Schattenspiegel von JessMizukiro ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Es ist wichtig das man sowohl das Leben, wie auch den Tod achtet und respektiert. So sollten auch jene Seelen respektiert werden, welche sich unversehens im Totenreich wiederfinden. Besonders die Seelen der gestorbenen Kinder sollten mit Bedacht behandelt werden, da diese keine Kontrolle über das haben, was passiert. Sie besitzen die Macht so auszusehen, wie es für das Umfeld wünschenswert ist, jedoch ist dies nur zu ihrem eigenen Schutze, bis sie von den Sammlern aufgelesen werden. Die Sammler sollen sie ins Jenseits führen, wo sie zum neuen leben gebracht werden, was nur auf Seele wartet. Das ist ihre Aufgabe und sie ist mit sehr viel Verantwortung verbunden. So respektiert die Seelen aller Toten und helft ihnen in ihr neues Leben, denn ihr altes haben sie schon vergessen – auch wenn das alte Leben sie noch nicht vergessen hat. Lachend schlug eine Schwarzhaarige Person das kleine Buch zu und sah die in schwarzen Kutten bekleideten an. „Geht an die Arbeit. Vergesst nicht, was eure Aufgabe ist.“ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Langsam schlug ich meine Augen auf, während ich gleichzeitig das Gefühl hatte, als ob mir die Luft von einem tonnenschweren Gewicht aus den Lungen gedrückt wurde. Ich atmete tief ein und strich über meine nasse Stirn. Ich hörte von draußen Regen gegen das Fenster prasseln und strich mir eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann sah ich auf meine Hand, welche wirkte, als ob man das gesamte Blut aus ihr gesaugt hatte. Danach betrachtete ich meine durchnässte schwarze Kleidung und anschließend das Bett, auf welchem ich gelegen hatte. Die Bettdecke war hellblau bezogen und stand in einem recht freundlich eingerichtetem Zimmer. Die Wände waren weiß, jedoch zog sich ein bunter Streifen etwa mittig durch das Zimmer. Auch der Teppichboden war hier und dort etwas farbiger gehalten, während seine Grundlage ein dunkles blau war. Vorsichtig streckte ich mich und schob die Decke zur Seite. Meine Beine fühlten sich im ersten Moment recht taub an, jedoch folgten sie bald meinem Willen, sodass ich mich erheben konnte. Als ich mich ein zweites Mal umsah, fiel mir ein anderes Bett auf, welches ebenfalls blau bezogen war und recht ordentlich aussah. An den Kopfenden der Betten waren jeweils kleine Nachttische, auf denen wir etwas abstellen konnten. Etwas weiter hinten standen zwei Schränke, offenbar für Klamotten. Meine Augen huschten zur weißen Tür, als diese sich regte und eine schwarze Gestalt den Raum betrat. Die schwarzen Haare wehten leicht hinter ihr her und vor Schreck wich ich zurück, stolperte jedoch über meine eigenen Füße und fiel zu Boden. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“, eine freundliche Stimme kam aus der Richtung der schwarzen Gestalt und ich kniff kurz die Augen zusammen – das musste ein Alptraum sein! „Geht es dir gut?“, fragte die Gestalt und kam weiter auf mich zu, woraufhin ich noch ein Stück zurückwich. Ich kniff noch einmal die Augen zusammen und flüsterte leise zu mir selbst: „Wach auf, verdammt wach endlich auf!“ „Du bist doch schon längst wach.“, meinte die schwarze Gestalt und kicherte. Ihre schwarzen Haare reichten ihr etwa bis zur Taille und während sie ihre ebenso schwarze Hand nach mir ausstreckte sprang ich vor Schreck auf. Dabei stolperte ich jedoch und krachte mit dem Rücken gegen die Wand – Autsch! „Hast du dir weh getan?“, fragte die Gestalt besorgt und ich schüttelte nur den Kopf. Ich war nicht fähig auch nur ein Wort über meine Lippen zu bringen, während die Gestalt mich anblickte und den Kopf schief legte. „Mein Name ich Hikari-Mi. Du kannst mich aber auch Hika nennen. Wer bist du?“ Ich kniff mir leicht in den Arm – Au! Verdammt, das war wohl doch kein Traum. Ich kramte in Gedanken nach meinem Namen, doch er fiel mir nicht ein. Ich sah an mir herab und besah meine schwarze Kleidung. Ich trug offenbar eine Art Mantel und dazu eine lange Hose, sowie ein dunkles Oberteil. Dann sah ich wieder langsam zur Gestalt und konnte beobachten wie sie sich veränderte. Vor Schreck drückte ich mich noch etwas mehr an die Wand, während ihre Umrisse schärfer wurden und ihre Haut und Kleidung an Farbe gewannen. Was ging hier vor?! Hikas Oberteil wurde rot und der Aufdruck eines Regenbogens begann sich abzuzeichnen. Ihre Jeans wurde blau und ihre Haare wurden vom Ansatz bis in die Spitze langsam in ein dunkles rot getaucht. Ich blinzelte und sah an Hika hinab, als ob sie ein neues Weltwunder war. „Was – was war das?“, brachte ich nur leise hervor und ich sah wie sie lächelte. „Du bist bestimmt die Neue.“ Sie ging langsam auf mich zu und hielt mir ihre Hand hin. „Herzlich willkommen Kage-Mi.“ „Ist das mein Name?“, fragte ich verwirrt und betrachtete die Rothaarige. Wieso wusste sie meinen Namen? Zur Antwort bekam ich ein Nicken und sie deutete auf meine Brust: „Da steht er doch, Kage.“ Sie kicherte, während ich erstaunt das Namensschildchen an meiner Brust bemerkte. Ich legte eine Hand an den Mantel und zog die gleich wieder zurück, als mich Nässe und Kälte zugleich durchfuhren. „Du solltest dir etwas trockenes anziehen.“, meinte Hika nachdenklich und zog mich kurz darauf zum linken Kleiderschrank. Er bestand aus hellen Birkenholz und die Scharniere wirkten wie blank poliert. „Der ist doch leer.“, meinte ich leise, während ich beobachtete, wie Hika die Hand an den Knauf legte. „Hast du da schon einmal reingeschaut?“, fragte sie neugierig und zog die linke Türhälfte auf. In den nun sichtbaren Schubladen lagen zu meiner Überraschung gefaltete T-Shirts und Pullover in blau, schwarz und rot. Hika kicherte als sie mein verwirrtes Gesicht bemerkte und sagte: „So geht das am Anfang allen.“ „Allen? Es gibt hier noch mehr?“, fragte ich, während ich langsam einen dunkelblauen Pullover aus dem Haufen zog und ihm genau betrachtete. „Natürlich. Mit dir und mir sind wir vier Mi´s und außerdem gibt es noch drei Shi´s.“, antwortete das Mädchen und ich zog meinen Mantel aus. „Mi´s? Shi´s?“ „Mi´s sind die Mädchen und Shi´s die Jungen.“ „Wieso heißen wir so? Und wo sind wir hier?“ „Wir sind bei Joel. Er hat uns aufgenommen. Wir sind verlorene Seelen meint er.“ „Verlorene Seelen?“, Ich zog fragend eine Augenbraue hoch und pellte mich aus meinem Oberteil. Meine Haut war weiß und wirkte makellos, fast wie der Körper einer Puppe. „So nennt er uns jedenfalls. Er sagt wir gehören nirgendwohin und das wir froh sein können, dass er sich uns annimmt.“ „Er hat uns auch die Namen gegeben?“ Ich zog den blauen Pullover über und betrachtete die schwarze Haarsträhne, welche mir über die Schulter fiel. Sie glänzte noch feucht vom Regen und ich betrachtete meine weißen Hände, während Hikas Haut einen bräunlichen Ton aufwies. Aus dem obersten Fach kramte ich mir eine schwarze Jeans hervor, während ich aus den Augenwinkeln sah, wie Hika sich auf ihr Bett setzte. Sie antwortete nicht auf meine Frage und daher fasste ich meinen eigenen Entschluss. „Wenn du fertig bist, sollten wir dich zu Joel bringen.“, meinte sie schließlich und sah mehr den Boden an wie mich. Ich schloss gerade meine Hose und betrachtete ihr Gesicht, welches von Schatten eingehüllt wurde. Sie wirkte unglücklich, fast schon deprimiert. Ich ging entschlossen zu ihr und legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie blickte erschrocken auf und sah mich mit ihren dunkelblauen Augen direkt an, dann setzte sie wieder ein Lächeln auf, welches auf den ersten Blick natürlich und ehrlich wirkte. Doch nun, wo ich so nahe bei ihr stand, sah ich wie gekünstelt es aussah. Auch sie erinnerte mich an eine Puppe. Entschlossen stand sie auf und blickte mich direkt an. „Komm, ich muss dich zu Joel bringen. Er wird wissen wollen, dass du wach bist.“ Ich ließ meinen Arm wieder sinken und nickte stumm. Sie spielte mir ein fröhliches Mädchen vor, doch wie ein Regenbogen, begann auch ihre glückliche Fassade langsam wieder zu verschwinden. Irgendwie hatte ich Mitleid mit ihr, sie schien sich vor etwas zu ängstigen. Als ich auf den Flur trat, schloss sie hinter mir die Tür und ich hatte Zeit kurz den Flur zu betrachten. Er war in Brauntönen gehalten und vor den Fenstern hingen schwere Gardinen. Durch die verregneten Fenster konnte ich in der Ferne die Lichter der Stadt erkennen. „Wo sind wir hier, Hika?“ „Ich habe doch gesagt, wir sind in Joels Anwesen.“ „Aber es ist so groß.“ „Stell nicht so dämliche Fragen!“ Überrascht von ihrer spontanen, harschen Art zuckte ich leicht zusammen und betrachtete sie. Ein ängstlichen leuchten spiegelte sich in ihren Augen wieder, während sie mich diesmal freundlich bat. „Bitte, stell einfach keine Fragen.“ „Es tut dir weh, oder?“, fragte ich leise und sah wie sie zusammenzuckte und schluckte. Dann schüttelte sie den Kopf und bedachte mich wieder mit ihrem puppenhaften Lächeln. „Ach, so ein Quatsch!“ Langsam folgte ich ihr durch den Flur, welcher durch die schlechte Beleuchtung dunkel und bedrückend wirkte. Der Teppich wirkte alt und ausgetreten, war jedoch wunderschön verziert. Hier und da sah ich Schatten in einen anderen Gang ausweichen oder hinter Türen verschwinden, kaum das wir uns näherten. Ich war mir sicher, das wir hier nicht nur sieben Seelen waren, dafür war das Anwesen viel zu riesig. Doch warum wollte sie es mir nicht erzählen? Irgendetwas stimmte hier nicht und das nagte an mir. Auch das wir angeblich nirgendwo hingehörten konnte ich nicht glauben. Um ehrlich zu sein, war mir die ganze Geschichte suspekt. Wenige Meter vor einer großen Tür, blieb Hikari plötzlich stehen und drehte sich zu mir um. „Den Rest musst du alleine gehen. Ich gehe zurück ins Zimmer.“ Es hörte sich an, als ob sie ein Regelwerk vorlesen würde und ich vernahm, wie eine Uhr zur elften Stunde schlug. Draußen zogen sich die Regenwolken enger zusammen und der Regen wurde stärker. Er hing nun wie ein Schleier vor den Fenstern und man konnte kaum mehr als die dunklen Silhouetten der Bäume erkennen, welche nahe der Fenster standen. Ich sah Hikaris wehenden, roten Haaren hinterher, solange ich konnte. Sie wirkte fast wie eine Puppe, weniger wie ein Mensch – war das das Schicksal einer verlorenen Seele? Ich blickte zur Tür, welche leicht offen stand und aus der Licht auf den Flur drang. Langsam ging ich darauf zu und konnte bald eine dunkle Männerstimme vernehmen. Anstatt zu klopfen, sah ich durch den Türspalt in das hell erleuchtete Zimmer hinein. Auf einem großen Sessel hinter einem Schreibtisch saß ein Mann in einer schwarzen Kutte gekleidet. Seine braunen Haare waren zerzaust und auf seinem Gewand glänzen einzelne Regentropfen. In der Hand hielt er einen Telefonhörer und sprach zwar ruhig, aber dennoch so laut, dass ich jedes Wort mithören konnte. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- „Ja, wir haben ein paar neue Seelen einfangen können. Wenn ich richtig gezählt habe eine Mi und zwei Shi´s. Ja, die Mi ist von mir, die Shi´s habe ich von Larren. Wie sie aussieht? Nun ja recht unscheinbar. Schwarze Haare, recht helle Haut, das einzig ungewöhnliche an ihr sind die hellen Augen. Ich bin mir nicht sicher ob sie blau oder grau sind. Vielleicht eine Mischung aus beidem. Aber warum interessiert Euch das? Ihr wisst doch, dass sie ihre Gestalt beliebig ändern kann. Ja, Sir, ich weiß das wir davon leben. Noch mehr Infos?“, der Mann seufzte und öffnete eine Schublade. „Einen Moment, Sir.“ Er fing an in der Schublade zu kramen, bevor er einen schwarzen Ordner mit angehefteten Foto hervorzog und ihn vor sich auf den Mahagoni-Schreibtisch legte. Er öffnete ihn, blätterte kurz und schlug dann eine Seite auf. „Ah, hier haben wir es. Ihr Seelenname ist Kage-Mi. Ich habe sie heute Nachmittag gefunden, offenbar ein Verkehrsunfall. Zumindest lag ihr Körper auf der Straße und war komplett durchnässt, genau wie ihre Seele. Sie ist sechzehn Jahre alt und lebte seit ihrem sechsten Lebensjahr in dieser Stadt. Ich glaube ihre Familie war recht vermögend, doch das ist nur eine Annahme. Ja? Ja, Sir. Ich werde sehen was ich ausrichten kann. Ja, natürlich, Sir. Ich mache meine Arbeit immer gut! Ja, Sir, ich werde darauf achten. Eine schöne Nacht noch.“ Mit diesen Worten hängte er den Hörer auf und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er seufzte genervt und murmelte offenbar ein paar Flüche vor sich hin. Anschließend schnappte er sich eine Art Glocke und klingelte damit. Ich fuhrt erschrocken herum, als sich eine neben liegende Tür öffnete und eine junge Frau in Dienstmädchenkleidung heraus trat. Sie hatte wunderschönes, weißes Haar und betrachtete mich ziemlich verwirrt. „Was machst du hier, Mi? Weißt du nicht, das jetzt Nachtruhe ist? Marsch, zurück in dein Zimmer!“ Ihr Ton war streng und sie duldete offenbar keine Wiederworte. Deswegen war Hikari also so plötzlich verschwunden, als die Uhr elf schlug – das waren aber strenge Regeln. Ich sah erschrocken auf, als mich die junge Frau abermals anfuhr. „Worauf wartest du? Auf eine schriftliche Aufforderung?“ „Ich, ähm.“, begann ich zu stottern und spürte einen fixierenden Blick aus ihren eisblauen Augen, welche mich offenbar zu durchbohren versuchten. Die Frau setzte noch mal zu einer Schelte an, doch schon wurde die Tür geöffnet und der Braunhaarige trat heraus. „Viktoria, was dauert das so lange?“, fragte er sichtlich genervt, offenbar bemerkte er mich gar nicht, obwohl ich nur im Halbschatten stand. Viktoria verneigte sich leicht vor ihm und sprach anschließend. „Es tut mir leid, Herr. Aber diese Mi beachtetet die Ausgangssperre nicht.“ Dabei deutete sie leicht auf mich und nun wandte sich auch der Mann zu mir um, während mich Viktoria beschwörend anblickte. Im Hintergrund sah ich einige Gestalten neugierig den Kopf aus ihren Türen stecken. Noch mehr verlorene Seelen etwa? Leicht verschüchtert blickte ich zu dem Mann in der schwarzen Kutte hoch und bemerkte seine analytischen, fast schwarzen Augen. Seine Haut war hell, jedoch nicht mit meiner zu vergleichen, die Kutte verlieh ihm etwas erhabenes. Er war der Herr dieses Anwesens und genau das strahlte er auch aus. Irgendwie fühlte ich mich direkt zwei Köpfe kleiner. Leicht schluckte ich, während der Mann einen Zettel aus seiner Brusttasche kramte und ihn anblickte. „Du bist spät dran, Kleine.“, meinte er dann schlicht und betrachtete mich von oben bis unten, bevor er sich zu Viktoria umwandte. „Dies ist die neue Mi. Sie kennt die Regeln natürlich nicht, also seien sie noch etwas nachsichtig mit ihr. Nun geh und lass mich mit dem Mädchen allein. Ich werde dich rufen, sobald ich dich benötige.“ Mit einer kurzen Verbeugung verabschiedete sich Viktoria vom Mann. „Natürlich, Meister Cohan.“ Kurz darauf war sie wieder hinter der Tür verschwunden, durch die sie gekommen war. Ich hatte nicht einmal zeit etwas zu sagen, bevor mich Cohan in sein Zimmer schob und die Tür hinter mir schloss. Ich schluckte leicht und fühlte mich wie eingesperrt. Der Raum wurde durch einen einzigen Kronleuchter erhellt, welcher dafür eine ziemlich kühle Atmosphäre erschuf. Abermals schluckte ich, bevor mich Cohan aufforderte mich zu setzen. Dabei deutete er mit seiner Hand einladend auf einen ziemlich gemütlich wirkenden Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ich nickte stumm, unfähig etwas zu sagen, und setzte mich langsam in Bewegung. Die Decken in diesem Haus waren hoch und die Leisten waren mit aufwändigen Bordüren verziert. Dieser Raum war mit einladenden Farben gestrichen worden, welche jedoch durch das Licht kalt und ungemütlich wirkten – wie in einem Gefängnis. Ich bemerkte das auf dem Kaminsims einige Bilder standen, jedoch lag dort auch eine Art Glasscherbe, welche mich dunkel an schimmerte. Ich bekam das verlangen sie zu berühren, wandte jedoch meinen Blick ab und ließ mich langsam auf den rot gepolsterten Holzstuhl sinken. Als ich meinen Blick hob, bekam ich gerade noch mit, wie er den schwarzen Ordner von vorhin vom Tisch räumte. Ich wusste das es meiner war, er hatte schließlich meinen Namen erwähnt, jedoch erhaschte ich nun einen Blick auf mein Foto. Ich sah aus wie ein Gespenst! Meine Haut wirkte kalkweiß, während meine schwarzen Haare matt schimmerten und meine Augen fast schon starr und leblos in die Kamera blickten. Irrte ich mich oder sah ich Blut im Hintergrund? War das etwa ein Foto meiner Leiche? Langsam blickte ich auf meine weiße Hand, mit welcher ich mich kurz darauf am Stuhl festklammerte, da sie zu zittern begann. Wo war ich hier und vor allem, wer war dieser Cohan? Er machte mir fast schon Angst. „Na, du musst doch keine Angst haben, Kleines.“, meinte er und sein Lächeln wirkte falsch und fehl am Platz. Seine Augen waren jene, in welchen ich jede Art von Tod und Verderben sehen konnte. Es waren Augen, welche schon öfters dem Tod entgegen geblickt hatten, solche, die schon viele Leichen gesehen und noch mehr Blut erblickt hatten. Es schüttelte mich innerlich in diese Augen zu blicken, welche so starr auf meinen Körper gerichtet waren. Tapfer schluckte ich und versuchte meinen Blick zu lösen. „Wann bist du wach geworden?“, fragte mich Cohan und ich sah an ihm vorbei. „Vor ein paar Minuten.“, brachte ich schließlich hervor, doch ich fühlte mich wieder, als ob man mir die Luft abschnüren würde. Es war, als ob der Tod persönlich vor mir sitzen und mir ein zweites mal nach dem Leben trachten würde. „Der Unfall muss ziemlich heftig gewesen sein. Du hast mindestens sechs Stunden geschlafen.“ Eine Stimme ohne Emotionen, sie hatte jegliche menschlichen Bezüge verloren. Konnte ich diesen Mann vor mir überhaupt als Mensch beschreiben? „Ich bin Cohan Fear. Ich bin Besitzer dieses Anwesens, in welchem ich solche Kinder wie dich wohnen lasse, Kage-Mi.“ Ich bekam eine Gänsehaut bei dieser Stimme, dennoch zwang ich mich ihn anzusehen. „Sie sind kein Mensch, oder?“ Der Mann verzog sein Gesicht zu einem grausigen Lachen, welches mich leicht zusammenfahren ließ. „Nein keineswegs. Ich bin ein Seelensammler.“ Mit diesem begriff konnte ich recht wenig anfangen, ich krallte mich etwas mehr im Sitz des Stuhles fest, während Cohan fortfuhr. „Ich habe mich euch verlorenen Seelen angenommen, da man mit euch in der Finsternis nichts anzufangen weiß. Du solltest froh sein, dass ich dich gefunden habe und nicht etwa jemand anderes.“ „Wer anderes?“, fragte ich geradeheraus und ignorierte das Ziehen in meiner Brust. Mein Herz schlug nicht mehr, dass konnte ich spüren, jedoch hatte ich trotzdem das Gefühl, das es mir bis zum Halse hämmerte. „Andere Lebewesen, oder, der Tod bewahre, vielleicht die Schattenfänger.“ Seine Stimme nahm eine gespielt entsetzte Stimmlage an. Sein ganzes Wesen war nur eine Schauspielerei. „Was sind Schattenfänger?“, fragte ich und sah Cohan an. „Wesen, welche verlorene Seelen wie dich zu Tode führen.“ Ich wusste gerade nicht was daran schlimm klingen sollte, aber offenbar sollte es mich in Angst versetzen. Doch ich war doch schon Tod, immerhin war ich doch nur eine verlorene Seele, oder? „Aber ich bin doch eh schon Tod.“, meinte ich nachdenklich und Cohan seufzte. Anschließend schüttelte er den Kopf und bedachte mich wieder mit seinem falschen Lächeln. „Dummes, naives Mädchen. Warte hier einen Moment, ich muss etwas erledigen.“ Damit stand er von seinem Sessel auf und verschwand in einem anliegenden Raum. Leise erhob ich mich vom Stuhl und ging zur Tür, durch welche der Seelensammler gerade verschwunden war. Ich hörte gedämpfte Stimmen und einen leisen, flehenden Schrei. Vor Schreck wich ich zurück, aber ich stolperte über den Teppich und stieß mit dem Rücken gegen den Kaminsims. Mir fiel etwas in die Hand, was ich zuerst gar nicht wahrnahm, mir machten eher die Schmerzen in meiner Schulter und an meinem Hinterkopf zu schaffen. Als mich jedoch etwas blendete, blickte ich auf meine Hand herab und sah die schwarze Scherbe, welche mich schon vorhin so in ihren Bann gezogen hatte. Sie schimmerte wunderschön im Licht, aber ich konnte wegen der Lichtreflexion nichts darin erkennen. Ich blickte auf und konnte gerade noch verhindern, dass ein Spiegel auf den Boden krachte. Als ich ihn jedoch in Händen hielt, ließ ich ihn vor Schreck gleich wieder fallen. Erschrocken stopfte ich die schwarze Scherbe in die Tasche meiner Jeans und sah auf die Scherben. In keiner von ihnen spiegelte ich mich und so tastete ich vorsichtig mit den Händen mein Gesicht ab. Doch es war alles normal, nur eine kleine Narbe an meiner Wange konnte ich ertasten. Auch am Hals konnte ich eine fühlen, diese zerstörten offensichtlich mein makelloses Antlitz, wenn meine Haare nicht darüber fielen. „Was hast du hier angestellt?!“ Erschrocken fuhr ich herum und blickte Cohan an, welcher mich erzürnt musterte. Ich schluckte ängstlich, bevor ich leicht stotternd etwas hervorbrachte. „Ich, ähm, Ich hab den Spiegel versehentlich fallen gelassen.“ „Dann feg' es auch wieder weg!“, mit diesen Worten schmiss er mir Handkehrer und -besen vor die Füße, drehte sich um und verschwand wieder im Nebenzimmer. Ich konnte erneut ein Wimmern vernehmen, bevor sich die Tür schloss und mir wurde ganz kalt. Was war dieser Cohan bloß für eine Person? Er war ein Seelensammler mit den Augen des Todes, doch seine eigene Seele hatte er längst an jemandem verkauft. Derjenige der hier im Hintergrund die Fäden zog, an seinen Chef hatte er seine Seele verkauft. Ich erzitterte über meine eigenen Gedanken, während ich mich hinkniete und anfing die Scherben auf zu fegen. Diese Augen machten mir am meisten Angst, sie waren so leer, so dunkel und vor allem, so kalt vor Einsamkeit. Während ich den Scherben dabei zusah, wie sie klirrend und glitzernd in den Müll fielen, dachte ich über das alles hier nach. Es kam mir so vor, als ob man uns hier einsperrte und nicht, als ob man uns gerettet hatte. Wir mussten doch irgendwo hingehören. Auf dieser Welt musste uns doch jemand vermissen! Ich konnte es spüren. Langsam ließ ich mich wieder auf den Stuhl sinken, bevor ich aus den Augenwinkeln wahrnahm, wie sich Cohan die Hände mit einem Tuch abwusch und es anschließend ebenfalls im Mülleimer verschwinden ließ. „Entschuldige die kurze Störung. Aber es gibt in einem so großen Anwesen leider immer wieder Dinge die nicht so laufen, wie sie es sollten.“ Er wirkte wie ausgewechselt, da er nun wieder in eine gespielt freundliche Tonlage verfallen war. An seinem Arm schaute ein Stück seines Hemdes heraus und darauf erkannte ich einen dunklen Fleck, doch um ehrlich zu sein wollte ich gar nicht wissen, was das war. Seine Aussage nickte ich nur schweigend ab und bemühte mich ihn nicht mehr anzusehen. „Gut. Das wesentliche wäre damit geklärt. Wenn du keine Fragen mehr hast, dann würde ich dich bitten in dein Zimmer zu gehen und dir morgen früh von Viktoria die Regeln dieses Anwesend erläutern zu lassen.“ Ich nickte wieder still und erhob mich, jedoch hielt ich mitten in meiner Drehung inne und sah noch einmal zu Cohan zurück. „Wann haben Sie mich gefunden?“ „Heute Nachmittag in einer Nebenstraße. Es war ziemlich verregnet und kein schöner Ort zum schlafen.“ „War ich allein?“ Cohan hatte schon das Glöckchen in seiner Hand, hielt jedoch in seiner Bewegung inne, bevor er mich mit seinen Augen fixierte. „Ja.“, sagte er und ich nickte nur stumm, bevor ich mich schlussendlich doch umwand und den Raum verließ. Als sich die Tür schloss, hörte ich das vertraute klingeln der Glocke, bevor ich mich entfernte. Im Hintergrund nahm ich nur Viktorias Stimme wahr. „Sie haben nach mir gerufen, Meister?“ Was war das hier nur für ein komisches Anwesen? Ich hörte wie sich die Zimmertüren schlossen, als ich an ihnen vorbei kamen. Nur ab und an konnte ich schwarze Gestalten erhaschen, andere Kinder, andere verlorene Seelen, die wie ich an diesem Ort gefangen waren. Ich sah aus dem Fenster und der Regen trommelte ein Konzert an die Scheibe, während ein Blitz für kurze Zeit den düsteren Gang vor mir erhellte. Es zog offenbar ein Sturm auf, gar nicht ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Dennoch ließ mich irgendetwas nicht los, ein Gefühl nagte an mit, welches ich jedoch nicht näher bestimmen konnte. Irgendetwas störte mich, doch was war das nur? Langsam ging ich zur weißen Tür, welche mich in mein neues Zimmer führte. In meinem neuem Zuhause, welches ich eher als Gefängnis wahrnahm. Ein Donner zerriss die Stille des Anwesens, während ich die Tür öffnete und in das dunkle Zimmer trat. Vom Fenster aus sah ich die Bäume im Garten, wie sie sich im Wind bogen und ein paar Blätter waren gegen die Scheibe geweht worden. Dort klebten sie nun und rutschten langsam, von der Schwerkraft gezogen, nach unten. Mein Blick fiel auf Hikari, welche sich unter ihrer Decke versteckt hatte und offenbar seelenruhig schlief. Jedoch war ihre freundliche Miene verschwunden und in ihrem Puppengesicht sah ich Angst und Trauer. Solche Gefühle versuchte sie sonst offenbar zu verstecken. Langsam setzte ich mich auf mein Bett und ließ mich rücklings in das Kissen sinken. Ich machte mir nicht die Mühe mich umzuziehen, sondern deckte mich direkt zu und schloss die Augen. Während ich dem beruhigenden Konzert des Sturmes zuhörte schlief ich ein - In der Hoffnung, dass ich morgen in meinem alten oder neuen Leben aufwachen würde, aber innerlich wissend, dass es nicht so sein wird. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)