Gipfelstürmer von Puppenprinzessin ================================================================================ Kapitel 7: Der Morgen danach ---------------------------- Das Erste, was er am nächsten Morgen wahrnahm, waren keineswegs die Kopfschmerzen, auf die er tatsächlich gehofft hätte – nein, es war das Gefühl, etwas sehr grundlegendes vermasselt zu haben. Wenn er ehrlich war, wären ihm die Kopfschmerzen auch lieber gewesen, so hätte er zumindest auf eine weniger schlimme Art Bestrafung erfahren, als auf jene, die ihm wohl bevorstand. Sasori… hätte wohl alle über 250 bekannten Arten des Kopfschmerzes ausgehalten, hätte er sich nicht die nächsten Tage dem Blondchen gegenüber sehen müssen, welches wohl mal sein bester Freund gewesen war. Er hatte es ziemlich gründlich versaut. Die Erinnerung an den vorangegangenen Abend wurde auch von den berüchtigten drei Gläsern Wein nicht gekillt, sodass er sich nun resigniert seufzend herum drehte und den Kopf ins Kissen drückte. Kein Schmerz bei der Bewegung, nichts. Es gab nicht oft Situationen in seinem Leben, in denen er sich wirklich wünschte, im Erdboden versinken zu können, in denen er sich absolut optionslos sah und sich tatsächlich ein wenig selbst bemitleidete. Dass er sich zu Letzterem nicht einmal herablassen sollte, entging ihn sogar ein wenig, immerhin hatte er es ganz eigenständig verbockt. Es war seine Schuld, dass Deidara nun vermutlich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Der Rotschopf hatte dank seiner grandiosen Empathiefähigkeiten vermutlich die intensivste Bindung zu einem anderen Menschen gekappt, die er je gehabt hatte, und das wohl genauso effektiv, wie der Alkohol auf sein Erinnerungsvermögen ineffektiv gewirkt hatte. Glücklicherweise regte sich nun das momentan kleine, im Normalfall jedoch große Bisschen Pragmatismus, das ihm inne war und scholt ihn, dass er sich lieber eine Lösung für dieses Problem überlegen sollte, anstatt in dieser Pfütze Selbstmitleid zu ertrinken, die er zustande gebracht hatte. Eine Wendung, für die er eigentlich dankbar sein sollte. Doch zuerst… Unwillig hob er den Kopf, ließ ihn erst nach zwei vollen, angestrengten Minuten des Lauschens wieder sinken. Er schien allein zu sein. Zumindest in dem Zimmer, in dem er sich befand, war er allein, es waren keine anderen Atemzüge zu hören… und eigentlich – sollte er dem Fakt vertrauen, dass Deidara immer, wenn er trank, ein wenig lauter schlief als gewöhnlich – dann war er auch im Rest der Hütte nicht zu finden. Aus dem resignierten Seufzen wurde ein Schnauben, als er sich nun auch noch die Decke komplett über den Kopf zog. Er war allein…   Unsanft drückte er seinen Rücken gegen das Holz der Tür, versuchte über seinen pochenden Herzschlag hinweg irgendeine Regung im Raum vor ihr wahrzunehmen. Er konnte noch nicht ganz fassen, was hier gerade passiert war und noch immer waren seine Augen zu weit, zu aufgerissen, um auch nur im Geringsten den Eindruck von Normalität erwecken zu können. Es war vergleichsweise still, wenn man das Rauschen von Blut in seinen Ohren außen vor ließ, und diese Tatsache jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Eine gefühlte Ewigkeit lang tat sich nichts, bis er schließlich Schritte wahrnahm, die sich auf ihn zu bewegten. Mist, er wollte ihn nicht sehen – er konnte ihm doch kaum ins Gesicht schauen nach dem, was er gerade zu ihm gesagt hatte! Er hatte… Er hatte… Stille. Das Geräusch der Schritte war verstummt, direkt vor der Tür, an der er nun langsam mit dem Rücken hinab rutschte. Er konnte das nicht, er… Besagte Stille breitete sich aus, dauerte an, und raubte ihm scheinbar seine letzten, nur noch kläglich vorhandenen Nerven. Sein Puls hatte sich beruhigt, allerdings war er noch immer weit entfernt von dem Begriff ’ruhig’ – ein leises, kaum hörbares Schaben ertönte einen Stück über seinem Kopf, ehe die Dielen wieder unter dem Gewicht von jemandem knarrten, der schnellen Ganges die Hütte verließ. … und ihn allein ließ. Deidara war gegangen. Er war allein.   Wie er es letztendlich in sein Bett geschafft hatte, war ihm nicht ganz klar; vermutlich hatte er sich in einem Anflug von Geistesumnachtung zur Matratze geschleppt und sich irgendwie unter die Decke maneuvriert. Sasori fühlte sich, als wären sie am Nordpol, es war einfach nur verflucht kalt – und zum ordentlichen Holznachlegen war er ja gar nicht erst gekommen. Was ihm allerdings weit mehr zusetzte als die Kälte war Deidaras Abwesenheit. Die halbe Nacht hatte er wach gelegen und darauf gewartet, dass er zurückkam, während sich immer mehr und immer unwahrscheinlichere Szenarien in seinem Kopf abspielten, wie er die Situation vielleicht etwas entschärfen könnte. Vielleicht hätte eine einfache Bitte gereicht, sein Liebesgeständnis – er bekam die Krise, wenn er nur an das Wort dachte – unter den Tisch fallen zu lassen, uns so normal weiter zu machen, wie es eben ging? Vermutlich war es der Rotwein gewesen, der sich auf diese Methode ernsthafte Chancen ausgerechnet hatte. Genervt schlug er nun die Decke doch beiseite und drehte sich auf den Rücken. Das hier war einfach ein Scheißmorgen. Wirklich. Viel mehr hätte doch am ersten Abend hier gar nicht schief gehen können?!     Zumindest wusste eine, wie sie die scheinbar allseits etwas gedrückte Stimmung lockern konnte – oder zumindest würde sie ihre Theorie an den beiden Künstlern ausprobieren wollen, unabhängig davon ob jene willig waren, oder nicht. Der Schneesturm hatte sich in der Nacht noch gelegt, sodass nun sanfter Sonnenschein Lichtreflexe auf das blaue Haar zauberte, als Konan sich mit jeweils einer Tasse in jeder Hand auf den Weg zur Hütte der Streithähne machte. Denn so viel war klar gewesen: Gut war der vergangene Abend nicht ausgegangen. Und das scheinbar für mehr Leute als nur Hidan. Auf das Klopfen reagierte erst einmal niemand, nur hatte sie auch wenig Lust, in der durchaus noch immer vorhandenen Kälte in der Gegend rum zu stehen und sich etwas abzufrieren, was im Endeffekt in der simplen Tatsache endete, dass sie sich selbst in die Hütte einließ und die Tür vorsichtig hinter sich schloss. Sie hatte ein recht gutes Bild von den Dingen, die Männer mit Katerkopfschmerzen taten, wenn sie sich von frischer Luft und Sonnenschein bedroht fühlten – und das noch bevor sie wahlweise Kaffee oder Kakao rochen, den sie dabei hatte. Was sie unweigerlich als Feind deklariert hätte, wäre Lautstärke gewesen, weshalb sie nun doch relativ leise in den Hauptraum der Hütte tapste. Ein einfaches Umsehen genügte, um festzustellen, dass einzig und allein Sasoris Wintermantel an der Garderobe hing und des Blonden Sachen auch nirgendwo anders im Raum herum lagen, was im Grunde doch recht untypisch war. Vermutlich konnte man diesen Umstand nur als ’unmerkwürdig’ durchgehen lassen, weil sie erst einige Stunden auf dem Berg waren und Deidara noch nicht wirklich Zeit gehabt hatte, sich auszubreiten. Behutsam schlüpfte sie aus ihrem eigenen Mantel, stellte hierfür die Tassen kurz auf einem Beistelltisch ab und nahm sie dann auch direkt wieder auf, als ihre Füße sie in Richtung der geschlossenen Schlafzimmertür brachten. Ab hier war die dann nicht mehr ganz so vorsichtig; wären die Bewohner – oder der Bewohner, so wie es momentan aussah – wach, hätte er sie bereits gehört, wäre dem nicht der Fall, würde ihn auch nicht das Herunterdrücken der Klinke mittels ihres Ellenbogens aufwecken. Besagte Tür knarrte leise, als sie aufschwang. Konans Augenbraue rutschte fast bis zu ihrem Haaransatz hoch, ihr Blick wurde von braunen Augen aufgefangen, die stumm fragten, was sie hier zu suchen hatte. Erklärend hob sie kurz die beiden Tassen in ihren Händen, was Sasoris Anspannung scheinbar ein wenig lockerte. Nachdem er sich ein wenig aufgerichtet hatte, schob er seine Beine weit genug auf die eine Seite der Matratze, damit die Blauhaarige sich auf der anderen Seite niederlassen konnte. Sie war es auch, die ihm nun wortlos die Kaffeetasse reichte und abwartete, bis er einen genießenden Schluck genommen hatte, ehe sie ihn ansprach und ihm einen guten Morgen wünschte. „Wie geht es dir?“ schien die logischste aller Fragen zu sein, die man anhängen konnte – und die ungefährlichste, so kurz nach der ersten Tasse Kaffee. Kurz sah er auf, wandte sich dann aber wieder besagter Tasse zu. „Beschissen.“ Oh. Konan wurde aufmerksam. Erstens war Sasoris Sprachgebrauch normalerweise nicht derart vulgär, zweitens ließ diese Ausnahme darauf schließen, dass etwas wirklich wirklich schief gelaufen war. Drittens ließ sich aus diesem einen Wort kein Rückschluss auf die Ursache der Gemütslage ziehen. Versuchte er, ihr auszuweichen, oder sie zu testen? „Körperlich oder mental?“ Der Mundwinkel des Rotschopfes zuckte. Es war schlau, zu differenzieren – zumindest in seinem momentanen Zustand. „Mental.“ „Keine Kopfschmerzen?“ „Nein.“ „Das ist schon mal nicht übel. Ihr habt euch gestritten?“ Ihre Worte klangen eher nach Aussage als Frage, aber sie wollte vorsichtig vorgehen. Immerhin gab es mehrere Indizien, die auf ihre Vermutung hindeuteten. Ebenso Sasoris Nicken, welches sie nun bestätigte. „Scheint schlimm gewesen zu sein.“ Was auch das mentale Unwohlsein erklären würde. „Apokalyptisch“, berichtigte er sie murmelnd, was sie die Stirn kräuseln ließ. Einsilbigkeit, okay, aber das? Ein tonloses Seufzen verließ ihre Lippen, ehe sie weiter bohrte. „Du bist normalerweise nicht so schwarzmalerisch.“ „Ich bin auch normalerweise nicht so selbstzerstörerisch.“ Der Rotschopf sah auf und begegnete ihrem Blick erneut. Es lag eine Note in seinem, der recht deutlich vermittelte, dass er ziemlich tief in den Misthaufen gefasst hatte – und nun in ihm festzustecken schien. Eigentlich solle es ihn wundern, dass er hier quasi schon aus dem Nähkästchen plauderte, aber da er davon ausging, dass Konan ohnehin so lang bohren würde, bis sie hatte, was sie wollte – in diesem Fall die Information, was los gewesen war, wenn nicht sogar einen peinlich detaillierten Lagebericht – war das gewisse Maß an Aufwand, das er aufzuwenden bereit war um es ihr nicht zu leicht zu machen, im Endeffekt doch vergebens. „Du erinnerst dich an unser gestriges Gespräch?“ Nun war es seine Gegenüber, die nickte. „Du weißt, was meiner Meinung nach das dümmste ist, das ich tun könnte?“ Bei Konan schrillten langsam die Alarmglocken. Er hatte doch nicht…? „Mit Deidara über deine emotionale Lage reden.“ „Tadaa~“ Es wurde mit einem Schlag arg still zwischen den Wänden der Holzhütte. Sasori beschäftigte sich wieder mit seiner Tasse Kaffee als wäre nichts gewesen, die Blauhaarige starrte deutlich irritiert und definitiv auch ein gutes Stück fassungslos Löcher in die Luft. Sicher, sie hatten erst gestern genau darüber geredet, aber zu diesem Zeitpunkt war der Rotschopf ja noch der festen Überzeugung, dem betreffenden Chaoten kein Sterbenswörtchen mitzuteilen. Gern würde sie sagen, dass sie befürwortete, dass die Katze endlich aus dem Sack war; wobei die Katze sich hier wohl eher als ausgewachsener bengalischer Tiger entpuppte. Gern würde sie ihn aufmuntern und sagen, dass Deidara sich ja nun in Ruhe damit auseinander setzen konnte und ein bisschen Zeit zum Denken vielleicht nicht ganz verkehrt war. Was sie von alldem abhielt war einfach: Es war ganz und gar nicht gut gegangen am vorangegangenen Abend. Sie erinnerte sich viel zu deutlich an das erste Zeichen, dass etwas schief gelaufen war.   Dass die Hüttentür erneut aufging und ein einzelnes Paar Stiefel eintrat, wunderte sie nur in so fern, dass man die beiden Künstler meist entweder zusammen oder gar nicht sah – so war es früher gewesen. Konan wusste zwar, dass sie mittlerweile öfter allein unterwegs waren, aber zu Schulzeiten hatten sie zusammen geklebt. Was sie viel mehr irritierte, war der leicht entrückte Ausdruck auf dem Gesicht des Blonden, zusätzlich dazu, dass er leicht verloren schien. Irgendwas war nicht ganz so gelaufen, wie gedacht, das konnte sie bereits jetzt erkennen. Da die in der Hütte verbliebenen sich doch in eine recht gesittete Unterhaltung verstrickt hatten, nachdem nicht nur Hidan sondern auch die beiden Streithähne abgezogen waren, war nur in so fern verwunderlich, alsdass keine Fetzen flogen. Andererseits waren die, die sich normalerweise als Chaosherde entpuppten, auch nicht dabei, was wohl doch für eine vergleichsweise ruhige Atmosphäre sprach. Erst, als sich der Blonde nach einigen Momenten noch immer nicht vom Fleck bewegt hatte, sahen sie auf. „Hidan ist immer noch nicht wieder da?“ fragte er mit einer Art der Tonlosigkeit, die Konan durchaus beunruhigte. Es war nicht ungewöhnlich, dass er und Sasori sich stritten, aber es war schade, dass es bereits am ersten Abend passierte, und dann auch noch ausreichend schlimm, dass Deidara es vorzog, das Feld zu räumen. „Nein“, antwortete sie wahrheitsgemäß und ließ ihren Blick eine fragende Note annehmen. Wieso interessierte er sich nun plötzlich für Hidan? Abgelenkt wie er schien, nickte er nur einmal, sah sich dann in der Hütte um und schien dann zu merken, dass er eigentlich nicht wirklich hier sein wollte. Weitere Fragezeichen tauchten in ihrem Kopf auf. Als er sich dann augenscheinlich kurzentschlossen eine der mitgebrachten Vodkaflaschen schnappte und mit einem gemurmelten „Ich sehe mal nach ihm“ die Hütte wieder verließ, wusste sie gar nicht mehr so recht, was sie denken sollte. Unter den anderen wurden teilweise ratlose Blicke gewechselt, teilweise wurde gemurmelt, dass es wirklich alles ’wie früher’ sei. Mit dem Unterschied, dass sie das ein wenig anders sah. Tatsächlich spielte sie mit dem Gedanken, kurz nach dem Rotschopf zu sehen, ließ es aber bleiben. Es war im Grunde nicht ihre Baustelle; sie waren alt genug, um derartige Differenzen allein zu klären.   Dachte sie. „Warum?“ Ja, sie hatte darauf hingewiesen, dass er es niemals loswerden würde, würde er es nicht ansprechen. Aber er hatte ihr doch klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass er nicht in Betracht zog, mit Deidara ein Gespräch über dieses Thema zu führen? Darüber, dass er mehr für ihn war als ein bloßer Freund? Als sein bester Freund? Genau dieser Gedanke war es, der sie innehalten und wieder zu ihm sehen ließ; so bekam sie das leichte Schulterzucken gerade noch mit. „Ich schätze Auslöser war, neben seiner penetranten Art, seine Überzeugung, alles über mich zu wissen.“ Wieder ein Schulterzucken. „Du kennst mich, eigentlich lässt mich so was relativ kalt, aber… da war der Wein.“ Nein, er war nicht willig, die komplette Schuld auf sich zu nehmen! Sollte der Alkohol auch etwas davon abbekommen. Letzteres amüsierte sie wohl doch ein bisschen, auch wenn die Thematik an sich nicht sonderlich amüsant war. „Schon eine Idee, was du nun vorhast? Wie du mit der Situation umgehst?“ Ihr Finger legten sich enger um die Kakaotasse, die ursprünglich für Deidara gedacht gewesen war. Sie hatte wirklich gehofft, dass er wieder in seine eigene Hütte zurückkehren würde – nun war er vermutlich bei Hidan gestrandet, was sie nicht ganz so amüsant fand wie Sasoris Versuch, seinen Ausrutscher auf den Alkohol zu schieben. Selbiger antwortete nur mit einem Kopfschütteln und stellte seine leere Tasse dann auf dem Nachttisch ab. „Nicht die geringste. Wenn man mal einen Filmriss braucht, bleibt er aus.“ Eigentlich mochte er den Gedanken nicht, sich an etwas derart wichtiges nicht mehr erinnern zu können, allerdings würde es ihm in diesem Falle auch ersparen, sich mit den Geschehnissen auseinandersetzen zu müssen. Nunja, noch mehr als ohnehin schon. Für ihn schien die plausibelste aller Ideen noch immer zu sein, den Blonden um ein kurzes Gespräch zu bitten. In selbigen würde er dann klar stellen, dass er die Dinge, die er gesagt hatte, nicht hatte sagen wollen. Er würde ihn darum bitten, zu vergessen, was er gesagt hatte. Das wäre am einfachsten, auch wenn es nicht zwangsläufig möglich war. Dass seine Gegenüber erstaunlich ruhig geworden war, fiel ihm erst auf, als der Bernsteinblick ihn erneut traf. „Du weißt, dass ich eigentlich versuche, keine unmoralischen Vorschläge zu machen. Aber… Hast du darüber nachgedacht, zu tun, als würdest du dich nicht erinnern?“ Immerhin war der Alkoholeinfluss ja stark genug gewesen, ihm diese Informationen zu entlocken – wieso sollte er nicht auch ausreichend gewesen sein, um ihm zumindest in der Theorie einen Filmriss zu verpassen? Und Sasori war ein guter Schauspieler, wie sie fand, zog man einmal den Fakt hinzu, dass er die Tiefe seiner Zuneigung zu Deidara jahrelang geheim gehalten und überspielt hatte. Der Rotschopf zog die Beine an und rutschte dann ebenfalls bis zur Bettkante, sodass er neben ihrer Cheforganisatorin saß. Bis auf die Schuhe war er noch vollständig bekleidet, immerhin hatte er es in der letzten Nacht nicht mehr wirklich über sich gebracht, sich irgendwie überflüssig zu bewegen. Und Ausziehen war genau in diese Kategorie gefallen. „Darüber nachgedacht, ja. Aber dagegen entschieden. Vielleicht besteht eine Chance, das zu klären. Wenn ich mich nun drum herum schummle, muss ich nur noch mehr aufpassen, wie ich mich verhalte, als ohnehin schon.“ Nun war es an Konan die Schultern zu heben. „Es ist natürlich deine Entscheidung. Ich dachte nur, die Option würde einen gewissen Reiz auf dich ausüben.“ „Tut sie auch“, gab er zu. „Aber es war einer meiner Vorsätze, mein Leben vielleicht nicht in jedem Falle noch komplizierter zu machen, als es ist. Da ich letzte Nacht grandios versagt habe, sollte ich zumindest versuchen, das irgendwie zu kitten.“ Ihm war bewusst, dass es in diesem Falle vielleicht auch unkomplizierter sein könnte, würde er sich drum herum reden – allerdings würde ihn das in einen Konflikt mit seinem Gewissen bringen. Vermutete er zumindest, normalerweise meldete es sich nicht allzu häufig. „Wo steckt er eigentlich?“ Was sagte es wohl über ihn aus, dass er erst jetzt wissen wollte, wo sein derzeitiger Gedankeninhalt und Gesprächsthema eigentlich war, nachdem es nicht in seinem eigenen Bett geschlafen hatte? Konan schien auch nicht sonderlich begeistert darüber zu sein, dass sie diejenige war, die ihm eine Antwort geben sollte. Schließlich tat sie es doch, sah ihn dabei aber nicht an, was ihn dazu brachte, eine Augenbraue hoch zu ziehen. „Ich schätze, er hat bei Hidan geschlafen.“ Oookay, das war… merkwürdig. Seines Wissens nach hatte Deidara Hidan nie herzerwärmend gern gehabt; ständig verstrickten sie sich in Keilereien oder in lautstarke Auseinandersetzungen, in denen sie sich gegenseitig um keinen Kraftausdruck nachstanden. Die Jahre mochten etwas geändert haben, aber er hatte nicht den Eindruck, dass der Silberhaarige es wäre, bei dem er sich verkriechen würde, eigentlich war es eher… Nunja, er gewesen, aber die Option schied aus. Da die anderen wohl zusammen gesessen hatten und er sich dann doch denken, konnte, dass er in keiner allzu guten Verfassung gewesen sein musste, war Hidan vielleicht doch eine relativ nahe liegende Möglichkeit. Wieder vergingen einige Herzschläge des Schweigens, während denen der Rotschopf seinen Gedanken nachhing. Er mochte es nicht, dass seine Chaosblondine zu ihm gegangen war, wobei er nicht genau sagen konnte, wieso dem überhaupt so war. „Was hältst du von Frühstück?“ – diese Worte waren es dann, die den Pfad seiner Gedanken unterbrachen und ihn dazu veranlassten, schwächer als beabsichtigt zu nicken. „Hört sich gut an.“   Eine halbe Stunde später stapfte er frisch geduscht und in seinen Wintermantel gehüllt mit einer Tasse Kakao in der Hand durch den Schnee und könnte Konan verfluchen. Der Grund war einfach: Sie hatte gewartet, bis er in der Haupthütte aufgeschlagen war, in der Itachi sich bereits recht angeregt mit Yahiko unterhielt, ehe sie ihm eröffnete, dass sie noch jemanden bräuchte, der Deidara und Hidan zum Frühstück bestellte. Da sie sich um die Organisation kümmerte, würde sie es nicht tun. Die beiden anderen waren deutlich abgelenkt und Kakuzu schien zwar bescheid zu wissen, aber noch nicht aufgetaucht zu sein. Also blieb nur er. Dass er über diesen Umstand deutlich verstimmt war, war nicht schwer zu erkennen, denn seine Mimik allein ließ durchblicken, dass er gut Lust hatte, jeden anzuranzen, der ihm nun in die Quere kam. Der Umstand, das hierfür genau zwei Personen in Frage kamen, war ihm fast egal, wäre da nicht die Stimme in seinem Hinterkopf, die ihn daran erinnerte, dass er Deidara eigentlich um ein Gespräch bitten wollte. Er hätte noch Zeit, sich das Ganze durch den Kopf gehen zu lassen, wie sich herausstellte. Immerhin passierte beim ersten Klopfen gegen das kalte Holz… rein gar nichts. Er versuchte es erneut, energischer diesmal, und gab sich der Beschäftigung hin, die Hütte etwas aufmerksamer zu mustern – viel war nicht zu sehen, der einzige Unterschied zu den anderen Hütten war die Tatsache, dass die dünnen Vorhänge vor die Fenster gezogen worden waren, sodass er auch nicht hineinsehen konnte. Super. Er würde hier erfrieren, wenn die beiden Saufköpfe ihn nicht hörten. Auch gut, dann könnte er genauso gut einfach zurückgehen. Einmal versuchte er es allerdings noch, diesmal hämmerte er regelrecht gegen das Holz und – oh Wunder – im Inneren schien sich endlich etwas zu tun. Allein schon ob dieser Beobachtung schlug sein Herz wieder etwas schneller. Der Moment, in dem er sich für passende Worte entscheiden musste, kam näher und er nahm sich fest vor, so ruhig zu bleiben, wie es eben ging. Dann schwenkte die Tür auf… … und seine Augenbrauen wanderten ungläubig in die Höhe. Deidara stand vor ihm – sofern man das blonde, scheinbar zerplatzte Sofakissen als solchen erkennen konnte – hatte sich eine Bettdecke um die Schultern geschlungen und trug interessanterweise kein Shirt mehr. War es nicht ein bisschen kalt, um derartig freizügig auf diesem Gipfel herumzuhopsen? Und vor allem… in Hidans Hütte? Vermutlich hätte ihn persönlich die Kälte weit weniger gestört als die Anwesenheit dieses Irren. Scheinbar war der Jüngere noch nicht ganz bei sich, was man daran festmachen konnte, dass er sich die Augen rieb und wohl noch gar nicht vollständig realisiert hatte, wer hier vor ihm stand. Als er dann rot wurde und ein leises, aber dennoch irritiertes „Danna…?“ über seine Lippen kam, beschloss Sasori, es einfach so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, bevor die Situation die Chance bekam, wieder in irgendeine Richtung zu eskalieren, an die er vor dreißig Sekunden nicht einmal gedacht hatte. „Morgen.“ Guter Anfang. An Höflichkeit konnte man sich ja im Zweifelsfall festhalten. „Ich wollte dich  fragen, ob –“ wir gleich vielleicht kurz miteinander reden können? So weit kam er nicht, da er von einer zweiten, ihm durchaus bekannten, aber schlaftrunkenen Stimme aus dem Off unterbrochen wurde. Das Off war in diesem Fall das Innere der Hütte, welches passend zu seiner Vermutung auch noch einen zweiten Menschen beherbergte. Nur was die Stimme verlauten ließ, passte ihm so gar nicht. „Blondie! Schieb deinen Arsch zurück ins Bett, es ist verdammt kalt hier!“ Das war der Moment, in dem der Rotschopf tatsächlich ein Stoßgebet gen Himmel schickte. Bitte lass nicht passiert sein, wonach das Ganze hier aussieht. Seine Miene verfinsterte sich automatisch und etwas sehr barsch drückte er dem nun nur noch röter werdenden Blonden die Tasse Kakao in die Hand – was unweigerlich dazu führte, dass er die Decke nicht mehr ganz halten konnte, und sie ihm von den Schultern rutschte. Es lag ein Hauch von Panik in seinen Augen, als er von diesen ach so blauen Iriden angestarrt wurde. „Danna, ich…“ Ein schnelles Kopfschütteln seinerseits würgte ihn ab und brachte ihn auf eine grandiose Idee: Ohne großartiges, von schlechtem Gewissen ausgelöstem Zögern führte er seine Hand zu seinem Kopf und verzog kurz das Gesicht. Vielleicht war die Flucht nach vorn doch nicht die beste Idee. Besser als das hier war es alle Male. „Halt die Klappe, ich will nichts davon hören, mein Kopf steht eh kurz vor dem Platzen. Ich brauche keine Details darüber.“ Kurz deutete er ein Nicken auf das Innere der Hütte an, ehe er wieder damit beschäftigt war, Kopfschmerzen vorzutäuschen. Sehr authentisch rieb er sich kurz über Nasenwurzel und Lider. Deidaras Finger schlossen sich noch fester um die Tasse, als Konans zuvor um ihre. Hätte er hingesehen, wäre ihm sein Unwohlsein noch deutlicher ins Gesicht gesprungen. Seine Stimme klang merkwürdig als er sprach; leiser als sonst, vielleicht ein wenig verletzt. „Wieso bist du dann hier, hm?“ Auf dem Berg? Weil du mich her geschleppt hast! „Frühstück“, antwortete er kurz angebunden, entschied sich dann aber dafür, es vielleicht nicht ganz so sehr zu übertreiben, und hing etwas weicher an: „Ist übrigens ziemlich egal, worüber wir uns gestritten haben, ich kann mich nicht mehr dran erinnern.“ ’Weicher’ von der Stimmlage her, keinesfalls von seinen Worten. Er hatte soeben eine neue Grundlage für ihr Handeln geschaffen. Sie konnten beide so tun, als wäre die letzte Nacht nie gewesen, was es ihnen wohl beiden einfacher machte. Sein Gegenüber schien für einen Moment recht verblüfft, ehe er fahrig und so gut es eben ging die Decke zusammenraffte und mit einem halb abgestorbenen Hochziehen eines Mundwinkels antwortete. „Trifft sich gut. Geht mir nämlich ähnlich, hm.“ Gut. Ihr neuer Status Quo war perfekt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)