Rot von Kaylien ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Alles ist langweilig. Alles ist grau. Der Boden, die Wände, die Stühle, die Tische, die Decke, die ganze Schule, der Himmel, die Sonne, die Sterne, der Mond, die Blumen, die Luft, die Kleidung; ja, sogar die Menschen. Ich bin es leid. Ich weiß noch wie alles bunt war… das war ein Leben… und jetzt? Alles weg. Wie wäre es mit etwas Farbe? Jetzt? Nur eine Farbe? Wie wäre es mit etwas… rot? Ich gähne. Schon wieder Schule. Gelangweilt schlurfe ich durch das Haus. Und obwohl ich mir ewig Zeit lasse, komme ich pünktlich in der Schule an. Wie wäre es mal mit etwas Verspätung? Wäre doch mal spannend… ein bisschen Abwechslung… Der Lehrer ist schon im Klassenzimmer. Müde lasse ich mich auf meinen Platz in der letzten Reihe fallen. Kurz strecken und dehnen. Ich sehe mich in der Klasse um. Es sind, mal wieder alle da. Mein Blick schweift aus dem Fenster. Grau. Grauer Himmel. Wie die ganze Woche schon. Verständlich, wenn man dann depri wird. Mein Blick wandert weiter und bleibt schließlich an Jamy hängen. Ach Jamy… er ist groß, hat schwarze, lange Haare, ein hübsches Gesicht, mit großen, grünen Augen und ist der Klassen Emo. Ober er sich auch ritzt? Ich weiß nicht… zutrauen wurde ich’s ihm … oder? Ich habe noch kaum ein Wort mit ihm gewechselt, obwohl ich schon zwei Jahre mit ihm in einer Klasse bin. Ich glaube, das kommt davon, dass ich so scheu bin. Manchmal würde ich nichts lieber tun, als einfach zu verschwinden, und dann zu schauen, wer mich alles vermisst. Würde Jamy mich vermissen? Wahrscheinlich nicht. Er weiß ja nicht mal, ob es mich gibt, oder? Plötzlich starre ich direkt in seine grünen Augen. Doch, wie immer, scheint er einfach durch mich durch zu schauen… Ich wende den Blick ab. Der Tag vergeht wie immer. Langweilig und grau. Zuhause schiebe ich mir eine Pizza in den Ofen. Den Nachmittag verbringe ich mit Musik hören und dumm glotzen. Irgendwann schlafe ich ein und träume, wie schon so oft vom Jamy. In meinen Träumen sehe ich ihn immer dasitzen. Zusammen gekrümmt. Irgendwo in einer Ecke. Ich geh vorsichtig auf ihn zu und lege ihm meine Hand auf die Schulter. Er hebt langsam den Kopf. Er lächelt mich an. Ganz sanft. ‚Was ist denn los?‘ Frage ich ihn. Er antwortet leise. ‚Es tut mir leid.‘ Seine Hand streicht über meine Wage. Und plötzlich küsst er mich. Eine Träne rollt von seinem Auge. Alles ist grau. Nur seine Hände sind rot. Er berührt vorsichtig eine Strähne meines farblosen Haares. Und Plötzlich breitet sich von dem Punk, den berührt hat, Farbe aus. Langsam läuft sie über meinen Körper. Sie läuft über den Boden und fliest langsam über alles aus. Über den ganzen Raum. Und plötzlich ist alles wieder so bunt, wie es einmal war, vor langer, langer Zeit. Schließlich leckt die Farbe auch an ihm. Langsam frisst sie sich seinen Körper nach oben. Doch das einzige, an dem man es merk, sind seinen grünen Augen, die sich nach und nach mit Farbe füllen. ‘Du hast mich gerettet…‘ flüstert er. Ich schlage die Augen auf. Irgendwann muss ich mal etwas tun… Ich wünschte nur, ich wäre nicht so feige… dann könnt ich ihm vielleicht sagen, was ich für ihn empfinde. Ich wasche mir genüsslich meine Haare. Und wirklich. Heute schaffe ich es. Ich komme zu spät. Um mehr als 10 Minuten. Vielleicht ist das ein Zeichen… überlege ich mir, als ich auf die Schule zugehe. Im Gang vor meinem Klassenzimmer stocke ich. Neben der Tür liegt ein Rucksack. Aber nicht irgendeiner. Es ist Jamy’s. Ich fische nach einem Zettel in meiner Tasche. Schnell schreibe ich meine Handynummer darauf. ‚Schreib mich doch mal an‘ kritzle ich darunter. Ich lasse den Zettel in seiner Tasche verschwinden. Er ist groß genug, das er ihn einfach nicht übersehen kann. Dann betrete ich das Klassenzimmer. Der Tag schleicht vorbei. Jamy kommt erst zur zweiten Stunde. Am Nachmittag vibriert plötzlich mein Handy. 1 SMS. Unbekannt Nummer. ‚Hey‘ Ich quietsche auf. ER hat mich doch glatt angeschrieben! Von da an schreiben wir jeden Tag . Über alles. Er erzählt mir von zuhause. Von seinen Geschwistern. Ich ihm, wie alleine ich immer bin. Wir reden über alles. Ich weiß jetzt viel über ihn. Mehr als je zuvor über einen Menschen in meiner Umgebung. Eines Tages, am Ende des Schuljahres bekomme ich morgens eine SMS. Nur ein Wort. 'rot‘ Was soll das? In der Schule taucht er nicht auf. In der zweiten Pause bekomme ich Angst. Er fehlt doch nie. Er hat mir einmal geschrieben, das er, wenn er alleine sein will, immer bei einem alten Skateplatz ist, der in der Nähe seiner Schule liegt. Ich habe noch 15 Minuten Pause. Ich laufe los. Es ist ein komisches Gefühl, vormittags durch die Straßen zu laufen. Man ist ganz allein. Nur eine kleine Straßen Katze begleitet mich einige Meter. Es dauert etwas, bevor ich ihn finde. Zusammengekrümmt sitzt er an die Halfpipe gelehnt da. Ich gehe langsam auf ihn zu. „Jamy?“ Erst als ich kurz vor ihm stehe, blickt er auf. Sein Make-Up ist verschmiert und in seinen Augen mischt sich Erschrecken mit Verwirrung. „Was machst du hier?“ Fragt er mit rauer Stimme. Ich lasse mich neben ihn fallen. „Nichts. Mir ist langweilig.“ Er mustert mich von der Seite. „Woher wusstest du, wo ich bin?“ Ich zucke die Schultern. „Ich bin einfach nur durch die Gegend gegangen. Und dann hab ich dich gesehen.“ Er zieht die Augenbrauen hoch, als würde er es mir nicht glauben, dann dreh er sich wieder weg. Wir sitzen eine Zeit lang schweigend nebeneinander. Plötzlich maunzt etwas neben mir. Es ist das Kätzchen von vorher. Ich hebe es auf meinen Schoss und streichle es sanft. Es beginnt zu schnurren. Plötzlich streckt Jamy seine Hand nach der Katze aus. Sie ist Blut rot. Entsetzt sehe ich, dass er sich seine Pulsader quer aufgeschlitzt hat. Er krault die Katze sanft hinter den Ohren. Vorsichtig rückt er ein Stückchen näher. Plötzlich schießt mir seine SMS durch den Kopf. „rot“ flüstere ich. Da ist Blut. Es ist rot. Er zuckt zusammen. Er zieht sein Handy aus der Tasche und tippt etwas darauf herum, dann legt er es wieder weg und streichelt die Katze weiter. Plötzlich vibriert mein Handy. Ich ziehe es aus meiner Hosentasche. ‚Das bist du.‘ Ich schlucke. ‚Ja‘ tippe ich und antworte. Kurzdarauf klingelt sein Handy. Seine Haare verbergen immer noch seine Augen, aber ich kann sehen, wie sich sein Mund zu einem Lächeln verzieht. Den Blick gerade ausgerichtet, greift er vorsichtig nach meinen Haaren. Vorsichtig streichelt der über die blaue Strähne in meinem Straßenköter braun. „Danke.“ Flüstert er kaum hörbar. Ich zucke zusammen. Die Katze schnurrt auf meinem Schoss. Plötzlich beugt er sich zu mir. Seine Lippen streifen scheu die meinen. Ich lege ihm die Arme um den Hals und erwidere den Kuss. Die Katze schnurrt zwischen uns. Inzwischen sind fast zwei Monate vergangen. Jamy befindet sich in einer Therapie. Meine Welt hat wieder Farbe. Unser Codewort ist rot. Wenn er mich dringend brauch, schickt er mir diese drei Buchstaben. Rot. Dann weiß ich genau, das er mich dringend braucht. Einestages, wir liegen auf der Couch und sehen uns einen langweiligen Film an, erzählt er mir, das seine Welt grau war. Alles. Es gab keine Farben. Er wusste nicht einmal mehr, wann sie grau geworden war. Als seine Mutter anfing zu trinken? Wie alt war er da? Sieben oder doch schon acht? Er wusste bloß, dass er sie wieder bunt wollte; Er das grau nichtmehr ertragen konnte. Als ich im den Zettel in den Rucksack gesteckt habe, habe ich ihn das erste mahl gerettet. Da wollte er sich schon umbringen. Aber die Neugier hat ihn daran gehindert und brachte ihm wieder einige Farbschemen zurück. Und dann war es das Schreiben mit mir. Aber auch diese Farben verblassten. Und wieder wurde es grau wie zuvor. Er wollte endlich wieder richtige Farben sehen. Doch die einzige Farbe, die ihm wirklich etwas bedeutete, und die er sehen konnte wann immer er wollte, war rot. Und auch nur sein rot. Dunkelrot. Wie Blut. Und jetzt; jetzt hab ich ihn wirklich gerettet. Das dritte und das letzte mal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)