Liebesscheiße von kumquat ================================================================================ Kapitel 2: Lass den Meister machen, Baby ---------------------------------------- Mads fand Steves Eltern ausnehmend charmant. Den Vater hatte er erst zwei Mal getroffen - Dreitagebart, gerötete Augen und ein von oben recht ordentlich aussehender Mittelscheitel; beide Male hatte er sich nach einer Begrüßung ziemlich schnell in sein Arbeitszimmer verdünnisiert. Er war ein viel beschäftigter Abteilungsleiter, der sich oft erst abends zu Hause blicken ließ - oder aber gar nicht, denn der alte Herr wurde gefühlt alle drei Wochen auf eine andere Konferenz oder Fortbildung geschickt, die tagelang seine Präsenz am anderen Ende der Welt beanspruchte. Wahrscheinlich hatte er in jedem Hotel eine andere leidenschaftslose Hure, mit der gleichen schulterzuckenden Einstellung, mit der auch die Mutter ihren Physiotherapeuten nagelte. Oder ihren Kosmetiker. Oder die 20 anderen Menschen, die sie gewohnheitsmäßig für ihr eigenes Wohlergehen aufsuchte, ehe sie mit ihrem Luxusbody durch die lokale High Society paradierte. Was für eine MILF. Bei der Aktion heute morgen hatte Mads nicht mal gelogen. Und wenn er an der Tür klopfte und sie wider Erwarten tatsächlich mal zu Hause war, ließ er sich den einen oder anderen höflichen Flirtversuch nicht nehmen. Die nahm sie mit einem nachsichtigen Lachen zur Kenntnis, was eindeutig bedeutete: Wenn ich x Jahre jünger wäre. Mit dem Vater vereinte sie vor allem ihre Angewohnheit, ebenfalls nicht wirklich präsent zu sein. Stattdessen überließen sie das große, aus latenter Unterbeschäftigung heraus äußerst stilvoll eingerichtete Haus mit bestechender Regelmäßigkeit ihrem 17-jährigen Sohn. Zumeist nicht ohne ordentlich Kohle für Verpflegung auf dem Küchentisch, sowie dem unverbindlichen Vorschlag, es vielleicht nicht all zu bunt zu treiben. An diesem Nachmittag hingen Steve und Mads in der Küche und sahen ganz danach aus, als hätten sie diesen Ratschlag beherzigt. Der Raum war ein bisschen zu warm und in dem Ofen brannte das Licht; in der Luft hing ein süßlicher Dunst, aber das Fenster hatten sie nicht geöffnet. Stattdessen klebten sie am Küchentisch - und das erste Indiz, dass hier etwas nicht stimmen dürfte, war der kleine Glimmstängel in Steves Hand, mit der er sich auf den Küchentisch stützte. Gegenüber hob Mads das Nudelholz an - inspizierte den Teig zunächst von oben und ging dann in die Hocke, mit der Augenhöhe auf der Tischkante. Als er hochschaute, fing er Steves Blick auf. "Brauchst du ein Lineal?" "Pfffh." Mads winkte ab, ehe er sich mit den Händen an der Tischkante hochzog. "Lass den Meister mal machen, Baby. Habt ihr Backpapier?" "... Ach Matsi, was fragst du mich. Seh ich aus, als würde ich backen?" Provokant breitete Steve die Arme aus, aber Mads sah nicht richtig hin - er ließ die Hand über einem reichhaltigen Berg von Ausstechförmchen kreisen und machte sich dazu schwere Gedanken. Wahrscheinlich hatte Steves Mutter die einmal im Teleshopping bestellt und dann vernachlässigt, weil sie sich diesen ganzen Salzteig-Deko-Kram irgendwie romantischer und weniger zeitintensiv vorgestellt hatte. Etwas abwesend erwiderte er schließlich: "Dann geh's eben suchen, Stöfchen. Oh, und." Weiter sprach er nicht, sondern tippte seine Unterlippe an. Steve zog einen leichten Schmollmund. "Kannst du voll vergessen, Mässchen." Und begann, halbherzig in einem Schrank zu stöbern. Nun widmete Mads ihm doch einen längeren Blick, während er sich langsam aufplusterte. "Hast du etwa keine Vertrauen in meine Kekse?!" "Ich glühe nur vor", erklärte Steve würdevoll. "Haha. Stealth Pun." In seinen Händen fand Mads eine entzückend kitschige Engelsform und strahlte über das ganze Gesicht. Wahrscheinlich sah er jetzt schon total zugekifft aus, wie er auf den Teig einstach und sich permanent das Lachen verkniff. Großartig! Haben wir Kuvertüre? Und Deko? Die Dinger brauchen unbedingt bunte Heiligenscheine aus Zuckerperlen und Flügel aus dezent giftigem Blattgold!! Geschniegeltes Schwarz schob sich in sein Sichtfeld und beugte sich über die Tischkante. "... Scheiße, wo hast du das denn ausgegraben..." "Pscht!" Mads wedelte mit seiner Hand. "Ich hab dir doch gesagt: Lass den Meister mal machen. Der Pöbel sucht brav weiter." "Keine Lust. Ich find's eh nicht. Brauchen wir das überhaupt?" "Komm schon! Willst du diese armen Kekse wirklich ohne schützendes Backpapier dem harten Rost und dem erbarmungslosen Ofen überlassen?! Jetzt behandel sie mal nicht so..." Wait for it. "... stevemüdderlich." "Duuude. Niiicht lustig." Aber seine Lippen pressten sich zusammen, bevor er noch mehr sagen konnte. Langsam wanderten seine Augenbrauen aufwärts, als hätte er die fette Dame singen gehört, und in seinen Mundwinkeln sammelten sich die Schatten. Unter dem Arhythmus seiner Atmung kochte leises Schnauben hoch wie die Bläschen in der Cola - er schnappte kurz nach Luft - schmiegte sich die Faust an die Lippen und prustete dagegen. Er stolperte zurück - die Glut zwischen seinen Fingern zitterte - prallte mit der Hinterseite gegen Mads und schluchzte noch einmal halb, ehe er seine Fassung wieder errang. "Oh... mein... Gott." Mit vertränten Augen drehte er sich zu Mads um und glotzte ihm ins Gesicht. "Hier." Dann steckte er ihm den Joint zwischen die Lippen, wo dieser zunächst noch etwas fassungslos runter hing. "Wenn ich schon über so einen Scheiß lache, hatte ich definitiv erst mal genug." Im Tausch dafür drückte Mads ihm die Engelsform in die Hand. "Dann bastel ein paar Kekse, und ich geh den Schrott suchen." Mit einem relativ apathischen Gesichtausdruck warf Steve die Form kurzerhand von sich. "Ich bin ein Vampir", erklärte er todernst. "Heiliger Kitsch verbrennt mich." Abwinkend steuerte Mads die Küchenzeile an. "Dann nimm die Herzchenform und schreib mir nen Liebesbrief drauf, SparkleSteve." "Was Sparkle! Ich bin Nosferatu! ... Obwohl. Der ist voll hässlich." "Graf Zahl vielleicht?" "Doktor Acula!" "Oder doch Graf von Krolock..." "Wer is'n das?" Ertappt grinste Mads das Regal vor sich an. "Auch so ein verknallter Stalker." "Was ist das mit dir und Stalkern, bist du einsam? Soll ich dir was vermitteln? Ich hatte heute wieder so'n Briefchen aufm Tisch." Steves Gesicht verzog sich, während er mit der scharfkantigen Form in seiner Hand auf den Teig einhämmerte. Mads holte Luft, um zu antworten, und vergaß es prompt. Aha! Du Blindfisch. Ich dachte, von uns zweien bin ich die Brillenschlange? Triumphierend zog er die braune Rolle aus der Schublade und begann mit der Präparation des Ofenrosts - das Backblech hatte er auf die Schnelle dann doch nicht hervorzaubern können. Wahrscheinlich hatte Steve-Mum vor ein paar Jahren das erste und letzte Mal für irgendeinen Schulbasar Kuchen gebacken, und weil Steve erstaunlich persistent darin sein konnte, Bitten zu vergessen, lag das Ding immer noch im Sekretariat. Warte mal. Du hast gerade irgendwas von Briefchen gesagt. Und dann einfach zu erzählen aufgehört! Mads' Mundwinkel zuckten. "Mit Vanilleduft?" "... Kokos." "Kinky." Mit dem Rost in den Händen stiefelte er zum Tisch zurück, um sich die erste Fuhre Gebäck abzuholen. Dabei nahm er einen coolen Zug von seinem Joint und blies den Rauch durch seine Nüstern, ohne abzusetzen. Ein höllisch brennendes Prickeln arbeitete sich seine Schleimhäute hoch. Als ob im Zeitraffer eine Armee aus Millionen miskroskopischer Blutegel über seinen Atmungsapparat herfielen. Urgh! Ihm schossen die Tränen in die Augen. Er schob den Rost über die Tischkante und wandte sich ab, um den Joint abzusetzen und krampfig in seinen Ellenbogen zu husten. Bäh, fuck! Das machen wir NIE wieder! Mit den Fingern fuhr er sich unter die Brille und wischte sich ein Tränchen aus dem Augenwinkel. Er musste sich räuspern. "War es wenigstens ein Gedicht?" Seine Stimme streifte rau seinen Kehlkopf und kitzelte ihn mit ihrem struppigen Fell. Noch mal Räuspern. "Na zum Glück nicht." "Ha, siehst du. Ich krieg Gedichte." Zumindest hatte er mal eins bekommen, so richtig mit Blut und Tod. Es war profunde verstörend gewesen, und so im Nachhinein war er sich nicht ganz sicher, wie viel davon sie davon überhaupt ernst gemeint hatte. Er hatte sie in einer Buchhandlung getroffen, wo sie in Anansi Boys versunken gewesen war, und hatte sich gedacht: Ein so schlechtes Zeichen kann das ja nicht sein. Sie hatten ein bisschen gequatscht und sich zwei Mal getroffen, bis sie ihm schließlich kryptische Dinge auf Facebook schrieb und diese in dem Gedicht an seiner Pinnwand gipfelten. Vielleicht hatte sie das auch einfach gemacht, um ihm eins auszuwischen - weiß der Geier, mit irgendwas würde er ihr schon auf den Schwanz getreten sein - aber vor Steve würde er das garantiert nicht zugeben. "Pfff." Steve schubste den letzten Keks, geformt wie kleine Igel, auf das Backpapier und klopfte sich dann die Hände ab. "Hätte aber auch gut ein Gedicht sein können." Und streckte das Kinn vor. "War so 'ne aus der Achten, die wissen noch nicht, wie das läuft. Da stand so Kram wie, 'Wenn ich die Augen schließe'", rezitierte er mit wabernder, leicht weinerlicher Stimme, "'sehe ich uns beide, und ich spüre deinen Kuss...'" Er rieb sich über die Nasenspitze. "Weißt du, man könnte meinen, dass ich den Brief jetzt auswendig kann." "Könnte man." Mit dem Rost in den Griffeln stiefelte Mads durch die Küche und zog die Ofenklappe herunter. Er rechnete mit einem metallernen Quietschen - wie der heimelige Gasofen bei seinem Onkel - aber das Ding war zu neu und modern, und so war es völlig still, als es sich gleichmäßig und viel zu langsam öffnete. IKEA. Garantiert. "Aber ich hab einfach schon so viele Briefe gekriegt, dass ich sie ALLE auswendig kann. Ich kenne den Einen Brief, verstehste... Den Meta-Brief." Das Backwerk verschwand auf Bräunungsurlaub, als Mads den Ofen kichernd wieder zuklappte. Langsam breitete sich ein warmes, fluffiges Gefühl zwischen seinen Schultern aus. Damit es nicht so einsam war, schickte er noch ein Wölkchen Ganja hinterher. "Ich dachte immer, der Metabrief wäre mehr so: 'Augen zu und küss mich, du Wichslappen.'" Er lehnte sich an die Theke. Steve verzog den Mund zu einem knittrigen Kissen. "Augen zu beim Küssen ist voll kitschig." Verwirrt öffnete Mads ein Auge. "... Aber seelenlos geradeaus zu glotzen ist gruselig." Das sind die wichtigen Themen des Lebens! Inzwischen hatte Steve es geschafft, auf den Küchentisch zu klettern, und saß dort auf der Kante wie auf einem Hausdach. Seine Beine hingen wippend herunter. Er hatte sich heute morgen in schwarze Skinnies gequetscht, in denen seine Beine wie eine lange, dünne Zielgerade wirkten. "Warum geradeaus?", fragte er und zeigte auf seinen Kopf, so dass Mads seinen Blick hob. "Ich hab nicht umsonst dieses hübsche Gesicht hier." Er grinste gewinnend. Dann glotzte er Mads auf die Hand und deutete mit seiner eigenen eine Kippe an. Mads schielte auf seinen Joint und schüttelte den Kopf. "Ist eh fast weg", erklärte er und nahm einen langen, bekräftigenden Zug. Eigentlich sollte in der Küche nicht geraucht werden, oder zumindest ließ das Fehlen eines Aschenbechers darauf schließen. Schulterzuckend drückte Mads den kümmerlichen Rest des Joints am Mülleimerdeckel aus und schnipste ihn hinein. Steve indes fing an, sich flugs ein neues Tütchen zu basteln. Dieser Junge ist im Einklang mit seinen Bedürfnissen, das muss man ihm lassen. In seinem Gesicht hob sich die linke Augenbraue, als er mit spitzer Zunge über die Kante des Papers leckte, und in Mads' fluffiger Brust schlug eine Faust gegen seine Rippen. Er versuchte, seine Mundwinkel nicht zu heben, und sah weg. "Hast du Feuer?" Er sah wieder hin. "Mh, klar." Zielstrebig grub er das Sturmfeuerzeug aus seinem Hoodie und klettete sich ebenfalls an den Tisch. "Wenn du mich ziehen lässt", setzte er hinzu. Das allumfassende, bekiffte Grinsen, das hinter seinem Gesicht lauerte, presste sich allmählich schwitzend durch die Ritzen seiner Grübchen; er spürte, wie seine Muskeln sich spannten, und erntete einen spitzen Blick. "Okay." Neben Steve lehnte er sich an den Tisch und hielt ihm die Flamme unter die Nase. Steve schob seine Tüte in den Brandherd und paffte sorgfältig, ehe er einen längeren Zug nahm und mit einem wohligen Seufzen wieder ausatmete. "Sehr professionell, Schatz." Mads ließ sein Feuerzeug einschnappen und steckte es weg. Ein paar Anstandssekunden wartete er noch, dann streckte er die Finger nach dem Joint aus. Steve glotzte auf die Hand wie auf ein nervendes Insekt. In aller Seelenruhe nahm er noch einen Zug, und als die Hand danach immer noch nicht verschwunden war, zog er den Kopf nach hinten und wedelte sie an. Nicht, dass Mads sich davon beirren ließ. "Ey..!?" "Verarscht", murmelte Steve trocken und drehte das Gesicht weg. Was bei Mads' Größe und dessen dementsprechender Reichweite fast schon niedlich war. Dein Profil beeindruckt mich nicht. Nicht sehr jedenfalls. "Jetzt sei mal nicht so gierig!" "Gierig? Iiich? Wer hat mir denn meine erste Tüte aus den Händen gerissen und dann... aufgeschmaucht?! Du bist erbarmungslos. Ein Monster." Dafür, dass er keine Miene verzog, klang Steve sehr dramatisch. Er bohrte seinen Zeigefinger in Mads' Hemd und die darunterliegende Brust. "Ich bin vor allem mal viel größer als du. Ich brauch doch viel mehr Stoff, um breit zu werden!" Unbeirrt griff Mads nach dem Glimmstängel - der zwei perfekte Zentimeter außerhalb seiner Reichweite blieb; Steve hatte ihn in die Hand genommen, um ihn vor Begehrlichkeiten zu schützen. Aber noch weiter konnte er den Arm nicht ausstrecken, und Mads brauchte sich nur ein Stück vorbeugen - ha, siehst du, ich hab längere Arme, du kannst dir deine Egotour mal sowas von abschminken! - und als er sich rüberlehnte, drückte ihm Steve hilflos die Hand ins Gesicht. Mads griff nach dem Handlenk und zog es runter, und dann hatte er eine Fußsohle im Bauch. Er beugte sich vorwärts - und Steve streckte nach hinten, bis er gefährlich über dem Tisch schwebte, den glühenden Preis immer noch in der Hand - Mads holte aus und schnappte danach, da zog Steve den Arm zu weit zurück und knallte mit dem Rücken auf die Tischplatte. D-das ist die Chance!! Mads' Augen weiteten sich. Und spürte ein Kitzeln - er presste die Lippen aufeinander, unter sich sah er Steve, wie er mit seiner Fassung rang - alles war sehr leicht und heiß und ein klitzekleinesbisschen albern, wie das Gackern, das sich in seiner Kehle staute, wie Helium - er hielt die Luft an, drückte seinen Kehlkopf herunter und bekam prompt einen zweiten Fuß in den Bauch. Das war zu viel. Sein Kehlkopf knackte. Er prustete Steve voll ins Gesicht. "Jetzt sei mal kein Oktopus!", jaulte er zwischen zwei Lachsalven; aber er machte sich keine Hoffnungen, gehört zu werden - Steve prustete zurück, schon wieder, seine Beine erschlafften und ihr Kampf musste pausieren. Mit den Armen stützte Mads sich auf dem Tisch ab, aber seine Ellenbogen zitterten, und ihm schossen Tränen in die Augen. Er lehnte sich vorwärts, das Kinn auf der Brust, und sah Sterne. Langsam lief das Gelächter aus. Stattdessen füllten sich Mads' Ohren mit zweistimmigem Japsen und ein bisschen Rauschen. In seinen Zähnen konnte er seinen Herzschlag spüren; das Echo seiner Schädelknochen pochte in seinen Kiefer. Unter ihm blinzelte Steve durch tränige Schlitze, die Lippen noch einen Spalt offen. Steve. Unter ihm. Ein blödsinniges Triumphgefühl schoss ihm mit Hochdruck in die Adern, als hätte es jahrelang ein Ventil gesucht, und im ersten Moment musste er sich die Zähne in die Unterlippe graben, um nicht noch einmal laut loszulachen. Das dünne Schnaufen ihrer Stimmen stand plötzlich scharf umrissen im viel zu großen Raum. Zwischen seiner Kehle und seinem Unterbauch spannte sich ein vibrierendes Gummiband. Ich will dich. Jetzt. Über diesen ganzen, verfickten Tisch ziehen. Er neigte sich abwärts. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass sie ziemlich dicht waren und Rummachen dementsprechend für eine grandiose Idee hielten. Besonders für Mads nicht. Besonders nicht in diesem Moment. Wir sind halt high. Da kommt sowas schon mal vor. Jep, klingt total nachvollziehbar. Er bekam Steves Beine zu fassen und zog sie mit langsamer Persistenz auseinander. Schob sich in den Spalt dazwischen. Und überfiel ihn einfach. Auf seinen Lippen konnte er noch die Spuren eines Grinsens spüren, und bewunderte durch ein dichtes Blinzeln tatsächlich ein bisschen diese Gewinnervisage. Schönes Bild. Guter Vorschlag. Und dann überfiel er ihn zurück - ein bisschen Steve, aber hauptsächlich der Enthusiasmus - er konnte sich kaum zusammenreißen, und warum sollte er auch?! Er neigte den Kopf und stieß forsch in neue Gefilde vor, besuchte Steves Kiefer und spürte, wie dessen Finger sich zwischen seine Haare gruben, als er sich zum Hals vorarbeitete. Ein kleines Seufzen - verlieren wir allmählich unsere Coolness? - zaghaft zupfte Mads mit den Zähnen an der Haut und wurde belohnt, "Nh", ein kleines Zucken, und jetzt - wo Steve ihn nicht sehen konnte - breitete sich doch ein völlig bescheuertes Grinsen auf seinem Gesicht aus wie eine Seuche; und dahinter ratterten tausend verschlungene Gedanken an den Gitterstäben. Eine Idee jagte die andere, aber im Kern waren sie gleich. Was ich dir alles sagen könnte. Was ich dir alles sagen will. Und am Ende könnte ich immer noch behaupten, dass ich einfach breit war, viel zu breit, da rutscht einem schon mal sowas raus, ich... Seine Ohren spitzten sich und fingen all die feinen, kleinen Geräusche ein, die zwischen ihnen entstanden. Er musste nur auf den richtigen Moment warten, und vielleicht seine Hand unter dieses Shirt bekommen. "Wenn ich", begann er leise, und plötzlich wurde es schrill und metallisch und durchstach klingelnd sein Trommelfell. Widerwillig stützte er sich auf seine Arme, und sein verwirrter Blick hatte die Bahn eines Papierflugzeuges. Was zum..? Der Raum drehte sich ein bisschen, oder vielleicht drehte er sich, oder vielleicht atmete er auch einfach zu schnell und war dementsprechend über-oxidiert, und unter ihm blickte Steve mit wunderbar rotem Gesicht umher, ohne sich zu bewegen, und presste dabei die Lippen aufeinander, um ein Kichern einzusperren - aber Mads sah seinen Kehlkopf springen, und es war so verdammt niedlich, und ein bisschen lustig, wie er ein bisschen mit den Augen rollte und ein Gesicht hatte, als hätte er das größte, übertriebenste Geheimnis der Weltgeschichte, und Mads lachte los und fiel nach vorne; sein Gewicht jagte geräuschvoll die Luft aus Steves Lungen. Mit der Faust trommelte Mads auf der Tischplatte herum und spürte unter den Zuckungen seines bekifften Amüsements, wie er rot anlief, und keuchte den Großteil davon in Steves Halsbeuge. Als er den Kopf hob, hatte er wieder diese Lippen vor sich-- Und da traf es ihn. Er riss die Augen auf. "Fuck! Die Kekse!!" Schnell zog er seinen Oberkörper in die Aufrechte - etwas zu schnell - die Küche wurde zu einer Zentrifuge - aber seit wann - und die dringende, alles verschlingende Frage lauerte am Abgrund seines Kopfes. "Wenn ich", wiederholte er hilflos, aber seine Stimme stürzte in sich zusammen wie ein Kartenhaus und seine Beine. In einer garantiert bildschönen Pirouette segelte er zu Boden und schlug sich die Handflächen an den Fliesen auf; verdutzt starrte er auf die Mehlschicht, in der er gelandet war, während Steve das mit fassungslosem Gegacker kommentierte. Unter der Brille rieb Mads sich die Augen und ging - kroch - bewegte sich zum Ofen. Er warf einen langen Blick hinein, ehe er ihn abschaltete und zum Tisch umdrehte; in seiner Kehle kitzelte der Herzschlag, und er musste kurz husten. Die Küche schwankte wie ein Schiff, und er brauchte einen Moment, um sich nicht einfach kommentarlos zwischen Mehl und Fliesen einzurollen; die bittere Vorahnung schwebte in seinem Gehirn wie ein Tropfen Lebensmittelfarbe in einem Glas Wasser. Die Frage lag schwer wie ein Schleimklumpen in seiner Kehle, und genau so musste er sie runterschlucken, statt sie Steve ins Gesicht zu spucken. Das hatte er sich eingebläut. Und trotzdem hätte er fast... Fuck. "Wenn du was?" Und dann kommst du auch noch an und willst das Ende hören! Langsam holte Mads Luft. Sein Gehirn war die knirschende Sorte von wattig, die hässliche, styroporhafte Sorte. "... wenn ich Milch wäre", setzte er an. "Wäre ich dann H-Milch oder Frischmilch?" In seinem Kopf hatte das ein bisschen sinnvoller geklungen. Er war zu dicht für diesen Scheiß. Aber genau so war es Steve. Er hatte sich auf dem Tisch aufgesetzt. Seine Augen glänzten, und auf seiner Wange rollte unbeachtet eine fotogene Lachträne ihres Weges. Breit grinste er Mads entgegen. Äußerst breit. "Sonnenmilch", erwiderte er verzückt. Und dann war es Stunden später, draußen war es längst dunkel und still, und Mads lag in seinem Bett und bereute es. Nach Haschkeksen konnte er nie schlafen. Was vielleicht ein wenig seltsam war, aber nur selten zum Problem wurde. Normalerweise blieb er dann einfach bei Steve hängen - in dem schummrig belichteten Wohnzimmer mit der federnden Couch, oder in dessen Zimmer auf dem überdimensionalen King-Size. Aber die irre Vorstellung, knapp an etwas sehr Dummen vorbeigeschrammt zu sein, hatte ihm unter den Fußsohlen gebrannt. Widerwillig war er den Feuerlauf nach Hause angetreten. Mit leer gesaugten Kopf. Etwas fehlte, und im Zuge, es wieder zu bekommen, hatte sich das Loch kurzerhand alle anderen Gedanken in den Rachen gestopft. Und war doch nicht satt geworden. Inzwischen waren seine Füße eiskalt, selbst unter der Decke. Er zog sie an sich und starrte mit wachen Augen durch die nächtliche Dunkelheit, die blaue Ostwand seines Zimmers eine Armlänge vor seiner Nase. Es reichte auch schon, dass er die Wand sah. Dass nichts seinen Blick blockierte. Ein schwarz behaarter Hinterkopf zum Beispiel. Er konnte sich gut vorstellen, wie das gerade aussehen musste. Er lag mindestens seit Stunden wie gelähmt auf einem zerrauften Laken und glotzte mit deprimiertem Gesichtsausdruck ins Nichts. Obwohl er wirklich da lag und sich den Kopf zerbrach, wirkte es wie schlecht gespielt, weil sein Gehirn die Pathetik so dick auftrug. Echtes Fotomaterial für die Bravo. Mit einer Denkblase oben dran: Warum ruft sie nicht an? Oder: Wird der Krebs sie wirklich umbringen? Und all diese Gedanken von seiner Lächerlichkeit und Klischeehaftigkeit konnten ihn trotzdem nicht davon abhalten, die Wand anzuseufzen und die Nase im Kissen zu begraben. Widerwillig schloss er die Augen. In seinem Kopf summte es leise. Ein ganz dünner Geruch... Wir können diesen ganzen romantischen Kram auch weglassen. Er runzelte die Stirn. Keine großen Geständnisse. Kein Händchenhalten. Nur Knutschflecken, und sinnlos aufeinander herumliegen und blöde Filme gucken und rummachen, und manchmal kiffen und mehr rummachen. Wie eben jetzt, zumindest manchmal. Nur, dass wir keine Ausreden brauchen, und dass du zu mir gehörst und niemand anderes an deiner Coolness kratzt. Wär das nichts? Ich könnte dein geheimer Liebhaber sein, deine Anti-Zicke, dein Bromancier. Was auch immer du willst. Du könntest einfach neben mir einpennen, und ich könnte mit deinen blöden gefärbten Haaren spielen und meine Nase in deinen Nacken schieben - das klingt nur so kitschig, wenn man's macht, ist es eigentlich voll gut. Es braucht auch gar nicht so dramatisch zwischen uns zu sein. Wenn dir irgendwas nicht passt, dann kack mich an, und dann meckern wir ein bisschen rum und eine halbe Stunde später haben wir Wiedergutmachungssex. Ich verspreche auch, dir keine nach Vanille duftenden Liebesbriefe zu schreiben und auch kein Eifersuchtsdrama anzuzetteln, wenn du mal wieder einen auf deinem Sitzplatz findest - hey, wenn sie heiß ist, dann treiben wir es eben zu dritt und, wenn das schon meine bescheuerte Fantasie ist, tauschen danach High Fives aus; ich bin da offen, das verspreche ich - und dass ich dir Wärme klaue, wenn mir kalt wird, so ganz unzeremoniös, nachts im Bett. Bist eh viel zu heiß, selbst nur in Shorts - besonders nur in Shorts - und deine Haut riecht so verdammt gut, und wenn du dann doch noch wach bist, ich bin's ja auch. Wir können ja ganz leise sein, aufeinander - obwohl, wie ich dich kenne, würdest du dabei am liebsten das ganze Haus aufwecken... Seine Schneidezähne streiften seine Unterlippe. Die Unruhe zog Kreise auf seiner Haut wie Tropfen, die auf die Wasseroberfläche prallten. Die Ringe wurden immer größer, und die leicht aufragenden Ränder prallten aufeinander und zogen eine kitzelnde Spur von seinem Bauchnabel abwärts. Sein Atem vibrierte. Seine Stirn wurde heiß; er kniff die Augen zusammen und presste sie in das Kissen. Das Summen in seinem Kopf wurde lauter; daraus schälten sich kleine, lebhafte Geräusche, Erinnerungen wie Tonskulpturen. Seine Lippen kribbelten. Sein Atem rauschte an ihnen vorbei. Zum Glück ist hier keine Eieruhr. Und wie Steve unter seinen Markenshirts aussah - mit dem Bild konnte sein Gehirn ihn versorgen. Und es abwandeln. Ein bisschen kreativ werden. Hey, Steve. Brauchst du die Hose noch? Skinny Jeans loswerden ist ganz schön anspruchsvoll, warte, lass mich dir helfen. Siehst du? Viel besser. Und jetzt, pass auf, wie ist das? Genau das, das ist... Halt dich nicht zurück. Bleib nicht cool, werd ruhig laut. Sag meinen Namen. Sag meinen Namen... Er schob seine Finger abwärts, über ein paar seiner eigenen, widerspenstigen Haare. Stellte sich vor, seine Hand wäre nicht seine. Krümmte sich auf der Matratze. Und fluchte leise, als er sich die Shorts einsaute. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)