Mitbewohner wider Willen von Kyo-chi ================================================================================ Kapitel 3: Bedeutet dies das Ende? ---------------------------------- Jedoch wurde nichts aus meinem Plan. Langsam beschlich mich das Gefühl, dass nie etwas so klappte, wie ich es mir vorstellte. Hasste mich irgendjemand so sehr, dass ich nie zum Zug kam und ich mich immer wieder hinten anstellen und mich erneut vorkämpfen musste? Hatte ich mein ganzes Glück aufgebraucht und wurde nun vom Pech heimgesucht? Eine Erklärung wäre dies zumindest, immerhin konnte man es auch nicht als Glück bezeichnen, dass ich bei Kyo wohnte, bei der Person, die alles für mich bedeutete. Ein weiterer Tag war fast verstrichen, ein weiterer Tag, der so stressig war, dass sich kaum eine Möglichkeit bot, mir überhaupt Gedanken über das Warumono zu machen. Der Tag startete mit einem Interview für ein in Kürze erscheinendes Musikmagazin, danach folgten ein kleines Photoshooting und anschließend noch einige Stunden lang Proben. Letztere hatten wir mittlerweile hinter uns gebracht, doch an Feierabend und einen gemütlichen Ausklang des Tages war nicht zu denken. Nun saßen wir zusammen mit unserem Management in einem kleinen, dennoch gemütlich wirkenden Raum. Die Wände waren in einem warmen Beige gestrichen und gedimmtes Licht durchflutete das Zimmer. Die Farbe der Wände, das Licht und auch die Einrichtung waren bewusst gewählt, so dass man sich auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch gern zu einem Meeting traf und sich währenddessen entspannte. Hörte man die Ironie aus meinem letzten Satz heraus? Denn zum Entspannen trug diese Atmosphäre bei mir nicht bei und hibbelig rutschte ich auf meinem Stuhl herum, fixierte immer wieder irgendeinen nicht vorhandenen Punkt im Raum. Es war bereits abends und ich wollte nur noch nach Hause und in mein - in Kyo's - Bett, mich in die Decke kuscheln und mich ausruhen oder noch etwas auf meiner Gitarre spielen, um mich zu beruhigen. Doch dieser Wunsch blieb mir verwehrt. Lediglich mit einem Ohr hörte ich zu, was unser Manager uns mitteilte, viel interessanter fand ich gerade meine Kaffeetasse, welche randvoll mit dem schwarzen Gebräu gefüllt war und von dem ich nun einen Schluck trank. Ich brauchte einfach irgendetwas um wach zu bleiben, vorzugsweise Koffein. Viel lieber wollte ich jetzt aber raus in die Nacht, feiern und mich betrinken. So bekam ich wenigstens nicht mehr mit wohin mich mein Weg zu späterer Stunde führte. Nämlich geradewegs in Kyo's Wohnung. Doch mir blieb keine Wahl, ich musste hier bleiben, zuhören, ab und zu sinnvoll einen Kommentar einstreuen, auch wenn ich absolut nicht wusste, um was es gerade ging. Ob jemandem auffiel, dass ich mich nur körperlich bei diesem Meeting befand? Kopfschmerzen breiteten sich hinter meiner Schädeldecke aus, Kopfschmerzen, wie ich sie in den letzten Tagen oft und zuvor nur selten hatte. Ich machte mir zu viele Gedanken, viel zu viel befand sich in meinem Hirn, was sonst vom Alkohol leergeräumt, einfach weggespült wurde. Kyo. Die momentane Situation. Meine Gefühle. Kaoru. Die anstehende Tour. Der Stress. Einfach alles kreiste in meinem Hirn herum. Selbst dass unser Meeting einige Zeit später beendet wurde, bemerkte ich erst, als eine warme Hand auf meiner Schulter lag, sie drückte. Irritiert blickte ich auf, sah in Kaoru's müdes Gesicht, auf dessen Zügen dennoch ein Lächeln lag. Man merkte unserem Leader an, dass es zurzeit wirklich stressig war. Lieb lächelte ich zurück, wollte ihm zeigen, dass alles okay war, und leerte meine Tasse in einem Zug, bevor ich mich ächzend erhob und meine Jacke überstreifte. Mein Blick wanderte zu Kyo, der etwas abseits vom Tisch saß, sich in eine eigene Ecke zurückgezogen und von dort aus dem Gespräch beigewohnt hatte. Doch nun kam Leben in seinen Körper, zumindest in seine Gliedmaßen. Sein Gesichtsausdruck blieb unverändert, weiterhin so kühl und distanziert. Kyo erhob sich von seinem Platz und zog sich seine Jacke an, behielt die eingefrorene Mimik bei. Ich spürte wieder die Hilflosigkeit, die in mir aufstieg. Ich wollte Kyo lachen sehen, so wie er es sonst immer getan hatte. „Ach Kyo...“, murmelte ich fast lautlos und Sekundenbruchteile später nahm ich eine erneute Berührung an meiner Schulter wahr. Wieder drückte Kaoru's Hand sanft zu und mein Blick wurde verwundert. Wusste er etwa, was los war? Er lächelte jedoch nur wieder, löste sich von mir und ging zu unserem Manager, mit dem er wohl noch einige Dinge klären musste, welche vor allem die Tour betrafen. Ich hingegen stand ratlos vor meinem Stuhl, blickte auf den Tisch und starrte regelrecht die Tischplatte an, bis ich ein weiteres Mal eine Berührung an meiner Schulter wahrnahm. Wurde das jetzt etwa zu Gewohnheit? „Kaoru... ich...“ Sogleich verstummte ich, als ich mich umwandte, erblickte ich doch Kyo hinter mir und nicht Kaoru, wie ich es vermutete. Wenn ich besser aufgepasst hätte, wäre es mir aufgefallen. Kyo's Hand war kalt, ganz anders als die unseres Leaders. Sagte man Menschen mit kalten Hände nicht nach, sie hätten ein warmes Herz? Noch immer ruhte Kyo's Hand auf meiner Schulter, doch er zog sie zurück, wandte sich still ab und ging Richtung Tür. „Kommst du, Die?“ Seine Stimme klang merkwürdig, rauer als sonst, fast heiser. Erneut kreisten meine Gedanken wie wild in meinem Kopf. War irgendetwas passiert? Hatte ich etwas falsch gemacht? Ich wusste es nicht und so hielt ich meinen Mund, nickte nur und folgte Kyo zur Tür, verließ mit ihm den Raum, nachdem wir uns verabschiedet hatten. „Kaoru wirkt ziemlich gestresst, oder?“ Leise durchbrach ich die Stille, die uns bereits seit einigen Minuten umgab und die sich unerträglich auf mir niederließ. Ich fühlte mich unwohl, eingeengt und ich wollte dieses unangenehme Gefühl einfach loswerden. Jedoch nickte Kyo einfach nur, sah nicht einmal zu mir, sondern ging schweigend weiter neben mir her. Warum antwortete er mir nicht mehr? Hatte ich ihm irgendetwas getan? Hatte ich irgendetwas getan, was ihn verärgerte? Auch jetzt konnte ich mir immer noch keinen Reim auf das alles machen. Vielleicht interpretierte ich auch einfach zu viel in die jetzige Situation hinein. Vielleicht genoss Kyo einfach nur die Stille, ganz im Gegensatz zu mir. Er tickte eben anders, zog sich oft zurück und war von stiller Natur. Ich hingegen war das genaue Gegenteil. Ich hasste die Stille und viel lieber umgab ich mich mit Menschen, die ich liebte, damit ich mich nicht alleine fühlte. Für Kyo gab es dieses allein jedoch nicht. Für ihn bedeutete es Ruhe und Entspannung. Dennoch kam ich nicht drum herum meinen Gedanken Luft zu machen. Die Neugier siegte doch bekanntlich immer. In diesem Fall war es nicht anders. „Hast du irgendetwas?“, fragte ich vorsichtig nach, blickte weiterhin zu Kyo und versuchte in seiner Mimik zu lesen, was er dachte. Doch keine Regung zierte seine Züge, kein Muskel zuckte. Sekundenbruchteile später drehte er jedoch seinen Kopf zu mir und eine Mischung aus Angst und Hoffnung machte sich in mir breit. Verriet er mir endlich, was mit ihm los war? Öffnete er sich mir und erzählte mir alles, was ihm auf dem Herzen lag? „Nichts, was dich etwas anginge.“ Seine Antwort war wie ein Schlag ins Gesicht und mein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Ich verstand diese abweisende Haltung nicht, verstand nicht, warum er sich so benahm. Was war nur passiert, dass er mich derart zurückwies? Was hatte ich getan, dass er in mir scheinbar nicht mehr den besten Freund sah, den er bisher immer in mir gesehen hatte? Ich schluckte angestrengt, leckte mir nervös über die Lippen. „Hab… hab ich dir irgendetwas getan? Hab ich etwas... falsch gemacht?“ Die Worte krochen ängstlich meine Kehle hinauf und ich traute mich nicht zu Kyo zu sehen, stattdessen starrte ich vor mir auf den Gehweg. Nervosität machte sich in mir breit, Angst davor, dass er mich erneut von sich stieß. Immer wieder krampfte mein Herz und ich spürte, wie mein Atem schwerer ging, abgehackt meinen Lippen entfloh. Ich wusste, dass ein falsches Wort von Kyo meine Dämme zum Brechen brachte, mich zusammenbrechen ließ. „Nein.“ Damit war für Kyo das Thema beendet, das wusste ich, denn er wandte sich wieder ab, vergrub die Hände in den vorderen Hosentaschen und entfernte sich etwas von mir, versuchte Abstand zu gewinnen. Es waren nur wenige Schritte, die uns nun trennten, doch es fühlte sich an wie ein riesiger Abgrund, eine endlose Kluft, die sich zwischen uns breit machte, uns auseinander riss und alles zerstörte, was wir jemals geteilt hatten. Es tat weh, es tat höllisch weh und auch wenn Kyo verneinte, dass ich ihm etwas getan hatte, wuchs die Beklemmung in mir und ich spürte wie sich Tränen brennend in meine Augen kämpften. Ich war schuld daran. Schuld an allem, was passiert war und noch passierte. Schuld an Kyo's Zustand, an seiner Abweisung. Schuld am Ende unserer Freundschaft, das sich nicht mehr aufhalten ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)