Mars von Selma ================================================================================ Kapitel 4: Eindringling ----------------------- Die Büroräume waren, wie das meiste auf dieser Station, zweckmäßig ausgerichtet und weckten nicht unbedingt das Bedürfnis darin länger als nötig zu verweilen. Doch recht schnell musste Sina feststellen, dass die Unterzeichnung des Lieferscheins nicht so einfach war, wie ursprünglich gedacht, denn das Büro des Vorarbeiters war verweist. Wahrscheinlich machte er einen Kontrollgang. So blieb ihr erst einmal nichts anderes übrig, als zu warten. Sie zog sich an einem Wasserspender einen Becher und ließ sich auf einem der, in den Wänden versenkbaren, Sitzen nieder. Mit der Zeit wurde Sina ungeduldig, denn in diesem Abschnitt ließ sich irgendwie keine Menschenseele blicken. Niemanden, der vielleicht wissen konnte, wo der Vorarbeiter jetzt war. Ihr Rücken war schon völlig verspannt von dem Sitzen auf diesen unbequemen Stühlen, weshalb sie sich erhob und den Becher austrank. Langsam trat sie näher an die Tür heran, hinter welcher sich das Büro des Vorarbeiters befand. Zuerst dachte sie noch, dass das feine Zittern, welches sie mit einem Mal unter ihren Füßen verspürte auf überreizte Nerven zurückzuführen war, doch es wurde stärker. Das Wasser im nahen Wasserspender vibrierte ebenfalls und sie trat näher heran um es besser sehen zu können. Eigentlich dürfte der Sturm hier drin doch nicht für solche Vibrationen sorgen, oder? Jedenfalls schien es nicht ungewöhnlich hier zu sein, sonst gäbe es sicherlich schon einen Alarm. Als jedoch ein Rascheln hinzu kam, senkte Sina den Blick und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Das war doch Sand. Marssand, aber wo kam der her? Außerdem bewegte er sich, so als würde ihn ein beständiger Luftstrom durch den Gang blasen. Doch Sina konnte keinen Wind spüren. Langsam ging sie in die Knie und streckte die flache Hand aus um den Wind so erfühlen zu können. Sina konnte spüren, wie der Sand dabei über ihre Haut strich, doch den eigentlichen Wind, den sie sich erhofft hatte, konnte sie nicht erfühlen. Verwirrt sah sie auf diese seltsame Szene herab und realisierte auch erst nach einigen Sekunden das schleifende Geräusch, das entstand, wenn viele Sandkörner aneinander rieben und welches immer lauter wurde. Fast blieb der Botin der erschrockene Aufschrei im Halse stecken, als sie sich des langsam größer werdenden Staubteufels bewusst wurde, der gerade in einer vollkommen windstillen Umgebung entstand. Alles in ihrem Körper schrie das sie flüchten solle, doch sie konnte sich keinen Zentimeter bewegen. Ihr Gehirn weigerte sich diese Tatsache zu akzeptieren. Alle Staubteufel entstanden aus Winden heraus... und wieder die Frage, wo dieser ganze Sand auf einmal herkommen konnte? Ein Alarm gellte los und endlich fiel diese Starre von Sina ab. Sofort stürzte sie aus dem Raum hinaus auf den Gang und nur weg von diesem Ding. Im Gang stieß sie mit jemandem zusammen. Beide verloren das Gleichgewicht und fielen zu Boden. Sina unterdrückte sich ein Stöhnen, als sie mit dem Ellenbogen gegen etwas spitzes prallte. Dass ihr der Chip dabei aus der Tasche glitt, bemerkte sie überhaupt nicht. Jemand ergriff sie und zog sie hoch. „Los, beweg dich. Ausruhen ist nicht. Wir haben Evakuierungsalarm.“ Sina knurrte leise, hütete sich aber davor etwas lauter zu werden. Eigentlich hatte sie hier nichts zu melden. Sie war nur ein Besucher. Doch dann spürte sie, dass sie den kleinen Vogel verloren hatte. Hastig tastete Sina ihre Kleidung ab, in der Hoffnung, dass sich der Kleine irgendwo verfangen hatte, aber leider vergebens. Mit einem leisen Fluch auf den Lippen wollte Sina wieder umkehren, doch da ergriff man sie erneut. „Nicht da lang. Wir müssen in unsere ausgewiesene Evakuierungszone.“ Ein scharfer Schmerz schoss durch den lädierten Arm und veranlasste Sina scharf die Luft einzuziehen. „Aber ich habe etwas verloren...“ „Das kann warten. Du kennst die Anweisungen und die gelten auch für dich.“ Der Arbeiter zog sie unerbittlich weiter und Sina musste ihm folgen, ob sie wollte oder nicht. Im Geiste murrte sie leise. Die Luft in der Evakuierungshalle war schlecht. Der Raum war nicht besonders groß und gefühlt für die Masse an Menschen, nicht ausgelegt. Irgendwie schien niemand so recht zu wissen, warum der Alarm losgegangen war und so schwirrten verschiedenste Fragen, aber auch Theorien und Vermutungen durch den Raum. Auf die Idee, dass es vielleicht der Sandteufel in dem Büro gewesen sein könnte, kam niemand. Das konnte durchaus daran liegen, dass ihn außer Sina wohl auch niemand sonst gesehen hatte. Sie beschloss es erst einmal für sich zu behalten und abzuwarten. Schließlich wurde das Gebäude jetzt von speziell ausgebildeten und vorbereiteten Sicherheitskräften durchsucht. Selbst wenn der Wirbel sich auflöste, würden sie immer noch den Sand finden. Die Frage war nur, wie lange sie dafür brauchen würden, denn an einen Rückflug während der Marsnacht war nicht zu denken. Seufzend lehnte sie gegen die Wand und versuchte sich zu entspannen. So blieb ihr nachher wenigstens die Zeit nach dem Vogel zu suchen und ihn hoffentlich der richtigen Person zuzustellen. Nach einer Weile kam jemand in einem Schutzanzug in den Raum. Das allgemeine Gemurmel verstummte augenblicklich und machte einer angespannten Stille Platz. „Der Grund der Störung konnte noch nicht ermittelt werden, aber es wurden Spuren von Marssand gefunden. Wir werden ein Vakuum in den Hallen und den Büros erzeugen um das Leck zu finden. Deshalb können die Evakuierungsbereiche für diese Zeit nicht verlassen werden.“ Wieder setzte Geraune ein, aber man bemerkte die angespannte Stimmung. Niemand hatte große Lust die nächsten Stunden an diesem Ort zu verbringen. „Können wir nicht wenigstens in unsere Unterkünfte?“ versuchte es jemand aus der Menge heraus. Doch der Sicherheitsmann schüttelte den Kopf. „Der Prozess wurde bereits eingeleitet und die Bereiche versiegelt.“ Sinas Kopf fiel zur Seite und sie Seufzte. Ja, das würde hier wirklich länger dauern. Diese ganze Lieferung stand wirklich unter einem schlechten Stern. Sie musste ihrem Chef bescheid sagen, dass sie hier wohl noch wenigstens die Nacht verbrachte, doch draußen tobte wohl immer noch der Sturm, denn es konnte einfach keine Verbindung etabliert werden. So blieb Sina nichts anderes übrig als abzuwarten und noch einige Stunden zusammen mit jeder menge Kerlen, schlechter Luft, Wasser und Notrationen in diesem Raum zu verbringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)