Ein (weiteres) Boyfriendshirt von Psychopath (von Commander Handsome) ================================================================================ Kapitel 1: 1 ------------ Zu meinem Bedauern gab es nur wenige freie Tage in meiner Berufsgruppe, sodass ich die meisten davon zu Hause im Bett verbringen wollte und hoffte, nicht mehr aufstehen und in die Hölle zurück zu müssen. Doch meine Freizeitpläne wurden seit geraumer Zeit immer wieder dadurch vereitelt, dass jemand an meiner Tür klopfte, nicht wartete, bis ich ein Lebenszeichen von mir gab, sondern einfach das Zimmer betrat. Normalerweise hatten die Menschen in der Stadt genug Respekt vor mir, um ein solches Verhalten nicht an den Tag zu legen, doch diese eine Person nicht. Genauso war es an einem Tag, den ich mal wieder mit Nichtstun verplant hatte. Ich schlief seltsamerweise ausnahmsweise mal wirklich tief und gut, als mich ein Klopfen an der Tür und die anschließende Öffnung dieser Tür weckte. Ich hatte gerade genug Energie, meinen Kopf zur Zimmertür zu drehen und sah verschwommen, wie ein Blondschopf an mir vorbei Richtung Fenster rauschte und irgendetwas sagte. Allerdings war mein Gehirn noch nicht bereit, jetzt schon Sätze aufzunehmen, sodass ich nicht darauf gefasst war, dass von einem Moment auf den nächsten mein Zimmer lichtdurchflutet wurde, meine Pupillen sich blitzartig zusammenzogen und mein sowieso schon verschwommenes Bild noch unschärfer wurde. Mein einziger Schutz, meine Decke, wurde weggezogen, bevor ich sie mir über den Kopf ziehen konnte. Ich verfluchte diesen Menschen, der so früh bereits auf den Beinen und unterwegs war, mir meinen wunderbaren freien Morgen zu vermiesen, indem er glaubte, ihn zu verschönern. Niemand sollte morgens bereits besucht, angesprochen und mit unerwünschtem Licht beschienen werden. Ich legte mir mein Kissen aufs Gesicht und murmelte - selbst mir unverständliche - Worte, die meinen Unmut ausdrücken und meinem ungebetenen Gast deutlich machen sollten, dass ich nicht bereit war, den Tag zu beginnen. Wie bereits häufiger geschehen, weswegen ich eigentlich damit hätte rechnen sollen, spürte ich, wie sich der Blonde auf meine Bettkante setzte. Ich wusste, dass mir als nächstes mein Kopfkissen weggenommen würde, deswegen hielt ich es mit aller Kraft fest, die ich so früh aufbringen konnte. Leider war das nicht besonders viel Kraft, sodass ich wieder geblendet wurde. Mein letzter Schutz, der mir blieb, waren meine Arme, die ich gerade über meinen Augen verschränken wollte, als ich merkte, dass genau diese bereits auf die Matratze gedrückt wurden. Mir blieb nur noch, meine Augen zu schließen, um weiterhin so zu tun, als würde ich Schlaf seiner Anwesenheit vorziehen. „Es ist immer wieder ein anstrengender Akt, dich zu wecken.“, sagte mein Besucher. „Wach auf. Öffne die Augen. Ich kann sehr nervig werden. Sieh mich an. Du hast Besuch; kümmere dich um mich... Ich habe Mittagessen mitgebracht. Rechne mir wenigstens an, dass ich dich bis mittags habe schlafen lassen. Hey! Stell dich nicht tot.“ Fantastischerweise konnte ich unglaublich geduldig tun, wenn es drauf ankam. Ich tat also so, als würde ich immer noch schlafen können, auch wenn mir mein gesamtes Bettzeug weggenommen wurde. Ich war schon daran gewöhnt, dass mein immer wieder auftauchender Gast versuchte, mich mit Geschwafel wachzuhalten. Gerade deswegen war die plötzlich auftretende Stille auch sehr verwirrend für mich. Mein müdes Gehirn hatte nicht einmal genug Zeit, eine Erklärung zu suchen, als meine Arme schon losgelassen, mein Schlafshirt hochgezogen wurde und ich dann schon Lippen auf meinem Bauch spürte. Plötzlich war mein Kopf hellwach und ich hatte schon sonstwelche Ideen, was der Kerl vorhatte, allerdings war das, was er tatsächlich tat, nicht dabei. Er pustete mir auf den Bauch, während seine Lippen meine Haut berührten, sodass es furchtbar kitzelte. Ich drückte ihn weg und murmelte: „Is' ja schon gut. Bin wach. Was willst du?“ Ich setzte mich auf und versuchte, meine Augen offen zu halten. „Guten Morgen... oder eher Mittag, Sonnenschein!“ „Schnauze. 's kann nich' Mittag sein.“ „Du glaubst, ich würde dich anlügen?“ Als Antwort bekam er von mir nur einen Gähner, worauf er nur kurz und leise lachte und dann einen Korb neben mich stellte. „Was ist das?“ „Ich sagte doch, ich hätte etwas zu Essen dabei.“ „Es ist zu früh, zum Essen.“ „Immerhin sind deine Sätze wieder komplett.“ „Schnauze.“ „Geh dein Gesicht und deine Hände waschen. Und wenn du eh schon dabei bist, solltest du dir wirklich mal den Mund mit Seife waschen.“ „Ich kann mich nur wiederholen: Schnauze.“, sagte ich und quälte meinen müden Körper in den Stand und torkelte zum Badezimmer. „Wenn man dich so reden hört, würde man niemals glauben, dass du mich liebst.“, hörte ich ihn sagen, während ich die Badezimmertür schloss. Sauber und wach verließ ich es wieder. In meinem Schlafzimmer wartete ein kleiner gedeckter Tisch auf mich. Ich blieb stutzig stehen und stellte fest: „Ich habe keinen Tisch.“ „Das ist korrekt.“ „Du hattest keinen Tisch dabei, als du gekommen bist oder?“ „Naja, ich hatte ihn schon dabei, aber ich habe ihn vor der Tür stehen lassen. Als Überraschung. Ist sie geglückt?“ „Zumindest bin ich verblüfft, dass du einen Tisch hergeschleppt hast, auch wenn er so klein ist.“ „Ich habe eben eine Schwäche für zu klein geratene Dinge.“, sagte mein Gast grinsend. Er saß auf meiner Bettkante und klopft mit seiner rechten Hand neben sich auf die Matratze, um mich einzuladen, mich neben ihn zu setzen, was ich auch tat, denn mein Magen fühlte sich – jetzt wo ich wach geworden war – an, als würde er sich selbst auffressen. In dem Moment, in dem ich mich setzte, sah mein Besucher mich mit einem schrecklich lieben Lächeln an. Darauf fiel mir nur eine Reaktion ein: „Was?“ „Was soll sein?“ „Grins' nicht so.“ „Ich grinse nicht. Ich lächle.“ „Mir ist nicht aufgefallen, dass hier etwas Lustiges passiert ist.“ „Da stimme ich dir zu. Aber es ist etwas furchtbar Niedliches passiert, deswegen kann ich mich leider nicht zurückhalten. Entschuldige. Nimm bitte meine Entschuldigung an, die ich dir hiermit als Suppe anbiete, die ich heute mühevoll selbst gekocht habe. Das bedeutet eine Menge, da ich mich dabei sogar geschnitten habe.“ Er hielt einen Finger in die Höhe, auf den ein Pflaster geklebt war. In mir kamen Schuldgefühle, Dankbarkeit und noch so einige Gefühlsregungen auf. Gleichwohl zeigte ich keine davon, sondern bestätigte, dass ich seine Entschuldigung annahm und verlangte, er möge mir sein Selbstgemachtes auf einem Teller servieren. Wieder erntete ich nur ein liebes Lächeln. Dass seine Suppe das Köstlichste war, was ich seit einiger Zeit gegessen hatte, sagte ich ihm natürlich nicht. Auf seine Frage, wie sie mir gefiele, antwortete ich schlicht mit einem: „Sie ist essbar.“ Er packte alles wieder in seinen Korb und sah mich dann an ohne etwas zu sagen. Völlig überfordert mit dieser Situation behandelte ich sie wie einen Starrwettbewerb. Ich starrte aus diesem Grund genauso stumm wie er zurück; jedoch nur für einige Sekunden. Mein Gegenüber fing nämlich wieder an zu lächeln und brach die Stille: „Wie wäre es, wenn wir beide einkaufen gehen?“ „Ich habe nichts zum Anziehen.“ „Du hast einen Putzfimmel und immer saubere Kleidung im Schrank.“ „Wieso sollte ich lügen?“ „Weil das Hemd, das du trägst viel bequemer ist, als das Zeug, das in deinem Schrank hängt.“ „Glaubst du?“ „Ist es nicht so?“ „...Na schön. Ich gebe zu, dass du in diesem Punkt Recht hast.“ „Das freut mich.“ „Wieso?“ Er hatte gar nicht aufgehört zu lächeln und mir schien, als wäre es gerade ein bisschen breiter geworden. Er beugte sich ein wenig zu mir herüber, zupfte an meinem wirklich verdammt bequemen Schlafoberteil und sagte dann: „Weil das meines ist und ich es vor etwa einem Monat hier gelassen habe.“ „Das kann nicht sein.“ „Ach nein? Wieso?“ „Na weil... weil... weil... Das ist meines. Ich habe es irgendwann gekauft.“ „Ach ja? Absichtlich ein paar Nummern zu groß?“ „Ich muss beim Schlafen ja nicht hübsch aussehen.“ „Aber das tust du, was aber jetzt nicht das Thema ist. Zieh es aus und zieh dir etwas Ordentliches an. Ich bringe mein Mitgebrachtes zurück und bin in exakt 20 Minuten wieder hier. Bis dahin bist du bitte umgezogen. Ich will mit dir auf den Markt. Es reicht demzufolge etwas Legeres.“ Er verließ das Zimmer, ich starrte mein Schlafhemd an und fragte mich, ob es wirklich nicht meines war. Kapitel 2: 2 ------------ Natürlich war es eine Lüge, dass ich nichts zum Anziehen hatte. Ich kramte also lustlos etwas heraus, das besonders bequem aussah und quälte mich hinein. Viel lieber wäre ich in meinem Bett, doch wenn der Kommandant sagt, es ist Zeit, das Zimmer zu verlassen und etwas mit ihm zu unternehmen, dann wird das schon stimmen. In dem Moment, in dem ich im Spiegel nachsah, ob ich annehmbar aussah, wurde meine Tür geöffnet. „Bereit?“ „Klopf gefälligst an.“ „Wieso? Ich bin doch immer willkommen. Außerdem glaube ich nicht, dass ich hier etwas sehen würde, was ich noch nicht gesehen habe, wenn ich einfach hereinplatze.“ „Ich hoffe, dir ist klar, dass du heute Müll redest und du solche Sätze in Menschenmengen lieber nicht aussprichst, da die Trottel dort draußen alles aufsaugen, was sich interpretieren lässt. Dadurch entsteht Klatsch.“ „Ich weiß.“ „Ich hasse Klatsch. Pass auf, was du sagst, wenn wir draußen sind.“ „Ich passe doch immer auf. Wie könnte ich einem Unwissenden mein größtes Geheimnis offenbaren? Komm. Wir gehen.“ Auf dem Markt war viel los. Haufenweise Kinder liefen zwischen den Füßen der Erwachsenen herum und brüllten lauter als ihre Eltern, die mit Händlern feilschten. Kurz gesagt, war es mir viel zu laut und zu voll und schon verwünschte ich die Menschenmasse und die Tatsache, dass ich mittendrin ging und damit beschäftigt war, niemanden versehentlich zu berühren und so seinen Dreck, seine Keime und sonstige Abartigkeiten abzubekommen. „Ich dachte, die Bevölkerung ist gut im interpretieren?“, sagte mein Begleiter. „Klatschweiber und Lügner.“ „Wieso drückst du dich dann so an mich? Was glaubst du, wie viele Leute das schon gesehen haben und noch sehen werden?“ „Der große Unterschied zwischen deinen Sätzen und meinem, wie du es nennst, Andrücken, ist, dass ich ein angewidertes Gesicht mache, während ich den Dingen ausweiche, die ich ekelhaft finde und nicht berühren will.“ „Und was mache ich für ein Gesicht, wenn ich spreche?“ „Ein anderes.“ Auch wenn ich ihn nicht ansah, konnte ich schwören, dass er schon wieder lächelte. Erstens war mir sein Verhalten mittlerweile doch ein wenig bekannt. Zweitens stand eine Gruppe pubertärer Mädchen in der Nähe und strahlten ihn an und kicherten. Um ihn auch einmal sprachlos zu machen, tickte ich ihn an und zeigte auf einen Obststand und sagte, als er dorthin sah: „Kauf mir etwas von dort, Commander Handsome.“ „Commander wie bitte?“ „Handsome. Hast du nicht gewusst, dass das dein Name beim Pöbel ist?“ „Nein. Stimmst du diesem Spitznamen denn zu?“ „Schnauze. Kauf mir endlich etwas.“ „Es ist immer wieder eine Freunde deine wohlgeratene Ausdrucksweise zu vernehmen.“, sagte er und seufzte theatralisch, während er zum Obststand ging. „Was hättest du denn gern?“ „Keine Ahnung. Irgendetwas.“ Er wandte sich an den Verkäufer und fragte, was er einem kleinen unerzogenen Jungen kaufen sollte, dem er zeigen wollte, dass nicht jeder auf der Welt böse war. Der unmotivierte Verkäufer verwies auf seine sogenannten „delikaten Äpfel“. Quasi das einzige Produkt, von dem er massig vor sich liegen hatte und das er eindeutig bloß loswerden wollte. „Das ist ihm vermutlich nicht besonders genug. Haben Sie etwas, das klein und dunkel ist? Irgendetwas Süßes, das gleichzeitig etwas sauer ist. Allerdings sollte erst das Saure kommen und dann das Süße. Die Süße sollte sozusagen unerwartet auftauchen.“ Der Verkäufer schenkte ihm einen verständnislosen Blick und holte anschließend eine Kiste mit Pflaumen hervor. Scheinbar die einzige dunkle Frucht, die er kannte. Mein Begleiter kaufte ein ganzes Kilo ohne mit dem Verkäufer zu handeln. Demnach erwarb er dieses Kilo viel zu teuer, was ich ihm natürlich unter die Nase rieb. Es störte ihn offenbar nicht. Wieder lächelte er nur vor sich hin und ging weiter. Die Mittagssonne schien so heiß auf uns herab, dass ich noch mehr an Lust verlor, mich weiterhin draußen aufzuhalten. Zum Glück hatte meine Strickjacke eine Kapuze, die ich mir überziehen konnte. „Was ist los? Dir wird doch nicht kalt sein?“ „Ganz im Gegenteil. Ich bekomme noch einen Sonnenstich.“ Er lachte und schob mich dann in ein kleines Lokal, wo er mir einen Saft kaufte. Ich sah ihn fragend an. Jedoch schien er nicht zu verstehen, wieso. „Wieso Saft? Ich bin kein Kind.“ „Saft ist nicht nur für Kinder.“ „Bei den Pflaumen hast du auch schon so getan, als wäre ich eines.“ „Aber nur um dich aufzuziehen. Sei mir nicht böse. Soll ich dir etwas Anderes kaufen? Dann nehme ich deinen Saft.“ „Nein. Schon gut. Wann kann ich wieder nach Hause? Die Hitze bringt mich um.“ Diese Sätze waren einfach so aus mir herausgesprudelt, ohne dass ich darüber nachgedacht hatte. Und es versetzte mir jetzt einen Stich, dass ich mein Gegenüber damit ganz offensichtlich verletzt hatte. Er sagte – nicht mehr lächelnd, was mein schlechtes Gewissen noch vergrößerte -, er würde mich nach Hause bringen, sobald wir unsere Getränke geleert hatten. Wortlos tranken wir beide aus und machten uns, immer noch wortlos, auf den Weg nach Hause. Der Markt war immer noch voll. Dieses Mal konnte ich aber hinter meinem Begleiter gehen, da er nicht besonders viel Wert darauf zu legen schien, neben mir zu gehen. Vor meiner Tür angekommen, drückte er mir die Tüte mit den Pflaumen in die Hand, verabschiedete sich und wollte gerade gehen, als ich meinen inneren Schweinehund endlich überwinden konnte und ihn bat, stehen zu bleiben. Er drehte sich um und sah mich ernst an. „Welche Gemeinheit willst du mir mit auf den Weg geben?“ Ich ignorierte diesen für ihn so untypischen Satz und sagte: „Ich kann dieses Zeug nicht alleine essen.“ Dabei hob ich die Tüte mit den Pflaumen hoch. „Wir haben das Abendessen verpasst. Ich habe keinen richtigen Hunger, deswegen wollte ich mich mit dem Kram zufrieden geben. Willst du auch?“ Ich konnte förmlich sehen, wie er darüber nachdachte, was er wohl am besten tun sollte. Um nicht schon wieder, das Falsche zu tun, blieb ich stumm stehen und wartete seine Antwort ab. „Na schön.“ Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich wollte unter keinen Umständen einen der Menschen verärgern, der wirklich nett zu mir war. Obgleich der Obstverkäufer ein Volltrottel war und offensichtlich nicht wusste, was er da tat, war seine Ware nicht übel. Ich aß mehr, als ich gedacht hatte und quatschte dabei unheimlich viel Zeug, das nicht annähernd interessant war, einfach um zu zeigen, dass ich kein furchtbarer und langweiliger Mensch war und dass meine Gegenwart auch gut sein konnte. Mein Blondschopf sollte auf keinen Fall glauben, ich wäre seine Zeit nicht wert. Immerhin brachte mein Geschwafel sein Lächeln zurück. Die leere Tüte drückte ich ihm in die Hand. „Wirf das weg.“ „Ich? Ich habe das ganze Kilogramm den ganzen Tag herumgetragen und soll jetzt noch den Müll wegwerfen?“ „Ja.“ „Wieso?“ „Wieso nicht? Wirf das weg. Im Hausflur gibt es einen Abfallschacht.“ „Soll ich es etwa jetzt wegwerfen? Nicht erst, wenn ich gehe?“ „Du gehst?“ „Darf ich nicht? Ich dachte, ich gehe mit dir über den Markt, wir haben einen schönen Tag und dann mache ich mich auf die Socken.“ „Ich dachte, du bleibst.“ „Noch bin ich ja da. Wie lange soll ich denn bleiben?“ „Wie lange willst du denn bleiben?“ Er lachte wieder und verließ dann mein Zimmer. Ich konnte das Quietschen des Abfallschachtes hören, dann kam mein erwünschter Gast zurück und setzte sich neben mich. Er sah mich erwartungsvoll an. Ich hingegen blieb stumm und starrte nur zurück, weil ich nicht wusste, was genau er jetzt von mir erwartete. „Du sagst, ich darf nicht gehen, aber du sagst mir nicht, was du jetzt tun möchtest. Also? Was machen wir jetzt?“, sagte er und sah mich immer noch erwartungsvoll an. „Ähm...ich weiß nicht. Was willst du machen? Es ist nicht so, als hätte ich besonders viele Dinge in diesem Zimmer, die spaßig sind. Du könntest meinen Boden wischen.“ „Mit Mopp oder Tuch?“ „Ist das wichtig?“ „Natürlich. Ich muss doch wissen, ob du mich nur ausnutzen oder mir auf den Hintern starren willst, während ich mich bückend und kriechend durch dein Zimmer bewege.“ „Deine Worte werden gegen Abend immer seltsamer.“ „Sei froh, dass ich das Wort nicht benutzt habe, das ich meinem Kopf geschwebt hat.“ „Welches?“ „Bückstück.“ „Hat der heutige Nachmittag dich wirklich so erschöpft, dass du solche seltsamen Dinge sagst und denkst?“ Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Immerhin bin ich nicht zu erschöpft.“ „Zu erschöpft, um was zu tun?“ „Stell dich nicht dumm.“ Es ist erstaunlich, wie schnell mein Gehirn sich Dinge zusammenreimte, die ich nicht aussprechen würde. Er beugte sich grinsend zu meinem Ohr und flüsterte: „Zum Boden wischen natürlich.“ Ich muss ein ziemlich blödes Gesicht gemacht haben. Er fing nämlich an zu lachen. Er lachte mich nicht aus; er lachte vielmehr über seinen gelungenen Streich. „Das war niedlich. Du hättest dein Gesicht sehen sollen. Wer hätte gedacht, dass ich dich einmal in Verlegenheit bringen würde? Also da muss ich mir wirklich selbst auf die Schulter klopfen. Hach, war das schön. Lässt du mich heute bei dir schlafen?“ „Was?! Du hast keine Klamotten hier.“ „Oh das macht nichts. Ich wette, ich finde in deinem Kleiderschrank einige Kleidungsstücke von mir. Wenn ich sie suchen wollen würde.“ „Was soll das denn bedeuten?“ Es war für mich immer noch schwer, ihn einzuschätzen und genau zu wissen, was er sagen würde und was er meinte. Besonders abends und nachts kamen Seiten an ihm hervor, die ich nicht wirklich kannte und demnach nicht beurteilen konnte. Bevor ich mich blamierte, wartete ich immer darauf, dass er wirklich sehr eindeutige Dinge sagte. Oder tat. Er stand unvermittelt auf und zog seinen Pullover aus. Mir blieb bloß das schweigende Starren. „Ist alles okay bei dir?“, fragte er, sah seinen Pullover an, den er jetzt faltete und sprach dann weiter: „Oh, ich weiß! Du willst diesen Pullover haben und in deine Schlafklamottensammlung aufnehmen. Glaubst du wirklich, dass ich dir das erlaube?“ Immer noch stummes Starren meinerseits. „Na schön, überredet. Ich lasse ihn dir hier, wenn ich morgen gehe. Immerhin werde ich in aller Herrgottsfrühe aufstehen müssen. Das ist der Nachteil am Kommandantsein. Oder Commander Handsome sein. Ich finde Gefallen an diesem Namen. Meinst du, jemand sieht mich morgen so früh? Schließlich laufe ich halbnackt durch das gesamte Gebäude. Hörst du mich? Rede ich zu viel?“ Ich schüttelte langsam den Kopf, allerdings ohne wirklich zu verstehen, was er dort sagte. Er hatte mir seinen Pullover in den Schoß geworfen und ich hielt ihn jetzt in den Händen. In dem Moment wurde mir klar, dass mein Schlafhemd von heute Morgen in der Tat nicht meines war. Der angenehme Duft meines Hemdes stimmte nämlich in abgeschwächter Form mit dem Duft des Pullovers überein, den ich jetzt in den Händen hielt. „Wieso verleitest du mich immer dazu, Dinge von dir zu stehlen?“, fragte ich und unterbrach ihn offenbar in einem Monolog, den ich gar nicht wahrgenommen hatte. „Du stiehlst doch nicht. Ich schenke.“ „Wieso?“ „Sollten dich jemals Fremde in deinem Schlafanzug sehen, dann sollen sie erkennen, dass du ein Boyfriendshirt trägst. Jeder Idiot erkennt dann, dass du bereits vergeben bist.“ „Du markierst mich quasi als Eigentum?“ „Wenn du es so sehen willst.“ Er legte sich hinter mir auf die Matratze, zog mich zu sich und hielt mich in einer Umarmung gefangen. „So lässt es sich doch schön schlafen oder?“ „Du erdrückst mich.“ „Das tue ich nicht. Du störst dich schon wieder daran, dass dir jemand nahe sein will.“ Wir blieben eine Weile so liegen und ich merkte, wie seine Atmung langsam immer entspannter wurde und er langsam einschlief. Denn er atmete mir genau in den Nacken. Als ich dachte, er wäre eingeschlafen, legte ich seinen Pullover, den ich immer noch in den Händen hielt, neben mich aufs Kopfkissen und murmelte dann in die Stille hinein: „Ich habe dich wirklich unvorstellbar gern, Erwin.“ Da drückte er mich noch fester an sich und hauchte mir ein: „Ich liebe dich auch.“ in den Nacken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)