The Poetry of Light and Shadow von Ceydrael (Loki x OC) ================================================================================ Kapitel 25: Rückkehr -------------------- Ein Grollen zerriss plötzlich die bedrückende Stille; ein energetisches Sirren, dem ein gleißend heller Lichtstrahl folgte, der die schwärende Finsternis des Himmels zerriss und auf die Erde traf - eine klaffende Wunde im Dickicht der tobenden Wolken. Der Schnee wurde aufgewirbelt zu hohen Wogen, während die Agents sowie die Avengers und Gwen ihre Augen vor der plötzlichen Helligkeit abschirmten; nur Loki hob den Kopf unbeirrbar in das strahlende Hell, in die himmlische Säule, welche einen massigen Körper auf die Erde herab spuckte, der mit einem Donnergrollen den Boden traf und seine schweren Stiefel in das Gemisch aus feuchter Erde und Schnee grub. Blondes, wildes Haar bedeckte ein gesenktes Haupt, bevor die imposante Gestalt in der silbernen Rüstung sich in Dunstwolken von Energie gänzlich aufrichtete und das Licht sich zurückzog, sodass die Umstehenden den Krieger blinzelnd betrachten konnten, der dort so unvermittelt zwischen ihnen gelandet war. Dessen roter Umhang blähte sich in den lauen Wogen des Windes wie ein blutbeflecktes Segel, als sich die tosende Energie des Bifröst auflöste. Einige - der wohl eher neu rekrutierten - Agents waren so dumm, ihre Waffen auf den blonden Hünen zu richten und andere schwenkten die Mündungen erneut gegen Loki, als müsste jener nun unbedingt die Ursache für alle unerwarteten Ereignisse sein. Die nervöse Anspannung der Männer war in ihren Gesichtern und verkrampften Fingern deutlich zu erkennen; eine äußerst heikle Situation, in der ihrer alle Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren. »Thor?!« sprach Captain America als erster verblüfft; offenbar hatte er nun am wenigsten mit dem Auftauchen des Donnergottes gerechnet. Auch die anderen Mitglieder des Teams wirkten überrascht, fast schon alarmiert wegen des unerwarteten Besuches, denn entgegen jeglichen, vergänglichen Hoffnungsschimmers war nun wohl allen klar, dass die Sache ernst und Thors Auftauchen sicher keinen erfreulichen Grund haben würde. Selbst Direktor Fury schien die plötzliche Anwesenheit des blonden Gottes aus seiner beinahe lethargischen Ruhe zu reißen und in seinem verbliebenen Auge mochte man die umwölkten Fronten von aufziehendem Unbehagen erahnen. Grimmig zückte Thor Mjölnir und ließ jenen mit einem warnenden Sirren um sein Handgelenk kreisen, während seine blauen Augen jene Agents fixierten, die entweder ihn oder seinen Bruder mit der Waffe bedrohten. »Haltet ein und steckt eure Waffen fort…« verlangte er grollend, ohne seiner Aufforderung noch die übliche Drohung anzuhängen. Jeder konnte erahnen, dass der Gott nicht in der Stimmung für Spielchen war und Fury erkannte das offenbar auch, denn er gab den letzten seiner Männer, die es noch nicht von sich aus getan hatten, einen hektischen Wink, die Waffen zu senken. »Thor…« echote Tony Stark gleich darauf und seine Stimme klang nach bröckelnder Zuversicht; das markante Gesicht des Ironman versuchte wohl Witz zu spiegeln, dessen Endakkorde die Augen des Menschen jedoch nicht erreichten. »Bitte sag mir, dass das ein reiner Höflichkeitsbesuch wird...« Tony Stark wirkte beunruhigt - und Tony Stark wirkte selten beunruhigt. Gewissermaßen fast nie. »Meine Freunde….« begann Thor brüchig, nachdem er sich die Haare in einer Geste über die Stirn zurückgestrichen hatte, die förmlich nach Ratlosigkeit und Verzweiflung schrie. »…leider bringe ich keine frohe Kunde. Die Geschehnisse haben schwerwiegende Wendungen genommen…« Die tiefe, mächtige Stimme des blonden Hünen zerschnitt die anhaltende, angespannte Stille zwischen den Anwesenden so wirkungsvoll wie Lokis unselige Mutmaßung zuvor und ein sichtbares Atemholen rollte durch die Reihen. Natasha Romanoff ließ ihre Waffe als Letzte nun gänzlich sinken, die sie wohl aus einer Gewohnheit heraus die ganze Zeit auf Loki gerichtet hatte; ihre Bewegungen kraftlos und unschlüssig. Auch Agent Barton senkte seinen Bogen in einer angespannten Geste und schickte einen knappen Blick zum Himmel, als wollte er jenen verfluchen. Gwen kniete noch immer neben dem Magier im Schnee, dessen Arm sie an seinen Körper drückte und sah ebenfalls blinzelnd zu dem Donnergott auf, während die letzten aufgewühlten Schneeflocken seicht zu Boden trudelten. Loki ließ ein leises Glucksen nach Thors Worten vernehmen; eine Regung, die Gwen durch das Vibrieren seiner Brust mehr spürte als hörte. Seine Lippen zeigten ein fast humorloses, wissendes Grinsen, grausig verwischt durch die noch immer vorhandene Spur seines Blutes, welche sich wie ein grotesker roter Pfad von seinem Mundwinkel in die Höhe schlängelte. Gwen erschauderte - nicht wegen des Schattens von triumphaler Vorahnung in Lokis Augen, auch nicht wegen des nun aufheulenden Windes oder des Schnees, sondern wegen Thors Gletscherblick. In seinen Augen lag bohrende Mutlosigkeit; eine Sorge, die Angst sehr nahe kam und die gierigen Fühler von Verzweiflung beinahe zu spüren schien - der Donnergott wirkte geschrumpft in seiner Rüstung, als wäre ihm jene mit ihrer Verantwortung zu groß geworden. Obwohl seine Gestalt noch die Gleiche war, schienen tonnenschwere Lasten seine Schultern zu beschweren und ihn herab zu drücken. Damit waren Lokis Worte von vorhin für Gwen mehr als bestätigt; nicht, dass sie an der Aussage des Magiers je gezweifelt hätte, denn immerhin konnte sie das wabernde Unheil beinahe in der Luft schmecken - ein abgestandenes Aroma von Fäulnis und Asche, welches bitter auf der Zunge lag und sich im flammend schwärenden Himmel manifestierte. Doch die Besorgnis in Thors sonst so heiterem Gesicht war erschreckender als alles andere. Wenn selbst der Donnergott gezeichnet von Furcht und Zweifel war, selbst dieses Monument von Mut und Hoffnung zu wanken drohte, musste die Lage wahrlich ernst sein. Thors Blick senkte sich nun in jenen seines Bruders und auch Loki mochte die Ernsthaftigkeit in den Zügen des Donnergottes lesen, denn sein Grinsen begann zu verwehen und verzog sich schlussendlich hinter einer geraden Linie seiner Lippen, die man durchaus als besorgt hätte bezeichnen können. »Was ist passiert, Thor…?« brachte er kratzig heraus, nachdem er sich das Blut aus dem Mundwinkel gewischt und jenes beinahe trotzig in den blütenreinen Schnee geschleudert hatte, um sich dann mühsam zu erheben. Diesmal ließ er sich dabei sogar von Gwen helfen, welche die Taille des Gottes umschlang, um ihn zu stützen. Obwohl er so arge Wunden von dem Kampf getragen hatte, schienen diese bereits schon wieder zu heilen und seine Kräfte langsam zurückzukehren; Gwen konnte die außergewöhnliche Regenerationsfähigkeit der Götter wie ein pulsierendes Beben unter dem Leder seiner Rüstung fühlen. Fast konnte Loki schon wieder ohne Gwens Hilfe stehen, obwohl das Beruhigungsmittel sicher noch in seinen Venen kreiste. Diese Bewegung des Magiers weckte Andrews Argwohn, denn der Agent hob erneut seine Waffe an; Thor jedoch stapfte durch den knirschenden Schnee auf seinen Bruder zu, als würde der Rest der Anwesenden gar nicht existieren und bezog damit deutlich Stellung, denn sein breiter Rücken schirmte Loki vor den Agents ab. »Malekith hat das Tor zu Yggdrasil durchstoßen, wie du es vermutet hast, Bruder...« berichtete Thor mit bitterer Stimme; der Hammer in seiner Hand wirkte nun selbst für den Hünen schwer und seine Schultern gebeugt. Loki sah für einen Augenblick regelrecht fassungslos aus, obwohl er die Wahrheit längst vermutet hatte - sie ausgesprochen zu hören war dennoch eine andere Sache; trotz seiner Wunden trat er vor und packte den Donnergott herrisch am Aufschlag seines Umhanges, um sich dessen ungeteilte Aufmerksamkeit zu sichern. Der straffte die müden Schultern, als wollte er sich wappnen, bevor sein Blick dem seines dunkelhaarigen Bruders unbeirrt begegnete. »Wie konnte das passieren, Thor?! Wie?!« zischte Loki seinem Bruder entgegen und schüttelte den Kopf, als müsste er einmal mehr an den geistigen Fähigkeiten des anderen zweifeln. »Wieso habt ihr das Portal nicht gesucht und geschützt, wie ich es euch geraten habe?« Mit einem frustrierten Schnauben stieß der Magier Thor von sich und rieb sich in einer erschöpften Geste die blasse Stirn. »Das haben wir.« stieß Thor in einer schwachen Rechtfertigung aus, bevor er sich mit der freien Hand den Nacken rieb und den Blick seines Bruders wieder suchte. »Alfheim hatte das Portal stabilisiert und es bewacht. Doch es gibt Unruhen in den Welten. Söldner, die durch die Lande ziehen und offensichtlich für Malekith Chaos stiften oder sich einfach an der allgemeinen Angst und den Unruhen bereichern wollen. Die Alben nahmen eine Gruppe Aufrührer gefangen, unwissend, dass sie den Feind damit in ihre Reihen geleiteten. Einer von Malekiths Kursed-Kriegern hatte sich unter den Söldnern versteckt und durchbrach die Reihen; er störte den Zauber, womit die Alben das Portal gefesselt hatten und hinterließ eine Schneise von Tod und Zerstörung…« Lokis Kopf ruckte nach oben, er wirkte gewarnt, fast unverständig. »Ein Kursed, sagst du?! Und es gab keine Sicherheitsvorkehrungen?! Alfheim hätte viel besser bewacht werden und auf solche Fälle vorbereitet sein müssen!« Der Magier stieß ein hohles, unzufriedenes Lachen aus, während das Rot des Himmels eigensinnige Linien auf sein blasses Gesicht malte, welche seine ohnehin kantigen Züge hart erscheinen ließen. Dann murmelte er: »Bei allen Welten, das Malekith seine Männer tatsächlich noch immer an die Finsternis opfert…« Fast meinte man einen Anflug von Bewunderung in den grünen Augen des Gottes zu sehen. »Er verfolgt seine Ziele ohne Gnade, das muss man ihm lassen…« »Noch niemals standen wir solch einem Feind gegenüber. Keiner konnte wissen, dass er noch immer solche Waffen besitzt. Der Aufenthaltsort des Portals wurde streng geheim gehalten…niemand konnte mit einem solchen Angriff rechnen.« grollte Thor zerknirscht und kaute angespannt auf der Innenseite seiner bärtigen Wange, die eingefallener wirkte, als Gwen es in Erinnerung hatte. »Durch Ymirs Geist hat Malekith ungeahnte Macht erhalten. Die Welten sind auf solch geballte Bosheit nicht vorbereitet…« Gwen war unschlüssig etwas abseits der beiden Brüder stehen geblieben, doch konnte sie jedes Wort der ungleichen Götter verstehen. Auch Direktor Fury näherte sich nun und obwohl sein Auge wachsam auf Loki weilte, so drückte seine Miene doch zunehmend Bereitschaft zu einem Gespräch aus. Ein fahles, knochenweißes Leuchten durchschnitt die brodelnde Wolkendecke und ein grollender, ächzender Donner folgte, der die Erde beben ließ; ein paar verirrte Vögel erhoben sich kreischend aus den schwankenden Baumwipfeln. Die Avengers sondierten die Umgebung angespannt und besorgt, ein jeder mit den eigenen Ängsten und Sorgen belastet. »Thor…« wandte sich der S.H.I.E.L.D Direktor mit dunkler Stimme an den Donnergott. »…was ist hier los? Warum bist du hier? Was bedeutet das alles? Womit haben wir es hier zu tun…?« Ein anklagender Fingerzeig Furys wies in den Himmel, der noch immer in höllischer Farbe seine Wolkenberge türmte und grausig schreiende Gesichter ausspie, die man in den wogenden Bahnen erahnen mochte. Furys Auge glitt zwischen Loki und Thor umher; seine Miene war herrisch und stahlhart, als würde er sich eigentlich weniger Unbehagen erlauben, als es seine angespannte Haltung erahnen ließ. »Wie ist unsere momentane Lage?« Der Mann war ein Führer und in dieser Rolle so festgesetzt, dass er sich kaum davon lösen konnte - schon gar nicht vor seinen Männern und der bunten Truppe seiner Helden, deren aller Augen nun ratsuchend auf seiner Gestalt und den beiden Göttern lagen. »Direktor…« Thor wandte sich in einer abgehakten Bewegung dem Menschen zu; seinen Blick gesenkt, als würde er im aufgewühlten Schnee die richtigen Worte finden - mehr noch als würde er eine Lösung suchen, die seine angespannten Brauen so verzweifelt zu suchen schienen. Falten von unübersehbarer Sorge überzogen seine Stirn und bahnten sich einen klaffenden Weg über eine tiefe Furche zwischen seinen blonden Brauen. »….Freund.« Er sah auf und die ernsten Klänge, welche seine volltönende Stimme anschlug, ließen Fury sich versteifen. Der Donnergott legte dem Menschen eine große Hand auf den in dunklen Leder gehüllten Unterarm. Tony Stark tauschte mit Steve Rogers einen knappen, ernsten Blick, bevor beide Männer ein wenig näher kamen, gefolgt von den anderen Agenten, sowie Natascha Romanoff und Clint Barton. »Die Lage ist ernst. Sehr ernst...« begann Thor nun unheilvoll zu erklären und selbst Loki verbat sich dieses Mal jeden unpassenden Kommentar, sondern presste die Lippen aufeinander, während er die Arme in einer harschen Geste vor der Brust verschränkte. Obwohl er zerschunden im Schnee stand, erschöpft von dem Kampf mit den Avengers, schaffte er es trotz allem noch Würde und eine gewisse hoheitliche Arroganz auszustrahlen. Gwen atmete tief ein, bevor sie sich entschlossen nach vorn schob und an Lokis Seite trat. Das Verlangen nach Nähe und Geborgenheit war übermächtig; der Himmel schien wie eine drückende Lawine aus Geröll und Bosheit, welche sie alle zu erdrücken drohte. Sie schob eine Hand unter den Knoten seiner Arme und fing seinen für einen Moment irritierten Blick auf, bevor er seine steife Haltung lockerte und sie kurz darauf schon die vertraute Wärme seiner Haut an der ihren spürte; zögerlich verwob er seine Finger mit ihrer eiskalten Hand. Erleichtert ließ sich Gwen gegen Loki sinken und lauschte schweigsam und angespannt Thor Ausführungen. »Wie euch mein Vater bereits unterrichtet hat, so hat sich Malekith erneut aus dem dunklen Tal des Vergessens und der Vergangenheit erhoben, um seinen Feldzug gegen die Ordnung zu führen. Dabei wird er in seinen Rachegelüsten von Ymir unterstützt - dem Urriesen, welcher älter ist als die Zeit und dessen Seele mehr als alles andere nach Vergeltung drängt.« Natashas Blick blieb flüchtig an Gwen und Loki hängen und die Agentin runzelte kurz irritiert die Stirn, bevor sie ihre Aufmerksamkeit zurück auf den Donnergott lenkte. Nicht jedoch so Andrew, dessen Augen beharrlich auf dem Magier und Gwen liegenblieben - das Eis seiner Augen schien sogar gegen den heißen Wind ankämpfen zu wollen. »Ymir hat sich Malekiths Körper bemächtigt und den Dunkelelfen somit zu grausamer Macht verholfen. Die Reihen der Schwarzalben verdichten sich schnell und werden zahlreich, ebenso wie ihre Verbündeten. Und nun ist ihnen das gelungen, was sie die ganze Zeit beabsichtigt hatten - sie haben einen Weg zur Weltenesche aufgetan…« Thor hielt kurz inne und wie zur Antwort auf seine Worte bäumte sich der Himmel stöhnend auf und ließ ein unseliges Grollen vernehmen, dem ein statisches Knistern folgte; verästelte Blitze zuckten geräuschlos durch die Wolken, ein schauriges Spiel aus bleichen Geisterfingern und glutroten Schlieren. »Und ich schätze, das ist nicht gut…!?« Tony Stark rieb sich mit einer Metallhand über das offengelegte Gesicht. Die Linien darin gruben sich augenblicklich tiefer, ließen ihn älter wirken, als sein sonst so jugendliches Grinsen zu überspielen vermochte. »Das ist alles andere als gut...« bestätigte der Donnergott die Worte des Erfinders. Sein Blick zuckte flüchtig zu Loki, der sein Kinn gehoben hatte und die unterschwellige Überheblichkeit eines Mannes ausstrahlte, der das Ende vorausgesehen hatte und sich jetzt doch nicht am Triumph seiner Weitsicht erfreuen konnte. Wenn die Welten untergehen würden, dann würden sie alle mit ihnen sterben und auch Loki würde von diesem Schicksal nicht verschont bleiben - so sehr den Gott die Hilflosigkeit der Asen und aller anderen auch mit Genugtuung erfüllen sollte, am Ende wäre ihrer aller Niederlage auch die seine. »Yggdrasil ist der Nabel der Welten, die Verbindung dazwischen. Die Esche ist der Anfang, dort begann alles. Dort erwuchs das Leben aus dem Urschlund. Und von dort aus könnte Malekith ungehindert auf alle Welten zugreifen. Er braucht nun nur noch die Weltenesche erreichen, sodass Ymir diesen heiligen Ort verderben kann…und die Welten werden fallen. Und niemand wird ihn daran hindern können, nicht einmal der Allvater. Keine Macht der Welt könnte das Verderben dann noch aufhalten…« prophezeite Thor. Gwen hatte zu zittern begonnen; obwohl die Luft umher aufgeladen und hitzig erschien, so durchdrangen sie Thors Worte wie ein Schwall eisigen Wassers und noch dazu forderte die Aufregung zuvor ihren Tribut - das Adrenalin ließ nach und die Erschöpfung kehrte übermächtig in ihre Glieder zurück. Unvermittelt spürte sie Lokis kräftige Finger, welche sie an seinen Körper zogen; er hatte seine steife, hoheitliche Haltung nun völlig aufgegeben und einen Arm um sie geschlungen, um ihr die Sicherheit zu schenken, die sie so verzweifelt herbei sehnte. Obwohl sein Augenmerk auf Thor lag und sich seine Miene auch nicht wesentlich gelockert hatte, so entlockte diese Geste Gwen doch ein zaghaftes, flüchtiges Lächeln; einen Funken von Zuversicht unter einem Himmel, der nach Verdammnis und Unheil schrie. »Aber…er hat Yggdrasil noch nicht erreicht, oder?« meldete sich nun der Cap zu Wort. Steve Rogers war näher getreten und suchte in Thors Zügen nach einer Bestätigung. »Malekith ist noch nicht an der Weltenesche angelangt, sonst wären wir wahrscheinlich bereits alle tot, nicht wahr?« Alle Augen richteten sich nun vertrauensvoll auf den Donnergott; hofften verzweifelt auf eine Lösung, einen Plan, den Thor ihnen nun präsentieren sollte. So war es schon immer gewesen - in Zeiten der Not hielten sich die Menschen an dem Glauben zu ihren Göttern fest, die allmächtig im Stande schienen, alles richten zu können. »Das ist nur eine Frage der Zeit…« resümierte Loki trocken und zog eine Braue spöttisch in die Höhe. »Die Verteidigungslinien Yggdrasils sind lächerlich gering im Gegensatz zu Legionen wild entschlossener Dunkelelfen, die, von einem besessenen Herrscher angeführt, wohl gerade in diesen Augenblicken über die Ebenen Yggdrasils voranschreiten. Ymir wird die Mauern einfach beiseite wischen, wenn die Verteidiger keine Unterstützung erhalten. An Unterstützung hast du doch hoffentlich gedacht, Thor…?!« »Genau da liegt das Problem. Und ich fürchte, es ist noch viel schlimmer…« warf Thor fast zaghaft ein und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Sein Blick suchte den seines Bruders und Gwen erkannte Ratlosigkeit und eine unausgesprochene Bitte in den von Sorge umwölkten Augen des Donnergottes. »Hels Legionen begleiten nun Malekiths Truppen. Sie halten bereits Niflheim besetzt und die Zwerge mussten aus ihrer Heimat flüchten. Es ist uns nicht gelungen, sie aufzuhalten…« Scham und der boshafte Wurm des Versagens nagten sichtbar an Thor. Loki stieß ein kurzes, abgehacktes Lachen aus und schüttelte in einer resignierten Geste den Kopf, bevor er seinen Bruder erneut ansah. Er befeuchtete sich die spröden Lippen, bevor er sprach: »Ich hätte nie gedacht, dass es mir einmal so wenig Freude bereiten würde, dir das zu sagen, Bruder, aber…du kannst rein gar nichts tun. Asgard wird fallen. Und mit ihm alle anderen Welten. Du hast versagt.« Entgegen seiner süffisanten Worte konnte Gwen jedoch keine Genugtuung in den klaren Augen des Magiers erkennen; tatsächlich schien sich seine Freude über Thors Hilflosigkeit in Grenzen zu halten. Viel eher gruben sich Linien von unerwarteter Sorge um seine unbewegten Mundwinkel. »Noch ist nicht alles verloren.« begehrte der Donnergott gegen das harte Urteil seines Bruders auf. Er streckte eine Hand aus und ergriff Loki am Arm; nicht grob, nicht zwingend - es war eine sanfte, flehende Geste. »Du musst mit mir nach Asgard zurückkommen, Bruder. Bitte. Wir brauchen dich dort…« Und da war er, der Moment, den Gwen die ganze Zeit über vorausgesehen hatte; Thor erbat Lokis Hilfe und sie hoffte so sehr, dass dieser endlich erkennen konnte, wie wichtig er war - für seinen Bruder, seine Familie, für alle Welten. »Oh, sag bloß, man erfleht wieder einmal meine Hilfe?! Ich bin wirklich fast gerührt und gewissermaßen auch enttäuscht…wie wenig ihr doch selbst zustande bringt.« Die gewohnte Bissigkeit der Silberzunge schlug weniger hart zu als sonst; die Worte kamen fast sanft und resigniert über die Lippen des Magiers, auf denen sich allerdings fast trotzig ein spöttisches Lächeln hielt. Die ehrliche Bitte Thors musste tiefer gedrungen sein, als Loki sich das wohl selbst eingestehen wollte. »Tatsächlich hatte ich andere Pläne für meine neu gewonnene Freiheit, wenn Ragnarök nicht dazwischen gekommen wäre - was die Unfähigkeit einiger Anwesenden verschuldet. Malekith hätte niemals soweit kommen dürfen! Niemals!« fuhr der Magier seinen Bruder an; allein Gwen hielt ihn mit einem sanften Griff am Arm zurück. Thor wich Lokis Blick beschämt aus; seine Züge verhärteten sich unter der Last der Aussichtslosigkeit. »Loki…nicht. Hör auf…« wisperte Gwen und betete, dass ihre Stimme zu ihm durchdringen möge. Es würde niemandem etwas bringen, wenn sie ihre Zeit mit Schuldzuweisungen verbrachten. Sie sah den Magier bittend an, appellierte an seine Einsicht und seinen klugen Verstand. Es wurde Zeit, dass die beiden Brüder das Kriegsbeil endlich begruben, denn sie ahnte, dass es am Ende womöglich an diesen beiden Göttern liegen könnte, ob ihre Welten überlebten oder untergehen würden. Thor und Loki mussten sich endlich auf ihre gemeinsame Geschichte besinnen und ihre Streitigkeiten vergessen; der Donnergott war bereit dazu, das konnte Gwen sehen - doch Loki war wesentlich starrköpfiger als sein Bruder. Der Magier begegnete Gwens Blick verhalten und presste die Lippen aufeinander, bevor er die Augen flüchtig schloss und dann nach einem Schnauben widerstrebend einlenkte: »Gut. Ich werde mit dir zurückkehren, Thor.« Sein Fokus verkeilte sich in den dankbaren, eisblauen Augen seines Bruders und dämpfte dessen Erleichterung wie ein eisiger Wind das Feuer der Sonne. »Aber nicht wegen dir, sondern wegen Asgard.« Loki mochte es leugnen und abstreiten, doch Gwen konnte spüren, dass er sich um seine Welt - seine Heimat - sorgte; man konnte ihm sicher viel vorhalten, doch das Wohl Asgards war ihm nie egal gewesen. »Einen Moment.« mischte sich nun Direktor Fury störrisch ein und schob sich zwischen die beiden Götter, um jene eigensinnig zu trennen. Die umstehenden Agents erkannten die alarmierte Tonlage ihres Vorgesetzten und entsicherten die Waffen erneut. Allein die Avengers tauschten flüchtige Blicke und wirkten eher nachdenklich und unschlüssig, anstatt sich kampfbereit zu machen. Loki entlockte die empörte Art des Menschen ein spöttisches Schmunzeln. »Dein Bruder wird nirgendwo hingehen, Thor. Er ist jetzt ein Gefangener S.H.I.E.L.D.s. Der Allvater hat mir zugesichert-« »Ich weiß, was mein Vater dir versprach.« unterbrach Thor den Direktor entschlossen, jedoch nicht respektlos. »Aber die Dinge haben sich geändert, mein Freund.« Loki schürzte die Lippen in gespieltem Bedauern für Fury. »Und wieder bringt man Euch um Eure Trophäe…das muss wahrlich bitter sein.« säuselte er provozierend und zeigte ein süffisanten Grinsen, welches wie ein Pfeil zielgerichtet in Furys Würde traf. Der Direktor wollte sich mit zornfunkelnden Augen dem Magier zuwenden, wurde aber von Thor aufgehalten, welcher den Menschen an den Schultern ergriff und so zu Blickkontakt zwang; unter den mächtigen Händen des Donnergottes wirkte selbst Furys imposante Erscheinung winzig und spielerisch machtlos. Gwen erwartete fast schon, dass Thor den Direktor schütteln würde, um in seinen verstockten Geist zu dringen. »Ich brauche Lokis Hilfe, sein Wissen und seine Magie. Wir alle werden sie brauchen. Wenn wir jetzt nicht zusammen arbeiten, dann wird es bald nichts mehr geben, für was es sich zu kämpfen lohnt. Mir liegt ebenso viel an Midgard wie euch, das könnt ihr mir glauben. Aber Loki ist jetzt nicht der Feind, meine Freunde. Ich kann ihn euch nicht überlassen. Aber ich kann euch bei meiner Ehre als Ase schwören, dass ich für all sein Handeln und seine Taten Verantwortung übernehmen werde.« Die letzten Worte hatte der Donnergott an alle Anwesenden gerichtet, sprach eindringlich und ernst die Wahrheit aus, die sie im Herzen wohl sowieso bereits empfanden. Loki quittierte die feurige Rede des Donnergottes mit einem geringschätzigen Heben seiner Braue. »Wir müssen jetzt zusammen halten. Es ist keine Zeit für Streitigkeiten und alte Fehden. Wenn wir unsere Welten - unser ganzes Universum - schützen wollen, dann müssen wir alle Seite an Seite stehen. Denn wir alle wollen überleben…« Thors Blick traf eindringlich auf jenen seines Bruders und obwohl Loki störrisch das Kinn hob und ungerührt wirkte, so war es doch ein knappes, zögerliches Nicken, was Gwen aus dem Augenwinkel erspähte, welches der Magier seinem Bruder entgegen brachte. »Ich fürchte fast, Thor hat recht und wir müssen leider auf den Besuch der Eisprinzessin verzichten…« meldete sich Tony Stark unerwartet zu Wort und tauschte einen Blick mit Rogers, der den Erfinder verblüfft anblinzelte. »Auch wenn mir das alles andere als gefällt, wenn ich an das Chaos in New York denke - nicht zu vergessen die Misshandlung meines Towers - so werden wir jetzt wohl jeden Kämpfer brauchen, den wir kriegen können…« Der Ironman stemmte die metallenen Fäuste in die Hüfte. »Und bis auf die kleinen Scherzchen mit Banner und unserem Captain Iglo hat er sich ja auch bei seinem jetzigen Aufenthalt überraschenderweise nichts zu Schulden kommen lassen.« Captain America sah skeptisch zu Stark hinüber und verengte die Augen missbilligend. »Plötzlich so diplomatisch? Es war ja auch nicht Ihr Ruf, den er torpediert hat…« murrte Rogers. »Richtig.« lenkte Ironman ein und wedelte lapidar mit der repulsorglühenden Hand. »Das wäre ja auch kaum möglich gewesen. Mein schlechter Ruf ist gewissermaßen unantastbar. Aber es war wieder mal mein Tower, der gelitten hat.« stellte der Erfinder spitzfindig klar, bevor die Ahnung des bekannten Grinsens von seinen Lippen verschwand und er einen deutlich ernsteren Ton anschlug. »Cap, ich hänge an meinem Leben, entgegen der allgemeinen Annahmen und ich habe bestimmt vor zwei Jahren mein Leben nicht in einer solch selbstmörderischen Aktion für die Rettung der Welt riskiert, um nun dabei zuzusehen, wie irgendein dahergelaufener Dunkelelf unser Universum zerstört. Und ich denke, dass diese Sache ein bisschen zu groß für uns allein sein könnte. Wenn Thor meint, dass er den Operettengeneral braucht, um die Erde zu retten, dann soll er ihn haben. Ich will mir nicht irgendwann vorwerfen lassen, dass ich an der Zerstörung unserer Welten Schuld trug. Selbst im Tod will ich mir das nicht vorhalten lassen…« »Ich vertraue Loki nicht…« mischte sich nun Black Widow in das Gespräch ein und trat mit gezogener Waffe näher an die Seite von Direktor Fury. Die Agentin fixierte den Magier mit einem eisigen Blick, bevor sie mit einer geschmeidigen Bewegung die Waffe in das Holster an ihrer Hüfte zurückschob. »…aber ich vertraue Thor. Und wenn er sagt, dass er Loki braucht, dann glaube ich ihm. Er wird auf seinen Bruder achtgeben.« »Hervorragend. Das hat ja bereits schon einmal so wunderbar geklappt und dieser Verbrecher wurde wohlweislich wieder auf freien Fuß gesetzt…« warf Andrew Preston sarkastisch ein, der mit leisen Schritten näher an Fury herangetreten war und Loki weiterhin wie ein Insekt beäugte, welches es schnellstmöglich zu vernichten galt. »Sir, Sie denken doch nicht wirklich darüber nach, diese Bestie laufen zu lassen…?!« fragte der Agent ungläubig nach, als Fury keine Anstalten machte, diese Aussage zu widerlegen. Der Direktor rührte sich im ersten Moment nicht, sondern fixierte den Magier ebenso argwöhnisch und zerknirscht; seine Intentionen waren wohl andere gewesen, doch das nahe Ende der Welten hatte jegliche Pläne nun völlig durcheinander geworfen. Auch Fury musste wissen, dass er allein machtlos war - das selbst S.H.I.E.L.D. die Erde nicht würde retten können. Allerdings stieß ihm der Gedanke sichtbar bitter auf, dass nun gerade Loki womöglich zu einer ihrer letzten Hoffnungen zählte. Doch fehlende Weitsicht hatte man Fury wohl noch nie vorwerfen können, denn im nächsten Augenblick schob er Thors Hände bestimmt von seinen Schultern und richtete seinen Mantel in einer übertrieben peinlich genauen Geste, bevor er seinen Agents einen Wink gab, sich zurückzuziehen. »Nimm ihn mit, Thor. Und sorge dafür, dass er mir nie wieder unter die Augen tritt, denn das nächste Mal garantiere ich definitiv nicht für seine Unversehrtheit…« »Aber Sir…?!« begehrte Andrew sofort empört auf. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?! Sie wollen das Schicksal aller Welten in die Hände dieses Abschaums legen?« Der Agent war völlig fassungslos; offenbar hatte er sich schon mit seiner Rolle als Lokis Häscher angefreundet. Fury wandte sich in betonter und recht einschüchternder Ruhe zu dem Agent um. »Wenn ich mich recht entsinne, bin ich noch immer Ihr Vorgesetzter. Wollen Sie mein Urteilsvermögen etwa anzweifeln, Agent Preston...!?« grollte der Direktor drohend. Sofort gab Andrew klein bei. »Natürlich nicht, Sir. Aber…« Seinen letzten Trumpf wollte er sich offenbar nicht nehmen lassen. »…was ist mit der Frau?« Andrews Finger deutete auf Gwen, welche sich halb hinter Loki geschoben hatte und bereits der Hoffnung erlegen war, dass man sie womöglich vergessen hätte. Nun öffnete sie den Mund für eine Erwiderung, doch Loki kam ihr zuvor. »Die Frau…« sprach der Magier in furchteinflößender Bestimmtheit. »…wird mit mir kommen. Sie wird mit nach Asgard reisen.« Der Gott drückte Gwen in einer recht besitzergreifenden Geste erneut an seine Seite; dass er sie in diesem Moment wie ein Objekt ohne eigenen Willen behandelte, stieß ihr zwar sauer auf, doch sie ließ ihn gewähren - in dieser Situation würde sie sich eher auf Lokis Überzeugungskraft verlassen, als sich selbst gegen Fury behaupten zu müssen. Der Direktor sah offenbar sein letztes Ass im Wind davonflattern und wandte sich an den Donnergott. »Die Frau gehört zu meinem Zuständigkeitsbereich, Thor. Du kannst Loki haben, aber Miss Lewis wird hier bleiben. Sie ist ein Mensch und hat rein gar nichts mit Asgard zu tun.« stellte der Direktor fast ein wenig zu schnell klar; eine seltsame Unruhe schimmerte in seinem Auge, als er einen Blick mit Andrew tauschte. »Das ist noch nicht zu hundert Prozent sicher.« warf Loki lapidar ein. »Und das wisst Ihr wahrscheinlich genauso gut wie ich…« stellte er listig fest und durchbohrte den S.H.I.E.L.D. Chef förmlich mit einem eisern scharfen Blick. Thor runzelte die Stirn und musterte die Anwesenden verunsichert, bevor er Loki fragte: »Was hast du denn über sie herausgefunden, Bruder?« Statt einer Antwort zog der Magier ein bekanntes Foto aus den Falten seines Mantels und reichte dieses zu Thor hinüber; eine Bewegung, die Andrew erbleichen ließ. Hektisch tastete der Agent seine Jackentaschen ab, nur um zu erkennen, dass Loki offenbar nicht nur eine geschickte Zunge hatte. »Das ist Beweismaterial der Regierung!« Sein Blick kreuzte wütend den des Gottes, dessen Lippen sich unbeeindruckt in die Höhe kräuselten. Thor hielt den Agent mit ausgestreckter Hand auf Abstand und bremste ihn so in seinem pflichtbewussten Eifer, dann nahm er das Bildnis zögerlich entgegen und betrachtete die Fotografie irritiert. Zuerst umwölkte Unverständnis seine Augen, bis ihm ein Licht aufzugehen schien und er die losen Puzzleteile für sich zusammenfügte. Sein Blick schnellte nach oben und erfasste Gwen, die unter der ungewohnten Aufmerksamkeit deutlich in sich zusammenschrumpfte. »Ist das-« »-Gwendolyn?« beendete Loki Thors verblüffte Frage, bevor er knapp nickte. »Das ist sie. Kurz nach ihrer Ankunft auf Midgard.« Thor schüttelte leicht den Kopf, bevor er sich die Schläfe rieb, als hätte er plötzlich Kopfschmerzen. Seine Stirn legte sich in Falten, während er abermals auf das Foto sah und die charakteristischen, unverkennbaren Linien des Bifröst eingehen studierte. »Aber das…das ist doch-« »-nicht möglich?!« führte der Magier abermals den Satz seines Bruders zu Ende und tätigte einen tiefen, angespannten Atemzug, bevor sich sein scharfer Blick gen Himmel richtete. »Das dachte ich auch. Offenbar wird uns da jemand in Asgard Rede und Antwort stehen müssen…« bemerkte Loki mit entschlossen zusammengezogenen Brauen. »Aber…sie…sie ist doch ein Mensch.« Thor war sichtbar verunsichert, sah zwischen Gwen und dem Magier hin und her, bis er sein Wort an sie richtete. »Du willst wissen, wo du herkommst, oder…?« formulierte er die Gewissheit in einer rücksichtsvollen Frage. Gwen zögerte nur einen winzigen Augenblick, bevor sie nickte; abermals hatte sie das Gefühl, an einem Wendepunkt ihres Lebens zu stehen, kurz davor, ein Geheimnis aufzudecken, von dem sie immer noch nicht wusste, wohin es sie führen würde. Doch sie hatte sich entschieden - sie wollte die Wahrheit wissen. Sie musste sie einfach erfahren. Sie konnte nicht länger in Unwissenheit dämmern. »Bisher wusste ich nur, dass ich adoptiert bin. Aber nicht, dass ich…das…« Ihr versagten die Worte und sie senkte den Blick, rieb sich erschöpft über die Wangen, bevor sie den Donnergott wieder ansah. »Ja, ich will wissen, wo ich herkomme. Ich muss wissen, wer ich bin.« Thor musterte sie eindringlich und reichte Loki das Foto zurück, dann nickte er. »Das werden wir herausfinden, Gwendolyn. Das verspreche ich dir. Du kehrst mit uns nach Asgard zurück.« sprach er bestimmt, letzte Worte untermauert von Entschlossenheit, die auf Andrew abzielten, der bereits Atem für einen Einwand geschöpft hatte. Doch Thors harter Gletscherblick brachte ihn zum Schweigen. »Das geht nicht. Ich brauche sie, Thor…« meinte Fury fast beschwörend und ergriff Thor am Arm, um sich dessen Aufmerksamkeit zu sichern. »Ich weiß nicht, welche Angriffe der Erde noch bevorstehen werden und unsere Möglichkeiten der Verteidigung sind bei weitem nicht so ausgereift wie eure. Wir sind nicht Asgard. Wie soll ich meine Welt beschützen mit nichts weiter als leeren Händen und lächerlichen Spielzeugen? Dein Bruder hat uns sehr erschreckend demonstriert, wie winzig und hilflos wir gegenüber einer fremden Macht noch sind. Diese Frau…« Sein Auge richtete sich auf Gwen. »…hat Kräfte, die uns sehr hilfreich sein könnten. Ich muss darauf bestehen, dass sie hier bleibt.« »Mein Freund, ich kann sie dir nicht überlassen.« widersprach Thor sanft, aber bestimmt. Er drückte dem Direktor in einer verständnisvollen Geste die Schulter. »Ich weiß um deine Sorge und kann sie vollkommen nachempfinden. Doch Gwendolyn Lewis spielt in dieser Angelegenheit womöglich eine weitaus größere Rolle, als wir im Moment zu erfassen vermögen. Außerdem ist sie kein Gegenstand, den man beliebig herumreichen kann. Sie ist ein Lebewesen. Sie wird mit mir gehen, denn wenn sie wirklich aus Asgard stammt, dann ist sie ein Teil meines Volkes, Nicholas. Der Allvater besteht auf ihre unversehrte Rückkehr. Im Gegenzug versichere ich euch jede mögliche Unterstützung und Schutz für Midgard.« Fury wollte etwas erwidern, doch im letzten Augenblick schloss er den Mund wieder und nickte knapp; die Begegnung mit Odin schien bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben und der Direktor selbst war klug genug um zu wissen, dass er das Bündnis mit Asgard noch benötigen würde - klug genug zu wissen, dass Odin immer den längeren Arm haben würde. Obwohl es albern war, so tat er Gwen in diesem Moment doch irgendwie leid. Dieser Mann war so entschlossen für seine Welt zu kämpfen, wollte nur das Beste für sie und musste nun immer mehr mit dem schlimmsten rechnen, während ihm nach und nach alle Waffen entwendet wurden. »Aber du wirst nicht mit uns kämpfen…« resümierte Agent Romanoff trocken an Thor und mit jenem Hauch von Hoffnungslosigkeit in der Stimme, welche ihrer stolzen Gestalt merklich die Kraft raubte. Auch die Augen der restlichen Avengers richteten sich auf den Donnergott; er versicherte Unterstützung, doch sich schloss er offenbar aus dieser Gleichung aus. Die Gruppe würde nicht wieder vereint in den Kampf ziehen. »Nein, ich kann in dieser Schlacht nicht bei euch sein. Mein Platz ist in Asgard, in meiner Heimat, an der Front.« erklärte Thor geständig. Ihm fiel es sichtlich schwer, seine Kampfgefährten aus vergangenen Tagen allein zu lassen; er war einfach ein ehrbarer Geist. »Doch mit ein wenig Glück können wir die Wogen des Kampfes möglicherweise vor Midgard abfangen und eure Welt wird weitestgehend verschont bleiben. Die Menschen sind dieser Schlacht nicht gewachsen und Asgard ist bereit, erneut als Hüter zu fungieren. Lasst uns hoffen, dass die Schilde und Schwerter unserer Truppen stark sein werden, denn wenn nicht…« Die letzten Worte ließ er ungesagt, doch es war auch nicht nötig, sie zu sprechen, denn jeder von ihnen wusste, dass sie am Ende alle zusammen untergehen würden. Wenn Asgards Linien nicht standhalten sollten, dann würde auch Midgard nichts retten können. Captain America war der Erste, der sich wieder bewegte; entschlossen ging er auf Thor zu und reichte ihm die Hand zu einem festen und kameradschaftlichen Händedruck. »Viel Glück, mein Freund.« Er drückte den Gott flüchtig an sich und entließ ihn dann aus seiner Umarmung. »Ihr solltet jetzt gehen…und unsere Welt retten.« meinte Rogers mit einem wagemutigen Lächeln. »Angel muss mit uns kommen…« erinnerte Gwen Loki und hob störrisch das Kinn, während sie unerschrocken Direktor Furys Blick begegnete. Sie würde ihren Hund nicht in den Händen von S.H.I.E.L.D. zurücklassen. »Ich will, dass mein Hund uns begleitet.« Einen Augenblick lang hatte sie tatsächlich erwogen, ihn auf der Erde als Schutz für ihre Eltern zu lassen, doch ihr Gefühl sagte ihr, dass sie Fenrir womöglich noch brauchen könnten - jeder Kämpfer konnte in dieser unsicheren Zeit wichtig sein. »Angel?!« Thor hob verwirrt die Brauen an. »Fenrir.« erklärte Loki trocken und erntete dafür von Thor ein verblüfftes Keuchen, was den Magier verhalten schmunzeln ließ. »F-fenrir?!« stotterte der Donnergott ungewohnt entgeistert und weitete die Augen; die fast kindliche Ungläubigkeit in seinem Gesicht vertrieb für einen Moment die Schatten der Sorge. »Was?! Aber wie…?!« »Du hast einiges verpasst, Thor.« bemerkte der Magier gelassen und klopfte sich in gelangweilter Würde den Schnee von den Lagen seines Mantels, bevor er seinen Bruder auffordernd ansah. »Ich glaube, die Zeit ist recht knapp bemessen. Können wir endlich gehen und die Feinheiten später klären?« »Moment…« hielt Thor ihn an der Schulter auf, als der Magier sich schon an ihm vorbeischieben wollte und beugte sich näher zu seinem Bruder, um eindringlich zu fragen: »...was ist mit Garm? Ich kann Gwendolyn nicht nach Asgard bringen, wenn die Gefahr besteht-« Loki schob die Hand seines Bruders demonstrativ von seiner Schulter und bedachte ihn mit einem herablassenden Blick, der selbst seiner geschundenen Gestalt etwas Scharfes verlieh, wie der Glanz einer Klinge im Fackelschein. »Garm ist keine Bedrohung mehr. Dieses Problem soll nicht deine Sorge sein, Thor.« »Wessen Problem ist er dann…?« fragte der Donnergott argwöhnisch nach; er kannte seinen Bruder wohl einfach zu gut, um allein von einer günstigen Fügung des Schicksals auszugehen. Das Lächeln des Magiers war unheimlich in seiner Durchtriebenheit. »Das der Jotunen.« erklärte er vage und ließ Thor damit stehen, um Andrew mit einer herrischen Geste den Weg zum Black Hawk zu weisen. »Der Hund der Lady, wenn ich bitten darf?! Unsere Zeit ist begrenzt. Und eure damit auch.« Andrew presste die Kiefer aufeinander und schien mühsam den Drang zurückzuhalten, seine Waffe auf das selbstgerechte Grinsen des Magiers zu richten; Fury wies den Agent mit einem knappen Nicken dazu an, der Forderung des Gottes Folge zu leisten. Zerknirscht wandte sich Andrew auf dem Absatz um und eilte mit zwei weiteren Agents zum Helikopter, um den betäubten Hund zu holen. Thor hatte Gwen inzwischen zu sich heran gewunken; sie war ihm gefolgt und hatte damit zwischen den beiden ungleichen Brüdern Stellung bezogen. Angespannt sah sie zum Himmel hinauf, während der heulende Wind ihr wirre Strähnen in die Augen trieb; über ihnen wirbelten die düsteren Wolken einem Strudel gleich um ihr eigenes Zentrum, vermischten das dreckige Rot von Rost und Blut mit dem tiefen Grau eines stürmischen Wintertages. Noch immer zuckten geästelte Blitze durch die Wolkenberge, tauchten die Umgebung in geisterhaftes Licht, ähnlich einer flammenden Hölle, welche Asche und Pein spuckte. Ein einsam verbliebener Vogel löste sich mit wilden Flügelschlägen aus dem Dickicht einer Tanne; ein Geräusch wie schnarrende Knochen, wie brechendes Gebein unter der Last der Zeit - sein Schrei klang hohl und dumpf in der stickigen Luft, ein klagender Laut nach seinen Gefährten. Gwen fröstelte, während sie in den Himmel sah, der wie eine frische Wunde in das Firmament der Erde geschlagen wurde. Würden sie diesem Sturm aus Finsternis trotzen können, der sich am Horizont zusammenballte oder würden sie alle gemeinsam herabgerissen werden von der Welle aus Boshaftigkeit, welche das Leben selbst zu vernichten gedachte? Eine kribbelnde Unruhe erfasste Gwen, eine bohrende Aufregung, die sie tief Atem holen ließ, um schlussendlich die Arme in einer Halt suchenden Geste um sich selbst zu schlingen. Die Agents brachten Angel, der noch immer leicht benebelt, doch offensichtlich schon wieder bei Bewusstsein war; Thor nahm den Hund vorsichtig auf die Arme, als wäre dieser einer der kostbarsten Schätze, die er jemals trug. Loki musste über die Ehrfurcht des Donnergottes schmunzeln. Gwens Blick senkte sich und sie wischte sich die wirbelnden Haarsträhnen aus dem Gesichtsfeld, während sie die Reihen der Menschen vor sich überflog; in jedem Gesicht konnte sie das gleiche Unbehagen erkennen, welches auch ihr Innerstes in Aufruhr versetzte. Niemals zuvor hat sich die Menschheit einer solchen übermächtigen Bedrohung entgegen gesehen - einer Bedrohung, der selbst Asgard mit all seiner Macht beinahe hilflos begegnen musste. Würde das nun das Ende sein? Die letzte Seite in einer Chronik, die wohl niemand mehr lesen würde…? Wäre es so einfach, jede Existenz hinfort zu wischen wie Staubflocken vom alterstarren Ledereinband eines Buches - wären sie alle bald nichts weiter als blasse Erinnerungsfetzen, die sich in der Unendlichkeit des Alls verlieren würden? Mit einem Mal waren sie alle gleich; ob nun Gott oder Sterblicher, Soldat oder Agent, Millionär, Wissenschaftler oder Journalist - es gab keine Grenze mehr zwischen ihnen, den sie alle waren vereint im Kampf um dasselbe: das Leben selbst. Und in jedem Augenpaar konnte sie diese gewaltige Erkenntnis aufblühen sehen, als die Sterblichen der Erde die beiden Götter beobachteten, die so unterschiedlich waren wie Tag und Nacht und nun doch das Einzige schienen, was sie vielleicht noch retten konnte. Ein seltsames Empfinden entfaltete sich in ihrer Brust wie die Blätter einer nachtblühenden Orchidee, deren Schönheit sich erst unter den richtigem Umständen zeigte - Kummer machte sich in ihr breit; eine eigenartige Trauer, wie sie eine Mutter wohl empfand, die auf ihre Kinder sah und ahnte, dass einige von ihnen niemals aus der Schlacht heimkehren würden, in die sie zu reiten gedachten… Während Gwen gebannt in die Gesichter der Anwesenden sah, fasste ihre Hand zu dem Medaillon, welches sie fast schon vergessen unter ihrer Kleidung um den Hals trug; es schien sich erwärmt zu haben und ruhte mit einem sanften Summen wie ein Weckruf auf der Haut. Ein Gefühl von Dringlichkeit erklomm ihr Herz und ließ sie unvermittelt den Arm austrecken, um Thor aufzuhalten, als dieser schon nach Heimdall rufen wollte. »Warte…« bat sie ernst; die beiden Brüder warfen sich fragende Blicke zu, als Gwen Anstalten machte, sich von ihnen zu entfernen. »Gwen…« zischte Loki in ihrem Rücken. »…wir haben keine Zeit zu verlieren.« Er versuchte sie am Arm zurückzuhalten. Sie wusste selbst um die Dringlichkeit ihrer Abreise, doch irgendetwas war noch zu tun…irgendetwas noch zu erledigen… Sie wandte sich aus dem Griff des Gottes und stolperte ungeschickt nach vorn, ihr Blick so seltsam fokusiert, ihr ganzer Körper wie ein Anker, der von einer unsichtbaren Macht eingeholt wurde; sie konnte sich diesem Zwang nicht entziehen - diesem Hauch von Schicksal, welcher sie die Finger fester um das kostbare Medaillon klammern ließ. »Gwen…?!« Thors ratlose Stimme rückte in den Hintergrund. Das Blut begann ihr in den Ohren zu rauschen, während ihre Beine sie unentwegt vorwärts trieben und ihr Sichtfeld von schimmernden Schlieren begrenzt und eingeengt wurde. Die Menschen verschwommen zu gesichtslosen Umrissen, bis nur einer blieb, den sie erkennen konnte. Nur einer… Das Medaillon auf ihrer Brust klopfte im Rhythmus ihres Herzens; ein Takt, der nur ein Wort zu kennen schien. Schicksal. Gwen bemerkte nicht, wie die Agents irritiert und wachsam ihre Waffen wieder hoben und auf sie richteten; sie bemerkte nicht, wie Captain America die Hand auf seiner Brust bettete, wo unter dem Anzug ein silbernes Kreuz von seiner Haut gewärmt wurde. Auch bemerkte sie nicht, wie Loki seinen Bruder mit einem kaum wahrnehmbaren Kopfschütteln zurückhielt, als Thor ihr unsicher nachfolgen wollte. »Warte…« wisperte der Magier mit einem wissenden Lächeln, seine Augen von Faszination erfüllt. Sie sah nicht, dass sich ihre Gestalt verändert hatte; ihre Augen waren nicht mehr die ihren - ein Sternenmeer, ein Lichterkranz, aus dem die Unendlichkeit des Kosmos auf die ehrfürchtigen Blicke antwortete. Ihre Stiefel trafen nicht mehr auf den Schnee, viel mehr schien ihre Gestalt über die aufgewirbelten Flocken zu schweben, als wäre sie schwerelos wie eine Feder - hin zu dem Mann, dessen Gesicht sie als einziges zwischen dem pulsierenden Glanz umher noch erkennen konnte. Die Welt umher verblasste. Das Unheil verschwand. Das Wissen um die Hoffnung blieb. Nicholas Fury betrachtete Gwen mit einer Mischung aus Argwohn und Bezauberung; zu lang ein Wissender um die Welten dort draußen, um die Dinge zwischen Raum und Zeit, die Thor und Loki ihnen vor nunmehr zwei Jahren gezeigt hatten. Der Direktor hob die Hand in einem abwehrenden Wink, als sich einer seiner Agents schützend vor ihm platzieren wollte. »Dieses Amulett gehörte einst der Legende nach dem ersten König der Asen; ein Krieger, der durch flinken Verstand und geschickte Taten sein Volk in den Anfängen der Zeit vor allem Übel beschützte und Ordnung in das Chaos brachte. Er führte eine Gruppe von Kämpfern an, die seine Hände und Waffen waren…« Lokis Worte hallten in Gwens Erinnerung wieder. Und mit einem Mal war alles so klar - wie ein neuer Morgen hinter dem schwindenden Nebel der regnerischen Nacht. So logisch, dass es niemals anders hätte sein können… Gwens sternenbleiche Hand zog das Amulett Yggdrasils unter den Lagen von Stoff hervor und hob die Kette über ihren Kopf. Einen Moment noch barg sie das kostbare, gewärmte Metall in ihren Fingern, bevor sie es Direktor Fury in der hohlen Hand wie eine Opfergabe darbot. Selbst ihre Zunge war nicht mehr die ihre; als hätte eine fremde Macht Besitz von ihr ergriffen, perlte ihre Stimme hell und klar wie ein Regenschauer von ihren sicheren Lippen. Die Worte kamen von selbst, als wären sie ein Quell, den es an die Oberfläche drängte: »Ein Geschenk, einäugiger König, für dich bestimmt. Sehe mehr, als es sterbliche Augen vermögen, denn bald wird dein Auge nicht mehr ausreichen, hinter die Schatten zu sehen…« Fury zögerte nur einen kurzen Augenblick, dann nahm er das Amulett mit gefurchter Stirn vorsichtig aus ihrer Hand und ließ es im heißen Wind einen Moment unsicher vor seinem ernsten Gesicht schwingen, bevor er es mit einer entschlossenen Geste um seinen Hals legte. Das Metall funkelte in kühlem Silber wie das gefallene Stück eines Sternes auf dem dunklen Leder seines Mantels; ein Fragment aus einer anderen Welt, einer anderen Zeit - etwas Wirkliches zwischen den heulenden Böen der stöhnenden Erde. Ihre Blicke trafen sich und der Direktor von S.H.I.E.L.D. fühlte den Sog des Schicksals, wie Gwen den Nachhall in ihrem Blut. »Danke.« raunte Nicholas Fury in seltener Ehrfurcht, barg das magische Amulett schützend an seiner Brust. Gwen verließ der eigenartige Zauber so schnell wie er gekommen war; ihre Knie wurden weich und die Welt kippte unvermittelt zur Seite, als sie ihr Gleichgewichtssinn im Stich ließ. Allein zwei vertraute Arme bewahrten sie vor dem harten Los des schneebedeckten, kalten Bodens, indem diese sie an eine sehnige, lederbedeckte Brust hoben. Ihre Augen klärten sich und sie konnte Lokis durchaus besorgtes Gesicht über sich erkennen; die Schwingen seiner Brauen spannten einen bedrohlich düsteren Bogen über seinen schimmernden Augen. »Was hast du jetzt schon wieder angestellt, Frau…?« raunte er in resigniertem Tadel. Gwens Blick ruckte zu Fury zurück, ihre Stimme ein schwaches Krächzen, so anders als der glockenhelle Singsang zuvor. »Meine Eltern. Beschützt meine Eltern…bitte…« Dann triftet ihr Geist in die warme Umarmung einer kurzzeitigen Bewusstlosigkeit. * Loki krachte gegen Heimdall wie das brodelnde Meer gegen die Klippe einer Landzunge. Kaum war die kleine Gruppe aus dem Sog des Bifröst getreten, schwang der Magier herum und donnerte dem goldenen Wächter das stumpfe Ende seines Zepters gegen die breite Brust. Heimdall überragte den hochgewachsenen Loki um noch gut einen ganzen Kopf und kräftiger war er allemal als der schlanke Magier, allerdings war dem Prinzen in diesem Moment die Überraschung zu Diensten - der Wächter taumelte verblüfft zurück, weil er nicht mit einem Angriff gerechnet hatte und ließ sein breites Schwert in der goldenen Narbe des Bifröst stecken, sodass jenes beharrliche Surren der Weltenbrücke wie eine Horde wilder Hornissen in den Ohren dröhnte. Doch selbst durch dieses Tosen war Lokis Stimme wie das angriffslustige Knurren eines Wolfes zu vernehmen, der sich seinem erwählten Opfer mit blitzenden Augen entgegen stellte. Von dem erst kürzlich zurückliegendem Kampf mit den Avengers war kaum noch etwas zu sehen, als wäre jener bereits seit Stunden Vergangenheit; nur ein paar einsame Streifen Blut auf Lokis blassen Zügen und ein feiner Schnitt über dessen Braue zeugten noch von der Auseinandersetzung mit den Menschen, wie auch die zerschundene Rüstung - fast wirkte es, als würde ihm die Rückkehr in das magische Reich Asgards den nötigen Energieschub verschaffen, um sich selbst zu heilen. »Du hast es gewusst, Wächter! Du hast es die ganze Zeit gewusst. Du hättest uns diese Suche ersparen können. Warum hast du gelogen?« Als Nachdruck ruckte die goldene Kante des Zepters höher und kollidierte mit Heimdalls Kinn; der Wächter verengte die Augen in mühsam unterdrückten Zorn. Offenbar war es ihm mehr als eine Schmach, erneut von Loki überwältigt zu werden, nachdem dieser ihn bereits einmal genarrt hatte, indem er Feinde ungesehen nach Asgard schmuggeln konnte. »Sprich rasch, Heimdall oder weißt du nicht, dass es Verrat gleich kommt, denn Allvater zu belügen?!« presste der Magier ungehalten und voller Wut hervor. Gwen, die sich langsam von ihrer Ohnmacht erholt hatte, war mit Thor in einigem Abstand völlig verblüfft stehen geblieben, da Loki sich so plötzlich und unerwartet aus ihrer Reihe gelöst hatte; nun überbrückte der Donnergott die wenigen Schritte zu den beiden Männern beinahe fliegend und riss seinen Bruder an der Schulter zurück. »Loki, hör auf! Bist du des Wahnsinns?! Zügle dich, verdammt nochmal! Ich kann jetzt keinen Streit gebrauchen!« Das Metall des Zepters glitt mit einem hellen Schaben an Heimdalls Brustrüstung herab; ein beinahe klagendes Geräusch, als würde sich ein Weib von ihrem Liebsten verabschieden, bevor der Magier seine Waffe widerstrebend sinken ließ und die Zähne unzufrieden zusammenbiss. »Wenn er hinter dem Rücken des Allvaters intrigiert, so ist er eine Gefahr für ganz Asgard. Wer weiß, wie lange diese undichte Stelle im schützenden Gefüge des Allvaters bereits besteht…solch einen Wächter kann sich ein Herrscher nicht leisten.« schleuderte Loki Thor mit flammender Überzeugung entgegen, dessen Blick einen Funken von Unsicherheit erkennen ließ - einen Funken, der den sichtlich irritierten Heimdall ins Auge fasste. »Worum auch immer es gehen mag…« begann der Wächter vorsichtig und seine goldglühenden Augen senkten sich auf Loki. »…bist du sicher, dass du nicht von dir sprichst, Silberzunge? Denn es überrascht mich, dass gerade du dich über undichte Stellen in Odins Gefolgschaft beschwerst, über Intrigen und Lügen empörst…« sprach der dunkelhäutige Hüne warnend. Lokis Züge verhärteten sich zu einer eisigen Maske und nur Thor hinderte ihn offenbar daran, sich erneut auf Heimdall zu stürzen. »Ob Schuld oder Unschuld, es steht dir nicht zu, ein Urteil zu fällen, Loki. Dies wird Vater tun.« wies der Donnergott seinen Bruder grollend zurecht und bettete seine große Hand beschwichtigend auf den blassen Fingern des Magiers, welche das Zepter des Tesserakts noch immer angespannt umklammert hielten. Heimdall rieb sich das geschundene Kinn und fasste die beiden Brüder ins Licht seiner allsehenden Augen, die nun auf eine verwirrte, allerdings auch durchaus ungehaltene Weise verengt waren. Er bewegte sich vorsichtig, doch bestimmt, als wolle er keinen von Odins Söhnen zu einer überstürzten Handlung herausfordern, zu seinem Schwert hinüber, um dieses unter wachsamen Augen aus der Verankerung zu ziehen, bevor der Bifröst am Ende noch Midgard zersprengen würde, wie es einst Jotunheim gedroht hatte. Gwen fiel auf, dass auch Thor seltsam angespannt war; seine Hand ruhte an Mjölnirs Griff - eine Warnung, keine Drohung. Lokis Worte mussten sein Misstrauen geweckt haben. »Dürfte ich vielleicht erfahren, welches Verbrechens ihr mich beschuldigt, damit ich mich verteidigen kann, bevor mir die Axt vorschnell meinen Kopf raubt?« verlangte der Wächter in stoischer Ruhe zu wissen, als er sein breites Schwert vorsichtig vor sich auf dem Podest bettete und dann mit leeren Händen einige Schritte rückwärts trat. Er zeigte seine Kooperationsbereitschaft an und würde sich keinem Urteil entziehen; allerdings wirkte er auch nicht sonderlich schuldgeständig oder reumütig, eher wie ein Mann, der wusste, dass die Wahrheit auf seiner Seite war und die sich über kurz oder lang auch zeigen würde. Thor fischte das bekannte Foto aus einer Tasche unter seinem Umhang hervor und trat nach einem knappen Blickwechsel mit Loki zu Heimdall hinüber, um dem Wächter das Bildnis zu übergeben. Der nahm die Fotografie vorsichtig an sich und blickte mit wachen Augen darauf; seine Stirn runzelte sich leicht in Unverständnis, doch sonst war nichts aus seinen dunklen Zügen zu lesen - kein verdächtiges Zusammenzucken, kein angespannter Mundwinkel, kein verräterischer Seitenblick. Heimdall sah wieder auf und begegnete Thors Blick unbeirrt. »Sag, Odinson, was ist das?« erbat er in respektvollem Ton eine Antwort. Der Donnergott wirkte verunsichert und gar nicht mehr so überzeugt von Heimdalls Schuld, während Loki die Luft missbilligend in einem scharfen Zischen ausstieß. »Wer, glaubst du, soll dir deine Unwissenheit abkaufen, Wächter?« spottete der Magier gefährlich. »Du bist der Meister der Listen und Lügen, Loki. Sag du es mir.« hielt Heimdall herausfordernd dagegen und bekam daraufhin den schneidenden Blick des Magiers zu spüren. Gwen kaufte Heimdall seine Ratlosigkeit durchaus ab; dieser Mann mochte vieles sein, doch er war definitiv kein Lügner, Eidbrecher oder Verräter. Seine Verwirrung war echt, obwohl ein geringer Teil von ihr gehoffte hatte, dass es nicht so wäre - Heimdall war das fehlende Verbindungsstück zu ihrer Vergangenheit gewesen, zumindest hatte alles darauf hingedeutet. Doch letztendlich war er wohl auch nichts anderes als ein weiteres Puzzleteil in diesem zähen und hartnäckigen Rätsel um ihre Herkunft. Nur wusste sie nun nicht, ob sie Erleichterung oder Frustration über diese Tatsache empfinden sollte… Angel schmiegte sich noch leicht benommen an ihren Schenkel und Gwen nahm die Geste und Zuneigung des Hundes willkommen auf; ihre Finger vergruben sich in seinem weichen Fell. Thor ließ Mjölnir sinken und hängte den Hammer zurück an die Halterung an seinem Gürtel. Gwen gestattete sich damit einen kleinen, erleichterten Atemzug; nicht auszudenken, wenn die Brüder und der Wächter aufeinander losgegangen wären. Asgard hat so viele Feinde, da muss es nicht noch Misstrauen und Feindseligkeit von innen heraus zerfressen. »Das Bild zeigt Gwendolyn Lewis als Neugeborenes auf der Erde. Jene Sterbliche, von der du felsenfest behauptet hast, dass du sie auf Midgard bis zu ihrer Ankunft hier in Asgard nie gesehen hättest…« erklärte Thor dem Wächter dann entgegenkommend, wobei er Heimdall allerdings nicht aus den Augen ließ. Die vielen Ungereimtheiten der Geschichte konnte man nicht einfach unter den Teppich kehren wie längst vergessene Scherben einer Vase und Thors Stimme ließ vermuten, dass er trotz seiner Freundschaft und dem langjährigen Vertrauen Zweifel an Heimdalls Unschuld bei dieser Sache hegte. Seine Worte klangen scharf und klar wie die Klinge eines wahren Herrschers, der sich seiner Pflicht bewusst war, nötige Urteile zu fällen. »Du wirst die Prägungen des Bifröst wohl erkannt haben, Heimdall. Ich frage mich, wer sie nach Midgard hinabgeschickt haben könnte, wenn nicht du? Muss ich damit die Vermutung anstellen, dass du deinen Posten unwissentlich vom Allvater verlassen hast?« Heimdall ließ das Foto langsam sinken. »Du willst mir Eidbruch unterstellen, Thor Odinson.« tönte seine klare Stimme durch die Kuppel des Bifröst, wispernden Nachhall unter dem goldenen Firmament ziehend, einer Anklage gleich in der kühlen Feststellung. Nachdem das Portal des Bifröst geschlossen wurde, war es eigenartig still geworden. Nur das Rauschen und Platschen der Wellen drang herein, da sich das Meer unermüdlich wie eh und je gegen die Säulen der Regenbogenbrücke warf. Der Tag musste hier bereits deutlich fortgeschritten sein, da diffuses Dämmerlicht den bogenförmigen Durchgang ausfüllte, durch den man die Kuppel verlassen konnte. »Nein, Heimdall. Ich will Antworten. Ich will die Wahrheit. Ich muss wissen, wer dieses Mädchen ist und welche Rolle sie für uns spielen wird.« erklärte der Donnergott und schöpfte tief nach Atem. »Du bist mir ein Freund, seit vielen Jahren schon. Ich will nicht glauben, dass du etwas vor uns verbirgst, denn ich vertraue dir.« Die blauen Augen Thors funkelten in einer unausgesprochenen Bitte, in einem Flehen um die Unschuld des Wächters und das alle Anzeichen eines Verrates Täuschung sein mochten. »Doch du musst zugeben, dass diese Sache äußerst seltsam ist.« Der Donnergott wusste, dass die Mauern Asgards zu bröckeln begannen; er wusste, dass ein Fall seines Reiches keine ferne und vage Illusion mehr war, derer ein Feind sich des Nachts bei gewisperten Plänen bedienen mochte - Asgard war bedroht und das von einer sehr realen Macht. Jeder Streiter - jeder Verbündete - war nun wichtig und gerade ein mächtiger Wächter wie Heimdall ein unabdingbarer Gleichgesinnter, auf den Thor nicht verzichten konnte und wollte. Der Blick des Wächters legte sich auf Gwen, die sich unter dem Licht seiner goldenen Augen klein und schuldig fühlte, immerhin war sie der Grund für diese Anschuldigungen gegen ihn. »Ich habe niemals ein sterbliches Neugeborenes nach Midgard hinabgeschickt.« verkündete er dann sicher und drückte Thor das Foto wieder in die Hand, bevor er den Donnergott fest ansah. »Das schwöre ich, bei meiner Ehre und dem Leben des Allvaters. Möge mich das Schicksal der Gerechtigkeit zuführen, sollte ich lügen, doch - bei den Nornen - das tue ich nicht. Die Zeichen mögen gegen mich deuten, doch ich verließ meinen Posten nie, außer der Allvater verlangte es ausdrücklich. Ich kenne dieses Kind nicht und jetzt weiß ich noch immer nicht mehr, wer dieses Mädchen ist, als zum ersten Mal, da ich sie sah. Das ist die Wahrheit, Thor.« Der Donnergott studierte das Gesicht des Wächters für einige Momente wortlos und gewissenhaft, bevor er dem dunkelhäutigen Hünen eine schwere Hand auf die goldgeschützte Schulter legte. »Ich glaube dir…« verkündete er mit einem weichen Nicken, dann wandte er sich zu seinem Bruder um, der unzufrieden die Arme vor der Brust verschränkt hielt. Lokis Blick wirkte weniger freundlich und entgegenkommend als Thors, doch war das Zepter des Tesserakts aus seinen Fingern verschwunden, was zumindest eine gewisse Bereitschaft vermittelte, diese Angelegenheit nicht jetzt und hier bis aufs Blut klären zu wollen. »Du vertraust zu leichtfertig, Thor…noch immer…« resümierte er befremdet, während er seinen Bruder auf eine Weise ansah, die deutlich machte, dass er Thor noch immer für ein zu groß geratenes Kind hielt, dem man unüberlegt einen Thron unter den Hintern geschoben hatte. »Die Frage bleibt, selbst wenn er die Wahrheit sprechen sollte - wenn er Gwendolyn nicht nach Midgard geschickt hat, wer war es dann? Und wie konnte dieser gesichtslose Unbekannte dies ohne Heimdalls Wissen bewerkstelligen?« warf Lokis scharfe Zunge neuerliche Fragen auf. »Vielleicht sollten wir uns lieber auf diese Fragen konzentrieren, als meine Worte in Frage zu stellen.« schlug Heimdall vor. »Du kannst Lüge und Wahrheit wie kein anderer voneinander unterscheiden, Loki. Sag, lüge ich?« verlangte er zu wissen und breitete die Arme in einer offenbarenden, ergebenen Geste aus. Der Magier presste die Zähne mürrisch aufeinander und versteifte sich in seiner hochmütigen Haltung, bevor er die Brauen missmutig zusammenzog und gepresst antwortete: »Nicht einmal ich würde so anmaßend sein, in deinen Worten eine Lüge erkennen zu wollen. Du besitzt die Stimme der Wahrheit. Du könntest uns beinahe alles glauben machen, was du willst.« »Das könnte ich…genau wie du, Silberzunge.« erinnerte Heimdall. »Aber ich tue es nicht. Denn ich habe einen Eid geschworen, immer die Wahrheit zu sagen und meinen Dienst zum alleinigen Wohle des Allvaters und Asgards zu verrichten.« merkte der Wächter selbstsicher an, während er an Thor vorbei schritt, um sein mächtiges Schwert wieder aufzunehmen und es zurück in die Halterung auf seinem Rücken zu schieben. »Mir ist ein Eid heilig. Was ist Dir schon heilig, Loki?« »Mehr, als du vielleicht glauben magst, Wächter…« grollte der Magier mit schmalen Augen. Der dumpfe, schwere Klang eines Hornes durchbrach die angespannte Stimmung wie ein gut geführter Säbel und zerriss die dumpfe Stille der Kuppel; dreimal ertönte der Klang wie der mahnende Ruf eines Vaters, der seine Söhne zu sich befahl. Thor unterbrach das gefährliche Knistern zwischen Loki und Heimdall mit einem entschlossenen Schritt, welchen er zwischen sie setzte und die Handflächen hob, um die zwei zu zügeln. »Die Angelegenheit wird geregelt und die Wahrheit gefunden werden. Zur Zufriedenheit aller…« versicherte der Donnergott mit einem Seitenblick auf Gwen. »Doch im Moment gibt es dringendere Angelegenheiten zu klären.« ermahnte er ernst und wies knapp in Richtung der Stadt. Heimdall pflichtete Thor bei und deutete in einer vage ausladenden Geste hinaus auf die Regenbogenbrücke, wo Gwen nun die Schemen von drei Pferden ausmachen konnte. » Ich war so frei, euch Pferde für eure Ankunft bereit zu stellen. Der Allvater hat zu einem Rat der Reiche berufen. Die meisten Vertreter sind bereits eingetroffen, nur Vanaheim folgte dem Ruf bisher nicht... Ich werde noch eine Weile warten, bevor ich mich ebenfalls zum Rat begebe.« Thor nickte dem Wächter dankbar zu und machte sich als Erster mit entschlossenen Schritten auf den Weg nach draußen; bevor Loki ihm folgte, umschloss er mit seinen langen Fingern Heimdalls goldgeschützten Unterarm, als dieser sich wieder zu seiner Wacht abwenden wollte. Beinahe gleichgültig betrachtete der dunkelhäutige Hüne die Hand auf seiner Armschiene, bevor er den Magier abwartend ansah. »Wirst du dich einer Befragung stellen?« verlangte Loki zu wissen. »Wirst du dich Odins Urteil stellen?« »Natürlich.« antwortete Heimdall bestimmt. »Falls du die Befürchtung hegen solltest, dass ich einfach verschwinden könnte, so sei beruhigt. Ich werde meinen Posten nicht verlassen und scheue auch keinen Richter, denn die Wahrheit ist auf meiner Seite. Sollte ich getan haben, was du mir vorwirfst, so werde ich mich mit Freuden Odins Urteil beugen…denn ich bin in der Lage, Reue zu empfinden.« fügte der Wächter seine letzten Worte in eisiger Ruhe an und ließ seinen durchdringenden Blick in einer beiläufig kritischen Weise über die Gestalt des Magiers gleiten, bevor er diesem seinen Unterarm entzog, um sich zurück auf seinen Posten zu begeben. Loki ballte die herabhängenden Hände zu Fäusten und entspannte seine Verkrampfung erst um ein Stück, als Gwens weiche Finger die seinen umfassten. Sie war nun an ihn herangetreten, Angel weiterhin wie ein stiller Begleiter an ihrer Seite. Lokis Blick glitt zu ihr herab und seine Augen wirkten für einen Moment unfokussiert, als müsste er sich erst erinnern, wo er sich befand; dann klärte sich sein Blick und ein winziges, kaum wahrnehmbares, aber latent aufmunterndes Lächeln umspielte seine Lippen, als er ihre Finger für einen Augenblick mit seiner Hand umschloss. »Keine Sorge, wir werden die Wahrheit herausfinden. Wir werden herausfinden, wer du bist. Das verspreche ich dir.« raunte er Gwen versichernd zu und führte sie nun mit sich hinaus vor die Kuppel des Bifröst, wo Thor bereits auf einem der Pferde auf sie wartete. Gwen sah zu Heimdall zurück, der wie der stumme, stille Wächter eh und je auf seinem Posten stand und starr in die Weite des Weltalls hinaussah. »Ich glaube nicht, dass er lügt, Loki…« wisperte sie nachdenklich. »Was ist, wenn er wirklich nichts weiß? Was, wenn wir ihn zu Unrecht verdächtigen…?« »Das wird sich noch zeigen.« knurrte Loki. »Keine der anderen Welten besitzt eine Technologie, vergleichbar mit dem Bifröst. Die einzige Weltenbrücke befindet sich hier in Asgard und die Prägungen der Energiesignatur waren eindeutig. Du wurdest von hier aus nach Midgard geschickt. Er muss das Tor geöffnet haben oder aber er hat entgegen seiner Aufgabe seinen Posten und den Bifröst unbeaufsichtigt zurück gelassen. Und in beiden Fällen sollten wir herausfinden, warum er das tat.« Gwen sah grübelnd zu Loki hinüber. »Vielleicht hättest du ihn nicht sofort mit unserem Verdacht konfrontieren sollen...?! Was ist, wenn er nun vor diesen Vorwürfen flieht…?« gab sie unsicher zu bedenken und spürte bereits den scharfen Seitenblick des Magiers auf sich; er war es nicht gewohnt, dass jemand so unverblümt seine Taten in Frage stellte. Wer auch immer ihre Reise nach Midgard in die Wege geleitet hatte, konnte nun gewarnt und die Wahrheit damit in unerreichbare Ferne gerückt sein. »Das wird er nicht…« versicherte Loki zerknirscht. »Heimdall ist dem Allvater bis aufs Blut ergeben. Eine Flucht käme einem Schuldgeständnis und Verrat gleich. Er ist zu sehr an seine Ehre gebunden, als dass er einfach fliehen würde.« Damit löste er sich von ihr und schritt zu einem weißen Pferd hinüber - das Gwen als Lokis eigenen Hengst identifizierte - um sich trotz seiner Verletzungen elegant in den Sattel zu befördern. Thor schenkte seinem Bruder einen besorgten Seitenblick. »Soll ich eine der Heilkammern für dich-« »Nicht nötig.« unterbrach Loki den Donnergott sehr bestimmt in dessen gut gemeintem Vorschlag. »Mir geht es gut.« Bevor Thor Luft zu weiteren, sicher unnützen Worten holen konnte, um den Magier zur Vernunft zu bringen, bündelte dieser einen Hauch grün schimmernder Energie in seiner Hand und ließ jene in einer fließenden Bewegung über seine Rüstung gleiten; Risse und Schmutz verabschiedeten sich, sodass sich Leder und Stoff wieder in tadellosem Zustand zeigten. Auf magische Weise verschwanden auch die dunklen Spuren von Blut von seinem Antlitz und den Schichten seiner Kleidung; in einer knappen, hoheitlich stolzen Geste schob er sich das dunkle Haar aus der Stirn zurück und wandte sein Pferd. »Mach dir keine Sorgen, Bruder. So werde ich den strengen Blicken des Rates wohl wieder genügen und du musst dich meiner nicht weiter schämen.« Thor schnappte nach Luft. »Das habe ich nicht gemeint…« Doch Loki hörte ihn schon nicht mehr, da er bereits vorausritt. Der Donnergott stieß ein resigniertes Seufzen aus, bevor er Gwen ansah: »Lass uns gehen. Odin wartet sicher schon auf uns.« sprach er gefasst. Doch Gwen sah ihm seine Gefühle überdeutlich an; wo man bei Loki so oft nach jeglichen Anzeichen von Emotionen und Gedanken suchen musste, so waren jene bei Thor schrecklich deutlich zu lesen und zum ersten Mal wünschte sie sich, dass Loki zumindest in diesem Punkt ein wenig mehr der Wesenszüge von seinem Bruder inne hätte. Thor war zuversichtlich gewesen als er erneut nach Midgard kam; zuversichtlich, dass er durch einen gemeinsamen Feind und die Bedrohung für Asgard wieder zu seinem Bruder durchdringen könnte - doch seine Hoffnung schien sich nicht zu bewahrheiten. Jetzt spiegelte sein Gesicht schwermütige Enttäuschung und eine tiefgreifende Sehnsucht; der Donnergott hätte nun in diesen gefährlichen und unsicheren Zeiten mehr als jemals zuvor einen Bruder an seiner Seite gebraucht...und sich wahrscheinlich auch gewünscht. Gwen nickte Thor zu und stieg nun ebenfalls in ihren Sattel; sie musste sich innerlich berichtigen, als sie die Zügel ihres Pferdes ergriff - es war nicht die Abenddämmerung gewesen, die ihr diffuses Licht auf die inneren Wände der Bifröstkuppel geworfen hatte, das er kannte sie jetzt, als sie sich richtig umsah und ihr Pferd hinter Thors her in Richtung Stadt lenkte. Angel folgte neben ihr auf geschmeidigen Pfoten, während Lokis Gestalt bereits in der Ferne geschrumpft war. Der zauberhafte, sternenübersäte Himmel Asgards war verschwunden - brodelnde Wogen aus glutroten und aschfarbenen Wolken brachen sich ihre Bahn über dem Firmament, umwölkten das Blau des Himmels mit stickigen Flammen, die kreischende und stöhnende Winde entfachten, welche das Meer aufpeitschten. Auch hier schien Asgard selbst unter der Wunde zu leiden, die Malekith mit seinem Eindringen in das Reich Yggdrasils im Gefüge der Welten geschlagen hatte. Feiner Nieselregen setzte ein, der sich warm und unangenehm klebrig auf der Haut anfühlte; der Niederschlag hüllte das Reich der Asen in einen verschleiernden, glitzernden Nebel, der das Gold der Statuen und Gebäude unter dem brodelnden Licht des Himmels wie mit Blut überzogen wirken ließ. Tropfen wie Tränen lösten sich von dem Gesicht eines steinernen Kriegers und fielen schwer und träge zu Boden - auf das Pflaster, welches das Geräusch der Pferdehufe hohl und erschreckend laut zurückwarf; verstärkt durch die hohen Gebäude zog sich der Klang ihrer Ankunft hallend durch die Stadt. Vereinzelt sah Gwen ein paar blasse Gesichter aus Torbögen oder Fenstern spähen, doch die Straßen waren zumeist verwaist. Das Kinderlachen und rege Treiben, das geschäftige Summen, welches sie bei ihrer ersten Ankunft in Asgard empfangen hatte, fehlte vollkommen - die Stadt lag unter einer Kuppel der Furcht und Beklemmung, unter der Last der drückenden Ungewissheit. Ab und an kreuzten ihren Weg ernst dreinblickende Patrouillen von Odins Palastwache; die Gesichter der Männer wirkten erschöpft und gezeichnet von Sorge, doch respektvoll, fast erleichtert grüßten sie den heimkehrenden Thor, auch seinen Bruder und Gwen, als diese sich eilig ihren Weg durch die Straßen bahnten. Gwen fühlte sich unbehaglich; wie zuvor schon auf der Erde hatte sie ein Gefühl von unterschwelliger Aufregung eingenommen, aber auch die Last einer unausweichlichen Endgültigkeit, als sie ein blasses Kindergesicht hinter einem regennassen Fenster bemerkte. Die Tropfen perlten von der Scheibe wie blutige Tränen, beleuchtet vom Feuer des Himmels war dieses Gesicht wie ein Blick in die Zukunft; in eine blutige, schlachtgetränkte Zukunft, die so viele Leben fordern könnte… Alles wirkte so surreal, so unwirklich und falsch. So sollte das Ende nicht kommen, für keine der Welten. Sie mussten einfach einen Weg finden, um Malekith aufzuhalten. Nach kurzer Zeit schon erreichten sie Gladsheim und gaben ihre Pferde im Vorhof in die Hände eines Bediensteten, bevor Thor Loki und Gwen in den Palast und zu Odins Thronsaal führte. Gwen hatte Mühe mit den langen Schritten der beiden Brüder mitzuhalten, als diese einmal ungewohnt entschlossen nebeneinander durch die Hallen des Palastes schritten; es war seltsam wieder hier zu sein, in Asgard und im Palast - alles war so vertraut, als wäre sie eigentlich nie wirklich weg gewesen und die Empfindung angekommen zu sein war nun stärker, als sie es bei ihrer Rückkehr nach New York verspürt hatte. Selbst wenn es nicht bestätigt war, ihr Gefühl sagte ihr sicher, dass irgendwo hier ihre wahre Heimat liegen musste; die Verbundenheit, die sie verspürte, war wesentlich ausgeprägter als auf der Erde. Der Thronsaal Gladsheims öffnete sich vor ihnen mit seinen schweren Türen, die gut gerüstete Wächter mit starren Mienen bewachten; dort empfing sie bereits eine große Ansammlung an Asen und Gesandten, sodass die mächtige Halle zum ersten Mal den Eindruck erweckte, eigentlich viel zu klein für die Besucher Odins zu sein, allein durch die Gegenwart und Aura einiger Anwesenden. Gwen entdeckte zuallererst Odin, der wie ein goldener Fels in der Brandung auf seinem Thron saß; zwei seiner Ratsmitglieder hatten sich zu ihm gebeugt und schienen ihm Informationen über die geladenen Besucher ins Ohr zu wispern, da das Auge des Allvaters aufmerksam und rasch über die Halle glitt und er selbst dann und wann ein verstehendes Nicken sehen ließ. Neben ihm stand Frigga in ihrer gewohnt hoheitlichen, unbeugsamen Haltung; die Königin selbst trug nun eine Rüstung - ein edler, doch schlichter Brustpanzer über einer weitläufigen Robe, welcher ihr fast das Aussehen einer wagemutigen Walküre verlieh. Sie erblickte ihre zurückkehrenden Söhne zuerst und ein feines, recht erleichtertes Lächeln umspielte ihre Lippen, doch blieb sie an der Seite ihres Mannes und bettete ihm eine schlanke Hand auf der reich verzierten Schulterplatte. Daraufhin lenkte Odin seinen wachen Blick zu ihnen herüber und sogleich wirkte es, als hätte seine Rüstung einiges an Gewicht verloren; Zuversicht erhellte sein Auge und er begrüßte die Heimkehrenden mit einem knappen, aber wohlgesonnene Nicken über die Köpfe der Anwesenden hinweg. Neben vielen Asen machte Gwen nun auch die Gruppe der Zwerge aus, die wohl die Vertreter Niflheims darstellten - ihre Vorstellung von Zwergen hatte sich bisher wohl eher auf Mythen und Märchen beschränkt, aber nun konnte sie feststellen, dass diese Bilder ihrer Fantasie tatsächlich gar nicht so weit ab der Realität existierten. Das Volk aus den eisigen Weiten Niflheimes war klein; nicht so klein und massig, wie Gwen es erwartet hätte, denn durchaus waren einige der männlichen Vertreter sogar recht schlank und fast nur einen Kopf kleiner als sie selbst. Außerdem konnte sie auch einige Frauen unter den Männern ausmachen und entgegen der allgemeinen Annahme, trugen weder diese, noch alle Männer rauschende, kunstvolle Bärte. Die Zwerge hatten eine eher blasse Hautfarbe - was wohl an ihrer erwählten Heimat unter dem ewigen Eis liegen mochte - und viele besaßen kunstvollen Hautzeichnungen, die in kühlen Blau- und Grüntönen ihre Gesichter recht wild wirken ließen. Ihre Rüstungen waren stark und schwer, umwickelt und verziert mit Fellen, ebenso wie ihre Waffen, die oftmals fast größer waren als der Zwerg oder die Zwergin selbst. Doch die Kunstfertigkeit der Schmiedearbeiten war selbst für jemanden wie Gwen sichtbar, die sich kein Stück auf Waffen verstand - der Ruf der Zwerge als die fähigsten Schmiede aller neun Welten schien gerechtfertigt zu sein. »Vater hat es tatsächlich geschafft, den Ältestenrat Alfheims aus dessen schützenden Mauern zu locken…« drang Thors erstaunte Stimme nun an ihr Ohr und die folgte dem Blick des blonden Hünen. Die Reihen der Asen teilten sich nun ehrfürchtig und gewährten Sicht auf die Vertreter Alfheims, die gemächlichen, sittsamen Schrittes die Menge durchpflügten wie der Bug eines Schiffes und respektvolles Kopfsenken bei allen Anwesenden hervorriefen. Auch Gwen fühlte sich plötzlich innerlich genötigt, den Blick zu senken, als wäre kaum jemand es wert, die Augen auf die ältesten Wesen der neun Reiche zu richten - auf den Rat der Lichtalben. »Die Mitglieder des Rates haben seit Jahren Alfheim nicht verlassen, geschweige denn sich um die Geschehnisse in den Welten gekümmert. Diese Pflicht oblag stets dem Allvater.« wisperte Loki erklärend und nah an ihrem Ohr, sodass der Schauer, welcher über ihre Arme glitt, nicht nur der puren Präsenz der Alben zuzuschreiben war. »Man sagt, ihre Existenz begann beinahe mit dem Herzschlag Yggdrasils, sie zählen somit zu den ältesten Geschöpfe der Welten. Ich aber sage, sie sind Relikte aus einer anderen Zeit, unzeitgemäß und arrogant in ihrer Einzigartigkeit.« endete der Magier recht geringschätzig und beobachtete missbilligend den Gang des Rates. Offenbar war er der Meinung, dass die Alben den entgegengebrachten Respekt nicht verdient hatten. Gwen wusste, wie sie sich die Elfen in Büchern und Geschichten, in Filmen und Dichtungen stets vorgestellt hatte, doch die vier Mitglieder von Alfheims Ältestenrat warfen all diese kindlichen Bilder vollkommen über den Haufen; das Einzige, was sie vielleicht mit der menschlichen Vorstellung von Elfen gemein hatten, waren die unheimlich langen und spitzen Ohren. Doch dort hörte die Ähnlichkeit bereits auf. Die Alben waren unheimlich groß; hochgewachsen und schlank, fast zerbrechlich mochten ihre Glieder unter den weiten, zarten Roben anmuten, die sie trugen - ihre Bewegungen so fließend wie Wasser, aber auch langsam und bedacht, als wäre es ungewohnt für sie unter der Schwerkraft zu wandeln. Ihre Hälse waren ungewöhnlich lang und endeten in schmalen Gesichtern mit kahlen Häuptern; das Antlitz bei allen vier Ratsmitgliedern hinter einem zarten, durchsichtigen Schleier verborgen, der von einer filigranen, silbernen Kopfbedeckung, ähnlich einer Tiara, herabwallte. Dahinter waren unnatürlich große, schrägliegende Augen zu erahnen, die wie Leuchtfeuer über hohen, spitzen Wangenknochen thronten. Die Haut der Alben glich flüssigem Silber und wirkte fast durchsichtig; darunter Geflechte an hauchfeinen blauen und roten Adern zu erkennen, die wie Sternenstaub schimmerten. Doch trotz ihres sehr fremdartigen Aussehens verströmten die Uralben eine Aura von Frieden und Zuversicht, die sie wie ein unsichtbarer Nebel umgab; ihre hellen, scheinbar pupillenlosen Augen strahlten in Freundlichkeit - eine Freundlichkeit, die sich ebenso in blassen, schmalen Lippen zeigte, die zu einem gütigen Lächeln verzogen waren. Die Begleiter und Berater des Albenrates ähnelten dann schon wieder mehr jener Vorstellung von Elfen, die Gwen kannte; die Nachkommen der Alben waren zwar auch groß und schlank, mit silbern schimmernder, heller Haut gesegnet, doch glichen sie in Statur und Erscheinung eher Asen und Menschen. Ihre Gesichter waren streng und edel, hoheitlich scharf geschnitten mit leicht schrägen Mandelaugen und filigranem Knochenbau - zeitlos schöne Gesichter, umrahmt von blondem bis braunem Haar, welches meist kunstvoll geflochten oder frisiert war. Die typisch spitz zulaufenden, aber eher klein gehaltenen Ohren rundeten das Bild ab. Ihre Rüstungen glänzten in edlen Braun- und Goldtönen und viele der Alben trugen lange Schwerter oder schlanke Bögen auf dem Rücken. Sif entdeckte sie nach der Königin als nächstes und löste sich aus der Menge, um ihnen entgegen zu eilen, gefolgt von den Tapferen Drei, die Thor nun auch bemerkt hatten. Die Kriegerin blieb vor dem Donnergott stehen und schien einen Moment mit sich zu hadern, bevor sie ihn in eine flüchtige, aber innige Umarmung schloss; gleich darauf löste sie sich schon wieder von Thor, sichtlich unangenehm berührt von der eigenen Handlung - es war nicht schwer zu erraten, dass derlei Gefühlsbekundungen in der Öffentlichkeit ungewohnt für die hübsche Kriegerin waren, die sich sonst so viel Mühe gab, ihre Stärke und Entschlossenheit zu präsentieren. »Schön, dass du wieder da bist…« wisperte sie erleichtert, bevor sie auch Loki und Gwen ins Auge fasste und den beiden ebenso zunickte. »…dass ihr wieder da seid. Das bringt ein wenig Hoffnung zurück…« Ihre letzten Worte waren vage Zuversicht, die das Gefühl der Beklemmung nicht ganz durchbrechen konnten, welches selbst über dem Thronsaal zu schweben schien; das gedämpfte, rötliche Licht des Himmels verdunkelte auch hier die Stimmung, ließ die Schatten tiefer wirken, die Farben stumpfer. »Ich hätte nie gedacht, dass mal zu sagen, aber…ich bin froh dich zu sehen, Loki.« tönte Fandrals unverkennbarer Bariton über das Raunen der Menge hinweg, als er bei ihnen ankam und Gwen einen höflichen, kurzen Handkuss gab. »Es freut mich, dass Ihr Euch ebenso zur Rückkehr entschlossen habt, Lady Gwendolyn.« »Deinen Frohsinn kann ich leider nicht teilen, Fandral.« bemerkte Loki trocken, seine Augen waren nur einen kurzen, kritischen Moment zu Gwens Fingern geglitten, welche diese nun mit einem verlegenen Räuspern aus Fandrals Griff entwand. »Ich weiß, wir hatten unsere Differenzen, doch lass uns die heute einmal vergessen…zum Wohle Asgards. Zum Wohle aller.« Der blonde Krieger trat gewagt an den Magier heran und bot jenem die Hand in einer bereitwilligen Geste an; Gwen rechnete augenblicklich mit dem schlimmsten, doch obwohl sich Loki misstrauisch versteifte, so ließ er sich doch zu einem flüchtigen Händedruck hinreißen. Volstagg zog Thor und Gwen in eine typisch bärige Umarmung, für den Magier hatte er zumindest ein kurzes, respektvolles Nicken übrig. Hogun hielt sich wie immer eher schweigend im Hintergrund, nachdem er und Thor sich mit einer kurzen, freundschaftlichen Umarmung begrüßt hatten. »Gibt es inzwischen Neuigkeiten, meine Freunde?« erkundigte sich Thor besorgt, doch Sif schüttelte den Kopf. »Zumindest keine guten.« erklärte die Kriegerin resigniert. »Yggdrasils Eingang bleibt weiterhin verschwunden, obwohl Odin Hugin und Munin die ganze Zeit schon nach dem Portal suchen lässt. Des Weiteren erreichen uns jede Stunde mehr verängstigter Flüchtlinge, die hoffen, im Schatten Gladsheims Schutz zu finden.« »Diese barbarischen Söldnerhorden und Plünderer ziehen noch immer durch die Welten und machen sich das Chaos in Malekiths Schatten zu Nutze, um den Allvater und dessen Einfluss zu schwächen. Sie haben alle den Ernst der Lage noch nicht erkannt…« grollte Volstagg zornig in seinen Bart. »Es wird immer jene geben, die das Unglück anderer zum eigenen Wohle nutzen wollen…« Hoguns melodische Stimme war nachdenklich, sein Blick voller Sorge auf das verdunkelte Asgard gerichtet, welches unter dem roten Himmel wie in höllischem Fegefeuer zu brennen schien. »Ein Krieg scheint unvermeidlich…vorausgesetzt, wir finden den Eingang zu Yggdrasils Reich…« resümierte Fandral unheilvoll. »Eine andere Möglichkeit bleibt kaum noch.« Der dumpfe Klang von Gungnir zog durch die Halle, als Odin seinen Speer auf den Boden klopfte, um sich Gehör zu verschaffen. »Ehrwürdige Besucher, langjährige Verbündete, liebe Freunde-« Gerade als der Allvater sich erhoben hatte, damit er um Aufmerksamkeit bitten konnte, schwangen die Türen des Saales erneut auf und Heimdall kam herein, gefolgt von weiteren Besuchern, die sich hinter dem Wächter aus dem Schatten des Torbogens schälten; Odin verstummte mitten im Satz und blickte den Neuankömmlingen wie Frigga überrascht, allerdings auch kritisch entgegen, ebenso wie der Rest der Anwesenden, die allesamt die Köpfe wandten und aufmerksam zur Tür sahen. Hinter Heimdall folgte eine Frau, die ein atemloses Raunen durch die Menge schickte; Gwen musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um über die vielen Köpfe etwas erkennen zu können - erst da bemerkte sie, dass ausnahmslos alle Männer die Frau beobachteten, als wären deren Augen auf magische Weise von ihr angezogen. Selbst Thor und Loki starrten auf die für Gwen Fremde und sie bemerkte das argwöhnische Verziehen von Sifs Mundwinkeln, als die Kriegerin die Neuankömmlinge sofort zu erkennen schien, ebenso wie Frigga und Odin, die eher verhalten erschienen. Die Unbekannte hatte eine wirklich außergewöhnliche Hautfarbe; nicht ganz so dunkel wie Heimdalls schien ihre Haut in einer Mischung aus Bronze und Sonnenbräune förmlich zu strahlen wie die polierte Klinge eines Schwertes. Ihr Körper war schlank und wohlgeformt und Gwen musste in einem Anflug von Unbehagen feststellen, dass selbst Ashlyns perfekte Gestalt kaum an diese Frau heranreichen würde. Ein verstohlener Blick zur Seite offenbarte ihr, dass Lokis Augen noch immer an der Fremden klebten und das erweckte in Gwen ein sehr ungutes Gefühl; sie war nicht dumm und erkannte die zarten Wurzeln dieser Empfindung durchaus als Eifersucht, aber da war auch noch etwas anderes - etwas, dass Vorsicht vor dieser Frau suggerierte. Und dieses Gefühl rührte gewiss nicht nur aus dem Ärgernis, dass offenbar jeder Mann in der Halle ihr gebannt hinterher sah; glücklicherweise schien der Magier eher neugierig, als wirklich interessiert zu sein, während alle anderen Männer völlig fasziniert und abwesend wirkten. Lokis Lippen dagegen umspielte ein wissendes, fast amüsiertes Lächeln. Die Fremde trug ein fast durchsichtiges, hauchzartes Gewand, welches kaum ihre Rundungen bedeckte und nur zaghaft gewisse, delikate Stellen bedeckte - es war um den Hals durch eine breite, goldene Schärpe gerafft, zog sich in breiten Bahnen über ihre Brüste, geschnürt in der Hüfte, um sich dann über ihrem Unterleib wie ein offener Rock zu entfalten, der bei jedem ihrer Schritte ihre langen Beine geschickt in Szene setzte; hier und da schimmerte ihre Haut unter dem Stoff hindurch und offenbarte kunstvolle, schwarze Linien, die ihren Körper wie Verzierungen schmückten. Ihre Füße waren nackt und verursachten daher auch kaum einen Laut, als sie die Halle graziös durchquerte; jede ihrer Bewegungen war katzenhaft anmutig, jede Regung so gewählt, als würde sie sich in einem einstudierten Tanz bewegen - womöglich war dies sogar im Rahmen des Möglichen, denn sie schien sich ihrer Wirkung durchaus bewusst zu sein. Sie trug eine Menge goldenen Schmuck um Hand- und Fußgelenke sowie Hüfte und Hals, welcher ihre Schritte mit einem sanften Klingeln begleitete - alles in allem erinnerte ihre Aufmachung Gwen an eine ägyptische Prinzessin. Dazu passte auch die starre, goldene Maske, welche ihr Gesicht halb bedeckte und nur die untere Gesichtshälfte sowie perfekt nachgedunkelte Lippen frei ließ; die Haare der Unbekannten waren von einem strahlenden Blond, glänzend wie Gold, welches von feinen Strähnen Kupfers durchwirkt wurde; eher ungewöhnlich war ihre Frisur, denn sie trug die Haare auf beiden Seiten ihres Schädels bis auf einen kurzen Flaum rasiert, während sich über die Mitte ihres Hauptes ein dichter, wilder Schopf zog, der sich fast bis zum Ansatz ihrer Oberschenkel ergoss. An ihrer linken Hand trug sie eine Art metallischen Klauenhandschuh mit sehr filigranen, goldenen Gliedern, in deren Fingern die Frau eine kleine, rötlich schimmernde Kugel hielt, die aus scheinbar eigenem Antrieb um ihre Finger glitt. Gleich hinter ihr betrat ein Mann die Halle, der das perfekte Abbild der schönen Unbekannten war; selbst Gwen musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass die beiden eindeutig verwandt waren - wenn nicht sogar Geschwister, Zwillinge, denn bis auf das Geschlecht unterschieden sie sich kaum. Auch der Mann besaß diese außergewöhnliche Hautfarbe, den gleichen geschmeidigen Gang, dieselben blonden Haare, die in seinem Fall ebenfalls auf einer Seite fast bis auf die Kopfhaut rasiert waren, während die andere Seite ihm bereits wild in die Stirn fiel. Auch sein Gesicht lag hinter einer kunstvollen, goldenen Maske verborgen und gewährte somit keinen wirklichen Blick auf sein Antlitz. Auch er lief barfuß, seine einzige Kleidung bestand aus einer leichten Stoffhose; somit lag sein sehniger Oberkörper frei, über welchen sich ebenfalls die dunklen, aufgemalten Linien zogen, wie Gwen sie zuvor bei der Frau schon bemerkt hatte. Über seiner Brust lagen lederne Gürtel, die zu Schwertscheiden auf seinem Rücken führten, in denen zwei säbelförmige, kristallartige Schwerter steckten. Selbst die Gefolgschaft der beiden überirdisch schönen Gestalten trug verhüllende Masken - die mal Tier- mal Totenköpfen oder ähnlich groteskem ähnelten - und ebenso wenig Stoff am Leib wie der Mann und die Frau; offenbar stammte diese Abordnung aus einem der Reiche mit heißem, beinahe wüstenartigem Klima, wozu auch die sonnengetränkte Hautfarbe passen würde. »Wer ist das…?« entfuhr es Gwen ungewollt bissig und sie schämte sich augenblicklich für diesen respektlosen Tonfall; die beiden Fremden schienen auch auf sie ihre Wirkung zu entfalten und sie kam einfach nicht umhin die Aura der Macht zu spüren, welche die zwei fast greifbar umgab. Neben der Frau allein kam sich Gwen vor wie ein blasser, farbloser Geist und es wurmte sie ungewöhnlich stark, dass selbst Loki Respekt für die beiden zu empfinden schien, dabei war Gwen noch nie von einer sonderlich starken, eifersüchtigen Natur geprägt gewesen. Mühsam verbat sie sich dieses nicht näher zu benennende Gefühl und versuchte den Besuchern zumindest neutral gegenüber zu treten. Die Mundwinkel des Magiers zuckten, offenbar empfand er ihren inneren Konflikt als durchaus unterhaltsam und schien ihre Gedanken nur zu deutlich zu erraten; sein Blick kreuzte Gwens und verschaffte ihr somit zumindest einen Teil Erleichterung, da er zumindest in der Lage schien, seine Augen noch abzuwenden. »Frey und Freya, zwei der mächtigsten Magier Vanaheims, wenn nicht sogar die mächtigsten. Die Geschwister sind bekannt für ihr Aussehen, sowie für ihre tadellosen Fähigkeiten. Freya gilt als eine der schönsten Frauen aller neun Welten.« erklärte ihr Loki sachlich. »Sie wurden wohl als die Vertreter Vanaheims ausgewählt.« Frey und Freya…?! »Nach einer Weile unterhielt ich außerdem eine gute Beziehung zu den Geschwistern Frey und Freya, beides sehr magiebegabte Vanen. Somit hatte ich stets Gesellschaft, Unterhaltung und zwei kluge Geister gefunden, mit denen ich auf gleicher Ebene kommunizieren konnte.« Lokis Worte hallten lang und deutlich in ihrer Erinnerung wieder. Kurz hinter dem ungewöhnlich schönen Frey trat ein weiterer Mann in die Halle, der selbst eine imposante Erscheinung war; seine Haut erschien gänzlich aus Gold, verziert mit schuppenartigen Mustern, und ließ sein raubtierhaftes Gesicht schimmern wie das einer starren Statue. Seine Augen waren flammende Höhlen, in denen schmale, geschlitzte Pupillen schwammen, die ihm einen ungewöhnlich intensiven Blick verliehen. Sein Haar war von einem außergewöhnlichen Rotton, der fast in den Augen stach; als hätte man die Feuer der Hölle mit dem gleißenden Licht der Sonne vereint. Lang und offen bedeckte es seine breiten, mächtigen Schultern. Der Mann war ungewöhnlich groß und kräftig; seinen muskulösen Leib umhüllte ein schlichter, roter Mantel, seinen Unterleib ein dunkler Lendenschurz. Den Mann schien zu amüsieren, dass einige Asen vorsichtshalber ein paar Schritte vor ihm zurückwichen, sodass er weiße, scharfe Zähne in einem breiten Grinsen enthüllte und dampfende Rauchwolken durch seine Nase ausblies, was einer der asischen Frauen einen spitzen Ton des Unbehagens entlockte. »Ein Feuerriese…« stieß Fandral neben ihr als erster fassungslos aus, bevor auch Thor ein verblüfftes: »Unmöglich…« anfügte. »Ich will gar nicht mutmaßen, wie Freya sich dessen Gefolgschaft gesichert hat…« raunte Sif abschätzend. Gwen erhob sich erneut neugierig auf die Zehenspitzen, um einen besseren Blick auf den Feuerriesen zu erhaschen. Eigentlich war es fast logisch, dass es neben Eisriesen eben auch Feuerriesen gab, allerdings hatte dieses Volk noch nie jemand erwähnt. »Sieh an, was Muspelheims Glut dort ausgespuckt hat…« raunte Loki neben ihr nachdenklich, bevor er ihrem fragenden Blick begegnete. »Die Feuerriesen sind ein arg zurückgezogenes Volk. Sie gelten nicht als besonders kontaktfreudig. Von ihnen gibt es nur noch sehr, sehr wenige und lange hat niemand überhaupt einen von ihnen je zu Gesicht bekommen. Nun…außer wir bei unserem unfreiwilligem Ausflug nach Muspelheim.« fügte er geheimnisvoll an. Gwen brauchte einen Moment, um zu begreifen, bevor sie verblüfft ausstieß: »D-der Drache?! Das war ein Feuerriese?!« Lokis amüsiertes Schmunzeln war eigentlich Antwort genug. »Die korrekte Bezeichnung lautet Wyvern, aber ja - das war ein Feuerriese. In seiner eher ursprünglichen Form.« Freya war nun bei Odins Thron angelangt, doch machte sie keine Anstalten, sich gebührend zu verbeugen, sondern zog nur die Maske von ihrem Gesicht, während sie das Haupt in einer eher spöttischen Geste beugte. »Allvater…« säuselte die samtige Stimme der Magierin wie Honig in den Ohren, allerdings auch von einer Geringschätzung behaftet, welche Odin mit einem Verschmälern seines Auges quittierte. Frey allerdings beugte respektvoll das Knie vor dem Allvater, was zumindest seiner Schwester sehr zu missfallen schien. Ihre makellosen, wunderschönen Züge übertanzte ein zaghafter Schatten von Wut, bevor sich jener wieder verflüchtigte, als Frigga zu den Geschwistern herabkam und beide mit ihrer gütigen, höflichen Art empfing. »Freya. Frey. Es freut Asgard über alle Maßen, dass ihr unserer Einladung gefolgt seid und Vanaheims Verbundenheit damit repräsentiert.« Die ehrlichen, diplomatischen Worte der Königin nötigten auch Freya ein Lächeln ab und die Magiern vollführte einen geschmeidigen Knicks vor Frigga, während ihr Bruder, der noch immer kniete, die Hand der Königin ehrerbietend an seine Stirn zog. Wie Gwen bereits durch diverse Gespräche hatte raushören können, waren Asgard und Vanaheim nie sonderlich gute Freunde gewesen; zwischen den beiden Reichen hatte immer schon eine unterschwellige Konkurrenz geherrscht, was die Herrschaft über die neun Welten anging. Während Asgard sich hervorragend auf die Schlacht und Waffen verstand, auf Krieger und Ehre, so war Vanaheim gebildet in Magie und Wissen, in den kleineren und feineren Dingen zwischen Himmel und Erde. Das hatte bereits früher zu Unstimmigkeiten geführt. Und Freya war offenbar eine Verfechterin ihrer ganz eigenen Weltanschauung. »Da das Schicksal der Welten bedroht scheint, fühlt sich Vanaheim äußerst genötigt einzugreifen, wenn sich Asgard der Bedrohung allein nicht gewachsen sieht.« erklärte die Magierin mit einnehmender Stimme, obwohl ihre Worte durchaus eine versteckte Kritik beinhalteten, die Frigga allerdings milde überlächelte. Thor nahm die unterschwellige Rüge allerdings weniger gleichgültig auf und knirschte unzufrieden mit den Zähnen. »Was erlaubt sie sich vor dem Allvater so zu sprechen…?!« »Des Weiteren konnten wir einen Verbündeten zu unseren Gunsten gewinnen…« Freya wies mit einer grazilen Handbewegung auf den Feuerriesen, der unweit von ihr stehen geblieben war. »Lord Uzzagar aus den Feuerlanden Muspelheimes. Ich bin sicher, Asgard wird dankbar für die Hilfe sein, die Vanaheim stellen kann.« mutmaßte die Vanin süffisant. Ein nachdenkliches, überraschtes Raunen ging durch die Menge, als sich die Identität des Feuerriesen bestätigte; viele von Odins Ratsmitgliedern wirkten beeindruckt, ebenso wie einige der Anwesenden, deren Äußerungen Gwen in nächster Nähe aufschnappte. Die Magierin schien sich nicht nur mit ihrem Aussehen allein einen Grund schaffen zu wollen, auf dem sie sicheren Stand hatte… Und sie war äußerst bemüht, dem Allvater das Wasser unter dem Kiel zu rauben. »Natürlich sind wir äußerst dankbar für Eure Mühen und Euren Einsatz, Freya Njörddotter und heißen Euren Begleiter herzlich in unseren Hallen willkommen.« Auch den Riesen begrüßte die Königin gebührlich, bevor sich Odin der Versammlung mit dröhnender Stimme wieder zuwandte. »Lasst den Rat beginnen. Da nun alle Mitglieder eingetroffen sind, sollten wir keine Zeit mehr verschwenden und unsere Versammlung zügig vorantreiben. Thor, führe die Gesandten zu meinem Ratssaal.« Der Donnergott geleitete sie zu eben jenem Raum, der Gwen noch sehr vertraut war; von ihrem Verhör nach dem Angriff und jenem Tag, an dem Odin schon einmal einen Rat hier abgehalten hatte - beinahe war es logisch, dass nun wieder alle Fäden in diesem Raum zusammen liefen. Bisher hatten sich hier in diesen vier Wänden so einige Weichen für Gwens Leben gestellt und damit war es fast zwingend notwendig, dass Odin seinen Kriegsrat hier einberufen würde. Sie folgte Thor mit Loki, Sif und den Tapferen Drei, obwohl sie sich gar nicht sicher war, ob sie überhaupt erwünscht wäre. Doch man hatte sie so bestimmt und selbstverständlich in die Mitte genommen, dass sie gar nicht mehr dazu kam, einen Protest zu äußern. Des Weiteren lösten sich drei der Zwerge aus ihrem Pulk aus Gefolgsleuten und betraten den Raum, ebenso wie die vier Mitglieder des Albenrates, der Feuerriese und die beiden Geschwister aus Vanaheim. Freya entdeckte nun Loki und kam sofort mit beinahe fliegenden Schritten zu ihnen herüber, um sich ungefragt zwischen ihnen zu platzieren und sich die Aufmerksamkeit des Magiers zu sichern. »Loki!« Ihre leuchtend blauen Augen spiegelten zum ersten Mal eine reine, unverfälschte Emotion und ihre sinnlichen Lippen ein ehrliches Lächeln, welches nicht aufgesetzt wirkte. Es war unverkennbar, dass dort flammendes Interesse in Freya erwachte; ein Interesse, welches Gwen verkrampft die Luft einziehen ließ, als sich die Magierin auf die Zehenspitzen erhob und Loki zur Begrüßung einen weichen Kuss auf die Wange drückte; und der Magier, der sonst vor jeglicher körperlicher Nähe zurückschreckte, ließ dies widerspruchslos über sich ergehen. Die anderen, ganz besonders Gwen, schien Freya gar nicht zu sehen oder bewusst nicht wahrzunehmen. »Loki, mein Freund und der einzig triftige Grund, eine Reise nach Asgard zu wagen…« wisperte sie schmeichelnd, während ihr Blick die Gestalt des Magiers ziemlich direkt und unverhohlen anerkennend musterte. »Wie geht es dir? Du musst seit unserem letzten Treffen noch einmal gewachsen sein…« Ihre betörend schönen Augen hoben sich mit einem gewählt sinnlichen Augenaufschlag zu ihm an, während ihre schlanken Finger bewundernd über das Leder auf seiner Brust strichen. »Und unheimlich stattlich bist du geworden.« schnurrte sie. Der Magier zeigte ein feines Lächeln, was Gwen das Herz vollends in die Hose rutschen ließ. »Das kann ich nur zurückgeben, Freya. Die Gerüchte über deine Schönheit werden deiner Gestalt wahrlich nicht gerecht.« Er schob die Magierin ein wenig von sich, ergriff stattdessen ihre Hand und zog jene flüchtig an seine Lippen, bevor er ihrem Bruder die Hand freundschaftlich reichte und die beiden Männer sich vertraulich zunickten. Freya besaß die Frechheit bei Lokis Geste rot zu werden und Gwen verspürte augenblicklich große Lust, der Frau ihr schmachtendes Gehabe aus dem Gesicht zu schlagen. Allerdings verrauchte ihre Wut sehr schnell und machte einem anderen, wesentlich unangenehmeren Gefühl Platz - der Angst vor Verlust. Gwen wollte sich dieser lächerlichen Eifersucht nicht hingeben, immerhin war Freya eine alte Freundin von Loki, eine Vertraute, die er offenbar lange nicht gesehen hatte. Sie würde sich nicht lächerlich machen, indem sie ihren kindischen Gefühlen nachgab und eine Szene veranstaltete. Immerhin war Loki nicht ihr Eigentum… Außerdem hatten sie doch genug schreckliche und auch schöne Momente miteinander geteilt, sodass sie sich eigentlich wahrlich keine Gedanken machen sollte, dass er sie so einfach vergessen würde. Doch diese Blicke, welche die Magierin dem Prinzen zuwarf, waren eindeutig und unschwer als ein Interesse zu deuten, welches nicht bloß auf reiner Freundschaft beruhte. Gwen war eine Frau. Und sie kannte diese Blicke. Die wunderschöne Freya war verliebt in den Magier. Sie begehrte ihn über alle Maßen; das verrieten ihre Körpersprache, ihre Tonlage, jedes gewählte Wort. Und Gwen fiel dies wohl besonders deutlich auf, da Freya und sie sich auf gleicher Ebene bewegten und das gleiche Interesse teilten. Loki. Und sie wusste auch, dass Freya all das war, was sie nie sein würde - eine Göttin, eine offenbar äußerst begabte Magierin und eine Schönheit. In direktem Vergleich mit der Vanin würde sie immer den Kürzeren ziehen. Allerdings war Gwen offensichtlich nicht die Einzige, der Freyas Verhalten sauer aufstieß, denn ihr Bruder beobachtete sie mit offenem Missfallen und starren Gesichtszügen; nachdem auch er seine Maske abgenommen hatte, war die Ähnlichkeit der beiden wirklich verblüffend, wobei seine Gestalt mehr Härte ausstrahlte als die katzenhafte Schönheit der Magierin. Freya ergriff Loki am Ellenbogen und beanspruchte ihn so unumwunden für sich, als sich die Versammlung zu dem großen, länglichen Tisch hinüber bewegte, um dort Platz zu nehmen. »Warum hast du dich nie bei uns blicken lassen? Du würdest wahrlich besser nach Vanaheim passen als nach Asgard, Loki. Das habe ich dir schon immer gesagt. Du gehörst zu deinesgleichen und nicht zu dieser Horde waffenklappernder Wildlinge.« »Meinst du nicht, dass Loki das selbst beurteilen kann, Schwester?« raunte ihr Frey in einem Ton zu, der sie wohl in ihrem Eifer bremsen sollte. Doch die Magierin ignorierte ihren Bruder gekonnt. Der Prinz schmunzelte leicht; obwohl er der Magierin ihre gewünschte Aufmerksamkeit schenkte und durchaus geschmeichelt von ihren Worten schien, wirkte er doch irgendwie kühl und reserviert. Er berührte sie nicht und wahrte eine gewisse Distanz zwischen ihnen. Freya schien es in ihrer Begeisterung nicht zu bemerken, doch Gwen fiel es sofort auf. »Ich hatte andere…Dinge, die meine Aufmerksamkeit forderten.« erklärte er ausweichend und geheimnisvoll. »Oh, ich habe von deinem kleinen Feldzug gegen Midgard gehört. Äußerst köstlich und unterhaltsam. Dieses Gewürm verdient schon seit Jahren einen wahren Herrscher, der Ordnung in dieses Chaos bringt. Sie sind eben wie Tiere, diese Sterblichen…« seufzte die Vanin theatralisch und Gwen spürte einen bitteren Kloß im Hals; es ging immerhin um ihre Welt, über die man hier so gedankenlos Witze machte. Freyas Blick fiel nun unerwartet auf sie. »Wer ist eigentlich dieses unscheinbare Mädchen, was sich da in deiner Nähe herumdrückt. Lady Sif und die Tapferen Drei mag man ja kennen, doch ihr Name will mir einfach nicht einfallen…« grübelte sie gespielt. Loki spiegelte Freyas Belustigung nur vage und bot ihr manierlich einen Stuhl, bevor er Gwen bestimmt an seine Seite zog und sehr zum Missfallen der Vanin an ihrer Seite Platz nahm. »Das ist Gwendolyn Lewis aus Midgard.« erklärte er trocken und Gwen konnte beinahe zusehen, wie die Fassade von Freyas hübschem Gesicht bröckelte. Verwirrt zog sie die Stirn in Falten, während ihr Bruder nun neben ihr Platz nahm. »Eine Sterbliche?! An Odins Tafel?! Also waren es nicht bloße Gerüchte…?!« hauchte sie ungläubig. »Asgard ist verkommener, als ich dachte.« Glücklicherweise betraten Odin und Frigga in diesem Moment den Raum, gefolgt von Heimdall, der die Tür hinter sich schloss. Eine angespannte Ruhe legte sich über den Raum, während alle schweigend Platz nahmen und abwartend auf das Herrscherpaar sahen. Der Allvater stützte sich auf Gungnir und kam langsam zum Tisch herüber, flankiert von Frigga und Thor, die ebenso ernste Gesichter zur Schau trugen wie Odin selbst. Heimdall blieb an der Tür stehen und war somit in der Lage, den gesamten Raum zu überwachen. »Lassen wir die Höflichkeitsfloskeln fallen. Wir alle wissen, warum ich zu diesem Rat rief und wie es um unsere Welten steht. Der Himmel spiegelt unsere Lage wie die glasklare Oberfläche von Mirmirs Quell…« Der Allvater hatte an der Stirnseite des Tisches Stellung bezogen und überflog die Gesichter der Anwesenden; selbst Freya unterbrach ihn nun nicht, obwohl sie eigensinnig das Kinn gehoben hatte und die Arme in einer abwehrenden, fast gleichgültigen Geste verschränkte. Gwen war sich fast sicher, dass sie nur gekommen war - und blieb - weil ihr die Aussicht auf ein Treffen mit Loki gefiel. Oder um ihren eigenen Vorteil aus der Sache zu ziehen… Odin schloss sein Auge und schöpfte Atem, bevor er jenes wieder öffnete und die Tatsache mit harter, unerbittlicher Gewissheit in die Runde warf: »Es wird Krieg geben. Dies ist unausweichlich. Ich habe euch gerufen, um eure Unterstützung und eure Truppen in diesem Kampf zu fordern. Nicht zu erbitten, denn die Zeit für Bitten ist längst vorbei. Wir werden Malekith angreifen, mit aller Kraft, die wir haben.« Währenddessen auf der Erde… Direktor Fury saß in seinem Büro und wog das silberne Amulett Yggdrasils nachdenklich in seinen Händen. Sein Telefon hatte er ausgeschalten; deutlich gemacht, dass er an diesem Tag nicht mehr gestört werden wollte. Die Avengers waren ausgeschickt, die panische Bevölkerung zu beruhigen und die Umgebung im Auge zu behalten; immer wieder erreichten sie Berichte von Augenzeugen aus aller Welt, die von lebenden Toten sprachen. Ob sie es nun wahrhaben wollten oder nicht - die Erde war bedroht und langsam aber sicher wurden sie von allen Seiten eingekreist wie hilflose Tiere in ihrem Käfig. »Trink den Inhalt, wenn du dich bereit und in der Lage fühlst, diese Bürde zu stemmen. Doch jede Gabe Yggdrasils wird ein Opfer fordern. Solche Macht fordert immer einen Preis…« hatte ihm Loki mit der bewusstlosen Frau im Arm erklärt, bevor die beiden Götter mit ihr nach Asgard zurückgekehrt waren. Er erinnerte sich erschreckend deutlich an den ernsten, warnenden Blick des Magiers; wie dieser einem dunklen Gegenstück gleich neben Thor gestanden hatte und seinen harten Zügen zum Trotz die kleine Frau sanft und schützend im Arm gehalten hatte. Nicholas stand das Bild von Gwendolyn Lewis noch jetzt vor Augen; wie sich diese eher unscheinbare Frau in ein Wesen aus reinem Licht verwandelt und den Hauch des Schicksals mit sich gebracht hatte. Fury war nie ein sonderlich gläubiger Mensch gewesen. Er glaubte an Dinge, die er sehen und anfassen konnte; an S.H.I.E.L.D, seine Avengers, an ein gutes Equipment und manchmal auch harte, zweifelhafte Methoden, um seine Welt zu schützen. Doch Thor und sein Bruder hatten vor zwei Jahren eine Welt für die Menschen eröffnet, die es durchaus wieder lukrativ machte, an etwas zu glauben - an Magie, an übersinnliches, an höhere Mächte, die über ihr aller Schicksal wachten... Und er war nun durchaus bereit alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, um die Erde zu schützen. Wenn konventionelle Waffen nicht mehr ausreichen würden, dann musste er sich auf andere verlassen - auf geheimere Wege, verbotene Pfade, magische Gaben… Das Amulett in seiner Hand schien zu ihm zu wispern; sein Innerstes mit einem Lockruf zu berühren, dem er sich nur schwer entziehen konnte. »Ein Geschenk, einäugiger König, für dich bestimmt. Sehe mehr, als es sterbliche Augen vermögen, denn bald wird dein Auge nicht mehr ausreichen, hinter die Schatten zu sehen…« Laut Loki barg dieses Amulett die Macht in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichermaßen zu sehen - eine Gabe, die sich unter diesem unheilvollen Himmel als durchaus nützlich erweisen konnte. Fury schluckte hart, dann löste er zögerlich den winzigen Verschluss, der an der Verankerung der Kette angebracht war. Die schimmernde Flüssigkeit schwappte aufgeregt an das zarte Glas zwischen den silbernen Ästen der Weltenesche. War er wirklich bereit so weit zu gehen? War er bereit sich selbst als Opfer für die Erde darzubieten? Er wusste um die vielen Fehler der Menschheit wie kein anderer; er bewahrte jeden Fehltritt, jedes Vergehen, jedes Verbrechen gegen die Menschlichkeit in seinen Archiven auf, weil S.H.I.E.L.D. es sich schon seit langen Zeiten auf die Fahne geschrieben hatte, über die Geschicke der Erde zu wachen. Fury wusste, dass die Menschen nicht unfehlbar waren. Doch noch immer gab es gute, wertvolle Ausnahmen unter ihnen, für die zu kämpfen es sich lohnte. Mit einer entschlossenen Bewegung hob er das Amulett an die Lippen und trank die reine Flüssigkeit; es fühlte sich beinahe an, als würde er die Frische von Eis und die Zartheit von Samt schlucken, so mühelos glitten die wenigen Tropfen seine Kehle hinab. Angespannt legte er das nun leere Amulett vor sich auf den Tisch und wartete. Doch nichts geschah. Die Uhr an der Wand verkündete mit ihrem monotonen Ticken den Lauf der Zeit, während sein stummgeschaltetes Telefon wegen der vielen unbeantworteten Anrufe munter vor sich hinblickte. Auf dem Gang vor seinem Büro vernahm er gemurmelte Gespräche; der Boden dröhnte unter seinen Füßen, als der Helicarrier mehr Schubkraft zugab, um höher zu fliegen. Sein Herzschlag war ruhig, seine Haut kühl, sein Atem gleichmäßig, seine Sicht klar. Grübelnd ergriff er das Amulett erneut. Wenn es eine Fälschung war? Wenn es gar nicht funktionierte? Wie ein Blitz schoss die Pein in seinen Leib und ließ den Direktor stöhnend zusammenfahren; er wand sich, als würden glühende Eisenhaken durch seinen Körper gejagt, stieß seinen Stuhl zurück und stürzte zu Boden. Im Fall riss er das protestierend hupende Telefon mit sich und unzählige Akten, die ihre Papiere flatternd ausspuckten. Nicholas Fury rollte sich auf dem harten Boden seines Büros zusammen, unfähig auch nur einen Laut von sich zu geben, da er jeden Atemzug benötigte, um unter dem Schmerz nicht völlig wahnsinnig zu werden; es fühlte sich an, als würden ihm sämtliche Knochen brechen, jede Sehne reißen, jede Ader platzen - als würde sein Körper zerstört, um sich anschließend neu zusammenzufügen. Seine Sicht verschwamm und wurde dunkel, als nach einer scheinbar endlosen Ewigkeit des Schmerzes die heilende Bewusstlosigkeit über ihn hereinbrach. Stunden später klopfte Agent Hill an das Büro des Direktors. »Sir…?!« wagte die Agentin zaghaft zu fragen, als keine Antwort von drinnen ertönte. Fury hatte zwar um Ruhe gebeten, doch er war nun schon seit Stunden dort drinnen und das war definitiv nicht die Art des Mannes, der gern die Kontrolle und Übersicht über alles hatte. Einen Augenblick haderte Maria Hill noch mit sich, bevor sie die Tür behutsam öffnete. Im nächsten Augenblick schon zog sie ihre Waffe und stieß die Tür ruckartig auf, sodass diese donnernd an den Rahmen schlug. »Sir?!« Die Agentin scannte den Raum mit ihrer Waffe ab, doch sie konnte keinen Angreifer entdecken, der es verschuldete hätte, dass der Direktor nun leblos am Boden lag im Chaos seiner Papiere, die vom Tisch gerutscht waren. Hektisch betätigte sie ihr Headset und rief nach Unterstützung, bevor sie die Waffe in ihr Holster zurückschob und sich eilig neben dem bewusstlosen Mann in die Hocke gleiten ließ. Vorsichtig tastete sie Fury nach jedweden Verletzungen ab, konnte aber auf den ersten Blick nichts feststellen. »Sir…« rief sie nun besorgt, während sie nach dem Puls des S.H.I.E.L.D Chefs fühlte; zum Glück, er lebte noch. Stöhnend rührte sich der Mann nun und schlug langsam sein Auge auf, nur um jenes unfokussiert in der Umgebung schweifen zu lassen. »Hill…?!« krächzte seine trockene Stimme. »Ich bin hier, Sir. Ein Ärzteteam ist schon unterwegs. Was ist-« »Ich kann Sie nicht sehen, Hill. Warum kann ich Sie nicht sehen? Ist das Licht aus?« unterbrach sie Fury mit eisiger Panik, die lauernd unter seiner abgeklärten Ruhe wartete. Die Agentin schluckte hart und biss sich auf die Lippe, als sie direkt in das milchige Auge des Direktors blickte und die Zusammenhänge erfasste. »Nein, Sir. Das Licht ist an. Ich…ich fürchte, sie sind blind…« hauchte sie ungläubig. Fury stöhnte qualvoll auf und umklammerte das leere Amulett, welches noch immer in seiner verkrampften Faust geborgen lag. 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