Wie weit wirst du gehen... von BloodyRubin (...für deine Familie?) ================================================================================ Kapitel 17: Ich brauche dich ---------------------------- Unfassbar, wie schnell die Zeit vergeht. Ein Jahr ist es jetzt her, seit der Fluch von uns genommen wurde. Viel ist seither passiert. Es gab einen weiteren Familienrat, da viele nicht verstanden haben, warum sie sich auf einmal nicht mehr verwandeln. Als Familienoberhaupt war es meine Pflicht, ihnen wenigstens eine Erklärung zu liefern. Ich habe mich dabei auf das Wesentliche beschränkt, was den meisten wohl gereicht hat. Mein Versprechen an Ayame habe ich gehalten. Das war auch für mich nicht einfach. Es fällt mir noch schwer zu glauben, dass der Fluch wirklich gebrochen ist. Mein ganzes Leben wurde dadurch auf den Kopf gestellt und lange habe ich mich deswegen noch mehr zurückgezogen. Für jemanden wie mich, der es nicht gewohnt ist, sich anderen zu öffnen, war die Vorstellung, genau das zu tun, fast schon unwirklich. Doch trotz der Tatsache, dass ich früher so unbeherrscht und jähzornig war, sind die Reaktionen auf mein verändertes Auftreten bisher recht positiv ausgefallen. Was sich nicht geändert hat, sind meine Gefühle für Ayame. Nachdem er damals gegangen ist, habe ich ihn kaum noch gesehen. Sehr oft wünsche ich mir, einfach mit ihm reden zu können. Immer noch bricht mir der Gedanke an sein Lächeln fast das Herz. Nie hätte ich mir vorstellen können, jemanden so sehr zu lieben. Ohne ihn ist meine Welt kalt und leer. Oft habe ich mit der Idee gespielt, Ayame einfach zu mir zu rufen, doch das hätte bestimmt den falschen Eindruck gemacht. Schließlich hat er selbst gesagt, dass er Zeit braucht. Egal, wie schmerzhaft es ist, ich will ihm diesen Wunsch gewähren. Vielleicht wird er von sich aus mit mir Kontakt aufnehmen, wenn er bereit ist. Jetzt, wo ich nicht mehr ständig krank bin, hole ich viel nach. Genau erinnere ich mich an meinen ersten längeren Ausflug. Hatori hatte mir ein leichtes Beruhigungsmittel geben müssen, weil ich so aufgeregt war. Dabei sind wir nur zu den heißen Quellen gefahren. Okami hätte fast einen Herzanfall bekommen, als sie mich erkannt hat. Zum ersten Mal seit langer Zeit war ich wirklich glücklich und ich habe gelernt, diese Momente zu schätzen. Heute gehe ich mit Shigure, Toru, Kyo, Hatori und Yuki an den Strand. Wer hätte gedacht, dass dieser Tag mal kommen würde? Seit ich von dem Gott in meinem Inneren befreit bin, wird mir immer mehr bewusst, wie sehr die Familie meinetwegen leiden musste. Aber ich kann die Vergangenheit nicht rückgängig machen. „Akito, bist du fertig?“ holt mich Hatoris Stimme in die Gegenwart zurück. „Einen Moment noch.“ rufe ich zerstreut zurück und packe meinen Koffer zu Ende. Ein scharrendes Geräusch sagt mir, dass der Familienarzt hereingekommen ist, um nach mir zu sehen. „Ist alles in Ordnung?“ „Es geht schon.“ „Du vermisst ihn, oder?“ Kurz bin ich von dieser Frage wie gelähmt, bevor es mir gelingt, sie zu beantworten. „Ja, ich vermisse ihn. Immer, wenn an ihn denke, fühle ich mich, als würde mir jemand ein Messer in die Brust stoßen.“ Endlich gelingt es mir, Hatori anzusehen. „Verrückt, nicht wahr?“ „Nein. Das beweist nur, wie stark deine Gefühle für Ayame sind. Egal, wie es mit euch weitergeht, diese Erfahrung ist ein wichtiger Schritt für dich. Daran solltest du immer denken.“ Dann lächelt er kurz. „Мach dir nicht so viele Gedanken. Komm, die anderen warten bestimmt schon.“ Tatsächlich ist der Rest schon im Hotel angekommen. „Da seid ihr ja. Hast du dich etwa verfahren, Ha-chan?“ stichelt Shigure, als er uns bemerkt. „Versuchst du, lustig zu sein? Das solltest du lassen.“ gibt Hatori trocken zurück. „Du bist so gemein, Ha-chan.“ jammert Shigure theatralisch, bevor er sich an mich wendet. „Wenn du möchtest, zeige ich dir dein Zimmer. Es gefällt dir bestimmt.“ Damit behält er Recht. Das Zimmer ist groß und hell, durch die Fenster sehe ich das Meer funkeln. Fasziniert beobachte ich die Aussicht eine Weile, ehe ich meinen Koffer auspacke und zu Shigure und Hatori zurückkehre. Inzwischen sitzen die beiden an einem Tisch und spielen Go, wobei Hatori eindeutig am Gewinnen ist. Von Yuki, Kyo und Toru ist nichts zu sehen. Wahrscheinlich erkunden sie die Gegend. Entspannt lege ich mich auf eine große Couch und lasse mich von der Sonne wärmen. Kurz darauf bin ich eingeschlafen, eingehüllt in die Wärme und Ruhe. Erst durch leise Stimmen werde ich wieder wach. „Wie geht es ihm?“ erkundigt sich Shigure. „Recht gut. Anfangs war er sehr verschlossen, aber inzwischen wird es besser. Immerhin wird er nicht mehr so schnell krank.“ „Er wirkt so friedlich, wenn er schläft.“ Das ist doch Ayames Stimme! „Kaum zu glauben, dass das wirklich Akito ist.“ „Nachdem der Fluch gebrochen war, hat er eine Weile unter Alpträumen gelitten. Und er hat mir gesagt, dass er dich vermisst.“ „Hat er das? Manchmal ist er wirklich unverbesserlich.“ „Ehrlich gesagt hat mich das sehr überrascht. Nie gab es jemanden, der für Akito so wichtig war. Er scheint es wirklich ernst zu meinen.“ Eine warme Hand streicht mir über die Wange. Da ist er wieder, dieser unverwechselbare Geruch. „Ich weiß. Damals, als er mir gestanden hat, dass er mich liebt, dachte ich erst, er würde nur wieder eines seiner kranken Spielchen mit mir spielen. Immer noch überkommen mich manchmal die Gedanken an das, was passiert ist. Ich habe keine Ahnung, was ich fühlen soll. Mein Kopf sagt mir, ich soll ihn hassen, mein Herz sagt, ich soll ihm noch eine Chance geben.“ Kurz ist es still, bevor ich wieder Hatoris Stimme höre. „Ich denke, du solltest mit ihm reden. Er hat seine Verzweiflung und seine Ängste immer verborgen, weil er nicht schwach wirken wollte. Seine Gefühle zu dir sind für ihn völlig neu und merkwürdig. Ich habe beobachtet, wie er dich auf dem letzten Familienrat angesehen hat. Er hat so getan, als hätte er sich unter Kontrolle, aber nach dem Treffen hat er die ganze Nacht aus dem Fenster gesehen.“ „Hast du ihn gefragt, warum?“ „Ja. Willst du wissen, was er geantwortet hat?“ „Ja.“ „Er hat gesagt: Ich denke an die Person, die ich liebe. Selbst wenn ich ihn nie wiedersehe, bin ich glücklich. Er war der erste, der mein Herz berührt hat. Für ihn werde ich versuchen, noch einmal neu anzufangen. Damit er mich irgendwann ansehen kann, ohne sofort daran zu denken, wie sehr ich ihn verletzt habe.“ „Nie hätte ich erwartet, dass er je so denken würde.“ „Ich habe es dir doch gesagt. Es ist ihm ernst. Du bist wichtig für ihn, ganz gleich, was du von ihm hältst.“ „Keiner wird dich zu irgendetwas zwingen oder drängen.“ fügt Shigure hinzu. „Es bleibt alleine dir überlassen, ob du mit ihm sprechen willst. Wenn Akito wirklich so starke Gefühle für dich hat, wie er behauptet, wird er deine Entscheidung respektieren.“ „Ich werde es tun. Aber erst in ein paar Tagen. Vorerst lassen wir ihn schlafen. Der Rest wird sich von selbst ergeben.“ Erst als ich sicher bin, dass ich alleine bin, setze ich mich auf und denke nach. Dieses Gespräch wird vielleicht meine letzte Chance. Ich muss sie nutzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)