Deine Seele bei mir von Kemet (Meine Suche nach Dir) ================================================================================ Kapitel 3: Offensichtliches --------------------------- 15.2. Ich habe ihn überstanden. Endlich ist der Tag vorbei. Die Mädchen haben mich, wie ich es mir schon dachte, nicht einmal angesehen. Er jedoch schon. Er, der die ganze Zeit hochnäsig vor mir steht, aber nichts als Abwertung verlauten lässt. Geprügelt habe ich mich - Das ist es doch, was alle von mir glauben und vor allem glauben wollen. Dass ich drauf haue, anstatt zu reden. Dass ich mich, stur wie der 'Köter' nun einmal ist, treiben lasse. Bis zum nächsten Schlag. Wenn er wüsste. Niemand weiß etwas. Nicht einmal Yugi. Sie fragen auch nicht, sondern nehmen es als gegeben hin, wenn ich so auftauche. Ich sage auch nichts mehr und wenn sie mich beglückwünschen, lächle ich. Reisende soll man nicht aufhalten, oder? Und ihre Reise führt in ein vorgestanztes Schema. Belassen wir es dabei. Das tut noch am wenigsten weh. Langsam schlug er das zweite Buch zu, welches, wie es schien, zu seiner Hauptlektüre geworden war. Der Einband war grün, abgegriffen und einige Seiten quollen ihm lose entgegen. Keine von ihnen klebte er fest, sondern wenn sie in seine Finger glitten, las er sie, legte sie danach aber wieder fein säuberlich zurück. Noch immer kam es ihm vor, als würde er mit seinen Augen in eine Sphäre vordringen, die wie sein eigenes Leben war. Privat. Er hatte Respekt vor den Zeilen, doch drängte es ihn dazu immer weiter zu lesen, nur auf der Suche nach einem Hinweis und nach dem Verstehen. Viele Tage nach seinem Traum hatte er die Bücher nicht angerührt, sondern nur das Gesehene verarbeitet. Es waren die Worte von jemanden, den er seit nunmehr mehr als vier Jahren nicht mehr gesehen hatte, dessen Leben, wie ihm nun klar wurde, aus Prügel verbal und nonverbal bestanden hatte. Auch wusste er nun, dass er nicht besser als Joeys Vater war. Auch er hatte zugeschlagen, immer und immer wieder. Nicht mit den Fäusten, sondern mit Worten, welche so gesehen weit mehr schmerzen konnten, als es Schläge jemals vermochten. Sein eigen Fleisch und Blut hatte den Anfang gesetzt, welchen er in seiner arroganten Selbstliebe aufgenommen hatte, nur um die Wunden noch tiefer zu reißen. Kaiba seufzte leise, griff nach vorn, nur um über den Tasten sensiblen Fuß der Lampe zu fahren und die Helligkeit von dieser zu verringern und lehnte sich zurück. Fast automatisch langte er nach den Zigaretten, welche immer bereit lagen. Er nahm sich eine, klemmte sie sich zwischen die Lippen und entzündete den Tabak mit einem Feuerzeug. Er fuhr sich mit der freien Hand durch das Haar, strich es zurück und stieß den Rauch aus seinen Lungen. Entschlossen griff er nach einem weiteren mit blauen Einband, der ebenso abgegriffen wirkte, wie alle anderen auch. Ziellos schlug er es auf, klemmte sich die losen Seiten zwischen die Finger und begann zu lesen. Die Einträge wurden länger, jedoch büßten sie nichts von ihrer Wichtigkeit ein, nicht von ihrer Eindringlichkeit oder der Brutalität, die vorherrschte. Seine Augen glitten in dem wenigen Licht über die Zeilen, ungläubig, was in Worten vor ihm geschrieben stand. 4.8. Ich sitze hier, presse mich an die Wand, und höre wie er randaliert. Er zerschmettert das Wenige, was wir haben, mit einer solchen Wut, dass ich weniger um mich, als mich um ihn sorge. Dinge sind ersetzbar, aber er, so grausam er sein mag, ist es nicht. Als ich vor kurzem nach Hause kam, lag er noch im Wohnzimmer auf dem Teppich, schnarchend, sodass ich mir sicher war, dass ich unbehelligt diesen Tag überstehen würde. Die wenigen Stunden, bis zu dessen Ende, bis endlich die Nacht heran graut und ich in der Schwärze dem Vergessen ein Stück näher bin. Es sind die einzigen Stunden, in welchen er mich nicht bekommen kann, in welchen mich niemand findet. Nur allein ich, der Schmerz, der noch immer durch meinen Körper zieht und meine Gedanken. An ihn. Ihn, der wie ein Fixpunkt geworden ist, den ich mir immer mehr vor Augen halte. Ihn mit seiner Stärke, mit seiner Arroganz und seiner herablassenden Art. Selbst jetzt, wenn ich nur schreibe, lächle ich, kann so die Geräusche um mich herum vergessen und fühle mich wieder in irgendeiner Art lebendig. So lebendig man sich in dieser Welt fühlen kann. Die Worte der Anderen, der Lehrer, welche mich aufrufen nicht zu schlafen, sondern dem Unterricht zu folgen - Seine stichelnden Kommentare - All das lässt mich leben, oder zumindest lebendig fühlen. Ich warte darauf endlich zu verschwinden. Eines Tages. Irgendwann einmal... Kaiba zog die Augenbraue hoch, schnippte die Asche in einen Kristallen Aschenbecher und ließ das Buch langsam sinken. Sein linker Mundwinkel zuckte angesichts eines Lächelns, bevor sein Blick wieder ernst wurde und sich abermals den verbliebenen Zeilen widmete. …wenn es dann soweit ist, wird er mir nach blicken? Oder werde ich einfach verschwinden, ohne dass es jemanden interessiert oder überhaupt wahr nimmt? Wird er nach mir suchen? Ich glaube es nicht. Vielleicht ist es besser so ihn dann, wenn es einmal soweit ist, einfach zu vergessen. So zu vergessen, wie man es vergisst hinter die Fassade eines Menschen zu blicken. Seine langen Finger ballten sich zu einer festen Faust. Asche fiel auf seinen Tisch. Er ließ sie unbeachtet. Ihn suchen? Damals? Er wusste inzwischen, dass er gemeint war und niemand sonst. 'Er' war Seto Kaiba. Er hätte die Macht gehabt, ihn nach seinem Verschwinden zu suchen. Doch hatte er es nicht getan, obwohl er mehrmals daran gedacht hatte. War es das, was das Hündchen versucht hatte zu erreichen? Dass die Menschen aufwachten und ihn nicht mehr als eine Art notwendiges Übel sahen, sondern als Mensch? Als Freund? Als Partner? Kaiba stieß den Rauch tief aus seinen Lungen und sackte etwas in seinem Stuhl zusammen. Auf dieser Ebene hatte er konsequent versagt. Er hatte es geschafft ihn gehen zu lassen, die Verantwortung seines eigenen Gefühls an Andere abzutreten und sich seiner Rolle wegen zu verstecken. Menschen konnten grausam sein und er schien an der Front an erster Stelle zu stehen. Er hatte sich nie um die Belange Anderer gesorgt, hatte sie sogar gemieden, nur um nicht in die Situation zu geraten helfen zu müssen, über den eigenen Schatten zu springen und die Hände anderer Menschen zu ergreifen. Niemals wollte er jemanden etwas schuldig bleiben. Ablehnung war das Beste, was er hatte aus sich herausholen können. Sich zu schützen sein erstes Gebot. Nur so war es ihm möglich gewesen sich und seinen Bruder vor den äußerlichen Einflüssen zu bewahren. Nur so konnte auf lange Sicht eine vermeintliche Sicherheit erreichen. Eine, welche er immer erstrebt hatte. Sie hatte in Einsamkeit angefangen, sie würde wohl auch in dieser enden. Er schob sie von sich, lernte mit den Jahren nicht nur sich, seine Vergangenheit, sondern vor allem auch die Menschen zu hassen. Sie, die ewig nach Glück strebten und sich dabei in illusionären Hoffnungen verstrickten. Sie, die vorlebten, was es hieß verwundbar zu sein. Sie, die lebten und sich so allem annahmen, was ihnen widerfuhr. Kaiba war im Laufe der Jahre klar geworden, wie weit er seine eigene Einsamkeit gefördert hatte. Er war meist allein zu Hause, kam in eine Villa, in welcher es am jeglichen Leben fehlte. Nur die wenigen Zimmermädchen und sein Butler zeigten, dass in diesem Gebäude noch Atem war. Selbst Mokuba war geflohen, verbrachte seine Nächte meist außerhalb und ließ damit nur die dunkle Stille zurück. Sie waren so weit gekommen, dass sie sich kaum mehr sahen und sogar Termine brauchten, damit sie überhaupt aufeinander trafen. Für Kaiba war es die Spitze des Eisberges gewesen, doch hatte er es hingenommen. Er wollte ihn nicht zwingen sein altes Leben weiter zu führen, fern ab, mit den Kopf unter dem Schutz seines Namens und des Geldes, was damit einherging. Er hatte es geschafft selbstständig zu denken und sich abzunabeln. Er hatte es geschafft endlich zu leben. Kaiba langte nach vorn und drückte den Rest der Zigarette im Aschenbecher aus. Abermals fiel sein Blick auf das Buch vor sich, welches er entschieden zuklappte und sich erhob. Nach einer Berührung der Lampe, wurde es im Zimmer komplett dunkel. Dennoch erreichte er wenig später die Tür und trat auf den spärlich beleuchteten Flur hinaus. Sein Weg führte ihn weg von den Worten, welche in seinen Inneren schwebten und nicht zur Ruhe kamen. Er brauchte Schlaf, er brauchte Ruhe, das wusste er und doch war ihm auch klar, dass er nicht würde schlafen können. Seit dem er Mokuba zu einen seiner Freunde gebracht hatte, war es abermals ruhig geworden. Nur er uns sein Butler. Er blieb stehen, fühlte wie der Traum von der Nacht zuvor an ihm nagte und ließ ihn innerlich erschaudern. So vieles hatte sich in diesen Jahren geändert. Wo er zuvor noch verbal zugeschlagen hatte, um einen anderen Menschen zu erniedrigen, zog er es nun vor zu Schweigen. Es war einfacher, es war unkomplizierter. Der Drang einen anderen genau den Schmerz zuzufügen, welchen er in seiner Kindheit erlitten hatte, war verflogen. Noch immer war er als eiskalter Geschäftsmann bekannt, noch immer schrieb seine Firma schwarze Zahlen in Milliardenhöhe. Doch machte ihn dieses Geld schon lange nicht mehr glücklich. Es beruhigte ihn auch nicht, wie die Meisten dachten, sondern wurde schlicht zu einen notwendigen Übel. Börsenkurse, Bankdaten - All das hatte seinen Reiz verloren. Seto blickte nach unten, sah auf seine Füße, welche nur in dicken Socken steckten und bewegte kurz die Zehen. Die Bilder verschwammen vor seinen Augen und die Müdigkeit forderte ihren Tribut. Er zwang sich dazu weiter zu gehen, auf sein Zimmer zu, welches nur noch wenige Meter entfernt lag. Langsam setzte er einen Schritt vor den Anderen und blieb erst wieder stehen, als sich langsam ein Schatten aus einer der Nischen löste und auf ihn zu trat. Seine Augen weiteten sich, als er die strubbeligen Haare erkannte, die schlanke Figur und die langen Beine, welche langsam auf ihn zu schritten. Erschrocken wich er zurück, wollte blinzeln, doch seine Augen konnten sich nicht von der Gestalt lösen. Seine Lippen öffneten sich einen Spalt, als er hinter sich gegen eine der Vasenständer stieß, welcher krachend zu Boden fiel. Das Porzellan darauf, zerbarst in viele kleine Scherben. Das Ende seines Weges war erreicht, die Person, welche so entschlossen und lautlos auf ihn zu trat, noch immer gehüllt in tiefe Schatten. Kaiba... Eine tiefe Stimme erklang, ließ ihn aufschrecken. Er strauchelte, fiel auf die Knie und erhob beide Hände, nur um sie in seinen eigenen Haar zu vergraben. Seine Augen waren schreckgeweitet, als er aufblickte. Noch immer konnte er nicht blinzeln. Kaiba... Es ist mein Leben! Lass es in Ruhe! Seto schrie leise auf, die schlanken Finger krallten sich fester in seinen Schopf und schickten Wellen willkommenen Schmerzes durch seinen Kopf. Kaiba... Verschwinde aus meinem Leben, in welchem ich nicht mehr wert bin als ein minderwertiger Straßenköter! Was interessierst Du Dich jetzt dafür? Ein Ächzen zwang sich über seine Lippen, als er keuchend nach der Lust schnappte und endlich dazu befähigt war, die Augen zu schließen. Er blinzelte mehrmals, spürte den harten Druck auf seinen Brustkorb lasten und schnappte abermals nach Luft. Er fuhr auf, die Hände weiterhin in seinem Haar festgekrallt, blinzelte nochmals und versuchte die Gestalt genauer durch den Schatten zu erkennen. Doch anstatt Details zu sehen, starrten seine Augen nur auf den leeren Flur. Der Schatten war verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)