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Hunter of Darkness

Schattenspiel
von

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Drei

Seufzend ging ich in meinem Zimmer auf und ab und überlegte mir einen Weg, wie ich meine Mutter vorsichtig darauf ansprechen konnte. Es war ja schön und gut, dass Chester so viel Vertrauen in mich hatte, dass ich das alleine geregelt bekommen würde, nur kannte er meine Mom nicht. Als ich endlich genug Mut gesammelt hatte, seufzte ich erneut und blieb stehen.

„Mishka, du bleibst hier oben. Sicher ist sicher...“ Er wusste, wie ich das meinte und gab ein mürrisches Grollen von sich. Warnend blickte ich auf den Kater hinab, der neben der Tür saß und mich bis jetzt beim auf und ab tigern beobachtet hatte.

„Du weißt, wie sie ist. Mich wird sie schon nicht umbringen, doch kann ich das Gleiche nicht auch für dich garantieren, da sie dich ja noch nicht einmal sehen kann.“ Bei meinem Glück würde sie etwas werfen und Mishka das Genick brechen. Erneut seufzte ich schwer, als ich mich endlich der Tür zuwandte und mich dem Unvermeidlichen entgegen stellte.

 

Als ich die Küche betrat, war meine Mom gerade dabei, Gemüse klein zu schneiden. Bei dem Anblick des Messers wurde mir unwillkürlich schlecht, doch biss ich die Zähne zusammen.

Augen zu und durch, redete ich mir selbst gut zu, während ich tief durchatmete.

Sie wird mir schon nichts tun... Doch war ich mir da nicht so sicher, weshalb ich im Türrahmen stehen blieb.

„Mom?“ Sie drehte sich gar nicht erst zu mir um, als sie mich fragte, was ich von ihr wollte.

„Ich muss mit dir reden.“ Und mit diesem Satz zog ich den Splint aus der Granate, während ich auf einem hauchdünnen Drahtseil über einem Abgrund zu balancieren versuchte. Zumindest fühlte es sich für mich genau so an, als ihr Griff um das Messer sichtlich fester wurde, sodass ihre Knöchel weiß hervor stachen.

„Was willst du, Kristina?“ Noch war ihre Stimme beherrscht ruhig, doch spürte ich es in ihr brodeln. Ich hätte meine Satzstellung besser überdenken sollen.

„Ich möchte mit dir reden, das hab' ich doch eben gesagt, Mom“, sagte ich nun etwas kleinlauter und mit eingezogenem Kopf. Immerhin bewegten sie diese Worte dazu, sich endlich zu mir umzudrehen und mich beim Reden anzusehen.

„Werd' nicht frech, junge Dame!“ Mit dem Messer deutete sie auf mich und ich zuckte automatisch zusammen, als hätte sie mich damit direkt berührt. Natürlich trennten uns einige Schritte voneinander, die ich in weiser Voraussicht zwischen uns aufrecht hielt.

„Ich bin nicht frech, ich wollte nur, dass du mich ansiehst, Mom. Ich möchte gerne etwas wichtiges mit dir besprechen.“ Selbst in meinen eigenen Ohren klang meine Stimme vollkommen verängstigt und kein bisschen stark, so wie ich es gerne gehabt hätte.

„Und was willst du denn jetzt so wichtiges besprechen? Ich bin am Kochen, das siehst du doch!“ Wenn ich mich noch kleiner hätte machen können, dann hätte ich es unter ihrem warnenden Blick auch getan. Seit wann war ich auch so hirnverblödet, dass ich mich wagte meine Mom anzusprechen, wenn sie eine potenzielle Waffe in der Hand hielt? Wobei, eigentlich war alles in ihrer Reichweite eine Waffe, sobald ich etwas ansprach, das ihr nicht passte. Und ihr passte so ziemlich gar kein Thema, das ich auch nur zu denken wagte.

Dennoch schluckte ich den dicken Kloß in meinem Hals herunter und hob den Kopf wieder etwas weiter an.

„Ich wollte dich fragen, jetzt, wo ich am College bin, ob ich eine AG besuchen könnte. Ein Freund hat mir da etwas vorgeschlagen und-...“ Erst, als meine Stimme immer zittriger wurde, unterbrach mich meine Mom, mit einem siegessicheren Ausdruck in den Augen, indem sie einen Schritt auf mich zu trat.

„Nein, Kristina. Du gehst nirgendwo hin. Und was für ein Freund soll das überhaupt sein? Du hast keine Freunde, Kristina. Und du wirst keine dieser schäbigen AGs besuchen. Du brauchst so etwas nicht. Du wirst, wie an jedem anderen Tag auch, direkt nach der Schule nach hause kommen.“ Mit dem Messer deutete sie von mir auf den Boden zu ihren Füßen. „Und jetzt geh' wieder in dein Zimmer. Das Gespräch ist beendet, junge Dame.“ Sie wollte sich schon wieder umdrehen, als ich meine Stimme wiederfand.

„Nein“, es war kaum mehr als ein Flüstern, jedoch reichte es aus, dass meine Mom augenblicklich stehen blieb und wieder zu mir herum wirbelte.

„Was?“ Sie zischte das Wort durch ihre Zähne hindurch und ihre Augen sprühten vor Zorn.

„Nein“, sagte ich nun etwas kräftiger. Ich durfte nicht mehr kuschen, wenn ich endlich etwas bewegen wollte. Also straffte ich die Schultern und versuchte dem Messer in ihrer Hand keine weitere Beachtung zu schenken.

„Ich werde jetzt nicht in mein Zimmer gehen, weil das Gespräch noch nicht beendet ist.“ Ich hätte nicht gedacht, dass bereits dieser Satz dazu führen würde, dass die Granate aus meiner Hand rutschte und explodieren würde. Denn ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie meine Mom das Messer auf die Anrichte geschleudert hatte und mir eine heftige Ohrfeige gab. Perplex stand ich einen Moment einfach nur da und blinzelte mehrfach, bis ich wirklich realisierte, was soeben geschehen war.

„Auf dein Zimmer!“ Schrie sie mich an, während mir Tränen in die Augen traten und ich meine Mom hasserfüllt anstarrte.

„Vergiss es“, knurrte ich sie durch zusammengebissene Zähne hindurch an und prompt hatte sie mich am Oberarm gepackt, um mich zur Treppe zu ziehen.

„Ich hab' dir was gesagt!“ Blaffte sie mich dabei an, während ich mich gegen sie stemmte. Ich hatte ganz vergessen, dass sie so kräftig war, denn sie zerrte mich stetig weiter, die ersten Stufen hinauf.

„Und ich hab' dir auch was gesagt! Lass' mich los!“ Und erneut traf ihre flache Hand mich im Gesicht. Doch hatte ich dieses Mal das Gefühl, dass etwas in mir zerbrach, weshalb ich den Widerstand stolpernd aufgab.

Meine Mom hatte mich noch nie zuvor geschlagen.

Noch immer hing ich an diesem Gedanken, als mich meine Mom in mein Zimmer stieß und die Tür zu knallte.

„Und hier wirst du bleiben, bis du wieder normal bist, junge Dame!“ Ich hörte zeitgleich, wie mit einem Klicken die Tür von außen zugesperrt wurde.

„Und wenn ich nicht wieder 'normal' werden will?“ Die ersten Tränen bahnten sich ihren Weg über meine Wangen. Sie sperrte mich tatsächlich wieder ein. Das hatte sie das letzte Mal getan, bevor sie mich in die Psychiatrie gesteckt hatte.

„Oh, du wirst wieder normal. Oder möchtest du wieder zu Dr. Finnigan? Er wird schon dafür sorgen, dass du wieder normal wirst, das weißt du doch.“ Die Stimme meiner Mom troff nur so von Selbstüberzeugung und einem Hauch Wahnsinn.

„Vergiss es, Mom! Ich geh' nicht mehr zu diesem Psycho-Klempner! Das kannst du nicht machen! Ich bin nicht verrückt!“ Oh, nein, ich wollte bestimmt nie wieder zu 'meinem' Psychiater, der mich liebend gerne in die Anstalt einweisen ließ. Das hatte er die vergangenen beiden Male ja direkt bewiesen, kaum dass ich eine Stunde in seiner Praxis verbracht hatte.

„Und wie ich das kann, junge Dame! Du wirst nämlich schon wieder Verhaltensauffällig. Und so lange du unter meinem Dach wohnst, muss ich doch dafür sorgen, dass du dir deine Zukunft nicht verbaust. Glaube mir, du wirst es mir eines Tages noch danken, dass ich so konsequent war!“

„Nein!“ Schrie ich sie durch die verschlossene Tür hindurch an und schlug mit den Händen gegen das massive Holz. Mein Schmerz hatte sich zu Wut gewandelt.

„Das kannst du nicht machen! Lass mich raus, Mom! Bitte!“ Doch so schnell wie die Wut gekommen war, war sie auch schon wieder verflogen. An ihre Stelle schob sich Verzweiflung, da ich wusste, dass sie diese Tür nicht öffnen würde und ich somit – mal wieder – ausweglos gefangen war.

„Glaubst du wirklich, dass ich hier bleiben werde, wenn ich hier raus komme? Dass ich hier weiter leben will? Dass ich auf ewig darauf verzichten will, ein eigenes Leben zu haben?“ Während ich meinen Kopf erschöpft an die Tür lehnte, lagen meine Handflächen auf dem glatten, dunklen Holz.

„Oh, das wirst du, junge Dame. Und nun hör' auf zu schreien, was sollen denn die Nachbarn denken. Außerdem muss ich ein Telefonat mit Dr. Finnigan führen.“ Erneut packte mich verzweifelte Wut und ich ballte die Hände zu Fäusten.

„Glaub' mir, wenn ich hier raus komme, bin ich weg! Ich werd' dich vor Gericht bringen und mich Volljährig sprechen lassen! Du weißt genau, dass das mit 17 geht! Und dann bin ich weg! Weg von dir, weg von den Psychiatern, weg von diesem Knast hier!“ Um mir nicht die Hand an der massiven Eichenholztür zu brechen, wandte ich mich um und rammte mit aller Wut meine Faust in die Spiegeltür meines Kleiderschrankes. Klirrend rieselten die Scherben zu Boden, während ich dabei zu sah, wie sich kleine Tropfen Blut über meinen Knöcheln bildeten und sich langsam ihren Weg über meinen Handrücken bahnten. Doch ignorierte ich die kleinen Schnittwunden und drehte mich nun endlich zu Mishka um, der die ganze Zeit schon aufgebracht hinter mir auf und abgelaufen war. Sein Blick war besorgt auf mich gerichtet. Erst, als ich mich achtlos in die Scherben setzte, wagte er sich langsam an mich heran und sprang mir dann in die Arme, um sich überschwänglich und doch sanft zugleich an mich zu schmiegen. Mein Blick wanderte zu meinem Fenster, vor dem ein Gitter prangte. Angeblich hatte meine Mom diese Gitter vor jedem Fenster installieren lassen, weil vor zwei Jahren so viele Einbrüche verübt worden waren. Doch ich wusste es besser: Sie waren nicht dazu da, andere draußen zu halten. Nein, sie waren dazu gedacht, mich hier drinnen zu halten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Futuhiro
2018-06-01T17:28:10+00:00 01.06.2018 19:28
Wow. Die Mutter ist auch komplett anders als ich sie mir erst vorgestellt hatte. Im letzten Kapitel klang es eher noch fürsorglich und liebevoll, als die Rede davon war, daß sie auf Kris aufpassen würde wie ein Glucke. Wann ist daraus so ein Wahn geworden? ^^°


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