unterbreche euch ja nur äußerst ungern, aber“, er beendete den Satz damit, dass er gehässig grinsend mit dem Kopf in eine Richtung hinter Damien deutete. „Oh... Sag's nicht... Sie tut's schon wieder, oder...?“ Damiens Augen waren leicht verengt, ehe er sich in die gewiesene Richtung umwandte und theatralisch Seufzte. Also drehte auch ich meinen Kopf endlich in die selbe Richtung und hob irritiert eine Augenbraue an. Denn dort tapste ein wolfsartiges Wesen mit belustigtem Blick und leicht aufgefalteten, ledernen Schwingen hinter einem Mädchen her, das sichtlich genervt davon war. Abrupt blieb sie stehen und wirbelte zu dem Tier herum, welches ebenso schnell inne hielt und die Ohren aufmerksam spitzte. „Herr Gott! Verzieh dich endlich, oder ich mach Hackfleisch aus dir, du Flohzirkus!“ Jedoch ignorierte das Wesen die Standpauke gekonnt. Während das Mädchen fluchte und zeterte, setzte es sich einfach auf die Hinterläufe und legte den Kopf leicht schief, als würde es gebannt ihren Worten lauschen. „Argh!!“ Völlig entnervt fuhr die Blondine wieder herum. „Zu wem, zur Hölle, gehört dieses nervtötende Mistvieh?!“ Da sie keine Antwort bekam, suchte sie mit den Augen nach irgendjemanden, den sie als Schuldigen abtun konnte. Und ihr Blick fand Loren, der noch immer neben mir stand und nun undefinierbar grinste. Während das Mädchen auf uns zu stapfte, sprang das Wesen freudig auf und folgte ihr auf dem Fuße, wobei es leicht mit seinen Schwingen flatterte. „Loren“, knurrte die Kurzhaarige ihn zur Begrüßung an. Doch dieser lächelte nur überlegen und deutete mit dem Daumen auf Damien, während er sich abwandte. „Ich hab damit nichts zu tun. Klär das lieber mit dem da.“ Und kaum hatte er das gesagt, hatte er mich auch schon am Arm gepackt und mit sich mit gezogen. „Soll das etwa heißen, dieses Vieh gehört zu dir?!“ War das Letzte, das ich hören konnte, ehe wir die Mensa verließen.   Erst nach einigen Metern befreite ich mich aus Lorens Griff und blieb stehen. Sein Profil spiegelte eine Mischung aus Abneigung und Misstrauen wider, ehe er sich ganz zu mir umwandte und eine Maske der Normalität aufsetzte. Diesen Blick kannte ich gar nicht von ihm, für gewöhnlich grinste er die meiste Zeit des Tages. „Was ist los, Kris? Wir müssen üben. Heute ist Freitag, dein Geburtstag. Willst du etwa das ganze Wochenende hier drinnen sitzen?“ Kopfschüttelnd machte ich einen Schritt auf den Blonden zu, als er sich auch direkt wieder in Bewegung setzte. Und als wir den Trainingsraum betraten, schien er wieder ganz der Alte zu sein. Er grüßte Chester, ging mit ihm den heutigen Trainingsplan durch und machte sich dann gleich daran, mich auf Trab zu halten. Wir besserten mein elektrisches Schutzschild aus, das mit regenerierten Kräften um einiges besser funktionierte. Dann vertieften wir uns in Kampf und Verteidigung auf Kick-Box-Art. Es wäre weit übertrieben, zu sagen, dass ich darin ein Naturtalent wäre. Doch ich machte mich nicht ganz so schlecht, wie ich zu Anfang erwartet hatte.   Erst zum späten Nachmittag beendeten wir das heutige Training und ich war heil froh, dass Loren mich zwar hart dran genommen, mich jedoch nicht völlig ausgepowert hatte. Doch war heute auch das erste Mal, dass keiner der beiden mich aus dem Trainingsraum heraus begleitete, als wir geendet hatten. Sie wollten noch etwas besprechen und erneut sah ich diesen seltsamen Blick in Lorens Augen. Dennoch versuchte ich mich davon nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Immerhin hatten sie mir beide erlaubt, die Gilde zu verlassen und das erfüllte mich mit Vorfreude. Natürlich gab es zum Verlassen die Voraussetzung, dass ich nicht alleine ging. Also suchte ich mir meinen Weg zurück in mein Zimmer, mit einem Umweg über die Gemeinschaftsdusche. Frisch geduscht und umgezogen machte ich mich auf den Weg in die Mensa. Ich wusste, wen ich mitnehmen wollte. Falls er überhaupt noch da sein sollte...   In der Mensa angekommen fiel mir direkt auf, dass die Blicke der Anwesenden verändert waren. Vermutlich lag es daran, dass mich bisher noch niemand – außer Celestine und der Bibliothekar – ohne Begleitung von Chester oder Loren gesehen hatte. Die meisten Blicke waren neugierig, doch versuchte ich darauf nicht zu achten, da mir das viel zu unangenehm war. Außerdem suchte ich nach Damien, der sich momentan nicht in der großen Halle befand. Nachdenklich kaute ich mir auf der Unterlippe herum und dachte nach. Früher schon hatte er sich nicht gerne zu lange in Gebäuden aufgehalten, was bedeutete, dass er vermutlich draußen war. Also wandte ich mich um und lief zielstrebig nach draußen. Mishka folgte mir in gemütlichem Schritt. Während wir nun also um das Gebäude herum und am vorderen Parkplatz vorbei liefen, sahen wir uns auf der breiten Grünfläche um, die sich bis zur Mauer hin erstreckte. Ich nutzte die Zeit, um darüber nachzudenken, was ich alles von Damien erfahren wollte. Immerhin waren es etwas mehr als 3 Jahre, in denen wir uns nicht mehr gesehen hatten. Vor meinem 14. Geburtstag waren wir damals in diese Stadt gezogen. Seufzend ließ ich meinen Blick über das Grün wandern. Gemächlichen Schrittes ging ich meines Weges und hatte bereits mein Ziel auserkoren, nachdem wir um die Ecke des Gebäudes gebogen waren. Denn einige Meter von uns entfernt gab es ein Beet. Von hier aus konnte ich nicht feststellen, ob es sich um Gemüse oder Blumen handelte, doch interessierte es mich auch nicht weiter. Denn der interessante Ort lag daneben. Dort erstreckte sich ein kleiner Baumhain, der Schatten spendete, hinter dem eine Art vergitterter Auslauf lag. Der Hain schien der perfekte Ort zu sein, um sich von dem beengenden Gefühl des großen Gebäudekomplexes abzulenken. Der Ort schien förmlich nach dem Damien zu rufen, den ich von früher kannte. Ob er wohl noch genau so war, wie ich ihn in Erinnerung hatte? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)