Schatten im Schnee von Sas-_- ================================================================================ Kapitel 1: Schatten im Schnee ----------------------------- Nur mal kurz frische Luft schnappen, nur mal kurz Abstand von allem nehmen, nur mal kurz … … nicht darüber nachdenken müssen, was Temari – was ihnen allen in wenigen Tagen bevorstehen wird. Der Vierte Ninja-Weltkrieg, unausweichlich steht er vor ihrer Tür und nicht nur er. Auch der Winter hält eisig Einzug in Konoha, die Bäume haben längst ihre Kleider abgeworfen, verdorrt und verhärmt segeln die toten Blätter zu Boden und lassen sich vom Wind zur letzten Ruhe tragen. Fröstelnd steht Temari auf einer verlassenen Straße in Konoha, wo genau kann sie gar nicht sagen. Trotz der Jahre, die sie hier schon verbracht hatte, war sie nicht allzu viel in Konoha herum gekommen. Schließlich gibt es immer etwas zu tun, Temari hat immer zu tun, sie ist ja all die Zeit nicht zum Spaß in Konoha stationiert worden. Und das ist auch nicht ihr erster Winter, aber es ist mit Abstand der kälteste. Ihre Arme um ihren Oberkörper geschlungen, stapft Temari die Straße hinunter; ein wenig Bewegung wird ihr sicher gut tun. Diesen ganzen Papierkrieg kann sie schon lange nicht mehr sehen. Unter ihren Schuhen knirscht er, der weiße Sand, der die Stadt einhüllt und mit seiner kalten Umarmung alles abtötet, was Wärme braucht, um zu leben. Schnee nennen ihn die Einwohner des Feuerreichs. Temari bleibt dabei, dass es weißer Sand ist, das war zumindest das was sie gedacht hatte, als sie ihn zum ersten Mal sah. Wie überraschend es für Temari kam, als sie merkte dass der weiße Sand so ganz anders ist als der, den sie kennt. So kalt und feucht, wie er sich zurück in Wasser verwandelt, wenn ihre warmen Hände sich um ihn schließen. Seltsam und schön. Ihr Atem bildet kleine dampfende Wölkchen vor ihrem Mund, der Gedanke, dass sie ihren eigenen Atem sehen kann ist faszinierend und irreal zugleich. An die Jahreszeit Winter wird Temari sich auch die nächsten Jahre nicht gewöhnen können. Dazu ist er einfach zu sonderbar für sie. Sie zieht sich ihre dicken Fäustlinge von den ohnehin tauben Händen und gräbt diese in einen Haufen Schnee, der bereits dicht auf den ausgetreten Straßen liegt und alles in ein blendendes Weiß hüllt. Der Wind streicht flüsternd durch die Gassen und trägt die Schneeflocken, die vom Himmel herab rieseln mit sich und setzt sie in Temaris dunkelblondes Haar. Seufzend klopft sie die vereinzelten Flocken von ihrem Mantel. Schnee in den Haaren sieht sogar recht hübsch aus. Zumindest so lange, bis er zu schmelzen beginnt. Und genauso kalt, wie der Wind ihr entgegenrollt, genauso kalt und eisig baut sich eine Welle der Angst und packender Trauer in ihrem Innern auf. Ihr Atem beschleunigt sich und dennoch fällt es ihr schwer, überhaupt die frostige Luft in ihre Lungen zu zwängen. Der weiße Sand rieselt aus ihren kraftlosen Fingern und fällt zerdrückt zurück zu seinen Gefährten. Sie geht zitternden in die Knie. Noch nie hat sie eine solche Angst gepackt, noch nie war ihr so elend zumute wie in diesem Augenblick. Eine brodelnde Hitze breitet sich in ihrem Brustkorb aus, schreckliche Szenen flitzen durch ihren Kopf und wechseln sich mit schönen Erinnerungen an unbeschwerte Tage ab; geben sich die Hand und drehen sich Übelkeit erregend in ihren Gedanken. Der Tag, an dem ihr Bruder zum Kazekage ernannt wurde, war einer der schönsten, die Temari je erleben durfte. Schon allein die Vorstellung, dass er in diesem Krieg fallen könnte, lässt ihren Körper erzittern. Sie möchte keinen toten Gaara aufgebahrt sehen, wenn dieser Krieg vorüber ist und sie möchte auch um niemand anderen trauern müssen, der ihr etwas bedeutet. Der Wind heult und unzählige, kreischende Stimmen heulen auch in Temaris Kopf. Die Lippen fest aufeinander gepresst, drückt sie ihre Hände auf ihre Ohren, als könne sie die Stimmen in ihrem Innern von außen zum Schweigen bringen. Die Hitze in ihrem Brustkorb bahnt sich ihren Weg zu ihrem Gesicht, ihre Augen werden feucht und vereinzelte Tränen fließen träge über ihre heißen Wangen. Aber weinen will sie nicht, das ist etwas, was man als Kunoichi einfach nicht tut und als Sunanin schon gleich zweimal nicht! Weinen bringt einem gar nichts, es ist reine Zeitverschwendung, seine Trauer, Angst oder Schmerzen so offen zu zeigen. Temari weint. Widerstandslos geht sie in die Knie und der kaltfeuchte Schnee dringt ungehindert durch ihre Hose, aber Temari spürt die beißende Kälte des Winters nicht. Sie ist völlig eingenommen von der beißenden Angst in ihr selbst. „Meine Kleine, deswegen muss man doch nicht weinen.“ Erschrocken blickt Temari auf und wischt sich hastig die Tränen aus ihrem geröteten Gesicht. Der Schnee fällt jetzt so dicht, dass sie nur eine Silhouette im dichten Schneegestöber erkennen kann. Sich die restlichen Tränen aus den Augen blinzelnd, versucht sie den Jemand zu erkennen, der zu ihr gesprochen hat. „Warum bist du denn so traurig?“, fragt der gesichtslose Schatten Temari. „Wir … wir haben bald Krieg. Und Krieg bedeutet, dass ich … ich meine, dass wir alles verlieren können, woran uns etwas liegt“, erklärt sie mit zitternder Stimme. Als ihr bewusst wird, dass sie im tiefen Schnee kniet, kämpft sie sich schnell zurück auf ihre wackligen Beine und klopft sich den widerspenstigen Schnee von der Hose. „Ja, das hat Krieg leider so an sich, aber mit Tränen hat noch niemand etwas erreicht.“ „Das weiß ich selbst!“, blafft Temari den namenlosen Schatten an. „Trotzdem“, lenkt sie leise ein, „fürchte ich mich davor. Ich will diesen Krieg nicht …“ „Den will niemand, außer …“ „Weiß ich auch!“, wirft sie wirsch ein. Sie fühlt sich ertappt, die Leute, die sie haben weinen sehen, kann sie an einer Hand abzählen und das sind nicht viele Finger, die sie dazu braucht. Wenn ein Fremder sie jetzt hier hat flennen sehen, dann ist das wirklich etwas, wofür Temari sich noch die nächsten Jahre schämen kann. Der Wind gewinnt an Stärke, die Schneeflocken tanzen wild zur säuselnden Musik des Winters und sie glaubt zu wissen, dass ein Schneesturm aufzieht. Temari sollte besser wieder reingehen. Aber wer ist dieser Jemand, der da mit ihr spricht? Sie will wissen, wer sie in einer so prekären Lage erwischt hat. Aber es fühlt sich auch gut an, einfach reden zu können. Wenn derjenige sie nicht kennt und sie ihn auch nicht, ist das vielleicht gar nicht so schlecht. „Ich hab Angst, Familie und Freunde zu verlieren und Leute aus meinem Dorf. Ich hab ja sogar Angst davor, Shikamaru zu verlieren“, seufzt Temari und fixiert die Silhouette. „Ja, natürlich“, antwortet der Schatten kurz angebunden. „Es ist nicht so, dass ich mich vor meinem Tod fürchte!“, brüstet sie sich lautstark und richtet sich mit durch gestreckten Rücken auf. „Aber …“ Kaum merklich sinkt sie wieder etwas in sich zusammen. „… ich fürchte den Tod von Menschen, die mir nahe stehen. Mein Bruder Gaara ist jetzt Kazekage. Alle Leute aus meinem Dorf setzten auf ihn in diesem Krieg. Was, wenn …“ „… Er es nicht schafft? Das wissen wir doch nicht, keiner weiß das. Und sich über was-wäre-wenn-Fragen Gedanken zu machen ist äußerst ungesund und bringt ohnehin nichts!“, tadelt der Schatten und ein Arm zeichnet sich zwischen den tanzenden Schneeflocken ab, der ebenso tadelnd wie seine Stimme gestikuliert. Temari holt tief Luft. „Ich möchte kämpfen und alle beschützen!“ „Ein edles Ziel, ein gar unmögliches Ziel.“ „Das ist mir auch bewusst“, gibt Temari kühl zurück. „Aber ich muss es versuchen!“ „Dann tu das, statt hier im Schnee dir die Augen aus dem Kopf zu weinen! Oder willst du deine Gegner in einer Flutwelle aus Tränen vernichten?!“, höhnt die Silhouette spöttisch und zwei kaum zu erkennende Hände stemmen sich in dessen verschwommene Hüfte. „Das Jutsu der Wasserdrachenbombe mal anders“, murmelt Temari schmunzelnd. „Das ist doch schon viel besser! Und jetzt geh wieder zurück und mach dich an die Arbeit! Sunagakure zählt auf dich, Konoha braucht dich!“ Temari nickt stumm, der Schneesturm ist stärker geworden und versucht, unter ihre dicke Kleidung zu kriechen. Sie gräbt ihre Hände noch einmal in den Schnee, formt einen festen Schneeball und dreht ihn zwischen ihren tauben Fingern. „Ich glaube, ich musste einfach mal darüber reden, trotzdem hab ich noch Angst“, sagt sie leise, während ihre Finger den Schneeball sorgfältig formen. „Angst ist gut, nur Narren kennen keine Furcht. Wer sich nicht fürchtet, ist unvorsichtig und leichtsinnig“, erklärt der Schatten großzügig. „Das erinnert mich an einen gewissen Jemand, der die Farbe Orange zu schätzen weiß“, grinst Temari. Ihre Bewegung ist fließend und blitzschnell, als sie den Schneeball in die Richtung der Silhouette schleudert. Diese weicht geschickt aus und verschwindet für kurze Zeit aus Temaris Sichtfeld. „Netter Versuch, Temari!“, weht die amüsierte Stimme des Schattens zu ihr hinüber, getragen vom fauchenden Wind. „Das Gleiche könnte ich von dir behaupten, Shikamaru!“, antwortet Temari und formt den nächsten Schneeball. Die Silhouette bewegt sich langsam und lässig auf Temari zu, nach und nach schälen sich Shikamarus Konturen aus dem weißen Schnee. „Wir fürchten uns alle, Temari.“ „Was du nicht sagst!“, ruft sie, es ärgert sie ganz schön, dass sie nicht gleich drauf gekommen war, dass es Shikamaru war, der zu ihr gesprochen hatte. Und dass er sie hat auch noch weinen sehen, ärgert sie sogar noch sehr viel mehr. „Und das ist auch kein Grund, sich zu schämen“, spricht er weiter zu ihr, ihren Einwand ignorierend. „Ich … schäme mich nicht!“, knurrt Temari verärgert, aber ihre müden Hände lassen den Schneeball achtlos zu Boden fallen. „Lass uns diesen Krieg gemeinsam durchstehen. Du musst nicht alle allein beschützen. Das machen wir schön brav zusammen, du und ich … und der Rest der Welt!“, lacht Shikamaru und klopft ihr auf die Schulter. „Und jetzt lass uns wieder reingehen, Schneestürme sind echt lästig! Das klebrige Zeug hängt sich in die Kleidung und Haare, echt nervig!“ „Ja“, pflichtet Temari ihm bei und klopft sich wieder den Schnee aus der Kleidung. „Irgendwie hab ich Lust auf Nudelsuppe …“, seufzt sie und reibt sich über ihre Arme. Gemeinsam treten Temari und Shikamaru den Rückweg an, während sie sich leise über die schönen Dinge in ihrem Leben unterhalten. Ihre Stimmen werden leiser und leiser, bis sie sich im Wind verlieren und nicht mehr zu hören sind und ihre Körper werden zu Schatten die langsam mit dem Schneegestöber verschmelzen, bis sie verschwunden sind. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)