Mitbewohner wider Willen von Kyo-chi ================================================================================ Kapitel 1: Mein Zuhause auf Zeit -------------------------------- Kurze Zeit später stand ich bereits mit meinen Koffern und Taschen vor Kyo's Wohnung. Es mag viel klingen, wenn ich von Koffern und Taschen sprach, aber immerhin wusste ich nicht, wie Kyo es aufnahm, wenn ich jetzt so lange hier wohnte, ob ich mich hier so frei entfalten durfte, wie ich es zuhause tat. Und so hatte ich einfach alles Lebensnotwendige eingepackt, vornedran meine liebste Gitarre. Sie war mir das Wichtigste auf der Welt. Innerlich lachte ich auf. Das war glatt gelogen. Das Wichtigste in meinem Leben stand vor mir, schloss die Wohnungstür auf und öffnete sie, trat ein und deutete mir mit einem Nicken an zu folgen. Einst war es wirklich meine Gitarre, der ich all meine Liebe schenkte, die ich Tag und Nacht berührte, sorgfältig säuberte und liebevoll, manchmal auch etwas ruppig spielte. Aber jetzt drehte sich alles nur um Kyo. Der Mensch, der schon seit Beginn unserer Laufbahn den größten Platz in meinem Herzen einnahm. Bislang nur geschlagen von einem geschliffenen, rot lackierten Stück Holz. „Danke“, entkam es ruhig, aber freundlich meinen Lippen und ich nahm meine zwei Taschen, stellte sie in den Flur, bevor ich meinen Gitarrenkoffer schulterte und hineintrug, den zweiten Koffer dabei hinter mir herzog. Mein anderes Hab und Gut hatte ich bereits in einer vom Hausherrn angemieteten Garage untergebracht. Das war das Mindeste, wenn er mich schon aus meinem Zuhause rauswarf und mir als Entschädigung keine Wohnung anbot, in der ich vorrübergehend leben konnte. Aber auch, dass ich die Miete kürzen durfte, kam mir entgegen. Ich wusste ja, dass diese Sanierung und anschließende Renovierung zu meinem Vorteil war, aber von einem Tag auf den anderen ohne Wohnung dazustehen, war eben nicht unbedingt das, was ich mir vorgestellt hatte. Zumal hier keiner meiner Verwandten lebte und ich wirklich auf die Hilfe meiner Freunde angewiesen war. „Du kannst deine Sachen in mein Schlafzimmer bringen.“ Kyo's Stimme war leise, dennoch fest und als ich zu ihm sah, erwiderte er meinen Blick sofort, wandte sich erst ab, als er seine Schuhe abstreifte und seine Jacke an einen der Haken hängte. „Und was ist mir dir?“ Kyo's Worte klangen so, als wolle er mir bereitwillig sein Schlafzimmer überlassen und selbst auf der Couch schlafen. Doch das war etwas, was ich mit mir selbst nicht vereinbaren konnte. Wie sollte ich es zulassen, dass die Person, die ich liebte, Nacht für Nacht auf einer harten Couch schlief und sich den Rücken kaputt machte? „Ich schlafe auf der Couch.“ Kyo sah zu mir und es kam mir so vor, als wüsste er, was ich dachte, denn noch bevor ich etwas einwenden, ihn davon abbringen konnte, drang ein weiteres Mal seine Stimme an mein Ohr. „Keine Widerworte.“ Ich gehorchte, auch wenn es mir schwer fiel. Ich wusste, wie unausstehlich Kyo werden konnte, wenn man seine Entscheidungen nicht respektierte. Früher war es deshalb oft zu Diskussionen gekommen, zu Auseinandersetzungen, die sich nur durch das Eingreifen der anderen beruhigten. Kyo war schon immer aufbrausend, wurde launisch und unausstehlich, wenn er seinen Willen nicht bekam. Aber auch das liebte ich an ihm. Er ließ sich einfach nicht vorschreiben, was er zu tun oder zu lassen hatte. In letzter Zeit war aber auch dies abgeklungen. Seine herrische Seite trat nur noch selten zum Vorschein. Meist gab er klein bei, fügte sich, ganz egal was es war. Ich verstand nicht warum, konnte mir einfach keinen Reim darauf machen. Aber vielleicht fand ich ja eine Antwort, jetzt, wo ich zwei Wochen zusammen mit ihm lebte. „Danke.“ Ein breites Grinsen zierte meine Lippen und ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen, entledigte mich meiner Schuhe und brachte, wie von Kyo gewünscht, meine ganzen Sachen in sein Schlafzimmer. Meine Gitarre packte ich sofort aus und stellte sie in ihren Ständer, nachdem ich diesen zusammengebaut hatte. Früher hatte ich meine Gitarren noch ganz laienhaft einfach an die Wand gelehnt. Aber als professioneller Gitarrist ziemte sich das nicht und es schadete nur dem Lack. Während ich meine Liebste sorgsam in eine der freien Ecken stellte, betrachtete ich Kyo's Schlafzimmer, sah mich genau um. Ich wollte nicht neugierig sein, nicht in seinen Schränken und Schubladen herumwühlen und suchen, ob ich irgendetwas Interessantes entdeckte. Aber ich war schon ewig nicht mehr in diesem Zimmer und so erstaunte es mich, dass sich so gut wie nichts verändert hatte. Es wirkte noch immer etwas düster, was vor allem an den zugezogenen Vorhängen lag. Ich öffnete sie, wollte etwas Licht in diesen Raum bringen. Alles wirkte sofort anders, fast schon fremd, aber dennoch freundlicher. Kyo ließ nur selten die Sonne in sein Schlafzimmer, das wusste ich. Es war sein Rückzugsort, dort, wo er sich immer sicher fühlte. Umso weniger verstand ich auch, warum er es mir bereitwillig überließ. Seufzend öffnete ich eines der Fenster, ließ frische Luft in den Raum und genoss die kühle Brise, die meine Nase umwehte. „Bist du fertig?“ Kyo's Stimme drang wieder an meine Ohren und als ich mich umdrehte, erblickte ich ihn auch gleich. Mit verschränkten Armen stand er im Türrahmen, sacht gegen das Holz gelehnt und betrachtete mich. Mit einem Nicken signalisierte ich ihm, dass ich fertig war und löste mich vom Fenster, schloss es aber noch nicht. Etwas frische Luft tat diesem Zimmer gut. Auch wenn es Kyo sichtlich missfiel, dass ich die Vorhänge aufgezogen und die Fenster geöffnet hatte. Mein Gegenüber nickte ebenfalls, stieß sich vom Türrahmen ab und löste die verschränkten Arme. Sein Weg führte ihn hinein ins Schlafzimmer und er kramte in seinem Schrank herum, suchte nach etwas Bestimmten. Mein Blick hingegen fand sofort, was er begehrte. Kyo's Hintern. Ich liebte diesen kleinen, dennoch prallen Po und was gäbe ich nicht dafür, ihn einmal zu berühren, fest zu packen und zu massieren. Aber das war Wunschdenken, unerfüllbar und vor allem etwas, was ich nicht denken wollte. Ich hatte es so gut geschafft, mich von diesen Gefühlen zu distanzieren, mich abzunabeln. Doch jetzt, wo ich Kyo pausenlos um mich herum haben würde, fiel es mir schwer nicht daran zu denken, wie schön es wäre, wenn er mir gehörte. „Hey, Die. Träumst du?“ Kyo's fragende Stimme riss mich aus meinen Gedanken und kurz darauf spürte ich bereits etwas Weiches, dennoch Schweres in meinem Gesicht und binnen Sekunden umschloss mich Dunkelheit. Ich grummelte leise. Hatte Kyo mich doch allen Ernstes mit dem Bettbezug beworfen. Noch immer grummelnd zog ich den Stoff von meinem Kopf, erblickte sogleich Kyo's freches Grinsen und mein Herz setzte für einen Moment aus, schlug kurz darauf nur umso schneller weiter. Wie lange hatte ich dieses Grinsen schon nicht mehr gesehen? Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, auch wenn es in Wirklichkeit vielleicht nur ein paar Wochen waren. Dennoch viel zu lange für mich. „Du solltest wieder öfter so grinsen.“ Ohne zu überlegen, drängten sich die Worte zwischen meinen Lippen hervor und schon im nächsten Moment bereute ich es. Denn Kyo's Blick wurde anders, kühler, distanzierter und das Grinsen verschwand spurlos. Reumütig biss ich auf meine Unterlippe und ein unangenehmes Gefühl breitete sich in mir aus, als Kyo lediglich mit den Schultern zuckte, sich abwandte und den restlichen Bettbezug aus dem Schrank kramte. Seine Reaktion schmerzte und wieder stellte sich mir die Frage nach dem Warum. Warum war Kyo nur so? Warum distanzierte er sich von mir? Und warum konnte ich einfach nichts dagegen tun? Der Rest des Tages verlief ruhig, viel zu ruhig für meinen Geschmack. Ich hatte ja bereits geahnt, dass mich diese zwei Wochen quälten und langsam und schleichend umbrächten, aber dass es so schnell ging und vor allem auf diese Art und Weise, damit hatte ich nicht gerechnet. In meinen Gedanken malte ich mir Szenarien aus, wie es hätte ablaufen sollen, doch keines traf das, was wirklich geschah. Denn es geschah nichts. Absolut gar nichts. Wir saßen lediglich im Wohnzimmer, ich auf dem Sessel und Kyo auf der Couch, die für die nächsten Tage sein Nachtlager wurde. Der Fernseher lief, beschallte uns in einer angenehmen Lautstärke, doch auch dies ließ keine Stimmung aufkommen. Kyo war vertieft in sein Notizbuch, kritzelte lieblos darin herum und schrieb Dinge auf, die wohl gerade durch die weiten seines Hirns kreisten und hämmernd Erhörung forderten, niedergeschrieben werden wollten. Und nichts anderes tat das Warumono und dies bereits seit geschlagenen zwei Stunden. Ich hingegen konnte mich nicht entscheiden, ob ich der langweiligen Dokumentation über irgendwelche Hitlerverschwörungen meine Aufmerksamkeit schenken sollte oder doch lieber Kyo. Ohne rational zu denken, fiele meine Entscheidung auf die andere Person in diesem Raum. Doch stundenlang und vor allem pausenlos zu ihm zu starren, ihn in Gedanken wohlmöglich noch auf die Couch zu drücken, zu küssen und auszuziehen, war einfach keine gute Idee, wenn man krampfhaft versuchte eben dieses nicht zu tun. Denn am liebsten hätte ich Kyo dieses verdammte Buch aus der Hand gerissen und ihn an mich gezogen, ihn geküsst und anschließend um den Verstand gebracht. Resigniert lachte ich auf. Was dachte ich da eigentlich? Diese zwei Wochen waren mein sicherer Tod und das wusste ich bereits nach nicht einmal drei Stunden. Ich konnte nur hoffen, dass ich meine Gefühle unter Kontrolle bekam oder mein Vermieter mit den Sanierungsarbeiten schneller fertig wurde als geplant und ich somit früher hier wegkam. Sonst bedeutete dies hier mein Ende. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)