Wie weit wirst du gehen... von BloodyRubin (...für deine Familie?) ================================================================================ Kapitel 13: Wiedersehen ----------------------- Zwei Wochen sind seit dem Vorfall in Ayames Laden vergangen. Seitdem habe ich das Haus nicht mehr verlassen. Immer noch habe ich keine Erinnerung daran, wie ich hierhergekommen bin. Eigentlich ist es mir auch egal. Nur noch vier Tage, bis meine Frist abgelaufen ist. Die meiste Zeit habe ich nachgedacht. Hauptsächlich über den Tod und die Frage, was wohl danach kommt. Es ist ruhig geworden. Selbst Hatori kommt nur noch selten vorbei. Mein Traum ist schlimmer geworden. Deshalb versuche ich, so wenig wie möglich zu schlafen. Ayame scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Der Gedanke an ihn macht mich wütend und versetzt mir gleichzeitig einen Stich ins Herz. Warum kann ich ihn denn nicht einfach vergessen? Wann habe ich angefangen, die Kontrolle über meine Gefühle zu verlieren? Ich war doch sonst immer so stark. Jetzt scheint davon nichts mehr übrig zu sein. Zögernd klopft es an meine Tür und ich bemühe mich, einen ruhigen Eindruck zu machen. „Herein.“ Zu meiner Verwunderung ist es Toru, die ins Zimmer kommt. „Toru. Warum bist du hier?“ „Ich wollte dich besuchen.“ antwortet sie unsicher und lässt sich in einiger Entfernung auf dem Boden nieder. „Ganz alleine? Wissen die anderen, dass du hier bist?“ „Nein. Ich wollte es ihnen sagen, aber sie sind in letzter Zeit sehr ernst und hätten bestimmt versucht, mich aufzuhalten.“ Lange bleibt es still, bevor Toru aufsteht und auf mich zukommt. „Ich habe dir etwas mitgebracht.“ Behutsam stellt sie eine kleine Tasche vor mir ab und kehrt sofort an ihren Platz zurück. Desinteressiert nehme ich eine kleine Schachtel heraus und öffne sie. Im Inneren befindet sich eine silberne Kette, an der ein Herz aus rotem Buntglas befestigt ist. Wortlos halte ich den Anhänger ins Licht. Obwohl das Herz nicht echt ist, funkelt es wie ein Edelstein. „Ich habe diese Kette in einem Geschäft gefunden. Falls sie dir nicht gefällt, kann ich sie auch zurückbringen.“ „Das ist nicht nötig.“ Immer noch betrachte ich, wie sich das Licht der untergehenden Sonne in dem Anhänger bricht und ihn zum Leuchten bringt. Sofort stelle ich mir vor, wie Ayame damit aussehen würde. „Ich habe eine Frage an dich.“ „Ja?“ „Kann man eine Person trotz ihrer Fehler lieben?“ Kurz wirkt sie verwirrt, dann lächelt sie. „Da bin ich ganz sicher. Niemand ist perfekt. Doch wenn man jemanden wirklich liebt, sieht man über diese Fehler hinweg.“ „Egal wie schwer sie sind?“ „Ja. Es kommt nur darauf an, ob man fähig ist, dem anderen zu verzeihen.“ Resigniert lasse ich die Kette wieder in der Schachtel verschwinden. Für das, was ich getan habe, werde ich keine Vergebung erhalten. Trotzdem muss ich noch einmal mit Ayame sprechen. Vielleicht liegt es daran, dass ich in wenigen Tagen sterben werde, aber Torus Worte haben mich ziemlich aufgerüttelt. Woher hat sie gewusst, was ich hören wollte? Gerade, als ich sie deswegen befragen will, klopft es wieder und Shigure betritt den Raum. „Toru! Wir haben dich überall gesucht. Was tust du hier so alleine?“ „Ich...ich wollte nur...“ stammelt sie überrascht. „Ist schon gut. Aber lass das nächste Mal wenigstens eine Nachricht da, wenn du weg bist.“ „Ja. Es tut mir leid. Ich wollte niemanden beunruhigen.“ Shigure hilft ihr hoch und zusammen verlassen sie das Zimmer. Kaum sind die beiden fort, beginne ich damit, mir einen Plan auszudenken, um an Yukis Bruder heranzukommen. Eigentlich ist meine Idee schon jetzt zum Scheitern verurteilt. Zum einen weiß ich nicht, wo er sein könnte, zum anderen wird er mich bestimmt nicht sehen wollen. Entschieden verdränge ich den letzten Gedanken und beschäftige mich lieber damit, mir wärmere Kleidung herauszusuchen. Als ich mich umgezogen habe, stecke ich den Anhänger in meine Jackentasche und mache mich auf den Weg, ohne wirklich darauf zu achten, wo ich hingehe. Während ich ziellos durch die Gegend irre, schwindet das Licht und die ersten Sterne tauchen am Himmel auf. Erst als ich mich der Stadt nähere, weiß ich, wo ich hinwill. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät. Vor mir taucht ein Park auf, der meinen Weg erheblich abkürzen wird. Im Licht des Mondes laufe ich weiter, als ich auf einer Brücke ganz in der Nähe jemanden stehen sehe. „Ayame.“ Es kommt mir vor, als hätte ich ihn ewig nicht mehr gesehen. Völlig in Gedanken versunken steht er da, die Arme auf dem Geländer abgestützt und blickt auf einen kleinen See hinaus. Wieder überschlagen sich meine Gefühle. Bestimmt zwinge ich mich zur Ruhe und gehe weiter. Schließlich bemerkt er mich und Furcht legt sich in seine Augen. „Warum bist du hier?“ „Ich wollte nur mit dir reden.“ Ein verbittertes Lächeln folgt auf meine Worte. „Du willst, dass ich den Fluch breche, nicht wahr?Ich hatte es vor – für meinen Bruder, Shigure, Hatori und für mich selbst. Aber meine Erinnerung kann ich nicht einfach ausschalten, genauso wenig wie das, was passiert ist. Sobald ich an dich denke, kommt alles wieder hoch. Die Angst, die Schmerzen, der Hass und die Träume. Wie soll ich den Fluch aufheben, wenn ich es nicht einmal ertrage, dich anzusehen?“ „Ich bin nicht deswegen hier.“ antworte ich leise. „Dafür ist es zu spät. Aber ich wollte, dass du etwas weißt. Ich liebe dich. Lange habe ich versucht, dagegen anzukämpfen, aber es geht einfach nicht. Mir ist klar, dass du diese Gefühle nicht erwiderst, aber ich wollte dich wenigstens noch einmal sehen, bevor mein Leben endet.“ Ayame sieht mich nur an, scheint nicht recht zu wissen, was er antworten soll. „Ich will dir noch etwas geben.“ Mit diesen Worten nehme ich die Kette aus der Tasche und lege sie in Ayames geöffnete Hände. „Du wirst immer in meinem Herzen sein. Leb wohl...“ Ohne eine Reaktion abzuwarten, drehe ich mich um und kehre nach Hause zurück. Die restliche Nacht sitze ich auf der Terrasse und erinnere mich an Ayames Lächeln. Irgendwann dringt Hatoris Stimme zu mir durch. „Akito. Was tust du bei der Kälte draußen?“ „Nicht so wichtig.“ Er sagt nichts, sondern legt seine Hand auf meine Stirn. „Warum ist deine Hand so kalt?“ „Das ist sie nicht. Du kochst vor Fieber.“ Ich reagiere kaum. So etwas hatte ich mir schon gedacht. Routiniert untersucht Hatori mich und sein Gesicht wird noch ernster. „Ich gebe dir etwas gegen das Fieber. Du solltest versuchen zu schlafen. Die nächsten Stunden werden zeigen, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist.“ Mich interessiert das eher weniger. Der Tod macht mir schon lange keine Angst mehr. Und das ich es diesmal nicht schaffen werde, weiß ich sehr gut. Endlich schlafe ich ein, diesmal tief und traumlos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)