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Quand je suis lá, je suis sans soucis

Wenn ich dort bin, bin ich ohne Sorge
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Nun also folgt der siebenjährige Krieg. Da es viel zu viele Schlachten in dieser Zeit gab, habe ich mich auf die erwähnenswertesten Fakten gestürzt. Ich weiß, das es nicht viel Dialog gibt, es wird immerhin aus der Sicht Gilberts erzählt. Ich arbeite lieber mit Beschreibungen der Schauplätze. Und ich möchte hier noch einmal anmerken, es handelt sich um eine, wenn auch historisch nicht ganz korrekte Erzählung. Wer mehr über die Schauplätze des siebenjährigen Krieges erfahren möchte, kann das gerne googlen.
Vielen Dank für die letzten Kommentare, ich versuche mich wirklich dran zu halten, auch wenn es nicht immer 100% umsetzbar ist.
Und nun viel Spaß. Ich merke selbst, das die Kapitel immer länger werden ^^" Komplett anzeigen

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~Der Thronfolger~

~Der Thronfolger~
 

Es war der 24. Januar im Jahre 1712...
 

Wie im wilden Galopp trieb ich meinen Hengst zu Eile. Es war tiefster Winter und mich hatte eine Nachricht aus dem Berliner Stadtschloss zu dieser Eile getrieben. Der König Friedrich Wilhelm-

oder wie ihn das Volk noch zu Lebzeiten schon immer nannte „Der Soldatenkönig“, hatte mir diese Nachricht zukommen lassen. Er erwarte meine Gegenwart. Pff. Als hätte er sie jemals vorher verlangt.

Für ihn war ich doch nicht mehr als einer seiner „Langen Kerls“. Und das, obwohl ich weitaus mehr bin, als nur dies. Allerdings- so war ich zu kostbar um als gewöhnliches Kanonenfutter zu enden. Auch wenn der Unterhalt für solche Leute dem König eine Menge kostete. Aber dies schien er billigend in Kauf zu nehmen. Obwohl er eine eiserne Sparpolitik führte. Für dieses -seine Soldaten- schien er ja immer genügend Geld übrig zu haben.

Ich, Gilbert Beilschmidt, der Repräsentant des großartigen Königreichs Preußen und Verfasser dieser Memoiren, konnte nicht wie einfache Menschen sterben. Doch später mehr zu meinem großartigen selbst.

Mein Pferd schnaubte wild als es durch den Winterwald Richtung Berlin raste. Sein heißer Atem stob an mir vorbei. Der Königliche Befehl drängte zur Eile, doch mich selbst nicht. In dem Schreiben erwähnte mein König die Niederkunft seiner Frau. Die Ehefrau des Königs erwarte ihr viertes Kind. Doch bisher hatte nur eines länger als 2 Jahre gelebt. Die Söhne, die seine Frau ihm geschenkt

hatte, waren schon als Kleinkinder gestorben. Nur das zweite Kind, Wilhelmine von Preußen, war dem Herrscher durch Gottes Gnaden geschenkt worden. Ein hübsches Mädchen, doch für die Thronfolge nicht vorgesehen. Sie müsste nun um die 2 oder 3 Jahre alt sein.

Dieses Mal steckte der König hohe Erwartungen an seine Frau. Er erwartete endlich einen starken Sohn, der ihm auf dem preußischen Thron folgen sollte. Sollte es ein Junge sein, der stark genug war, würde dieser der Kronprinz werden, sollte es ein Mädchen sein... tja eine weitere Familie die man an Preußen binden könnte. Friedrich- Wilhelm war ein Mann seiner Zeit. Er glaubte, dass Frauen keine Länder regieren könnten. Doch hatte nicht eben dies vor über 100 Jahren England mit seiner Elisabeth nicht bewiesen? Nach ihr war ja auch ein Zeitalter benannt worden. Nun, Friedrich – Wilhelm war nun mal sehr traditionsbewusst.

Und doch... ich selbst war auch neugierig. Und gerade deswegen trieb ich meinen Hengst zur Eile. Der Weg zum Berliner Stadtschloss in der Mitte der Stadt war nicht mehr weit als ich die Tore der Stadt erreichte und ich ließ das arme Pferd langsamer laufen. Berlin war zu dieser Zeit ein eher kleines Städtchen. Nichts im Vergleich zu Königsberg im östlichen Preußen. Die wenigen Leute auf den Straßen schienen auch sehr angespannt zu sein. So eine Neuigkeit sprich sich herum. In der Ferne konnte ich das Schloss schon erkennen. Ich klopfte meinem Pferd auf den Hals und lobte ihn für sein schnelles Tempo. Vor dem Eingangsportal erwarteten mich schon einige Diener. Sie nahmen die Zügel meines Pferdes.

Ich sprang vom Sattel des Tieres und ein Bediensteter nahm sich dessen an.

„Geb dem Pferd eine Schaufel extra Hafer.“ Sagte ich ihm noch zu als ich meinen Reisemantel abnahm und ihm einen weiteren Diener gab.

Der Haushofmeister kam mir entgegen, verneigte sich leicht und sah dann in meine rubinroten Augen. „My Lord, ihre Hoheit erwartet Sie in seinem Studierzimmer.“, begrüßte er mich und führte mich nach oben.

Studierzimmer war ein schmeichelhafter Begriff für das was der König sein Regierungszimmer nannte. Von weit her hörte ich Mägde aufgeregt mit Handtüchern hin und herlaufen. Als ich ihren Weg kreuzte, verneigten sie sich kurz und liefen schnell weiter.

„Ist das Kind noch nicht da?“ fragte ich den Haushofmeister, der mich eiligen Schrittes zu seinem und meinem Herren brachte. „Nein“, antwortete er geflissentlich. „Ihre Majestät, die Frau Königin liegt schon seit heute Morgen darnieder.“ Ich sah nach draußen. Es wurde

schon dunkel. Nun zu dieser Jahreszeit wurde es schon früh dunkel aber schon so lange in den Wehen zu liegen nahm ich jetzt einfach mal als gutes Zeichen. Große Ahnung vom Kinder kriegen habe ich nicht. Der Haushofmeister öffnete die letzte Tür und ließ mich eintreten. Er ließ ihm noch verkünden, das ich eingetroffen war und schloss die Tür hinter mir.

Dort stand er: der mächtigste Mann dieses Königreichs. König Friedrich Wilhelm in Preußen. Wenn ich bedenke wie er als Kind aussah und in mit dem Bild verglich das ich jetzt sah, musste ich sagen, das er ordentlich an Gewicht zugenommen hatte. Vor allem um den Bauch.

Für wahr, der König war kein Verkoster guter Speisen. Auch dem Bier war er nicht abgeneigt. Deftige Speisen wie Schwein, Wild oder Rind waren seine Welt. Und das Rauchen. Gott sei Dank war nicht der Verfall der Sterblichen mein eigenes Schicksal.

Er nickte mir kurz zu, als ich vor ihm auf die Knie ging und kurz. „Eure Majestät...“, murmelte. Er bedeutete mir, aufzustehen. Ich tat ebendies und sah dem beleibten Mann an.

„Gut, dass Ihr so schnell kommen konntet.“ Begrüßte er mich. Schnell war eher eine Floskel. Bevor mich der Brief erreicht hatte, hatte er ja auch den gleichen Weg zurücklegen müssen, wie ich ihn jetzt. Und ich war kurz nachdem ich ihn erhalten hatte, los geritten. Das war gegen Mittag gewesen.

„Nach eurem Brief blieb mir ja nichts anderes übrig als der Geburt eures Kindes beizuwohnen.“ Entgegnete ich und lächelte. Da klopfte es an der Tür und der König ließ den wartenden eintreten. Kam ich gerade zur rechten Zeit an? Mein Herz schlug für einen kurzen Moment höher.

Nein. Es war nur ein Soldat, der dem Herrscher eine neue Art von Gewehr zeigen wollte. Eine ziemlich lange Flinte. Der Soldat erklärte, dass es eine neue Art des Vorderladers war. Eine präzisere Waffe zur Wahrung des herrschenden Friedens.

Praktisch, wie ich und auch der König fanden. Friedrich Wilhelm war der

Soldatenkönig, aber auch ein König des Friedens. Er ließ ein Fenster öffnen und feuerte den ersten Schuss. Es knallte laut, doch schien er nichts getroffen zu haben. Der gab das Gewehr wieder dem Soldaten mit dem Ergebnis, dass er sehr zufrieden damit schien. Der Soldat verließ wieder den Raum und ließ mich mit dem König und einigen Bediensteten zurück im Raum.

Lange herrschte betretendes Schweigen. Bis ich mich räusperte. „Wisst ihr schon wie ihr euer Kind nennen wollt?“ fragte ich und

Friedrich Wilhelm sah mich an. Seine zum Gesicht verglichenen kleinen Augen taxierten mich ernst.

„Friedrich natürlich, sollte es ein Knabe sein.“ Erwiderte er. Und wenn es

ein Mädchen wird? Fragte ich mich insgeheim.

Doch da klopfte es erneut an der Tür. Wieder rief Friedrich Wilhelm sie mögen eintreten und kurz darauf kamen eine Magd und der Haushofmeister herein. Der verneigte sich kurz. In den Armen der Magd lag ein kleines, weißes Stoffbündel. Es bewegte sich sacht darin. Ich musste unwillkürlich schlucken. Ein winziges Baby, mit leicht verschrumpelten Gesicht, lugte unter den Stoffen hervor.

„Eure Majestät: der Kronprinz.“ Rief der Haushofmeister aus. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Es war ein Junge! Er musste nur gesund und stark sein. Schnell sandte ich ein Stoßgebet gen Himmel.

Friedrich Wilhelm ging zu der Magd die das Baby in den Armen hielt und besah sich seinen neugeborenen Sohn. Er streichelte kurz die Wange des kleinen und lächelte ein kurzes, für meinen Geschmack etwas liebloses Lächeln. Und doch war dies für seine Verhältnisse ein Ausbund an Freude.

„Schön. Er wird Friedrich heißen. Damit er nach dem Vater kommt.“ Sagte er zur Magd und dem Haushofmeister. Der Knabe schrie leise auf, verstummte aber gleich wieder.

Langsam näherte ich mich dem Kind und besah es mir. Es sah kräftig aus. Etwas zart vielleicht, aber stark genug um diesen Winter zu überstehen. Es hatte die Augen geschlossen und klammerte sich still in den Stoff in den des gewickelt war. Ich lächelte. Herzlicher als der König. Obwohl ich schon viele Kinder gesehen hatte, die Könige oder Adlige waren und später auf dem Schlachtfeld oder im Bette gestorben waren. Eine Geburt war immer etwas großartiges.

„Bringe er ihn wieder wenn er exerzieren kann.“ Sagte er zu seinem Bediensteten. Ich schluckte. Mein Hochgefühl sank so schnell,wie es eben aufgeflammt war. Nun, mit Säuglingen konnte er eben nichts anfangen. Marschieren können sie eben nicht, solange sind sie, für einen Mann wie ihn, wertlos. Keine Spur von einem liebevollem Vater...

Die Magd machte einen Knicks und wollte gerade hinaus gehen als der König sie zurückrief. Er nahm eine sternförmige Brosche von seinem Tisch, die Friedrich von nun an als Kronprinzen identifizieren sollte und legte es auf die Stofflagen.

„Damit er gleich weiß wofür er bestimmt ist.“ Da ging die junge Frau wieder.

Kaum waren der Säugling und die Magd gegangen, da fragte der frischgebackene Vater auch schon wo sie stehen geblieben seien. Eine kurze Regung von Stolz hatte ihn

durchfahren, seine Dynastie war gesichert. Mehr interessierte ihn zurzeit nicht.

Bei den Gewehren, da waren sie unterbrochen worden.

Ich seufze leise. Für mich war nun alles getan. Ich hatte den Erben des Preußischen Throns gesehen und würde dies nun den anderen Repräsentanten kundtun müssen.

„Euer Majestät...“ ich verneigte mich ein letztes Mal vorm König und ging dann wieder hinaus. Es war schwer unter solchen Monarchen zu leben. Ich hoffte nur inständig, dass dieser Knabe nicht so wie der Vater werden würde. Ich verließ das Schloss und ritt mit einem frischen Pferd wieder los in die Nacht.

Dort bleiben wollte ich nicht, nicht bei diesem König.

Dieser Junge... wenn ich damals gewusst hätte wie sehr sein Schicksal sich mit dem meinen verstricken würde...

Meine Gedanken schwirrten noch eine geraume Zeit um dieses kleine Wesen in den Tüchern. Friedrich II. in Preußen würde er heißen, solle er das Mannesalter erreichen.

Im leichten Trab verließ ich das Schloss und ritt zurück, dort hin, von wo mich der König abbeordert hatte. Zu meinem kleinen Bruder, der nun allein in dem großen Haus Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation auf mich wartete. Ein letzter seufzer und ich verließ Berlin in der Hoffnung, den kleinen Friedrich eines Tages auf dem preußischen Thron wiederzusehen.

~Junge Jahre mit Friedrich~

~Junge Jahre mit Friedrich~
 

Es war das Jahr 1718…
 

Sechs Jahre zogen ins Land. Das kleine, zarte Baby, das ich damals in Berlin kennen gelernt hatte wuchs zu einem zarten Knaben heran. Für seine edle Abstammung hatte er sehr feine Gesichtszüge. Und das merkwürdige war, dass ich seit der Geburt des Thronfolgers immer häufiger beim König zu gegen war. Es fiel mir selbst gar nicht erst auf, doch mit der Zeit bemerkte ich es dann doch und auch mein kleiner Bruder erwähnte es eines Tages, dass ich ihn häufiger als sonst allein ließ. Allein, bei Roderich, dessen Herrscher auch der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war. Als ich es dann doch bemerkte lief es mir irgendwie kalt den Rücken runter. Meinen kleinen Bruder bei diesem aufgeblasenen Gockel zu lassen und mich selbst nicht um ihn zu kümmern. Er erwähnte es jedoch nicht abfällig. Eher so, als wäre es ihm selbst gerade erst aufgefallen. Ich fühlte mich schon schuldig und nahm mir vor, ihn nun mehr auf meine Reisen mitzunehmen. Es wäre nur das beste für meinen Bruder. So lernte er wenigstens auch die anderen Repräsentanten der kleinen Fürstentümer kennen und verbrachte nicht sein ganzes Leben in der Wiener Hofburg.
 

Aber manchmal war es eben nicht möglich, ihn mitzunehmen. Genauso wie heute.

Ich saß einer des Königs berühmten Tabakskollegium bei, bei der er und seine

Berater sich lautstark mit Tabak und Bier an einer langen Tafel die Zeit vertrieben und über alle möglichen Politischen Dinge berieten. Manchmal zumindest. Ich selbst schwor schon seit Jahren auf das goldene Getränk, doch den Tabak ließ ich aus. Es stank zu stark in meiner Nase und der Qualm biss widerlich in den Augen. Aber ich trank längst nicht so viel wie der König. Dieser hatte seinen Krug schon zum zweiten Mal geleert, wobei ich erst mit meinem ersten fertig war. Plötzlich kamen wir auf seinen Sohn Friedrich zu sprechen, der zu dieser Zeit bei seiner Mutter und seiner älteren Schwester Wilhelmine in Berlin lebte.
 

„Dieser Junge wird noch ganz weich!“ donnerte der König. „So lange er bei seiner Mutter und dieser französischen Gouvernante weilt, wird nie was

Gescheites aus dem Knaben werden.“ Die anderen Minister und Herzöge stimmten dem zu. Bald müsste die königliche Erziehung beginnen, damit Friedrich

eines Tages den Thron seines Vaters erben konnte. Es war das eine, seinen Thronfolger zu benennen und das andere, einen selbigen zu erziehen. Doch wie sollte diese Erziehung aussehen? Ich sah zu Friedrich Wilhelm, der gedankenvoll an seiner langen Pfeife paffte, die ich vom Holländer schon oft gesehen hatte, und kleine Rauchschwaden aus seinem Mund stoben, bis sie sich in der Luft langsam verflüchtigten.
 

Seit zwei Jahren schon wurde Friedrich von einem Soldaten ausgebildet, den der

König im Nordischen Krieg bei Stralsund als sehr fähigen Gefreiten kennengelernt hatte. Er brachte dem Jungen Französisch bei, was Friedrich sehr gefiel, ebenso wie die Kultur und Lebensweise dieses Volkes. Dieser Mann hieß Jacques Égide Duhan de Jandun. Ein fähiger Mann, wie ich fand, da er eine gute Beziehung zu seinem Schüler hegte. Auch billigte der König diese Beziehung, da sie ihm angemessen erschien- bisher.
 

„Ich werde selbst einen Tagesablauf für meinen Sohn erstellen.“ Entschied

er und ließ sich einen Schreiber kommen. Dieser schrieb auf, was der König ihm

diktierte. Es begann damit, dass der Kronprinz jeden Tag außer sonntags um

sechs Uhr aufstehen solle. An den Sonntagen durfte er eine Stunde länger

schlafen. Dann, sobald er seine Schuhe anhabe, solle er ein kurzes, aber lautes

Gebet gen Himmel schicken. Na ja. Das war zumindest etwas, was man sich von

jedem Kronprinzen wünschen würde. Frömmigkeit gegenüber dem Volke zu zeigen, galt stets als beliebt. Doch dann ging es los. Ein Frühstück in sieben Minuten Zeit! Bitte? Anziehen, den Zopf schwänzen und pudern. Und das alles innerhalb einer viertel Stunde. Sein gesamter Tagesablauf war so streng organisiert. Marschieren, exerzieren und Übungen im Schießen um nur einige zu nennen. Ich wand mich davon ab. Ich wusste, dass der König die preußischen Tugenden wie Pünktlichkeit, Sauberkeit und Disziplin über alles liebte- einige würden sagen mehr noch als seine eigene Frau. Aber das! Das war ja zum fürchten! Wir sprachen ja von einem Knaben von sechs Jahren. Aber diese Zeiten waren andere als viele Jahrhunderte später.
 

Der Tagesablauf endete für den Kronprinzen um 17 Uhr. Nach dieser Zeit hatte er

Freizeit in der er tun könne was er wollte „Es sei denn es ist gegen Gott.“ Betonte der strenge Vater mit Nachdruck.

Mit diesem Plan würde sich einiges ändern. Und damit sollte ich Recht

behalten.
 

Zu aller erst wurde Friedrich vom Hof seiner Mutter und seiner Schwester und

deren Einfluss entzogen. Die Familie zog in ein Herrenhaus nahe Berlin, das sich

nur vom Namen her als Schloss betitelte. Es war Schloss Königs Wusterhausen.

Genau richtig für den so sparsamen König in Preußen. Kein Protz und Prunk ziert dieses Gebäude. Dies wollte er als Sommersitz nutzen und residierte nur murrend während der Winterzeit in den Stadtsresidenzen Berlins.

Hier sollte der Leidensweg des jungen Kronprinzen beginnen. Das Schloss wurde

nach den Bedürfnissen des Königs eingerichtet. Spartanisch war eine

schmeichelnde Umschreibung. Die Möbel des Kronprinzen waren auf das nötigste

beschränkt. Ein Bett, ein Schrank, eine Schüssel mit einer Kanne voll Wasser

zum Waschen und seine Kleidung. Friedrich hasste diesen Ort. Es hatte nichts von

dem Prunk der Schlösser in der Hauptstadt Berlin. Um ehrlich zu sein: dieses

Herrenhaus wie ich es nannte- und was es letzten Endes ja auch war- war der

letzte Witz. Doch was der Wunsch des Königs war, wurde auch ausgeführt.
 

Es zogen weitere Jahre ins Land. Friedrich wurde 1728 16 Jahre alt und war alt

genug um, in den Augen des Vaters eine Karriere als Soldat zu beginnen. Ich

selbst hatte mir ein kleines Zimmer im Dachgeschoss des Schlosses eingerichtet

in dem der König jeweils regierte. Ich war schon wach, es war schon heller

Morgen. Ich schrieb die letzten Zeilen in mein Tagebuch hinein als ich von unten

plötzlich die Trommeln der „Langen Kerls“ hörte, wie sie anfingen im

Marschtakt durch das Schloss zu marschieren. Dies wurde fast täglich durchgeführt. Und doch, daran gewöhnen konnte ich mich nicht. Rasch zog ich mich an, ließ Gilbird auf meine Schulter flattern und gemeinsam gingen wir den Trommelklängen nach. Ihre Majestät, die Königin war schon erschienen, genauso ihre Tochter Wilhelmine. Ich verneigte mich vor ihnen zum Gruß, sie grüßten auch mir und wir sahen der Prozedur zu, die sich langsam zu den Zimmern des jungen Prinzen bewegte. Die Königin, Sophie Dorothea von Hannover, sah missgestimmt aus.

Es war schon ein ordentliches Spektakel der sich in dem so kleinen Flur

abspielte. Vom Lärmpegel ganz zu schweigen. Vor der Tür des jungen schlugen

die Soldaten einen letzten Takt und verstummten dann. Hinter ihnen kam auch

schon der Vater.

//Er wird von Jahr zu Jahr korpulenter…ein Wunder das ihn ein Pferd noch

tragen kann..// dachte ich mir im Stillen. Ich verbeugte mich vor dem Herrscher trotzdem, was dieser aber nicht bemerkte.

„Diese Trommeln bereiten mir Kopfschmerzen!“ erzürnte die Königin sich. Sie war die einzige, die irgendwie ihrem Gatten Paroli bieten konnte. Im Gegensatz zu ihrem Mann, war Spohie Dorothea sehr gebildet und wusste, wie sie ihren Mann mit Worten entwaffnen konnte. Doch der König wollte nichts davon hören. Das war meist seine übliche Art, solche Dinge abzutun. Es interessierte ihm nur ob sein Sohn noch immer im Bett lag oder nicht. Er trommelte heftig gegen die Holztür, das ich dachte, sie würde gleich unter seiner Hand zerbersten. Doch von drinnen kam keine Antwort.

„In Zukunft werde ich Kanonen unter seinem Fenster abfeuern lassen!“ schrie

er und sah wutentbrannt seine Frau an. Die schenkte ihm nur einen kühlen Blick.

„Was werft ihr ihm vor? Das er anders ist als ihr?“ fragte sie ihn. „Er

gerät ganz nach euch.“ Sagte er nur. Es stimmte. Friedrichs Mutter war eine

künstlerische Frau. Das genaue Gegenteil zu ihrem Ehemann. Vielleicht stritten

sie sich deshalb so viel. Sie beide verlangen völlig unterschiedliche Dinge von

ihrem Sohn. Zucht und Ordnung auf der einen Seite, künstlerische Entfaltung auf

der anderen. Wenn das so weiter ginge, würde der Kronprinz irgendwann einmal

daran zerbrechen.
 

„Ich bin stolz auf ihn.“ Entgegnete Sofie Dorothea nach einer kleinen Weile des Schweigens. „Er ist nicht als Mädchen zur Welt gekommen. Ich werde dafür

sorgen, dass er ein Mann wird.“ Wieder trommelte der erzürnte Vater gegen die

Tür. Doch noch immer war nichts aus dem Zimmer des Prinzen zu hören.

Schweigend sah ich dem ganzen zu.

„Majestät?“ meldete ich mich nun endlich zu Wort. Der König, sowie seine

Frau, seine Tochter und die Gardisten sahen zu mir hinauf, wie ich auf halber

Treppe stand.

„Wenn ihr erlaubt, dann werde ich zu dem jungen Prinzen gehen und mich bei ihm

erkundigen weshalb er euch nicht antwortet.“ Friedrich Wilhelm nickte nur und

schickte seine Frau und die Soldaten fort. Ich ging den letzten Rest der Treppe hinab. Der Vater des Kronprinzen sah mich an und erwartete, dass ich nun ebenso entschlossen gegen die Tür hämmern würde. Ich sah zu ihm und bat ihn höflich, sich zurückzuziehen.

„Ich werde die königliche Hoheit bitten, sich so schnell wie möglich bei euch zu melden.“ versicherte ihn ihm. Damit wollte Friedrich Wilhelm zwar nicht zufrieden geben, ging dann aber trotzdem schnaubend von dannen. Nun blieb ich allein im Flur stehen. Ich klopfte vorsichtig an die Tür und räusperte mich.

„Eure Hoheit? Dürfte ich eintreten?“ lange sah ich die Tür an. Kein Mucks

war von drinnen zu hören, nur das rascheln von Bettzeug. Erst dachte ich,

selbst der Kronprinz würde die Tür für mich verschlossen halten, doch dann

klickte der Schlüssel im Schloss und die Tür öffnete sich einen Spalt breit.

Die blau- grauen Augen des Prinzen sahen zu mir herauf. Er sah sich kurz um,

wohl um sicher zu gehen, dass sein Vater nicht in der Nähe war. Als er sich

sicher fühlte, ließ er mich ein.
 

Es sah wirklich so aus als sei er eben erst dem Bett entstiegen. Sein Haar war

vom schlafen ganz zerwühlt, ebenso wie das Bett. Ich lächelte ihn leicht an.

„Ihr habt das Theater gehört, was euer Vater vor der Tür veranstaltet

hat.“ Stellte ich fest. Der Prinz setzte sich seufzend an den Rand des Bettes.

„Natürlich habe ich das. Es wäre kein Wunder, wenn die Leute das in Berlin

auch gehört hätten.“ Erwiderte er. Es war nicht zu verdenken, was er nun dachte. „Ihr habt euren Vater sehr verärgert.“ bemerkte ich vorsichtig. Er seufzte leise auf. „Ja, er wird sich dafür bestimmt heute noch an mir rächen. Mit extra Marschierübungen.“ murmelte er niedergeschlagen.

Ich half ihm beim anziehen. Kaum jemanden, außer mich und seinen besten Freund

ließ er so nach an sich noch heran. Vielleicht noch seine Schwester Wilhelmine,

aber mehr nicht.

„Was hat mein werter Vater heute für mich veranlasst?“ fragte er in einem

zynischen Ton. „Exerzierübungen.“ Antwortete ich nur knapp. Sein Vater sah

ihm immer dabei zu wie Friedrich allein mit seinem Lehrer über den Hof

marschierte und immer wieder einzelne Befehle bekam. Kopf gerade, Halt, rechts

und so weiter. Alles was sein Vater zu dem äußerte war nur Spott und kein Ton

des Lobs.

„Heute Nachmittag dann Reit- und Schießübungen.“ Erzählte ich weiter.

Friedrich erschauerte. Nichts fürchtete der Kronprinz mehr als das Schießen.

Es war ihm ein Graus. Und das Reiten… nun, um es gelinde zu formulieren:

Friedrich war nicht der beste Reiter seiner Zeit.

„Eure Hoheit… wenn es euch beliebt. Eure Schwester erwartet euch heute

Nachmittag nach euren täglichen Pflichten im Garten. Sie ließ es mich für

euch ausrichten. Mehr wollte sie mir nicht verraten. Es sei eine

Überraschung.“ Der Junge sah zu mir fragend auf. Ich zuckte mit den

Schultern. Gewiss war es keine schlechten Überraschung. Wilhelmine kannte die

Neigungen ihres jüngeren Bruders zu gut und liebte ihn sehr.

„Nun. Dann will ich meines Vaters Gefallen tun.“ murmelte er und stand auf.

Ich folgte ihm nach draußen.

Welche Art der Überraschung es war, wurde ich am Nachmittag gewahr.
 

Geschunden mühte sich Friedrich aus seiner Soldatenkleidung aus. Er zog, seines

Standes gemäß den preußisch blauen Mantel an. Ich begleitete ihn in den

Garten, wo seine Schwester ihn erwartete. Doch war sie nicht allein. Es war ein

Mann bei ihr. Er schien nicht von hier zu sein. Als seine Schwester und sah,

rief sie uns näher heran.

„Friedrich, darf ich dir Johann Joachim Quantz vorstellen?“ Der Name sagte mir nichts. Er schien nicht dem preußischen Adel anzugehören. Der genannte

verbeugte sich vor Friedrich. „Eure Hoheit, eure werte Schwester hat mich an

den Hof beordert, da sie mir sagte, das ihr euch für die Flötenkunst

interessiert.“ Friedrich nickte kurz, musterte den Mann immer noch. Wenn Friedrich mal Freizeit hatte, dann wandte er sich den musischen Künsten zu und spielte gern die Querflöte. Meist jedoch, wenn sein Vater nicht in der Nähe war, da der König diese Kunst mehr als missachtete. Als der Kronprinz noch ein Knabe gewesen war, hatte Friedrich Wilhelm ihn dabei erwischt und seine erste Querflöte zerbrochen indem er sie mithilfe seines Knies entzwei gebrochen hatte. „Von heute an werde ich euch diese Kunst beibringen und intensivieren.“ Eröffnete er ihm. Die Miene des Jungen erhellte sich. Er sah zu seiner Schwester, dann wieder zu ihm.

„Doch das bleibt unser Geheimnis.“ Lächelte sie und zwinkerte fröhlich. Kaum hatte sie dies gesagt, da fiel ihr Friedrich schon um den Hals. „Danke liebste Schwester. Tausend Dank!“ rief er aus und seit langem sah ich Friedrich wieder lächeln.

~Die Konfrontation~

~Die Konfrontation~
 

Seitdem Friedrich heimlich Flötenunterricht bekam, hatte sich seine Miene etwas gebessert. Meist übte er, wenn er endlich Freizeit und sein Vater auf der Jagd war. Die Töne würden das cholerische Temperament des Königs nur noch mehr steigern. Wenn ich Zeit hatte, hörte ich ihm zu. Friedrich hatte ein großes Talent und war sehr gelehrig. Am liebsten hatte er die Querflöte, der er die

schönsten Töne entlocken konnte. Es heißt, der Herrscher formt den Repräsentanten des Landes, doch ich hatte das Gefühl, dass ich nicht durch Friedrich Wilhelm geformt worden war. Viel mehr spürte ich, wie ich vom zukünftigen König geformt wurde. Gebildet, wie Friedrich war, aufgeklärt von vielen politischen Vorbildern. Der Thronfolger stellte sich schon sehr früh vor, wie er das Land seines Vaters regieren, wenn er denn einmal König sein würde. Jedoch...

Sein Vater wollte ihn nach seinem Ebenbild formen. Ein König sollte er werden

der auf Luxus und Bildung verzichtete und nur allein dem Staat diente. Bescheiden und auf Traditionen beruhend. Das lesen in Büchern hatte er ihm sogar verboten. Und doch tat der junge Friedrich ebendies. Sein Vater schlug, demütigte, quälte und erniedrigte ihn. Selbst vor dem Hof oder ausländischen Gesandten tat er dies. Einmal schrie er ihn sogar an, dass, wenn er sein Vater gewesen wäre, hätte er sich schon längst erschossen. In diesem Moment blieb der Junge still auf seinem Stuhl sitzen, starrte den Boden an und seine feinen Gesichtszüge zeigten, wie sehr er doch seinen Vater hasste. Er sagte kein Wort des Widerspruchs, dafür war der Stolz dieses jungen Mannes viel zu groß.

Lieber wollte Friedrich um das Brot betteln als einfach klein bei zu geben.
 

Er verriet mir, dass er von einer Karriere als Musiker, Dichter und Philosoph

träumte, kein Herrscher wollte er sein. Ein Freidenker. Er war ein Freund der Aufklärung und der französischen Kultur. Ich lächelte nur bei dieser Aussage. Wie gerne ich seinen Traum doch verwirklicht sehen wollte. Ein frei denkender König, der nicht den Idealen seines Vater nachstrebte und vieles ins Gegenteil ummünzte als sein Vorgänger es je getan hätte. Das passte nicht so recht in die damalige Gesellschaft. Das Protokoll verlangte nun einmal was anderes. Aber er wolle

alles anders machen, sobald er auf dem Thron säße. Das wollte ich ihm glauben.
 

Als ich eines Tages wieder seinen Klängen in seinem Zimmer zuhörte, vernahm ich schwere Schritte vom Flur her. Sofort hörte er auf zu spielen und

versteckte die Querflöte unter den Lagen seines Bettes. Ich sah zur Tür, wo

sich nur langsam ein Schatten an der Wand abzeichnete. Friedrich nahm eine

Unschuldsmiene auf und sah demütig zu Boden. Die Tür öffnete sich und die schweren Schuhe betraten die Kammer. Die Hände hatte Friedrich schützend hinterm Rücken versteckt. Als er jedoch den Blick hob und seine Schwester erkannte, wie sie stampfend mit ihren Schuhen den Raum betrat, da hob sich wieder seine Miene.

„Zeit zu exerzieren mein Prinz.“ Sagte sie in einer so ernsten Stimmlage,

doch wir drei fingen an, schallend zu lachen.

„Ach, Schwester. Wenn der König mit seinen dummen Soldaten nicht wäre.“ Ich bot ihr meinen Platz an und Wilhelmine setzte sich.

Aber sie tröstete ihn. Sie wollte ihn spielen hören und so holte Friedrich seine Flöte wieder hervor und begann die gleiche Melodie zu spielen, die ich schon vorher gehört hatte. Wilhelmine schloss indessen die Tür.

Nach einer Weile hörte er wieder auf und Wilhelmine meinte, das die Melodie

sehr schön wäre. „Preußen hat genug Krieger auf dem Thron gesehen. Es wird

Zeit für einen großen Künstler.“ Friedrich sah traurig aus. „Ich brauche

neue Noten. Nicht dieses altmodische aus der Provinz. In Paris spielt man

längst ganz anders.“ Meinte er nur. Sie umarmten sich liebevoll. Ich seufzte

leise.

„Vielleicht könnte ich nach Paris reisen und dort neue Melodien und Stücke

für euch organisieren.“ Sagte ich und sah den Kronprinzen an. Ein kleiner

Auftrag des Königs verschlug mich sowieso in diese Stadt. Und wenn ich schon

einmal dort war, könnte ich auch dem Kronprinzen diesen Gefallen tun. Friedrich

lächelte mich glücklich an und dankte mir – ich glaube es waren tausend Mal- für

diesen Gefallen.
 

Am nächsten Tag saßen die Königsfamilie, einige seiner Berater und ich zu

Mittag. Es gab des Königs liebste Speise- Rindsfüße mit Rindsmaul. Der König

genoss es sichtlich. Mir selbst schmeckte es auch, immerhin war die Köchin der

Familie eine hervorragende Frau. Doch angefangen bei seiner Frau, die pikiert

auf ihren Teller sah und alles fein säuberlich mit Messer und Gabel aß- nicht

so wie ihr Ehemann, der das Fleisch mit den Händen aß und seine Finger auch

dementsprechend von Fett triefend aussahen. Und sein Gesundheitszustand würde sich von so einem schweren Essen kaum bessern, geschweige sein Gewicht. Doch... Es würde sich

steigern.

Er litt schon an der Gicht. Und etwas dagegen unternehmen wollte er

nicht. Er schaufelte sich ein frühes Grab.

Auch der Kronprinz war nicht sehr angetan vom essen. Ich sah wie er seiner

Lieblingsschwester vielsagende Blicke zu. Einmal tat er so als steckte er sich

den Finger in den Hals und erbrach das essen. Das musste sein Vater gesehen

haben, denn sogleich mokierte er sich wieder seinem Sohn gegenüber.

„Was hat er auszusetzen an der Speise die uns der Herr Gott gibt?“

„Sie ist so köstlich, das ich kaum wage sie mit meinen Zähnen zu entehren.“ erwiderte er an seinen Vater gewandt. An seine Schwester fügte er noch murmelnd hinzu:

„Papas Gott ist zumindest kein Gourmet.“ Das musste man ihm lassen. Wortgewandt war er immer gewesen. Im Gegensatz zum Geschmack des Monarchen, hatte er allerdings ein gutes Gehör.

„Er wagt es dem Allmächtigen zu lästern?“ wieder stieg Wut in Friedrich Wilhelm hoch. Er erhob sich dank seines Gehstocks und schritt auf den Jungen

zu.

„Ich bitte meinen lieben Papa um Vergebung, wenn ich ihn verletzt haben

soll.“ Auch Friedrich stand auf und lief in die entgegen gesetzte Richtung um ihm zu entkommen. Rasend vor Wut setzte der Vater dem Sohn nach.

„Wie er aussieht! Er weiß wohl dass ich keine weibischen Kerle leiden kann der seine Haare wie ein Narr frisiert und sie nicht schneidet, was ich tausend Mal angeordnet habe. Ohne Besserung!“ schrie sein Vater in seiner Rage.

Seine Frau blieb still sitzen und forderte ihn auf sich zu mäßigen. Ich selbst

achtete auf die zwei. Doch sie schienen sich immer in die entgegen gesetzte

Richtung zu bewegen. Wie in deinem Tanz. Doch dann hielt ein Bediensteter

Friedrich auf und hielt ihn fest. Der König schritt auf seinen aufmüpfigen Sohn zu. Die beiden schrien sich an, einmal fiel sogar ein schlechtes Wort aus des Königs Mund über seine Frau. Das alles schaukelte sich so hoch bis der König die Hand gegen seinen Sohn erhob und Friedrich zu

Boden ging. Sogleich stand dieser wieder auf und sah hasserfüllt seinen Vater an.

„Ein Mensch ist kein Uhrwerk, selbst als Prinz.“ Rief Sophie Dorothea. Aber

ihr Sohn richtete sich die Kleidung und sah geringschätzig zu seinem Vater.

Damit war die Mittagstafel anscheinend aufgehoben und ich folgte dem Prinzen in

seine Gemächer.

Schweigend versorgte ich die Ohrfeige, die sich an der Wange schon rot färbte.

Armer Friedrich…

Seine Mutter förderte zwar sein Talent und wollte aus ihrem Sohn einen

besonderen König machen, aber liebe schenkte sie ihm genauso wenig wie sein

Vater. Es lag wohl auch daran, dass seine Mutter sich nie richtig wohl fühlte

in der Familie Hohenzollern in die sie eingeheiratet wurde. Sie hatte

Verbindungen zum englischen Adelshaus und fühlte ihre Ehe mit Friedrich Wilhelm

immer als Herabsetzung. Doch blieb ihr Mann ihr immer treu. Nie hatte der König

eine Mätresse, wie es bei anderen Adelshöfen Europas gewöhnlich war. Doch

statt sie mit „Madame“ bei höfischen Festen zu nennen, nannte er sie immer nur

sein „Fiekchen“. All diese Dinge führten dazu, dass sie sich nie wohlfühlte.
 

Tage später, ich war vom Frankreichauftrag zurück und mit einem Haufen von neuen Noten für des Prinzen liebsten Zeitvertreib, war der Kronprinz zu einer seines Vaters Tabakskollegium „eingeladen“ worden. Ich saß an des anderen Seite des langen Tisches und hatte auch einen Humpen Bier vor mir. Friedrich konnte diesen Augenblicken nichts abgewinnen. Um nicht zu sagen, dass ihm sein Vater ihn dazu zwang, gelegentlich Bier zu trinken und Tabak zu rauchen. Weder das Bier noch Tabak waren etwas, was der Prinz mochte.Viel lieber hatte er den

französischen Wein. Er hustete von dem Qualm und versuchte sich etwas saubere Luft zuzufächeln, was ihm überhaupt nicht gelang. Doch sonst musste Friedrich mit den Beratern des Königs mitrauchen, dieses Mal hatte er es ihm erlaubt, nicht zu tun.

„Ein rechter Kerl wird so freilich nicht aus ihm.“ Fügte Friedrich Wilhelm

noch hinzu. Selbst die anderen Berater baten immer wieder den nunmehr fast 18

jährigen dazu seinen Vater nicht noch mehr gegen ihn aufzubringen.

Hustend sah Friedrich zu seinem Vater. Durch den starken Tabakgeruch der in der

Luft lag verzog er das Gesicht, was seinen Vater wieder mokierte.

„Was zieht er für eine leichenbittere Miene?“ fragte er.

„Mir missfällt, dass dies hier der unfreiste, unerträglichste und traurigste

Ort auf der gesamten Welt ist.“ erwiderte er mit gezügelter, jedoch nicht

verborgener Wut im Bauch. Ich ahnte schon, dass gleich die Situation wieder

eskalieren würde, und stand auf, wollte den König abhalten wieder auf seinen

Sohn zuzugehen, doch…

„Er ist ein eigensinniger, böser Kopf! Der seinen Vater nicht liebt!“ die

Stimme des Vaters war schon um einiges lauter als vorher.

„Ich liebe nur den Tabak nicht und auch nicht das Bier!“ entgegnete er.

Natürlich wollte Friedrich auf der einen Seite seinem Vater gefallen, aber was

er auch tat, es war dem Vater nicht genug.

Doch darauf erwiderte er nichts mehr, nahm nur den Krug Bier. Und die anderen

der Gesellschaft, waren gezwungen es ihm gleichzutun. Auch der Kronprinz nahm

seinen Krug in die Hand, setzte aber nicht- wie wir anderen es taten an, sondern

hielt ihn nur in der Hand.

Das konnte ich durch meinen einen kleinen Augenspalt sehen, wie auch der König.

Dieses Mal stand Friedrich Wilhelm wirklich auf, schneller als ich, da ich noch

den Krug in der Hand hielt. Der zornige Vater nahm den Humpen seines Sohnes,öffnete den Deckel, sah hinein und kippte den Inhalt über Friedrichs Kopf aus.

„Wenn man seinen Vater liebt, so tut man, was er haben will! Was für eine

Memme. Die sich scheut, nicht reiten, noch schießen kann.“

Der Junge schäumte vor Wut, das konnte jeder sehen. Seine Nasenflügel bebten

und sein Atem ging schwer, da er sich zu beherrschen versuchte.

„Ich an seiner Stelle hätte mich längst erschossen! Aber er hat keine Ehre

im Leib!“ Da waren sie wieder. Diese kalten Worte.

Ohne ein weiteres Wort, noch seinen Vater anzusehen, verließ Friedrich den

Raum. Alle sahen ihm schweigend nach. Nur ich folge ihm. Nur selten hatte ich gesehen wie

die Fassade, die der Junge sich so sorgfältig aufgebaut hatte, um sich vor den

Triaden des Vaters zu schützen, einstürzen sehen. Er flüchtete auf sein Zimmer.

Wo aber schon jemand wartete.
 

Ein hochgewachsener junger Mann in feiner roter Uniform. Erst bemerkte der Kronprinz

dessen Gegenwart nicht und erschrak als er dessen Gesicht sah. Ich schloss die

Tür hinter mich und sah zu dem jungen Mann, der zwar etwas älter als der

Kronprinz, jedoch kein Fremder für ihn war,

Hans Hermann von Katte war es und sah uns beide an. Friedrich, dessen Haar vom

Bier noch tropfte und mich, der in dessen Begleitung ich gewesen war.

„Ich habe euch lange warten lassen, mein Freund.“ Sprach der Prinz mich

brüchiger Stimme, jedoch froh, ein freundliches Gesicht zu sehen.

~Der Plan zur Flucht~

~Der Plan zur Flucht~
 

Katte stand auf und ging zu seinem Freund und Kronprinzen. Friedrich stank nach Bier und kaltem Tabaksrauch. Er machte eine sehr niedergeschlagenen Eindruck.

„Ich wollte nicht, dass ihr mich so seht.“ Sagte er mit abbrechender Stimme und

sank vor seinem Bett auf die Knie. Das Gesicht in die Decke versunken und die

Hände zu Fäusten geballt. Katte stand nur da und fragte nur ruhig ob es sein Vater gewesen sei.

„Dieser Mann behandelt mich nicht wie seinen Sohn sondern wie den niedrigsten

aller Menschen!“ sagte er ins Kopfkissen. Katte wollte es auf die

Gichtanfälle schieben, aber Friedrich meinte nur, dass er zu stolz sei um noch

weitere Demütigungen ertragen zu können.

„Ich werde dem ein Ende machen. Auf die eine oder andere Weise.“ Friedrich

stand auf und begann seine Uniform auszuziehen, die so nach Bier roch. „Wie

ich diese ewige Uniform hasse! Wenn ich erst mal König bin werde ich sie nie

wieder tragen. Nie mehr!“ zischte er und versuchte, hastig und in Wut die Knöpfe zu öffnen, was ihm nicht sehr gut gelang. Doch Katte ging zu ihm und richtete sie wieder ordentlich her. „Dabei steht euch die Uniform. Sehr gut sogar.“

Meinte er und lächelte leicht. Friedrich, der seinen Freund erst noch wütend ansah, lächelte darauf hin und ließ Katte die Uniform zuknöpfen. Hans Hermann von Katte war ein sehr guter Freund des Kronprinzen. Er war ein guter Reiter, doch teilte er mit ihm die Vorliebe für Musik und Verse. Nur ihm- neben mir- war der Zutritt zu den Zimmern des Prinzen gestattet. Und niemand sonst durfte dann bei ihm sein.

Ich lächelte.

„Majestät, da ihr nun in der Gesellschaft des Herrn Katte seid, werde ich

mich zurückziehen.“ Sagte ich und verließ das Zimmer.
 

Auf einem Fenstersims neben Friedrichs Zimmer wartete Gilbird auf mich. Ich lächelte und streckte ihm einen Finger zu. Fröhlich piepsend hüpfte er darauf und setzte sich dann auf meine Schulter. Dort hatte er es immer gern, oder in meinem Hut, wenn es ziemlich windig war. Er piepste fröhlich und gemeinsam gingen wir in unser Zimmer. Ich hatte Lust, ein paar Zeilen in mein Tagebuch zu schreiben.
 

Später am Tag schlenderte ich mit Gilbird um den Hof von Königswusterhausen

herum. Der Kronprinz und Katte hatten Unterricht in Waffenkunde. Nichts was mich

groß interessierte. Als ich auf der Rückseite des Schlosses war, fiel mir ein offenes Fenster auf, durch das angeregte Stimmen drangen.

„Nur noch drei Lektionen, dann sind wir ihn los.“ Hörte ich jemanden sagen. Das war Hans Hermann gewesen.

Nun trat ich doch näher heran. Sie schienen allein im Raum zu sein, ansonsten hätte ich niemals diese Worte zu hören bekommen.

„Ich meine meinen Vater, Katte. Den Menschenfresser. Er trietzt und erstickt

mich. Immer nur nach seiner Fasson. Ich verliere meine Seele. Preußen auch...“ Meinem Prinzen schien es ernst zu sein, so schwermütig klangen seine Worte.

„Ein schweres Los, ja. Doch für wie lange noch?“

Erst herrschte langes Schweigen. Bis ich wieder Friedrich hörte. „Ich hau

ab.“ „Bist du verrückt?“ Kattes Stimme klang bestürzt.“ Du bist

wahnsinnig! Er wird dich als Deserteur brandmarken. Als Hochverräter. Er wird

seine ganze Armee auf dich hetzen!“

Hörte ich da richtig? Friedrich wollte weg? Aber das würde er nie schaffen.

Niemals würde er es schaffen sich den Klauen seines Vaters zu befreien. So, wie der König seinen Sohn bewachen ließ, wäre es beinahe unmöglich auch nur einen Fluchtversuch zu starten. Ich lauschte mit Mühe weiter. Es fiel mir schwer, nicht bei solchen Worten zu ihm zu gehen und Friedrich diese Gedanken auszureden. Nach England wollte er. Dort war er durch seine Mutter mit dem Englischen Adelshaus verwandt. Ob sie ihn aufnehmen wollten?

„Komm mit Katte. Bitte.“ „Auch wenn wir Freunde sind, niemals. Ich habe

nichts zu gewinnen und alles zu verlieren, das weißt du.“

Ich wand mich ab. Sowas zu hören grenzte schon an Verrat. Und es dem König

nicht zu sagen wäre Hochverrat. Aber sollte ich wirklich meinen Prinzen

verraten? Nein. Ich ging schnell weiter. Gilbird auf meiner Schulter sah mich

fragend an. „Nein. Ich werde es keinem Verraten.“ Sagte ich und ging wieder

hinein ins Schloss. Aber ich hoffte, dass Katte trotzdem zu meinem Prinzen

hielt.

Niemand in Preußen durfte zu dieser Zeit die Landesgrenzen überschreiten ohne

die Erlaubnis des Königs. Friedrich war gefangen. In einem Goldenen Käfig. Aus diesem er versuchte, auszubrechen.
 

Eine politische Reise stand bevor, auf der der König durch sein Reich fahren wollte und sein Sohn ihn begleiten musste. Seit ich sie belauscht hatte, was Friedrich ausheckte, hatte ich nicht mal den kleinsten Fehltritt seitens Friedrichs gesehen. Ganz so, als verhielte er sich nun nach der Demütigung sehr vorbildlich. Es sollte ins Preußische Ausland gehen, wie der König es nannte. Nach Mannheim. Mein kleiner Bruder, der nun langsam zu einem Jugendlichen heranwuchs, wollte ihn auch begleiten. Eine doppelte Herausforderung an mich. Meinen Bruder zu beschützen und die Aktivitäten meines Prinzen zu beobachten.
 

Am 4. August 1730...

Wir waren schon mehrere Tage unterwegs. Es war nur noch eine Tagesreise bis

Mannheim, als wir in Steinsfurt für diesen Tag Halt machten. Der König und

sein Gefolge nahmen sich eine Unterkunft und ich brachte meinen kleinen Bruder

zu Bett. Er schlief auch schnell ein- kein Wunder nach so einer langen Reise. Das war er nicht gewöhnt.

Ich deckte ihn zu und Gilbird hopste von meiner Schulter, hüpfte zu Ludwigs Kopf, plusterte sein Gefieder auf und schloss auch seine Augen. Ich lächelte sanft und verließ nochmal das Zimmer, das ich mit Lutz teilte. Ich wollte noch einmal nach meinem Prinzen sehen ob er noch meine Hilfe benötige. Aber dieser lehnte dankend ab und ich ging wieder in meine Kammer. Dort seufzte ich. Lutz hatte sich doch tatsächlich, trotz seiner schmalen Statur und der kurzen Zeit, die ich abwesend war über das gesamte Bett breit gemacht.

Mein kleiner Bruder~ der einzige, der noch aus meiner Familie lebte. Unser Vater

war vor hunderten Jahren verschollen, da war selbst ich noch klein gewesen. Ich

zog meinen Reisemantel und die Uniform aus und legte sie über einen Stuhl. Sanft schob ich Lutz etwas beiseite und legte mich zu ihm. Sofort drehte er sich um und kuschelte sich an mich.

„Schlaf gut, kleiner Bruder…“ murmelte ich noch bevor auch ich ins Land

der Träume entschwand.

~Küstrin~

~Küstrin~
 

Es war noch dunkle Nacht als ich erwachte. Von unten vernahm ich lautes Geschrei. Lutz neben mir schlief noch friedlich, aber der Lärm weckte meine Lebensgeister und meine Neugier. Schnell zog ich mich an und ging nach unten.

Dort stand Friedrich, umringt von preußischen Soldaten, die ihm die Schwerter vor die Nase hielten. Er hatte fremde Kleidung an, wahrscheinlich englische.

Einen Moment lang setzte mein Herzschlag aus. Hatte er in dieser Nacht versucht zu fliehen?

„Ich bin der Kronprinz von Preußen!“ blaffte er die Offiziere an. „Jetzt

ist er ein Deserteur.“ Meinte der eine nur und ließ den Prinzen abführen.

Ich sah ihnen zu. Was war geschehen? Schnell lief ich zum König. Es war so früh am Tag, dass ich ihn noch halb in seinen Schlafkleidern fand.

„Majestät! Sie haben euren Sohn gefangen genommen!“ rief ich aufgebracht.

Ruhig sah mich der dicke Mann an. „Ja, natürlich. Auf meinen Befehl hin.“

Antwortete er mir und hob einen Brief vom Tisch auf und überreichte ihn mir. Er war von Friedrich verfasst worden. Meine Augen flogen nur über die Zeilen. Ich konnte nicht glauben was da stand.

Friedrich wollte in den frühesten Morgenstunden, wenn noch alle schliefen mit einem Pferd allein davon reiten, sein Ziel war die französische Grenze.

„Den habe ich abfangen lassen. Er war an Hans Hermann von Katte adressiert.“

Ich war Kreidebleich geworden. „Wusstet ihr was davon?“ fragte er mich in einem Ton der verriet, dass er jeden, der Teil hatte an dieser Flucht, sofort selbst erschießen würde. „Nein, Majestät. Davon höre ich heute zum ersten Mal.“ Was ja nur die halbe Wahrheit war. Ich wusste zum Teil von der Flucht, aber wie diese Friedrich geplant hatte, konnte ich nicht wissen. Der König stand auf und sah mich ernst an.

„Ihr werdet selbst dafür sorgen, dass mein Sohn wieder zurück auf preußisches Gebiet gelangt!“ befahl Friedrich Wilhelm im barschen Ton und seine wässrigen Augen starrten mich an.

Mir blieb nichts anderes übrig, als zu nicken.

Noch am selben Tag ritt ich mit dem Kronprinz und zwei Wachen zurück nach Berlin. Das Gefolge seines Vaters würde nach der Reise nach Mannheim nachkommen. Ich führte einen Brief bei mir, der die Gefangennahme des Kronprinzen und Kattes beinhaltete. Friedrich sah wütend und enttäuscht aus. Seine Flucht war gescheitert bevor sie überhaupt begonnen hatte.

Es dauerte ein paar Tage bis wir wieder in der preußischen Hauptstadt ankamen. Doch es schien, dass das gemeine Volk schon über die vermeintliche Flucht ihres Prinzen informiert worden war. Ich hatte dem Prinzen empfohlen in einer Kutsche

weiter zu reisen, um ihm sie Schmach zu ersparen, mit dem ihm das Volk ansah. Die Soldaten des Königs nahmen meinen Brief entgegen und nahmen ihren Prinzen sofort mit. Er sollte bis zur Ankunft seines Vaters in seinem Zimmer bleiben,

ohne jeglichen Komfort. Nur eine Dienstmagd brachte ihm schweigend drei Mal am Tag etwas zu essen.
 

Als dann der König nach einer Woche ankam, befahl er, seinen Sohn sofort zu sehen. Auch ich sah ihn nach seinem Arrest das erste Mal wieder. Er sah blass aus, ungepflegt und mitgenommen von der Isolierung. Auch Wilhelmine, seine Tochter hatte der König unter Arrest gestellt, da er vermutete, dass auch sie etwas mit der Flucht zu tun hatte. Er befahl noch im selben Atemzug, in dem er Wilhelmine unter Arrest stellte, dem Prinzen seine sämtlichen Titel abzuerkennen und schickte ihn in die Festung Küstrin bis ein Urteilsspruch gefällt war. Dort würde alles Weitere beschlossen werden. Auch befahl er, dass seinem Sohn keine bevorteilte Behandlung noch jeglicher Komfort zuteilwerden sollte.
 

Tage später- die Verhandlung zur Tat tagte gerade- kam der König in die Festung Küstrin um seinen Sohn zu befragen. Ich selbst unterlag wieder dem Befehl des Königs und musste ihm überall hin folgen. Noch war Friedrich

gefasst und in seiner besten Kleidung, doch wies diese schon Flecken auf, da seine Sachen nur selten gewaschen wurden. Wir waren in einem Zimmer, das zu befragung umfunktioniert worden war. Ein Tisch, ein Stuhl und eine Öllampe standen dort, mehr nicht. Friedrich Wilhelm stand mit dem Rücken zu seinem Sohn und sein Ton war noch ruhig, doch lag darin schon eine gespannte Tonlage mit. Friedrich stand am Fenster, den Blick nach draußen gewandt. Ich konnte ahnen, was er dachte.

„Warum hat er desertieren wollen?“ fragte er.

„Ich hatte einen Ausritt vor.“ Antwortete Friedrich ebenso ruhig. Ich dachte, es würde weiter so ruhig bleiben, aber aus heiterem Himmel schrie der König seinen Sohn an. „Er ist ein feiger und ehrloser Deserteur!“ polterte er los. „Ich habe jedenfalls mehr Ehre als Sie! Die Sie mich nicht wie einen Sohn, sondern wie einen wertlosen Sklaven behandeln!“ Friedrich knurrte die letzten Worte nur noch hervor. Voller Wut war er. Das konnte ich deutlich spüren. Da ergriff der Vater sein Schwert und zog es heraus. In Panik sprang ich vor Friedrich. Wollte er ihn gerade selbst exekutieren?

„Majestät!“ schrie ich und sah meinen Herrscher an. „Tötet mich, verschont euren Sohn!“ sagte ihn ohne jegliche Angst. Ich konnte nicht riskieren, dass Friedrich Wilhelm seinen eigenen Sohn tötete. Der König sah mich an, dann

senkte er wieder die Waffe. Ich konntenach einer Weile wieder beiseite gehen und die beiden sahen sich an. Damit war das Gespräch für heute wohl beendet. Der Herrscher Preußens drehte sich von uns beiden ab und sagte keinen Ton mehr. Mir wurde noch aufgetragen Friedrich in seine Zelle zurück zu bringen, doch nicht mit ihm zu sprechen.
 

„Wer sind seine Mitwisser?“ Tage später wiederholte sich die Prozedur immer wieder aufs Neue. Immer wieder fragte der König seinen gefangenen Sohn aus was er vorgehabt hatte. Und immer wieder wiederholte der Kronprinz seine Antworten. Friedrich sah mitgenommen aus. Sein Haar glänzte nicht mehr. Seinen Mantel hatte er abgelegt und sein Hemd und Weste waren schmutzig vom Dreck der Zelle in der er hauste. Er war müde und magerte schon langsam ab. Seine Augen waren müde und tiefe Augenringe zogen sich über sein junges Gesicht. Mit den Armen auf dem

Tisch zwischen sich und den Kopf drauf ruhend saß Friedrich so vor seinem Vater.

„Ich habe alles allein geplant.“ Seine Stimme klang schwach und müde. Ich konnte dem ganzen nicht zusehen, doch mein König hatte es mir befohlen. Wie ich schon so oft beteuert hatte, hatte ich nichts von der Flucht gewusst. Nur das was ich damals belauscht hatte, aber das war nichts gewesen. Und nun waren wir hier.

„Sein Spießgeselle Katte ist längst in Haft. Und hat alles gestanden.“ Ich sah zu ihnen. Das war neu. Katte hatte alles gestanden? Das würde den Tod für beide bedeuten. „Katte ist unschuldig.“ erwiderte Friedrich, noch immer sah

er seinen Vater nicht an. „Ich will die Wahrheit.“ forderte der König, der nun mit der Hand auf den Tisch schlug. Friedrich hob etwas den Kopf. Eine aufgeplatzte Lippe, ein blaues Auge- das hatte ich vorher nicht gesehen. „Der Angeklagte muss auf die Folter gelegt werden.“ Mir blieb für einen Moment das Herz stehen. Folter? War dieser König denn so grausam dass er selbst seinen Sohn foltern lassen würde? „Das ist ganz und gar unmöglich Sir. Wir müssen auf das Ausland Rücksicht nehmen. Dort benennt man uns ohnehin schon für- mit Verlaub- Barbaren.“ Sagte ich. Dies stimmte. Friedrich war im preußischen Ausland gefangen genommen worden, so gelten die Bestrafungen Preußens nicht.

Wenn man nun den Kronprinzen foltern oder gar töten würde, wobei der doch im Ausland gefangen genommen wurde, so würde niemand mehr sich an uns wenden. Wir wären totale Außenseiter.

„Das Ausland verbietet wohl nicht, dass ein Vater seinen Sohn anfasst, oder?“ wieder dieser cholerische König. Er besprühte Friedrich und mich reichlich mit Speichel. Ich sah weg. Nein, dies war nicht verboten.

Körperliche Züchtigungen gehörten noch immer zur Erziehung der eigenen Kinder. Benommen saß Friedrich auf seinem Stuhl.

„Wohin wollte er fliehen?“ fragte Friedrich Wilhelm erneut.

„Nach Frankreich…“ Friedrich flog vom Stuhl, als sein Vater die Hand gegen ihn erhob und ihm eine schallende Ohrfeige verpasste. „Nach England wollte er fliehen! Er selbst hat Briefe geschrieben, die das beweisen!“ zusammen

gekauert lag Friedrich auf dem Boden. Er murmelte immer wieder nur leise vor sich hin „Nach Frankreich…“
 

Wochen vergingen. Friedrich wurde in eine Zelle gesperrt, in der nichts weiter drin war als ein Holzbett- ohne Matratze aus Stroh mit nur einem dünnen Kissen und einer dünnen Decke, ein Stuhl und ein Tisch. Nichts weiter. Ein Eimer war

für ihn der Abtritt und drei Mal am Tag kamen Soldaten und brachten ihm wortlos das Essen. Selbst mir wurde dies gelegentlich befohlen. Der König verbat mir unter Strafe, mich mit ihm zu unterhalten. Als Friedrich einst nach einem Buch

bat, um sich wenigstens etwas von der zermürbenden Stille abzulenken, brachte man ihm die Bibel. „Will man mich hinreichten?“ waren seine Worte als ihm das Buch auf das harte Bett geschmissen wurde.

Doch Papier, Tinte und Feder um seinen Vater einen Brief zu schreiben wurde ihm verwehrt. Wütend warf er Krüge mit Wasser um, was mit Entzug der Nahrung bestraft wurde. Und doch behielt er seinen Stolz.
 

Immer musste ich beim König sein, während das Gericht entschied was aus dem Kronprinzen und seinem Freund Katte werden würde. Schnell wurde klar, dass Katte zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, doch für

den Prinzen Preußens erklärte es sich für nicht zuständig. Aber all das war dem Preußenkönig nicht genug. Schlimm genug für ihn dass sein Sohn angeblich nicht belangt werden konnte, aber selbst die Strafe, die Katte erwartete, war

für ihn zu milde.

Es wurde Oktober und noch immer war das Urteil nicht zu Friedrich Wilhelms Zufriedenheit gefällt worden. Ich war mit dem König und dem Korrespondenten Graf von Schwerin in den Gemächern des Königs. Er wusch sich gerade und

puderte sich die Perücke, sie sein spärliches Haar verdeckte. „Sir… das Kriegsgericht fühlt sich wegen der Sache zwischen dem Angeklagten und dem König für nicht zuständig. Da die Flucht nicht vollendet wurde.“

Erklärte er. „“Friedrich ist ein Deserteur. Das kostet ihm den Kopf.“

Erwiderte der König nur kalt. Ich konnte mir gut vorstellen, dass der König einen seiner jüngeren Söhne anstelle Friedrichs auf den Thron setzen wollte, da sie viel gefälliger waren als sein ältester Sohn.

„Angesichts der Reue des Kronprinzen-„ „Reue? Schluss damit! Was ist mit Katte?“

„Im Kriegsgericht herrscht Stimmengleichheit. Er soll lebenslänglich in Haft gelegt werden.“

„Das Kriegsgericht soll diesem Verräter keine Gefälligkeiten zukommen lassen. Es soll erneut tagen bis ein neuer Urteilsspruch gefallen ist. Katte muss sterben!“ Mir blieb die Luft weg. Der König würde seinen Willen

bekommen. Und wenn er immer wieder das Urteil neu fällen lassen würde. Friedrich Wilhelm verließ den Raum und gezwungenermaßen musste ich ihm folgen.
 

Im November 1730 wurde das endgültige Urteil gefällt. Katte wurde zum Tode verurteilt. Er würde seinen Kopf verlieren. Er wurde nach Küstrin gebracht, wo noch immer Friedrich gefangen war. Ich konnte mir nicht vorstellen was der

König geplant hatte. Der Kronprinz erfuhr nicht vom Urteil seines Freundes.

Am 6. November erschollen die Trommeln. Sie führten eine lange Kolonne von Soldaten an. Der König war nicht dabei, jedoch war ich gezwungen diesem Schauspiel beizuwohnen, damit ich dem König von der Reaktion Friedrichs berichten konnte. Katte ging in Fesseln im Innenhof des Gefängnisses umringt von Soldaten auf eine schnell gebaute Plattform zu. Ein Priester und der Henker folgten uns. Genau vor dem Fenster der Zelle Friedrichs blieben wir stehen. Mir

schlug das Herz bis zum Hals. Plötzlich wurde der Prinz, umringt von zwei Soldaten, an das Fenster geschliffen. Er wehrte sich vehement gegen das was er sehen sollte. Der Priester gab ihm die letzte Salbung und trat dann zurück.

Katte kniete vor dem Fenster und sah seinem Freund in die Augen. Diesem wurde der Kopf fest gehalten und gezwungen die Augen aufzubehalten bis selbst die Soldaten sie ihm aufsperren mussten. Und dann fiel das Schwert auf den bloßen

Nacken nieder. Friedrich fiel ebenso, gehalten von seinen Wachen. Selbst ich konnte dem nicht zusehen.

Seid ihr zufrieden, Majestät? Ihr habt euren Sohn endlich gebrochen. dachte ich bei mir als die Leiche fort geschafft wurde. Die Wachen ließen Friedrich so zurück wie er war. Ich reiste noch am gleichen Tag paralysiert zum König zurück. Monoton gab ich das wieder was der Prinz gesehen hatte und verließ ihn dann.

Ich wollte nichts mehr mit diesem Scheusal von König zu tun haben. Ich wollte meinen Dienst quittieren. Ich schrieb Wilhelmine, die in Berlin im Schloss festgehalten wurde. Doch ihr wurde keine Mittäterschaft nachgewiesen.

Ein ganzes Jahr wurde Friedrich gefangen gehalten. Bis er 1731 wieder der Armee zugeführt wurde, wo er lernen sollte, wie Heeres und Zivilverwaltungen funktionieren. Im Jahr darauf wurden ihm alle seine Titel wieder anerkannt. Aber es beinhaltete einen schrecklichen Preis. Diesen würde Friedrich auch bald erfahren. Was sein Vater mit ihm in der Zukunft vorhatte, würde noch weitere Narben in die Seele des jungen Prinzen brennen.

~Die Befreiung~

~Die Befreiung~
 

Aufgeregt schritt Friedrich im Saal hin und her. Es war nun das Jahr 1732 und heute sollte Friedrich seine zukünftige Frau kennenlernen. Seine Schwester sowie der Haushofmeister waren auch anwesend, die die junge Braut schon kannten. Das junge Mädchen war Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern, gerade einmal 17 Jahre alt und vom Fürstlichen Adel sollte die vom Vater auserwählte sein.

„Aber ich fordere `den Gegenstand´ zumindest einmal zuvor gesehen zu haben.“ Friedrich hatte in die Heirat einwilligen müssen um seine Titel zurück zubekommen. Zähneknirschend hatte Friedrich dem zugestimmt.

„Mit `Gegenstand´ geruht ihr eure zukünftige Gemahlin zu nennen.“, Schlussfolgerte der Haushofmeister, worauf der Kronprinz nur wütend schnaubte.

„Warum sollte mein Bruder die Katze im Sack kaufen?“ fragte Wilhelmine nur sehr trocken. Ich hatte erfahren, dass diese Frau weder schön noch hässlich sei. Und sehr Gottesfürchtig, worauf der König großen Wert gelegt hatte. „Das bedeutet dass sie nicht mal tanzen kann!“, entgegnete Friedrich nur pikiert und aufgebracht. Wilhelmine hatte sie bereits bei einem Dinner kennengelernt. „Sie ist leider strohdumm. Weiß auf alles nur mit ja und nein zu antworten und dabei so albern zu lachen dass einem ganz übel wird.“

Na, das waren ja tolle Aussichten für Friedrich. „Ich will keine dumme Gans!“ fuhr er auf. „Ich muss vernünftig mit ihr reden können, oder ich mache nicht mit!“ Allerdings war dies unmöglich. Er hatte seinen Vater schon inständig drum gebeten, aber dieser schien auf dem Ohr taub zu sein. Und auch der Haushofmeister wollte nicht wortwörtlich den Hals hinhalten.

Näher kommende Schritte aus dem Vorraum ließen uns verstummen und als wir zur Tür sahen, wurde diese schon aufgetan und die zukünftige Braut, begleitet von Friedrichs Vater und seiner Mutter und wahrscheinlich die Mutter Christines kam auf uns zu. Sie trug ein hellgrünes Kleid mit aufwendigem Brokat, das überhaupt nicht zu ihr passte. Ihre Haare waren nach der Mode frisiert und gepudert. Ihr Gesicht war sehr blass geschminkt und rosige Lippen mit einem geschminkten Leberfleck vollendeten dieses Püppchen, das sich uns dort präsentierte. Wahrlich, weder hübsch, noch hässlich war Elisabeth. Nach allem, was ich von ihr wusste war, dass sie Herzoglicher Herkunft war und das Kind des Herzogs Ferdinand Albrecht II. von Braunschweig-Wolfenbüttel und seiner Gemahlin Antoinette Amalie von Braunschweig-Wolfenbüttel. Sie war das dritte Kind nach zwei Söhnen. Am 8. November 1715 geboren und im lutherischen Glauben erzogen. Die nächst höhere Verwandte war die Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches: Elisabeth Christine, nach der sie benannt war. Es war also eine rein politische Verlobung. Und dass Friedrich nicht gerade begeistert von der Wahl seines Vaters war, konnte man unschwer erkennen, auch wenn dieser versuchte, es zu verbergen. Die zukünftige Gattin des Kronprinzen, lächelte nur dumm.
 

„Dass mein geliebter Sohn mit euch zufrieden ist, kann ich ihm ansehen.“

Friedrich Wilhelms Ton war voller Sarkasmus, dass es jeder hätte raus hören können. Nur das junge Fräulein kicherte kindisch. Friedrichs Blick war nicht freudestrahlend, noch nicht mal fröhlich. Nur Abscheu und Wut auf seinen Vater war darin zu lesen.

„Dieser Grasaffe soll meinen Sohn heiraten?“ fragte Sophie Dorothea leise, das es niemand außer Wilhelmine und ich es verstanden.

„Was ist mit meiner geliebten Tochter? Ist sie nach ihrer Hochzeit schon in gesegneten Umständen?“ Wilhelmine nickte auf die Frage hin. Sie hatte ein Jahr zuvor den Erben von Bayreuth geheiratet. Doch des Vaters Wohlwollen war es nicht. Was er darauf antwortete, war nicht für die Ohren Minderjähriger bestimmt. Wilhelmine raffte ihre Röcke und verließ den Raum, nicht ohne noch mehr erniedrigende Kommentare ihres Vaters hören zu müssen. Der König lachte nur über seinen eigenen Scherz. Kein anderer lachte. Nun wandte sich wieder jeder Friedrich und seiner Verlobten zu. Er begrüßte sie, ganz dem Protokoll gemäß mit Handkuss am preußischen Hof. Ihre Hochzeit würde im Folgejahr stattfinden.
 

12. Juni 1733
 

„Ich heirate als Mann von Lebensart. Das heißt ich lasse Madame ihrer Wege gehen und tue was mir gefällt.“ Friedrich sah mich an als ich ihm seinen feinsten Mantel anzog. Ich seufzte leise. Was er sagte, verhieß nichts Gutes. Er hatte keine Liebe für seine zukünftige Frau. Das Jahr des kennenlernens hatte die Begeisterung Friedrichs nicht mehren können. Sie war nicht das was er sich erhofft hatte. Sie war geistlos, konnte sich nicht mit ihm über das unterhalten was ihn interessierte, und war allgemein ihm überhaupt nicht zugetan. Kurzum: seine Braut war für ihn eine Enttäuschung.

Doch heute sollte die Hochzeit der beiden gefeiert werden. Der, der einen Namen vorzuweisen hatte, würde da sein um diesem Schauspiel beizuwohnen. Auch wir waren gerade von einer Reise aus Sachsen zurück gekommen. Dort hatte Friedrich August den Starken kennengelernt der Dresden zum Elbflorenz gemacht hatte. Es war eine sehr beeindruckende Reise gewesen.

Wir wären schon viel früher für die Vorbereitungen zurück gekehrt, hätte sich Friedrich nicht bei einer Krankheit angesteckt, die unsere Rückreise verschoben hatte. Er litt noch etwas unter den Auswirkungen. Wo er sich angesteckt hatte und bei wem wollte er nicht Preisgeben. Nur eines wusste ich, dass er in Dresden viel mit leichten Mädchen Umgang gepflegt hatte. Zum Glück hatten wir es dann doch noch rechtzeitig geschafft, auch wenn Friedrich es nicht als solches sah.

Der König hatte großes ausrichten lassen. Der sonst so geizige König war dieses Mal recht verschwenderisch. Es gab ein Ballett, eine Pastorale in denen der Kronprinz die Hauptrolle spielen wollte. Ausnahmsweise hatte das Friedrich Wilhelm sogar gestattet. Auch Querflöte wollte er spielen was seine Braut sehr erfreute und seinen Vater nur murrend hinnahm. „Wenn ich sie schon heiraten muss, dann soll sie auch wissen wie gebildet ihr Gemahl ist.“ Bestand er gegenüber seinem Vater. Außerdem sollten Stücke von Georg Friedrich Händel und Carl Heinrich Gaun gespielt werden. Die Zeremonie und anschließende Feier sollte im Schloss Salzdahlum abgehalten werden, dass zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel lag. Ein recht prunkvolles Schloss mit einem großflächigen Park und weiträumigem Sälen und kunstvollen Zimmern.
 

Die Hochzeit war eine prunkvolle Feier. Selbst Friedrich gefiel sie. Er tanzte viel, auch mit seiner Braut einige Male und erfreute sich an den Stücken die zum Besten gehalten wurden. Am Abend hin wurden die Braut und der Bräutigam schließlich in das Hochzeitszimmer gebracht. „Betten“ wie es der König nannte. Elisabeth wurde von Männern in ihr Bett getragen und es wurden zotige Witze über ihren Gatten zum Besten gegeben. Friedrich wiederfuhr dasselbe, allerdings waren es Frauen die ihn zu seiner Braut brachten. Danach wurden sie allein gelassen. Christine war bis auf die Unterwäsche entblößt und lag auf dem Bett und wartete auf ihren Gatten. Ich selbst wollte nicht wissen was darin stattfand und verließ leise das Zimmer als beide im Ehebett lagen.
 

Aber ich erfuhr es am nächsten Tag. Friedrich erzählte mir, dass sie ihn hätte reizen wollen, wollte ihn verführen sich doch zu ihr ins Ehebett zu legen, aber er hatte nur am Bettpfosten gestanden, zu ihr herab geblickt und sie bedauert. Sie würde eine sehr traurige Prinzessin werden, so hatte er es zu ihr gesagt. Auf die Frage warum er so kühl zu ihr sei, hatte er ihr geantwortet, dass sein Vater ihn zur Liebe prügeln wollte. Doch würde er seine „Pflicht“ erfüllen. Ob sie ihn später mögen würde, hatte sie ihn gefragt. Aber selbst das würde er nicht vollbringen können. Die Ehe war dann trotzdem vollzogen worden. Die Mägde, die am nächsten Morgen die Laken gewechselt hatten, hatten Spuren die darauf hatten schließen lassen gefunden.

„Aber sie ist der Schlüssel mich aus den Klauen meines Vaters zu befreien!“ erzählte er mir.

Nach allem was ich wusste, würde Friedrich vorerst in Ruppin leben, gemeinsam mit seiner Gemahlin. Sie würden ein Schloss beziehen mit eigenen Bediensteten und eigenem Hofstaat.

Seine Gemahlin war wirklich eine dumme Gans. Gutgläubig hatte sie eingewilligt eine treue und liebende Gemahlin zu sein. Wenn ich bei ihnen war, sprach sie von ihrem liebevollen, treuen Gemahl. Schon da wusste ich, dass sie nie etwas anderes über ihn sagen würde.
 

Nach zirka drei Jahren Ehe hielt der König immer mal wieder eines seines Tabakskollegiums ab. Der Prinz war auch anwesend. Er lachte mit uns über derbe Scherze und trank Bier. Aber etwas lag ihm auf der Seele. Ruppin war zwar etwas vom Königlichen Hof entfernt, allerdings nicht weit weg genug. Friedrich wollte frei sein. Das verriet mir immer sein Blick in die Ferne, wenn er meine Gesellschaft suchte. Er hatte das Schloss in Ruppin verschönert und ausgebaut, jedoch war es ihm einfach nicht das was er sich unter einem Schloss vorstellte.

Als wir alle nach einem Scherz wieder ruhiger wurden, sah Friedrich seinen Vater an. Ich glaubte schon, dass er endlich mit der Sprache rausrücken würde, jedoch befürchtete ich die Reaktion des Königs.

„Lasst es besser sein. Ihr werdet eine Antwort erhalten, die euch nicht gefällt.“ Sagte der Adjutant des Königs der neben Friedrich saß und genüsslich an seiner Pfeife zog. Jedoch war der Zorn über die „Missetaten“ Friedrichs verraucht und der Herrscher schien zugänglicher geworden zu sein. Er hatte Friedrich wieder als Thronerben eingesetzt und wollte dies nun auch nicht mehr Rückgängig machen.

„Mein Vater. Ich habe eine Ehefrau nach eurem Wunsch. Doch um unser ´Glück` vollkommen zu machen…“ begann der Prinz, aber Friedrich Wilhelm unterbrach ihn jäh. „Euer Glück ist nicht vollkommen? Treibt ihr es nicht genügend mit der Prinzessin?“ Er lachte schallend und der Hofstaat fiel in das Gelächter mit ein. Außer Friedrich. Er lächelte nur matt. Das war das einzige, was sein Vater ihm noch vorhielt. Seit diesen drei Jahren Ehe hatte sich der Bauch Elisabeth Christines nicht gewölbt und ein Kind hervorgebracht.

„Mein Vater, ich möchte euch untertänigst um eine Erhöhung eurer Zuwendungen bitten. Das Geld das ich erhalte reicht kaum für das nötigste.“

Es herrschte langes Schweigen und als Friedrich Wilhelm mit der Hand auf den Tisch knallte, dachte ich erst, dass es wieder in einen Tobsuchtanfall enden würde. Aber zu meiner und auch der anderen Überraschung blieb der König ruhig und erwiderte: „Ich kann eure Sorgen verstehen. Und ich habe auch ein Allheilmittel dagegen. Ich sorge mich um euren Thronfolger. Sobald eure Gemahlin Guter Hoffnung ist, werden sich eure Bezüge deutlich erhöhen.“ Der Kronprinz war still geworden. Und auch mir sackte das Herz in die Hose. Soweit ich wusste, wohnte Friedrich seiner Frau nur sehr selten bei und verließ auch bald wieder ihr Schlafzimmer.

„Ich kann mit meiner Frau nicht aus Leidenschaft zu Bett gehen.“ Antwortete er ruhig und ein höhnisches Gemurmel machte sich im Raum breit.

„Leidenschaft ist dafür nicht erforderlich.“ Wieder lachten alle schallend auf, außer Friedrich. „Macht es wie die Bauern, die Tag und Nacht mit ihren Frauen in die Betten gehen.“ Sagte wieder der Adjutant und lächelte.

„Meine Frau kann sich nicht beklagen. Ich weiß selbst nicht woran es liegt.“

„Ihr redet zu viel darüber. Tut es einfach.“ War der Rat des Königs darauf und Friedrich wurde ernst.

„Bin ich wie die Hirsche, die gegenwärtig zur Brunft sind, wird sich euer Wunsch sicherlich in neun Monaten erhöhen.“ So gab er sich geschlagen. Das war das Beste was man beim König machen konnte. Seinen Wünschen entsprechen und folgsam sein. Denn nun kam auch er Friedrich entgegen. Sie erhoben die Krüge und besiegelten diese Sache mit Bier und Tabak.
 

Bald darauf zog das Kronprinzenpaar nach Reinsberg. Dort hatte es bessere Annehmlichkeiten und auch besseren Komfort. Doch entgegen dem Wusch des Königs war auch dort nach Monaten und Jahren kein Kindergeschrei zu hören. Jedoch gab es viele Bälle zu denen Friedrich lud. Es wurde getanzt, Musik gespielt, ausgelassene Gespräche wurden abgehalten. Jeder, der von dort kam berichtete überaus positiv über Friedrich der einem hervorragenden Hausherrn abgab. Er genoss es sichtlich. Es war eine herrliche Zeit in Reinsberg. Friedrich las sehr viel. Die Aufklärung hatte es ihm besonders angetan. Besonders der französische Philosoph Voltaire sagte ihm besonders zu. Er korrespondierte mit ihm und eben dieser antwortete dem Kronprinzen. Sie umschmeichelten einander und beide übertrafen sich immer wieder. Zu diesem Zeitpunkt war es Friedrich wichtig, wenn er König wäre, sein Volk zu beschützen und als oberster Diener des Volkes zu fungieren. Er schrieb in Reinsberg auch ein sehr umstrittenes Werk, dass sich gegen die Macht des Königs aussprach und eben die Sicherung und Bewahrung des Volkes versprach: der Antimachiavell. Es sollte ein Tugendkatalog sein für aufgeklärte Idealmonarchen. Voltaire korrigierte nur noch kleine Fehler und dann wurde es auch schon veröffentlicht.

Ebenso schrieb er mit Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Charles Étienne Jordan, Heinrich August de la Motte Fouqué, Ulrich Friedrich von Suhm und Egmont von Chasôt. Alles Schöngeister und Künstler, die ihn in seinem Schloss besuchten.
 

Doch bald schon sollten die angenehmen Jahre des Kronprinzen enden...

~Fredericus Rex~

~Fredericus Rex~
 

Es war der 31. Mai 1740…
 

Totenstille herrschte im Schlafgemach des Königs. Friedrich ging stumm auf und ab, wagte nicht zum Bett zusehen in dem Friedrich Wilhelm lag. Es war eine drückende Luft im Raum. Warm, ja fast stickig. Nirgends war ein kühler Lufthauch zu spüren. Und doch hangen die Bediensteten die Fenster mit dunklen Tüchern ab. Seit Tagen und Wochen ging es dem Herrscher Preußens immer schlechter. Er konnte seit Wochen nicht mehr reiten, geschweige denn sich ohne seinen Gehstock fortbewegen. Letzten Endes musste er im Rollstuhl bewegt werden. Als selbst dies nicht mehr möglich war, auf Grund seines hohen Gewichts, lag er nur noch im Bett. Gicht- und Podgaranfälle beherrschten den Mann, der nichts lieber gehabt hatte, als Ordentlichkeit, Sauberkeit und Disziplin. Und selbst von diesen Tugenden ließ er in seinen letzten Tagen nicht ab. Vieles war auf sein Essverhalten und seiner erblichen Veranlagung zurückzuführen. Friedrich Wilhelm selbst hatte angeordnet dass ein Sarg am Fußende seines Bettes stehen sollte. Dort stand dieser nun, seitdem er an das Bett gefesselt war. Die Ärzte versuchten verzweifelt ihn weiter am Leben zu erhalten, aber es war zwecklos. Es ging mit ihm zu Grunde.
 

Sophie Dorothea saß am Bettrand und sah auf ihren Gemahl herab. Schon jetzt war ihr Gewand in schwarz gehüllt. Auch wenn sie nie viel Liebe für ihren Mann empfunden hatte, so hatten sie dennoch 14 Kinder bekommen, auch wenn der Herrgott viele von ihnen schnell wieder zu sich geholt hatte. Am anderen Ende des Bettes stand der Pastor bereit um ihm die letzte Segnung zu geben. Ich selbst stand in einer Ecke des Raums und zitterte. Immer wenn ein Herrscher meines Landes dahinschied, bemerkte ich es an meinem eigenen Körper. Ich war blasser als sonst und nahm alles um mich herum leicht verschwommen wahr. Wie, als wenn Watte in meinen Ohren jegliches Geräusch dämpfen würde und mir kalter Schweiß meinen Körper hinablief.
 

„Wie lange habe ich noch zu leben?“ fragte der König leise. Sein Körper war aufgeschwemmt und er schwitzte sehr. Die Ärzte sprachen von Wassersucht die sich in seinem gesamten Körper ausgebreitet hatte und nun auch die Lunge und das Herz befiel.

Er litt entsetzlich, das konnte man ihm anmerken.

Niemand antwortete auf die Frage des Königs. Und doch bedeutete diese Aussage mehr als tausend Worte. Diese Nacht würde der König nicht überleben. Es war Friedrich Wilhelms Frau die ihm endlich antwortete. „Euer Herz steht schon fast still.“
 

Der König hatte schon mit seinem Leben abgeschlossen. Und doch klammerte er sich verzweifelt daran. Er schlug sich auf die linke Brust als versuche er sein Herz so antreiben zu können. „Ihr müsst jetzt all euren Feinden vergeben und euch aussöhnen. Sonst werdet ihr nicht zur ewigen Seligkeit gelangen.“ Sagte Sophie Dorothea zu ihm. Er willigte in die Aussöhnung ein, jedoch sollte sie erst ausgesprochen werden, wenn er wirklich tot sei. Dann herrschte wieder schweigen.
 

Friedrich Wilhelm schloss die Augen und lehnte sich in sein Kissen. Ganz so als würde er schlafen. Aber es waren keine Atemgeräusche zu hören. Selbst mir blieb in diesem Moment kurz das Herz stehen. Ich verlor fast den Halt, den ich mir an einem Stuhl suchte. Ich krallte mich in das Polster und versuchte weiter zu atmen. Dies geschah immer wenn mein König starb. Ich starrte wie gebannt auf den scheidenden König, hoffte auf eine Regung von ihm.
 

Der Arzt neben dem Bett fasste an die Halsschlagader des Königs und wie aus Reflex zuckte dieser zusammen und ich zog schlagartig die Luft in meine Lungen ein. Er öffnete wieder die Augen. Mein Kronprinz sah kurz zu mir herüber. Auch er ahnte was bald geschah. Und er wusste auch, wie es mir gerade ging. Friedrich konnte sehen, wie sehr ich litt.
 

„Bis hierher bin ich schon eine Leiche.“ Er tastete etwas unterhalb seines Bauches seine Beine ab. Seine Atmung war schon sehr flach, unregelmäßig und seine Haut wirkte bläulich. Dann sah er zu seinem ältesten Sohn.

„Fritz…“. So hatte er ihn nicht mehr genannt seit er ein Knabe gewesen war. Friedrich näherte sich seinem Vater. Stolz, aber auch Trauer lag in diesen jungen Augen. Nun war er der gehorsame Junge, den sich der König immer gewünscht hatte.
 

„Ich verspreche euch der erste Diener meines Volkes zu sein.“ Er nannte es schon sein Land, sein Volk. Friedrich wusste, welch große Verantwortung nun auf ihm lastete. Ich schlug die Augen nieder. Jetzt, am Totenbette, hatten sich Vater und Sohn endlich ausgesöhnt. Und doch lächelte der König. „Warum hat er nicht so mit mir geredet als noch Leben in mir war?“ Friedrichs Miene war versteinert. War es die Trauer die ihn nun doch übermannt hatte oder war es der Umstand allein, dass er nun die Bürde hatte ein ganzes Land zu regieren?
 

Wieder herrschte langes Schweigen. Dass der König immer wieder wegnickte und wieder aufschreckte, wiederholte sich noch ein- zwei Mal. Friedrich Wilhelm sah zu einem Fenster hinaus. Einige Sonnenstrahlen drangen durch einen Spalt zwischen den verhangenen Fenstern.

Es war, als spräche er nicht mehr zu uns, nein, sondern so, als spräche er zum Sesenmann selbst. Er stemmte sich leicht nach vorn, wie ein letztes Aufbäumen bevor der letzte Atem diesen Körper verließ.

„Tod... ich fürchte mich nicht vor dir.“, murmelte er. Dann sank er zurück in die Kissen, der Kopf knickte leicht zur Seite und es wurde still. Mir blieb genug Kraft auf eigenen Beinen stehen zu bleiben und nicht weg zu sacken. Der König war Tot. Auch wenn ich ihn nie gemocht hatte, so hatte er ein reiches Land hinterlassen. Sein Sohn und alle, die im Raum waren, neigten vor Ehrfurcht den Kopf.
 

Noch am selben Tag wurde der neue König ausgerufen. Friedrich wurde feierlich als neuer König in Preußen gekrönt. Ich selbst, nach einiger Zeit der Abwesenheit wieder gestärkt an Lebenskraft nahm an dieser Feier selbstverständlich auch Teil. In alle Himmelsrichtungen des Landes waren Boten ausgesandt worden mit der Nachricht, dass er König tot und sein Sohn die Krone und die Regierung übernommen hatte.

Im königlichen Blau der Preußen, im königlichem Gewand und der weißen Perücke setzte ich persönlich meinem neuen König die Krone auf das Haupt und alle Versammelten knieten vor dem neuen König Friedrich II in Preußen nieder. Dies war das erste Mal seit langem, dass er wieder ohne sich zu verstellen lächelte.
 

Von den Zwängen seines Vaters befreit und nun sein eigener Herr zu sein war wie der letzte Schritt seiner Befreiung gewesen zu sein. Binnen kurzer Zeit verlegte er seinen Wohnsitz von Reinsberg nach Berlin um. Wie beseelt machte er sich daran, gutes für sein Volk zu tun, wie er es seinem Vater versprochen hatte.
 

Aber auch sein Volk hatte sehr große Erwartungen, Hoffnungen und Zuversicht. Doch nicht nur sein Volk, auch Europa versprach sich viel von diesem König der, noch bevor er gekrönt worden war, schon berühmt war. Gerade durch den Fluchtversuch war er in aller Munde gewesen.

~Die ersten Monate~

~Die ersten Monate~
 

Ein paar Tage nach der Thronbesteigung rief Friedrich sofort seine Berater zu sich. Mich zählte er dazu, da ich hin als einer der wenigen am längsten kannte. Er wollte neue Edikte im Sinne der Aufklärung für seine Untertarnen schaffen. Ein Schreiber schrieb eifrig das auf, was der junge König zu sagen hatte.

Sein erster Befehl war die Abschaffung der Folter. Für dies wurde Preußen von anderen Ländern immer noch als Barbarisch angesehen. Mit dieser Abschaffung würde sich das Gesicht des Landes deutlich ändern. Ebenso schuf er die Pressezensur ab. Politische Äußerungen unterlagen jedoch weiterhin der Zensur. Somit wurde dieses Land das erste, dass unter einer absolutistischen Monarchie eine eingeschränkte Pressefreiheit besaß. Sogar alle Bürger Preußens selbst konnten sich erstmals unter ihrem neuen König sich schriftlich und auch persönlich an ihn wenden.

Für sein armes Volk wollte er sehr viel tun, damit er ihnen besser gehe als früher. Preußen hatte bisher nur an zweier Dingen zu viel: Sand und Soldaten. Sie sollten günstiger an Weizen und Mehl kommen um Hungersnöte im Reich zu vermeiden. Die peinliche Befragung und Tortur grenzte er ein. Kein Dieb sollte mehr gefoltert werden. Mörder und Verräter der Majestät sollten dieser Strafe aber nicht verschont bleiben. Ebenso entschied er, dass es nicht mehr nötig sei, ein Geständnis aus dem Verdächtigen herauszupressen, wenn die Indizien und Beweise durch unschuldige Zeugen vorliegen und gegen ihn sprachen.

„Mein Preußen soll strahlend werden, mein Freund.“ Sagte er zu mir als er sich ein Glas Wein genehmigte.Ich lächelte.
 

Es war eine so euphorische Stimmung im gesamten Land. Das Volk bejubelte die Regierung ihres jungen Königs, dessen Zuneigung er sich leicht vergewisserte. Viele Boten aus den Ländern Europas machten ihre Aufwartung, in Begleitung

ihrer Repräsentanten. Auch sie erhofften sich viel vom neuen Herrscher und ich war der stolzeste von allen unter dieser Sonne.
 

Friedrich spielte wieder mit Begeisterung Flöte, verfasste Gedichte und gab sich der Kunst hin. Gern saß ich mit Gilbird in der Nähe wenn er die Querflöte spielte und erfreute mich der herrlichen Melodie. Es war so, als wäre sein Land nicht von dieser Welt. Man merkte, dass es junger und ambitionierter Herrscher die Geschicke dieses Landes führte. Bei den alteingesessenen stieß er eher weniger auf Begeisterung, da sie nur das Reglement des alten Königs kannten.

Nur seiner Frau schenkte er immer weniger Aufmerksamkeit. Gleich nach der Thronbesteigung hatte er seiner Gemahlin eine Wohnung im Berliner Stadtschloss gegeben, die selbst noch größer war als die des Königs selbst. Auch das Schloss Schönhausen gab er ihr als Sommerresidenz.

Seiner Mutter verlieh er den Titel „Königin Mutter“ statt dem der „Königin Witwe“ und stellte sie selbst noch vor seine eigene Gemahlin.
 

Und um uns herum wuchs Berlin zu einer strahlenden Stadt auf. Viele Flüchtlinge, vor allem Hugenotten und Katholiken, kamen in die Stadt an der Spree um dort eine neue Heimat zu finden. Die gab es zwar auch schon vorher, doch Friedrich umfasste diese Praktik nun etwas griffiger. Er sagte dazu: „Hier soll jeder nach seiner Fasson selig werden.“

Friedrich veranlasste viele Bauten die sich prunkvoll in das Bild Berlins einfügten. So auch den Französischen Dom, und die Hedwigskathedrale den er für die französischen Flüchtlinge bauen ließ.
 

Er ließ später sogar Maulbeerbäume anbauen und Seidenraupen züchten um sich von anderen Ländern unabhängig zu machen. Preußen erstrahlte wie ein frisch geschliffener Juwel in Europa.
 

Doch nur sechs Monate nach der neuen Herrschaft, im Oktober, erreichte den preußischen Hof eine niederschmetternde Nachricht. Karl VI., Kaiser des Heiligen römischen Reiches und Erzherzog Österreichs war gestorben. Er hatte keinen männlichen Erben hinterlassen. Drei Mädchen hatte ihm seine Frau geschenkt. Wir alle wussten, dass dies einen Erbfolgestreit geben würde. Doch hatte der verstorbene Kaiser verordnen lassen, dass seine älteste Tochter, Maria Theresia ihm auf dem Kaiserlichen Thron folgen sollte. Diese Nachricht ließ mich breit grinsen. Ein unerfahrenes Mädchen, das mit 23 Jahren den Thron bestieg und mit ihrem vierten Kind schon schwanger war, konnte keine wirkliche Bedrohung für das großartige Preußen darstellen. Und so sah es auch mein König. Es war die Chance aus diesem Land Gewinn zu schlagen und verlorene Gebiete wieder zurückzuerobern. Und so verfasste ich persönlich ein Schreiben an die Kaiserin im Namen meines Königs.
 

„Seid gegrüßt eure Majestät.

Wie ihr sicherlich wisst, bin ich Gilbert Beilschmidt, Repräsentant des großartigen Königreichs Preußen. Mein Land ist so unglaublich großartig, dass es alle anderen um Längen übertrifft! Ach ja, Herzlichen Glückwunsch zur Thronbesteigung und so weiter aber ich befürchte wir (König Friedrich II und ich) können dieser Herrschaft nicht zustimmen. Wenn ihr uns Schlesien zusprechen würdet, dass früher mal zu Preußen gehörte, könnten wir es vielleicht doch noch anerkennen. Ansonsten werden wir es uns einfach so nehmen und Österreich dem Erdboden gleich machen.

Hochachtungsvoll,
 

Gilbert Beilschmidt
 

Ps: Ich bin so großartig!“
 

Na gut, ich geb ja zu. Ich hatte den Brief etwas verändert. Zu gerne hätte ich das Gesicht von Roderich gesehen wie er den Brief las. Wir waren zwar mit Österreich befreundet und auch durch Eheschließungen verbündet, doch was machte das schon? Wir würden bald nicht mehr auf die Unterstützung dieses Landes angewiesen sein!

Aber auch andere Länder wie Bayern- es erhob sogar selbst die Kaiserkrone für sich-, Sachsen und Spanien sahen diese Frau ungern auf dem Thron des Heiligen römischen Reiches, quasi meines kleinen Bruders Ludwig. Aber ich würde ja auch keinen Krieg gegen meinen Bruder führen, sondern gegen den Teil des Reiches, dass sich Österreich nannte. Es regierte nun mal unter Kaiserlicher Führung über dieses riesige Reich mit vielen Königen unter ihm. Und nie war man sich in diesem Flickenteppich einmal komplett einig. Und da auch Frankreich ein Stück von dieser fetten Torte Österreich haben wollte, schloss er sich uns an. Seit Jahren hatte Francis keinen großen Krieg mehr gewonnen und agierte meist nur noch im Hintergrund und heimste die Lorbeeren für die Arbeit anderer ein. Seit dem Mittelalter war er nicht mehr so mächtig gewesen. Auch sein derzeitiger König, Louis XV,war eher eine Witzfigur und ließ sich von seiner Mätresse Marquise de Pompadour beherrschen. Aber Francis war mein Kumpel und guten Freunden half man doch gern.

Besonders wenn es sich um Feinde wie Roderich handelte.

Ich schickte noch am selben Tag Gilbird mit der Nachricht los und von da an wandelte sich auch mein König.
 

Friedrich trainierte zum ersten Mal mit Begeisterung das Fechten. Er wollte dabei sein wenn es in die mögliche Schlacht ging. Ich schrieb mit Francis und Antonio wie wir diesen Krieg organisieren sollten. Gemeinsam planten wir, auch ohne die Erlaubnis Maria Theresias und ohne auf die Antwort zu warten, Schlesien an uns zu reißen. Keine Petitessen- Kleinigkeiten- wie an Rhein und Ruhr. Schlesien war ein reiches Stück Land, voll mit Eisen und Kohle, die Preußen sehr gut gebrauchen konnte. Friedrich bezeichnete es so: „Preußen ist ein Reich aus Flicken und Fetzen. Wir fügen es wieder zusammen! Und ich gebe Preußen einen Platz unter den Großen.“

Indem er eine Prozellanvase auf den Boden warf und die vielen Scherben, die verstreut auf dem Boden lagen, mit seinem Degen zu einem Haufen zusammenlegte, verdeutlichte er das Land, in dem wir lebten.

Natürlich würde halb Europa gegen uns sein, aber schon manche irrsinnige Idee hatte sich schon als richtig und gut bewährt. All das würde eine Neuordnung der Welt sein.
 

Als ich dann zusammenzählte wer auf unserer und wer sich gegen uns verbündete, musste ich fast grinsen. Bayern, Frankreich, Sachsen, Kurköln, Spanien, Schweden und Neapel standen uns zur Seite. Großbritannien, Sardinien, Russland und die Niederlande- der machte bestimmt nur mit, um Spanien eins auszuwischen. Die beiden waren sich irgendwie noch immer nicht ganz grün. Sie standen standen uns gegenüber. Still knirschte ich mit den Zähnen. Was mischte sich jetzt auch noch Ivan in diese Sache rein? Wenn ich schon an dieses Grinsen in seinem Gesicht dachte, wurde mir ganz anders. Aber selbst wenn er mein Gegner war, wir würden diesen Streit gewinnen, ich wusste es einfach!
 

Und so machte sich, dank seines Vaters, die kriegsbereite Armee Friedrichs sich mitten im Dezember auf. Im November war schon die Mobilmachung verlauten worden. Und Anfang Dezember hatte Friedrich auch noch ein Schreiben an Österreich geschickt, dass diese ganze Sache auch friedlich noch zu lösen sei. Maria Theresias Gatte, Franz Stephan von Lothringen würde von Preußen als neuen Kaiser unterstützt und es wäre weiterhin Frieden. Aber glaubt nicht, dass wir warten würden bis sie eine Entscheidung geschickt hätten. Wir wollten doch Schlesien haben! Nur wenige Tage später begann der Feldzug. Binnen weniger Wochen überrannte das Heer Schlesien, fast ohne Gegenwehr. Die Protestantische Bevölkerung nahm uns sogar als Befreier wahr. War Roderich von diesem Schlag so überfordert, dass er es nicht mal wagte, seine Truppen loszuschicken?
 

Vermutlich stand er vor seinen Beratern mit seiner Kaiserin und debattierten. Was er immer tat wenn ein Unheil auf sein Land fiel. Aber wie ich die österreichischen Berater kenne, werden sie zu keinem Ergebnis kommen. Ihnen liegt doch nur die Liebe zur Musik und sobald ein Konzert von Johann Sebastian Bach oder sonst wem in Wien uraufgeführt wird, ließen sie doch jede Kriegstreiberei stehen und gingen zu den Konzerten. Zwar begann die Konzertsaison meist erst wieder im März, aber man konnte ja nie wissen wie lange der Krieg hinziehen würde. Und Roderich würde dastehen und nichts machen können. Keiner wollte ja Krieg führen.

~Schlachten und Sanscoussi~

~Schlachten und Sanscoussi~
 

Wir gewannen. Und gewannen. Österreich hatte nicht die geringste Chance gegen uns. Schon im Januar 1741 war Schlesien großräumig von Österreichischen Truppen gesäubert und wir gönnten uns eine Winterpause. Ab diesem Zeitpunkt genehmigte mir Friedrich, dass ich meinen kleinen Bruder besuchen konnte. Lange hatte ich ihn nicht mehr gesehen und weiß Gott was die Angestellten mit ihm machten. Schnell trieb ich mein Pferd an. Mir kamen die Erinnerungen hoch an den Tag an dem ich vor 28 Jahren schon einem schnell zu meinem Bestimmungsort ritt. Ich lächelte und freute mich auf meinen Bruder. Gilbird hatte sich in meine Kapuze meines Umgangs verborgen, plusterte sich auf und wärmte sich an meinem Nacken, dass ich sein flauschiges Gefieder dort spürte. Ihm war klar, dass wir heim reiten würden.
 

Ich kam spät abends an. Die Angestellten meines Hauses empfingen mich in der Vorhalle und umsorgten mein Pferd. Ich wollte nur noch zu meinem Bruder. Der schlief schon selig in meinem Bett. Die Bediensteten hatten mir gesagt, dass er sich in seinem Bett einsam gefühlt hatte und sei immer in mein Bett gekrochen. Ich lächelte sanft und strich ihm vorsichtig ohne ihn wecken zu wollen über das blonde Haar. Da regte sich Lutz und sah mich müde blinzelnd an.

„Gilbert…“ nuschelte er, als er mich wohl endlich erkennen konnte. „Du bist zurück?“

„Ja, kleiner Bruder. Mein König hat mir ein paar Tage frei gegeben. Ich wollte dich sehen~.“ Er lächelte. Ich setzte mich an den Bettrand. Gewachsen war er.

Die Ärmel seines Nachthemdes waren ihm schon fast zu kurz. Ich seufzte. Wo war mein kleiner Bruder hin? Der mit dem kleinen Italien herumgetollt war? Er wuchs heran, bald würde er ein Jugendlicher sein und seinen eigenen Kopf bekommen. Aber den hatte schon jetzt. Mein kleiner süßer Bruder. Dann würde er nicht mehr wollen, dass ich ihn Lutz nannte. Ludwig. Mein Gott Vater, hättest du dir für ihn keinen besseren Namen ausdenken können?

Bald schlief er wieder und ich legte mich zu ihm. Ich war durch den Ritt sehr erschöpft, legte aber vorher meine Kleidung zur Seite und legte mich zu ihm. Als wenn ich ihn beschützen wolle. Bald schon würde er meinen Schutz nicht mehr benötigen. Wie die Zeit verfliegt…
 

Auch die Tage die ich mit Lutz verbrachte verflogen im Wind. Wir unternahmen sehr viel gemeinsam. Gerade weil ich so sehr eingebunden war, wollte Ludwig so viel Zeit mit mir verbringen wie möglich. Wir verbrachten meinen Geburtstag in Berlin und sahen uns diese blühende Stadt an. Mein kleiner Bruder war beeindruckt von der Pracht die sich ihm offenbarte. Aber leider verging die Zeit zu schnell und als der Frühling nahte, musste ich wieder gehen. Lutz schniefte leise als ich auf mein Pferd stieg.

„Wann kommst du wieder?“ fragte er und versuchte nicht weinerlich zu klingen. Er war noch ein Kind, versuchte aber schon erwachsener zu klingen. Aber er war eben noch ein Knabe.

„Das weiß ich nicht. Es herrscht noch immer Krieg und nur Gott weiß wie lange er noch dauern wird.“ Auch wenn Lutz durch Roderich seine Ordern erhielt- er hielt loyal zu mir. Er freute sich mich zu sehen, war aber an meinen Feind gebunden. „Wenn Schlesien preußisch ist, dann komme ich heim.“ Versprach ich. Ich sah fast wie es in Ludwigs Köpfchen arbeitete. Wollte er etwa Roderich überzeugen mir Schlesien zu geben, damit er mich schneller wieder sah? Ich lächelte.

„Ich schreibe, so oft ich kann und schicke dir Souveniere.“ Ich ritt los und Lutz winkte mir nach.
 

In den folgenden 2 Jahren hatten wir so viele Siege zu verzeichnen. Auch mein König ritt an unserer Seite. Dies motivierte die preußischen Truppen ungemein. Die österreichischen Truppen hatten einfach keine Chance gegen das große preußische Heer. Unter einem Vorwand der Nichteinhaltung von Geheimhaltung der Konventionen, die im Oktober 1741 geschlossen wurden, marschierte Friedrich in Böhmen ein. Prag fiel an die Franzosen, Sachsen und Bayern. Im Mai des Folgejahres wurden erste Friedensverträge laut. Im Juni ein Vorfrieden in Breslau. Und im Juli 1742 wurde in Berlin der erste Friede geschlossen. Diese 2 Jahre Krieg wurden als 1. Schlesischer Krieg in die Bücher der Geschichte eingetragen.

Preußen erhielt Schlesien und vergrößerte so sein Territorium um ein Vielfaches. Einige Scherben der zerbrochenen Preußischen Vase waren wieder zusammen gefügt worden. Das Volk jubelte seinem jungen König zu als er glorreich in Berlin ankam. Auch Lutz war dabei und ich setzte ihn mir vorne aufs Pferd. Ich glaube, es war viel mehr die Freude mich wiederzusehen als der Sieg den Ludwig strahlen ließ. Er erzählte mir später, dass Roderich zähneknirschend den Friedensvertrag, den mein König Österreich erklärt hatte, unterschrieben hätte.
 

Es folgte ein Jahr des getrübten Friedens. Bayern errang die Kaiserkrone an Karl Albrecht von Bayern. Eigentlich hatte Maria Theresia versucht, ihren Gatten die Kaiserkrone zu geben, um so wieder Einfluss zu erringen, doch sie sc0heiterte, da die männliche Erbfolge durch sie unterbrochen worden war und so die Wittelsbacher die Krone erhielten. Allerdings hatte Österreich noch die Unterstützung von England und gingen wieder in die Offensive. Maria Theresias Truppen marschierten nach Bayern und errangen ein Bündnis und Bayern verlor wieder seine Machtstellung an Österreich. Diese Frau gab nicht so leicht ihre reichste Provinz auf. Aber schön. Wenn diese Frau erneut kämpfen wollte, so sei es dann.
 

1744 begann somit der 2. Schlesische Krieg. Friedrichs Berater schrien auf, dass es Vertragsbruch war, den Kaiser in Bayern zu schützen, aber wann hörte Friedrich schon auf seine Berater? Er fürchtete, dass Österreich versuchen würde, sich mit Hilfe von England Schlesien wieder einverleiben zu wollen und marschierte in Böhmen ein. Durch viele neue Bündnisse seiner vorherigen Partner versicherte er sich dessen Unterstützung. Auch Russland bat er um Hilfe, aber dieses Land stellte sich wie vorher auf die Seite der Habsburger.
 

Aber die Österreicher waren in diesem Krieg völlig anders. Sie mieden Kämpfe und zogen sich immer mehr zurück. Die Truppen Preußens wurden zunehmend schwächer, da auch der Nachschub angegriffen wurde und es immer wieder kleine, aber effektive Angriffe seitens der Österreicher gab. Als sich dann auch noch Großbritannien, die Niederlande, Sachsen mit Österreich zu einer Allianz zusammen schlossen und in Schlesien einmarschierten, musste Friedrich gezwungener Maßen sich wieder zurückziehen. In der dortigen Schlacht von Hohenfriedberg, im Juni 1745, konnten wir uns trotzdem als Sieger behaupten. Ein halbes Jahr später am 25. Dezember wurde in Dresden der Frieden geschlossen.

Schlesien blieb preußisch und würde es auch ab jetzt immer bleiben. Als Kompromiss wurde Maria Theresias Mann, Franz Stephan I. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, den dann auch mein König als obersten Herrscher anerkannte.
 

Endlich folgen friedliche Jahre. Jedoch war es meinem König in Berlin eindeutig zu laut. Er beklagte sich über den Lärm, der in den Straßen herrschte und fing an Skizzen zu einem Schloss zu zeichnen. Er wollte ein eigenes Schloss bauen in dem er Ruhe und Frieden finden konnte. Jedoch musste es unweit der Hauptstadt sein. Und so fiel seine Wahl auf das kleine Städtchen Potsdam. Immer öfter reiste er in die Stadt und suchte nach einem passenden Ort für sein Schloss, dass er im Sinne des Rokoko bauen lassen wollte. Und er fand auch einen Ort. Ein sanft abfallender Hügel im Schatten einer alten Mühle nach Süden hin mit einer weitläufigen Anlage voller Bäume.

Und noch 1745, während des Krieges begannen die Baumaßnahmen. Der Berg wurde zu einem terrassierten Weinberg, der geschwungen an einem großen Brunnen endete. Die Bäume wurden gefällt und ein Park entstand. Dank Friedrichs Vater war diese gesamte Fläche schon entsumpft worden da er schon Potsdam ausbauen lassen wollte. Ziergärten im barocken Stil, ein chinesisches Teehaus und so viel Weiteres wurden erbaut.

Es geschah so viel in diesem kleinen Städtchen. Innen war es herrlich anzusehen. Wenn Gesandte nach Potsdam kamen wussten sie sofort, dass hier ein Schöngeist lebte. Schon 1747 war das Schloss mitsamt Park fertig gestellt und Friedrich zog in sein Schloss, das er „Sanscoussi“ nennen wollte, ein. Jedoch blieb seine Frau Elisabeth dieser Feier fern. Nie, so sagte es Friedrich, würde eine Frau sein Schloss von innen sehen dürfen. Das dies verständlicherweise Gerüchte schuf, war kein Geheimnis. Nicht einmal Mägde ließ mein König in sein Refugium.

„Quand je sius là, je sius sans soussi.“ Sagte er am Abend als Friedrich sich das erste Mal in seinem Schloss schlafen legte. „Wenn ich hier bin, bin ich ohne Sorge.“
 

Komischer Weise erkannte ich in dieser Zeit auch eine neue Seite an mir. Eine verborgene Seite, die ich wohl schon immer in mir geschlafen hat, aber nie an die Oberfläche kommen durfte. Ich ließ mir eine Querflöte anfertigen und übte wie ein Besessener. Ich glaube, mein Herrscher hätte mir einige Male insgeheim zugesehen, wie ich versuchte schiefe Töne diesem Instrument hervorzulocken. Nur war ich nie so gut wie mein König und ich wollte auch nie vor ihm ein Stück vorspielen, aber ich glaube es lag einfach daran, dass Preußen von einem König regiert wurde, der nicht nur Kriege und

Schlachten im Kopf hatte, sondern auch Poesie. Ich glaube, dass sich der Repräsentant eines Landes sich nach dem Herrscher ändert, wenn ein neuer an die Macht kommt. So habe ich es schon oft gesehen, auch an mir. Doch diese Wendung, von einem König, dem Soldaten seine liebste Beschäftigung waren zu einem poetischen König war die größte Wendung die ich je an mir selbst gesehen hatte. Ich lachte in mich hinein. Gilbert- was für ein wandelbarer Kauz du doch sein kannst.

~Der Große und Voltaire~

~Der Große und Voltaire~
 

Es folgten lange Jahre des Friedens. Das Volk, das 1745 jubelnd seinen König in Berlin empfangen hatte, fing an, ihn „den Großen“ zu nennen. In seinem Privatschloss Sanssouci lud er ausgewählte Gäste zu seinen Tafelrunden ein.

Und auch der berühmte Voltaire ließ sich an den preußischen Hof locken. Schon seit Friedrichs Jugend hatte er mit ihm korrespondiert. Mein König selbst ließ ihn zum königlichem Kammerherren erheben. Voltaire hatte viele von Friedrichs Briefen gelesen und überarbeitet. Im den größten Tönen sprach der Franzose über den jungen König und lobte sein Engagement für die Aufklärung.

Doch auch Friedrich ließ es sich nicht nehmen, diese Komplimente zu erwidern.

Sie unterhielten sich meist auf Französisch. Für mich war diese Sprache überhaupt nichts. Doch für diese Zeit sprachen fast alle Herrscher französisch oder spanisch oder auch englisch. Kaum jemand, der die deutsche Sprache benutzte. Abgesehen, vom österreichischen Herrscher. Und trotzdem nahm ich teil. Vor allem, weil mein König es so wollte. Zu meinem Glück auch Francis Bonnefoy, mein Pendant aus Frankreich, der mir alles was sie sagten übersetzte. Kommt es mir nur so vor, oder habe ich in den letzten Zeilen wirklich französische Wörter verwendet?

Nun... weiter mit der Erzählung. Voltaire war angetan von meinem König. Seit der „Sonnenkönig“ Louis XIV gestorben war, war auch Frankreichs Stern wieder gesunken.

Der französische Adel lebte immer noch im Überfluss und das Volk hungerte sich aufgrund der Steuern fast zu Tode. Natürlich versuchte er nun wieder etwas heiterer zu werden, indem er Friedrich unterstützte. Voltaire und Friedrich waren beide Freunde der Aufklärung und für mehr Gerechtigkeit für das ärmere Volk, doch war die Situation in Frankreich sehr verfahren.

Es gab Unruhen hier und dort und der französische König Louis XV, vermochte diese nicht zu beenden. Louis XV wurde der „Vielgeliebte“ genannt, doch merkte man sehr früh, das eben dieser Mann kein König hatte werden wollen und es nun mehr schlecht als recht doch tat. Schlecht beraten und unter dem Einfluss seiner Mätresse der Madame Marquise de Pompadour steuerte er Frankreich an den Rand des Staatsbankrotts. Und vermochte das Leid seiner Bevölkerung nicht zu mindern.
 

Gerade weil Voltaire ein Freund der Aufklärung war, war er beim König nicht sehr beliebt und von daher zog es ihn auch nach Preußen und anderen Herrschern, die diese Ideen teilten. Natürlich gab es in Preußen auch Bauern, doch sie lebten aufgrund von Friedrichs Politik weitaus besser als andere Bauern in den anderen Staaten.
 

So auch in Russland, dass von der strengen Zarin Elisabeth regiert wurde. Sie regierte mit strenger Hand und die Bauern mussten hohe Steuern an den Adel abtreten. Aber der Thronfolger und seine frisch vermählte Gemahlin waren deutlich anderes. Die Gemahlin des zukünftigen russischen Zaren, Peter III, war eine begeisterte Anhängerin der Aufklärung.

Dieses „Mädchen“ war mir zuwider. Sie war aus Stettin, dass nun seit gut 25 Jahren wieder Preußen gehörte, war vor Jahren nach Russland gereist, hatte ihren Namen abgelegt, den orthodoxen Glauben angenommen und wurde nun Katarina genannt. Sie hatte ihre Vergangenheit hinter sich gelassen, die Allianz, die zwischen dem Heiligen Römischen Reich und Russland geknüpft werden sollte, gekappt und gab sich der orthodoxen Religion und ihrem neuen Volk hin. Friedrich selbst hatte sich für diese Verbindung ausgesprochen. Mir war zu Ohren gekommen, dass sie ihren Gemahl hasste, der Preußen sehr positiv gesinnt war. Sollte die alte Zarin Elisabeth eines Tages dahinscheiden, wer weiß, was später werden würde.
 

Doch nun zurück zu Voltaire. Es waren nun schon 5 Jahre seit dem Sieg um Schlesien vergangen und wir schrieben das Jahr 1750.
 

Wieder saßen viele Berater Friedrichs mit ihm an dem runden Tisch in Sanssouci. Sie unterhielten sich auf Französisch. Es waren die berühmten Freidenker Europas um diesen Tisch in Potsdam versammelt. Voltaire, das unbestrittene Oberhaupt. Der Franzose La Mettrie, der ein Gottesleugner und eine Art Pornografischer Dichter war. Der Schweizer Leonard Euler, ein großartiger Mathematiker und der Italiener Algorotti, der wohl nur mit seinem italienischem Charme glänzen konnte. Ihre Repräsentanten, Vash, Feliciano und Francis waren verhindert und ich musste mich allein durch das Französisch schlagen. Mir war diese Sprache schon etwas geläufiger, doch so flüssig wie mein König hatte ich es nicht drauf.
 

„Mein Freund. Ich habe Sie heute Nachmittag schmerzlich im Park vermisst. Wo haben Sie gesteckt?“ fragte Friedrich im perfektem Französisch. Voltaire, der direkt neben ihm saß, lächelte und meinte, er habe einige Verse verfasst. Erfreut nahm Friedrich dies auf. „Ich hoffe, sie haben dabei an ihren König gedacht.“
 

„In gewisser Weise, ja. Aber ich habe sie der Königin verfasst. Die Arme… sitzt ganz allein in ihrem Schloss. Ich wollte sie damit etwas aufmuntern.“ Erwiderte er. Sofort versteifte sich mein König und wurde ernst. Er sprach gewiss nicht von der Königin Louis XV, nein. Er meinte ganz genau die Gemahlin meines Königs. Es wurde still im Saal. Voltaire hatte da in eine Wunde Salz gestreut. In seinem Schloss Sanssouci waren nie Frauen gewesen, und würden es in Friedrichs Augen auch nie sein. So antwortete er im scharfen Ton:

„In dieser Runde haben Frauen nichts verloren. Ich möchte auch nicht, dass man über sie spricht.“ Voltaire, der eben noch gelächelt hatte, sah bestürzt drein.

Und damit war dann auch das Thema beendet.
 

Alle wussten, wo seine Frau nun lebte. Im Schloss Niederschönhausen. Nie würde Friedrich es ihr erlauben auch nur einen Fuß nach Sanssouci zu setzen. Und andersherum war es auch so. ebenso traurig wie auch die Königin Mutter, die aus Trauer um ihren Mann, schon seit 10 Jahren schwarz trug. Friedrich erfuhr, dass Elisabeth Christine und seine Mutter sich gelegentlich besuchten und dass sie sich gegenseitig ihr Herz ausschütteten. Einmal hatte Elisabeth Christine mir persönlich einen Brief zukommen lassen, in der Bitte, ich möge doch den König erweichen, sie zu besuchen. Sie hätte viel gelesen, viel über Musik gelernt, damit sie ihrem Mann in diesem Punkten gleichgestellt sei und dass er doch etwas Zuneigung zu ihr aufbauen könnte und vielleicht auch einen Thronfolger.
 

Ich… hatte es versucht. Tatsächlich hatte ich Friedrich darauf angesprochen, doch die Antwort meines Königs war rigoros wie grausam. Niemals wurde er ihr auch nur beiliegen, da sie nicht im Entferntesten im Geiste mit ihm mithalten könne. Damals hatte er mich hinaus geschickt und für eine Woche lang nicht ein Wort mit mir gewechselt. Solange, bis sein Zorn verraucht war.
 

Friedrich erhob sich von der Tafelrunde und wollte sich zu Ruhe legen. Auch ich stand auf, wollte ihm aber noch nicht folgen. Als die Tür sich schloss, hinter der Friedrich verschwand, kicherten die beiden Franzosen und begannen in ihrer Sprache zu sprechen, wohl in der Hoffnung, ich würde es nicht verstehen. Doch beherrschte ich diese Sprache soweit, dass ich verstand, was sie sagten.
 

„Der König redet mehr als er tut. Ihr wisst ja, dass es nicht zum äußersten kommt, wenn er wieder einen jungen Kadetten zu sich kommen lässt. Er ist nicht in der Lage im Bett die erste Geige zu spielen.“ Meinte La Mettrie leise. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und tat so, als würde ich Eulers und Algorottis Dialog lauschen, die sich auf Italienisch unterhielten, dass ich überhaupt nicht verstand. Voltaires Antwort traf mich aber wie einen Schlag.

„Kein Wunder, wenn er nur Flötist ist.“ Sie lachten beide schallend. Ich sah kurz zu den beiden herüber, als wunderte mich warum sie lachten. „Ich bewundere ihn wirklich. Und ich verehrte ihn noch mehr, wenn er mir nicht ständig seine schmutzige Wäsche zum waschen schicken würde. Seine Verse sind unerträglich und es ist unmöglich, sie zu verbessern. Was aber zu meinen Aufgaben gehört.“ Ich ballte meine Hand zusammen, versuchend nicht aufzustehen und diesem Lackaffen eine schallende Ohrfeige zu erteilen.

„Hütet aber eure Zunge. Ich hörte, der König würde euch noch ein Jahr benötigen. Quetscht die Zitrone aus, und werft die Schale weg.“

Ich stand nun, hatte es erst nicht bemerkt wie ich aufgestanden war und wollte mich umdrehen und auf die beiden zugehen, als ich einen Schatten hinter der Tür verschwinden und die Tür sich leise schließen sah.

Mein König hatte dieses Gespräch ebenfalls mit angehört. Kurz noch sah ich die beiden Franzosen nach, die jetzt sich auf ihre Zimmer zurückzogen. Hatten sie etwas bemerkt?
 

Am nächsten Morgen aß Friedrich allein mit Algorotti und Euler und mir am runden Tisch. Er hatte seinen Dienern schon am Morgen aufgetragen, die Habseligkeiten La Mettrie und Voltaires aus ihren Gemächern zu entfernen und am Eingang des Schlosses aufzutürmen.

„Die Herrschaften geruht es wieder in ihre Heimat zu fahren.“ Hatte er ihnen gesagt und damit war das Thema vom Tisch als die beiden Berater fragten, wo sie bleiben würden.
 

Nach dem Frühstück, das sehr wortkarg geführt worden war, wartete Friedrich am Schlosseingang, nahm etwas Schnupftabak aus der Dose zu sich, die Voltaire ihm am Vorabend noch geschenkt hatte. Eine fein gearbeitete kleine Dose, die in eine Brusttasche hineinpasste. Friedrich sah ihn, der wie ein getretener Hund neben seinen Koffern stand, nicht an.

„Aus der Ferne betrachtet, seid ihr das große Genie unserer Zeit. Aus der Nähe gesehen, seid ihr ein verwachsenes Männchen voller Intrigen und Bosheit. Ich ziehe es vor euch in der Ferne zu wissen. Entrichtet Frankreich meinen Gruß.“

Und somit verließ Voltaire Sanssouci und würde es nie wieder sehen.

~ Friedrich und die Kartoffel~

~ Friedrich und die Kartoffel~
 

Voltaire war fort. Doch welche Gerüchte er in die Welt gesetzt hatte, blieben in Preußen haften. Mein König würde sich nach dem Mahl eine viertel Stunde mit einem ausgewählten Kadetten in seinen privaten Gemächern vergnügen. Und es war eindeutig worauf er hindeutete. Die Königin war bisher nicht einmal guter Hoffnung gewesen und sie blieb auch Sanssouci fern, da es ihr Gemahl ihr nicht erlaubte. Preußens König schien homoerotische Neigungen zu haben. Es war wohl die Rache dafür, dass Voltaire seinen besten Günstling belogen hatte und sich wieder einfacheren Dingen hingeben musste. Doch kann ich sagen, dass er eben dies nie tat. Immer wenn seine Diener ihn seines Mantels, Schuhe und Weste entledigt hatten, schickte er sie fort. Nur ich blieb bei ihm und unterhielt mich mit ihm noch eine Weile. Dann schickte er mich fort um ihm seine Hunde zu bringen. Immer mehr hatte ich das Gefühl, dass er die Menschen um sich herum immer mehr hasste. Nur seine Hunde liebte er über alles. Und doch… das Volk liebte seinen König. Aber... kannte ich meinen Herrscher wirklich so gut?
 

Friedrich unternahm sehr viele Reisen durch sein gewachsenes Land. Er besah sich alles sehr genau und bemerkte bald, dass sein Volk sehr oft unter Hunger litt.

Auch wenn er zu seinem Regierungsantritt verordnen ließ, für den Winter höhere Mengen an Weizen den Bauern zu lassen. Viele Bauern litten an Hunger. Besonders nach Missernten. Durch die Vergrößerung des Reiches konnte man auch größere Ernten erbringen, aber auch mehr Menschen mussten versorgt werden.

Friedrich hatte ein Problem. Selbst die Trockenlegung des Oderbruchs brachte erst viel später hohe Erträge ein. Das Volk brauchte eine Ernährungsgrundlage, die nicht durch Mäuse aufgefressen und sich lange durch den Winter hindurch lagern ließ. Preußens Boden war Nährstoffarm. Vieles musste man dem Boden dazugeben, damit wenigstens etwas hervorkam. Aber was gab es denn sonst als Getreide?
 

Als Friedrich eines Tages eine Schwester Wilhelmine in Bayreuth besuchte, begleitete ich ihn auf der Reise. Friedrich und sie pflegten noch immer ein inniges Verhältnis, obwohl sie weit voneinander entfernt lebten.

Sie unterhielten sich viel miteinander und gingen fast täglich durch den schönen Garten, den Wilhelmine hatte anbauen lassen. Eines Tages fiel Friedrich dabei eine Pflanze auf, die er bisher sehr selten gesehen hatte. Seine Schwester behauptete, dass es eine Kartoffelpflanze sei und sie die Blüten der Pflanze sehr schätze. Leider würde sie kurz nach der Blüte verwelken. Danach würde

sie die Knollen, aus der die Pflanze wuchs für den nächsten Frühling aufbewahren und nach dem Frost wieder einpflanzen. Und es wären jedes Jahr immer mehr von diesen Knollen, dass sie bald keinen Platz mehr für weitere Pflanzen hatte. Friedrich schien sehr interessiert an der Pflanze zu sein.
 

Später erzählte Wilhelmine uns woher sie diese Pflanzen hatte.

Sie stammte von einem Kontinent namens Südamerika, dort wurde sie schon seit der Italiener Christoph Kolumbus sie von seinen Entdeckungsfahrten in die neue Welt mitgebracht hatte, angepflanzt. Von den Italienern wurde diese Pflanze „Tartufoli“ genannt, was an die Ähnlichkeit mit einem Trüffelpilz erinnern sollte. Die Europäer schätzten die Blüten sehr und so wurde sie nur in adligen Familien kultiviert. Doch schien Friedrich sich mehr um die Knolle zu interessieren als um die Blüte. Er fragte seine Schwester, ob er nicht ein paar der Knollen mitnehmen dürfe und sie erlaubte es ihm. Und so fuhr er nach dem Besuch mit ein paar unförmigen, braunen Knollen zurück, die er auch sofort anpflanzen ließ. Die neuen Knollen ließ er waschen und kostete erst selbst und war dann sehr ratlos, da er sich mehr von der Kartoffel erhofft hatte.

Er hatte angenommen, sie wären wie Karotten, die ja auch in der Erde wuchsen und roh auch gegessen werden konnten. Doch schmeckten sie nicht im entferntesten so wie Karotten. Im Grunde schmeckten sie fast gar nicht. Enttäuscht wollte er schon seine Entdeckung wieder fallen lassen, als eine Dienerin ihm eines Tages diese Kartoffeln gekocht, ohne Pelle als Mittag servierte. Er ging zu der Köchin in die Küche, die sehr überrascht über den Besuch des Königs war. Sie zeigte ihm, wie sie die Knollen zubereitet hatte.

Friedrich kam dann wohl eine zündende Idee. Er nahm sich einen Löffel und zerdrückte die gekochte Kartoffel, mengte etwas Milch und Butter dazu und probierte wieder. Sein Gesichtsausdruck hellte sich schlagartig auf. Begeisterung war darin zu lesen.
 

Er schrieb Anordnungen in denen sein Volk die Kartoffel anbauen sollte, was sich allerdings wieder als Fehlschlag erwies. Die Bauern konnten mit den braunen Knollen nichts anfangen, selbst kochen wollten sie diese nicht und ließen die Kartoffeln welken und in der Erde verrotten, statt sie zu ernten.
 

Wenn ich ehrlich war, wusste ich auch nicht, was mein König mit dieser Pflanze bezwecken wollte. Mir erschien der Sinn hinter dieser Anordnung nicht. Er kannte doch das Sprichwort: „Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht.“
 

Und so kam Friedrich auf eine List. Er ließ die Kartoffeln auf bewachten Feldern einpflanzen und ordnete den Wachen an diese Felder nie aus dem Auge zu lassen. Die Bauern, die in nächster Nähe lebten, beobachteten dies mit wachsender Neugier. Warum ließ ihr König so etwas streng bewachen, wenn es nicht unglaublich wertvoll war? Und die Menschen waren schon immer so, dass sie sich alles aneignen wollten was besonders Wertvoll war.

Des Nachts schlichen sich die Bauern auf das bewachte Feld und in einem unbeobachteten Moment stahlen sie die Knollen aus der noch weichen Erde und nahmen sie mit zu ihrem Hof.
 

Am nächsten Morgen kam Friedrich zurück und stellte mit Genugtuung fest, dass alle Kartoffeln aus der Erde entfernt worden waren. Ich selbst begriff seine Freude nicht, da sie doch alle Kartoffeln gestohlen hatten.

„Sie haben erkannt, dass es etwas sehr wertvolles ist und werden sie ab jetzt auch selbst anbauen.“ Erklärte er mir kurz. Das war mir ein Rätsel. Angebaut hatten die Bauern sie doch schon. Und hatten sie letzten Endes einfach verrotten lassen. Was sollte nun, da sie bewacht worden war, besonders daran sein? Doch er sollte Recht behalten.
 

Binnen kurzer Zeit verbreitete sich die Kartoffel im ganzen Land und löste den Weizen als Hauptnahrungsmittel in Preußen ab. Sie wurde gestampft, gedünstet, blanchiert, püriert, gekocht, gebacken, geröstet, gegrillt und frittiert. Kein anderes Lebensmittel wurde so kreativ verwendet. Und das eigenartigste war, sie gedieh auf unseren nährlosen Sandböden. Besser noch als jedes andere Gewächs. Bad kam man sogar darauf unterschiedliche Kartoffelsorten anzubauen. Einige waren mehlig-, andere festkochend. Und sie alle bekamen Namen. Adretta, Frühgold und Krone. Aber das kam erst sehr viel später als der Erdapfel nicht mehr aus der deutschen Küche wegzudenken war.
 

Die Bauern hatten die Kartoffeln wegen der Anordnung gezwungener Maßen angebaut, jedoch den Nutzen nicht gesehen. Durch die List, war es dazugekommen, das die Bevölkerung sie als wertvoll angesehen haben und die großartige Verwendungsvielfalt schätzten.
 

Sie war überaus nahrhaft und würde bald auch „Zitrone des Nordens“ genannt, da auch Seefahrer auf langer Reise nicht an Skorbut erkrankten, aufgrund ihres hohen Gehalts an Vitamin C. Und sogar als Handwärmer im Winter wurde sie sehr geschätzt, da sie die Wärme sehr lange vorhielt.
 

Die Kartoffel hatte ihren Siegeszug begonnen und es entstanden immer kreativere Rezepte. Francis präsentierte mir bei einem Besuch seine „Pommes Fritte“. Die Kartoffel wurde in Stiftform geschnitten und in heißem Öl frittiert.
 

Ich hatte mich auch eines besseren belehren lassen und begonnen, von da an auch Kartoffeln anzubauen. Sie hielt sich in einem gekühlten, frostfreiem Keller den ganzen Winter entlang. Auch mein Bruder liebte sie und wollte sie fast jeden Tag essen. Bald gab es nur noch Kartoffeln. Mir schmeckte sie, durch die vielen Rezepte auch immer besser und Friedrich wurde bald neidisch auf meinen Kartoffelgarten. Nur einen Dämpfer gab es eines Tages.
 

Ivan kam auf einen Besuch vorbei und nahm sich ein paar der Knollen in sein Land mit. Er ließ die Kartoffel kochen und vergären. Bald darauf kam er wieder zu Besuch und präsentierte mir seinen Woda, oder auch Wodka was er „Wasser“ nannte. Er soff es wie Wasser weg obwohl es stark nach Alkohol roch. Ich probierte und mir brannte die Kehle wie Feuer. Sein „Wasser“ war vergorener Kartoffelsud. Schnaps aus Kartoffeln.
 

Und dass Ivan mir bald noch mehr Probleme bereiten sollte, wollte mir in diesem Moment nicht in den Sinn kommen.

~Die Ruhe vor dem Sturm~

~Kapitel 11: Die Ruhe vor dem Sturm~
 

Es waren 11 wundervolle, friedliche Jahre, die ich mit meinem König verbracht hatte. Jahre, in denen er merkbaren Wohlstand in sein prosperierendes Land gebracht hatte. Durch Kartoffelanbau war es den Bauen nun möglich, dessen Bäuche länger zu füllen. Knaben gingen in Schulen, die von kriegsversehrten Veteranen geleitet wurden und brachten ihnen das lesen und schreiben bei. „Wer das Bajonett halten und ein Soldat werden will, der muss auch lesen und schreiben können.“, hatte Friedrich bei einem Besuch in einem Dorf selbst zu einem Jungen gesagt, als er ihn fragte, was er denn mal werden will und dieser ihm sagte, er wolle Soldat in der Königlichen Armee werden. Damals gab es noch nicht so viele Lehrer und daher vollführte er etwas äußerst pragmatisches. Diejenigen, die Gliedmaßen im Krieg verloren hatten, bekamen wieder Arbeit und nagten nicht mehr am Hungertuch. Und Kinder erhielten eine Ausbildung.
 

Man konnte im Jahre 1756 merken, das Unruhen im Lande laut wurden. Francis und Antonio, mit denen wir den Sieg im Schlesischen Krieg errungen hatten, wurden immer Wortkarger und wandten sich doch tatsächlich zum Sommer hin von mir ab! Ich vermute, in Francis Augen, durch die Schmähung Voltaires und Antonio hatte damals eigene Probleme. Es schien fast so, als würde Preußen außenpolitisch isoliert werden.
 

Ich saß in einem Schankraum fernab von Potsdam mit Francis und Antonio beisammen. Ich hatte sie hierher beordert. Es musste endlich reiner Tisch gemacht werden!

Die beiden hatten nur widerwillig zugestimmt. Und doch sah ich jetzt meine beiden Mitstreiter aus vielen Schlachten nun vor mir. Also bedeutete ich ihnen doch etwas.

Francis trank einen trockenen Rotwein, den er selbst aus seiner Heimat mitgebracht hatte. Bier nahm er ebenso wenig an, wie einfache preußische Hausmannskost, die man hier eben nur bekam. Antonio war da etwas lockerer. Wenigstens hatte er sich einen Krug Bier bestellt.

So saßen wir drei nun beisammen. Mein Blick wechselte zwischen den beiden.

„Ihr wisst, warum ich euch her gebeten habe?“, fragte ich in einem ruhigen Ton. Meinen Groll konnte man allerdings unschwer überhören.

„Oui. Du fragst dich, warum wir dich in letzter Zeit meiden.“, meldete sich der Franzose zuerst zu Wort. Er traf den Nagel auf dem Kopf. Zustimmend nickte ich nur.

„Nun, um es einfach zu sagen: Louis ist zu Ohren gekommen, wie Voltaire über deinen König spricht. Und das missfällt ihn sehr.“, meinte er. Ich ließ ein abfälliges Schnauben hören. Diese Information war mir nicht unbekannt. „Warum bildet sich dein König dann keine eigene Meinung?“, fragte ich gerade heraus. König Louis XV, genannt der „Vielgeliebte“, war ein sehr wankelmütiger König. Vom regieren hielt er so wenig wie vom Zölibat. „Du willst mir nicht erzählen, das ein Krieg bevorsteht, wo du auf der Seite vom Schluchtenscheißer stehst, nur weil euer Voltaire aus Sanssoucis geworfen wurde?“. Francis zögerte und sah mich an. In mir kochte es. „N-non! Natürlich nicht! Ich... darf darüber leider nicht reden...“, murmelte er leise. Ich verschränkte meine Arme. Also steckte mehr dahinter.

Antonio entschuldigte sich, da in seinem Land selbst Unruhen herrschten. Vor allem da Portugal den Aufstand übte um wieder mächtiger zu werden nachdem Spanien diesem Land viele Kolonien geraubt hatte. Und gerade Portugal wollte mit uns gegen unsere Feinde kämpfen. Da verwunderte es mich schon, das nicht auch Spanien auf der Seite des Kaiserreiches war.

Nach unserem Gespräch blieb ich im Schankraum zurück. Selbst im selbem Gasthaus wollten die beiden nicht mit mir gesehen werden. Wie tief war unsere Freundschaft gesunken? Ich leerte meinen Krug Bier und wollte auf mein Zimmer gehen. Morgen würde ich mich mit Ludwig, meinem Bruder unterhalten. Er fehlte mir sehr und das Roderich ihn gegen mich aufhetzen wollte, ging mir nicht aus dem Kopf.

Als ich aufstand, bemerkte ich dann einen Brief mit geöffnetem Siegel. Verwundert, wer diesen hatte liegen lassen, hob ich ihn auf. Das Siegel trug den Doppeladler des Hauses Habsburg.

Ein Kaiserlicher Brief! Und das hier im preußischen Gebiet? Er musste von Francis stammen. Vermutlich hatte er ihn verloren. Nun, da er schon einmal hier lag und ich herausfinden wollte was wirklich gegen Preußen geplant wurde, wollte ich diesen Brief an mich nehmen. Niemand anderes hatte ja Kontakt zu Österreich. Doch hier wollte ich ihn nicht lesen. Ich ging hoch in mein Zimmer und las den Brief. Er stammte nicht von Maria Theresia.

Es war ein Brief ihres Kanzlers. Und was dieser anstiftete, war unerhört!

Ihr Berater und Kanzler Wenzel Anton Graf Kaunitz, versuchte Preußen in allem schlecht zu machen! Er trieb es soweit, das er alle Bewohner des habsburgischem Bereiches gegen uns Preußen aufhetzte. Und nach und nach wurde mir einiges klar. Österreichs Herrscherin verfolgte die Rückeroberung Schlesiens. Das, was Elizabetha auch gerne „die vitalen Regionen Österreichs“, nannte. Worauf das wohl eine Andeutung war. Ich kann mir die beiden – Roderich und Elizabetha – nein! Genug dieser Gedanken!

Ich zerriss den Brief, ging noch einmal in den Schankraum hinunter und warf ihn in die Flammen der noch heißen Glut im Kamin.

Wenn ich Roderich in die Finger bekomme...
 

Als ich Ludwig wieder sah, da wirkte mein kleiner Bruder sehr verschlossen. Er begrüßte mich am offenen Eingangsportal des Schlosses in dem er mit allen der Monarchie gehörenden Nationen lebten.

Ich kniete mich zu ihn herab und sah in seine Augen. Irgendwie wollte er meinen Blick nicht erwidern. Seine blauen Augen glänzten, als würde er gleich weinen. Ich tätschelte sein blondes Haar und nahm ihn in den Arm.

„Ich will nicht! Ich will nicht gegen dich kämpfen!“, rief er in meine Schulter und seine Schultern bebten. Sacht strich ich ihm über den Rücken. Dieser kleine, empfindsame Junge, den ich über alles liebte. Gegen seine Armee, oder eher die dessen Teil zu Habsburg gehörte müsste die Armee Preußens antreten. Ich ließ ihn sich beruhigen und verharrte so in meiner Position. Dann sah ich ihn an. „Hast du Angst?“, fragte ich. Ludwig nickte. „Ein Beilschmidt hat niemals Angst.“, entgegne ich und lege ein schiefes lächeln auf. Er wischte sich die Tränen von den Augen. Dann stand ich auf und nahm seine Hand. „Komm.“, murmle ich und gehe mit ihm durch den Garten. In der offenen Halle sah ich Österreich stehen. Er schien zu warten, was Ludwig mir sagen würde.Ich merke wie Roderichs Blicke auf mir haften. Liebend gern würde er mich hinauswerfen, doch er kann mir nicht verbieten meinen Bruder zu besuchen. Auch wenn mir für diesen Besuch meine Waffen abgenommen wurden. Hatte er meinem Bruder etwas eingeschärft, das er ihm nichts sagen dürfe?
 

Als wir uns vom Eingangsportal entfernten, entspannte Ludwig sich etwas, ließ aber meine Hand nicht los.

„Warum will Herr Edelstein unbedingt diesen Krieg?“, fragte er leise. Sollte ich ihm die Wahrheit sagen? Das ich wusste, wieso? Ich sah über meine Schulter zu ihm hinab.

„Genau aus dem Grund, warum alle Nationen Krieg führen.“, antwortete ich leise. Mein kleiner Bruder verstand dieses Argument. Schon oft hatte er mitangesehen, wie Nationen sich bekämpften, nur um einen kleinen Teil des anderen Landes zu erhalten. Nur nicht im Fall Österreichs. Dessen Motto war es, sich Verbündete durch Heirat an sich zu binden. Und im Fall Maria Theresias gab es sehr viele Kinder, die einen geeigneten Gatten brauchten. Gerade die einjährige Maria Antonia war bestimmt schon irgendeinem Prinzen versprochen worden.
 

Wir beide gingen durch den Garten, als Ludwig kurz stehen blieb und in eine Allee hineinsah. Fragend blickte ich zu Ludwig. Dort fegten in ein paar Meter Entfernung zwei Dienstmädchen gerade den Boden. Es war nicht schwierig zu erkennen wer sie waren. Elizabetha Héderváry, Ungarns Repräsentantin erkannte ich sofort. Auf ihre Jahre ist sie sanfter geworden. Wenn ich an die vergangenen Jahrhunderte zurück denke...

Die andere ist weitaus kleiner. Etwa so groß wie Ludwig und der reichte mir damals bisweilen bis zu Hüfte. Sie trug ein grünes Kleid mit weißer Schürze und einer weißen Haube. Das Haar recht kurz für ein Mädchen in der Farbe von warmen braun. Eine Locke schaut an der Seite linken hervor, die im Wind leicht wippt. Ich sah zu Ludwig und bemerkte, wie seine Wangen sich leicht rosa verfärbten. Ich musste leicht grinsen. Mein kleiner Bruder hatte sich wohl verliebt. Sie werden so schnell erwachsen. Er beobachtete sie nur, außerstande sich zu rühren. Da drehten sich die beiden zu uns um. Elizabetha sah zu mir und erstarrte ebenso. Nur das kleine Mädchen lächelte und lief sofort auf uns zu und da erst erkannte ich auch sie. Das kleine Italien, der nördliche Teil, der sich dem Haus Habsburg angeschlossen hatte. Sie lief freudig zu Ludwig, der aber versteckte sich ängstlich hinter mir. Da blieb auch sie stehen und sah dann mich zum ersten Mal richtig an. Ich musste mir ein lachen verkneifen. „Verzeih, junge Dame, aber mein kleiner Bruder sich äußerst schüchtern.“, entschuldigte ich mich für ihn und bekam gleich darauf die Quittung. Ludwig stupste mich in den Rücken. Ich sah hinter mich und lächelte ihn an. „Wenn du sie magst, dann rede doch einfach mit ihr. Ich glaube Italien mag dich, Lutz.“.

Zögerlich kam er aus seiner schützenden Deckung hervor. Italien, die noch immer freudig ihn ansah, reichte ihm eine Hand. „Komm, lass uns zu Herrn Edelstein gehen.“, schlug sie vor. „I- ich weiß nicht...“, murmelte Ludwig leise und wandte sich wieder zu mir.

Ich musste mir ein lächeln abringen. „Geht ruhig. Wir reden später.“. Und so verschwanden die beiden auch schon. Ich sah zu Elizabetha, die mich hasserfüllt taxierte. „Du wirst schon sehen, wie weit deine Arroganz dich führt, Beilschmidt!“, giftet sie mich an und geht ebenfalls.

Ich sah ihr nur nach und stellte mich schon auf ein Gespräch mit Roderich ein.
 

Dieses Gespräch war äußerst wortkarg. Roderich sagte nicht viel, nur das es bald soweit wäre und Preußen die Rechnung begleichen würde. Kein Wort zum Brief des Kanzlers oder wie man den Krieg verhindern könne. Der Österreicher stellte eine Bedingung: Schlesien sollte wieder zurück in die kaiserliche Monarchie. Und als ich konsequent ablehnte, war das Gespräch auch schon beendet.

Bis zum Abend blieb ich bei meinem Bruder und versuchte ihn so gut es ging zu beruhigen. Er sagte, er fürchte sich sehr vor dem heran nahenden Krieg. Ich schwor ihm, auf mich Acht zu geben und bald zu ihm zurück zukehren.
 

Auch Friedrich merkte, das unruhige Monate, wenn nicht sogar Jahre auf uns zukommen würden und das Preußen dringend einen Verbündeten brauchte. In meiner fieberhaften Suche nach einem Bündnispartner stieß ich auf Arthur, den Repräsentanten Englands. Georg II, König von Großbritannien, Bruder der Mutter Friedrichs wollte uns im heraufziehenden Krieg gegen das Kaiserhaus Habsburg und dessen Verbündeten - wer konnte es sich denken – Frankreich, helfen. Welch Ironie doch manchmal das Leben schreibt. Im Österreichischen Erbfolgekrieg war dieser König unser Feind gewesen. Arthur eröffnete mir während unserer Gespräche im Vertrauen, ich vermute auch in einem Zustand des zu großen Alkoholgenusses, das er damals nur Franics hatte eins auswischen wollen. Als das getan war, hatte England sich aus dem Krieg zurück gezogen und hatte Frieden geschlossen. Ich hoffte nur, das es in diesem Fall nicht so sein würde. Aber man sagt ja, das Betrunkene zumeist die Wahrheit sagen.
 

Und im Juli des Jahres 1756 trat das unvermeidliche ein. Es würde wieder Krieg geben. Aber wie auch im Schlesischen Krieg tat Friedrich den ersten Zug. Er wollte nicht, das seine Feinde ihm den Krieg erklärten. Auf unserer Seite war das Königreich Großbritannien, Königreich Portugal, zwei Grafschaften aus Hessen - Kassel und Schaumburg - Lippe und das Kurfürstentum Braunschweig - Lüneburg. Maria Theresia scharrte Frankreich, Sachsen, Russland, Schweden und selbst die Armee meines kleinen Bruders um sich. Viele ältere Soldaten hatten große Befürchtungen. Und doch blieb Friedrich, der sich inzwischen seinen Beinamen „der Große“ zurecht verdient hatte, zuversichtlich. Und all zu bald würde es nicht mehr dauern.

~Sieben Jahre Krieg~

~Sieben Jahre Krieg~
 

Es war nicht wie die Kriege zuvor. Allein schon die Allianzen unserer Kriegsverbündeten war umgekehrt. Früher war ich es gewohnt, Francis und Antonio an meiner Seite zu wissen, doch nun war es Arthur, ganz der Gentleman wie man ihn kennt, umsorgte er während seines Aufenthaltes die Königin. Das war sie von ihrem Gatten nun ganz und gar nicht gewohnt und Friedrich missfiel dieses Verhalten. Elisabeth Christine hingegen war ganz entzückt vom Briten. Manchmal dachte ich, mein König wirft den Inselbewohner im hohen Bogen hinaus, doch dann stünden wir fast ohne einen mächtigen Verbündeten dar. Also nahm er es murrend hin. Wir trafen uns zu den Besprechungen auch nie in Sanssoucis, da der Preußenkönig keine Damen an seinem Hofe duldete, sondern trafen uns im Berliner Stadtschloss, dem Geburtsort Friedrichs II.
 

„Well, wie wollen wir nun gegen unseren Feind vorgehen?“ fragte Arthur in die Runde von Beratern, die neben den beiden Königen und uns beiden Repräsentanten anwesend waren. Ein aufgeregtes Gemurmel ging durch den Raum. Friedrich stand von seinem Platz auf und ging im Raum umher.

„Sehen wir es so,“ begann er und blieb vor einer Karte mit den eingezeichneten Territorien stehen. Sie lag ausgerollt in der Mitte des Tisches und wurde an den Ecken mit vergoldeten preußischen Adlern am einrollen gehindert. In den Jahren, in denen Friedrich König in Preußen wurde, hatte es sich stark gewandelt. Man beachte nur den territorialen Zuwachs von Schlesien. Trotzdem war das Land meines Herrschers immer noch weitestgehend ein Flickenteppich auf der europäischen Landkarte.

„Es wird Zeit, das Vorpommern und Mecklenburg endlich wieder preußisch werden und das Österreich seine Ansprüche an Schlesien endlich an uns abtritt.“ Mein König zeigte mit einem Stock auf die Gebiete, die an die Ostsee grenzten. Seit mehr als einhundert Jahren war dieses Gebiet, nördlich der Peene, schwedisch. Zustimmendes nicken und hier und da ein „Ja!“, war zu hören. Arthur sah nun zu seinem König und auch er erhob das Wort. „Wir wollen doch nicht auch unsere Ziele vergessen. Nordamerika und Indien sollen an uns fallen.“. Wieder ein zustimmendes Gemurmel von den Beratern.

„Natürlich, werter Onkel.“, stimmte ihm mein König zu. Es war ehrlich gemeint. Friedrich würde es sich in seiner jetzigen Situation nicht mit ihm verscherzen wollen. Arthurs Gesicht indes wurde ernst. „Wie lange hat mich dieser Froschfresser schon gedemütigt?“, grollte er. Die Geschichte kannte ich schon. Der Brite erzählte sie jedem, auch wenn er sie nicht mehr hören wollte. Sein kleiner Bruder, Alfred und der kleine Matthew, die ja in einem bösen Einfluss von Francis lebten. An sich waren die von George II und Friedrich II ähnlich. Sich abspalten von einer Monarchie - auch wenn Großbritannien in diesem Punkt weiter vorn war – und Großmacht werden.

Der Britische König versicherte seine Unterstützung im Kampf gegen Frankreich, Russland und Österreich und wir würden das selbige für ihn tun.
 

Im Juli, kurz vor Ausbruch des Krieges erhielt ich überraschenderweise einen Brief. Er stammte aus Russland. Murrend wollte ich den Brief schon ins Feuer werfen, doch dann fiel mir die Grußformel auf. Sie stammte nicht von Ivan, ebenso auch nicht von der Zarin Elisabeth. Der Kronprinz Peter hatte diese Zeilen verfasst. Verblüfft las ich das Schriftstück durch und konnte kaum glauben, was ich dort las. Ebenso erstaunt war auch Friedrich.

„Dieser Peter...“, sagte er, „Ist mir äußerst sympathisch.“ Der Preußenkönig lächelte. In diesem Brief stand, das Peter diesen Krieg bis aufs äußerste versucht hatte zu vermeiden. Doch leider war seine Tante, die Zarin, uneinsichtig und ganz und gar nicht Preußenfreundlich. Ganz im Gegensatz zu ihm. Wäre er Zar, hätte er sofort die Einberufung und Aufrüstung gestoppt und freundliche Kontakte zu uns gepflegt.

„Ich stelle mir gerade Ivans Gesicht an, Majestät.“, lächelte ich breit. „Wie er sich dem Willen dieses Jungen beugen muss, wenn er erst einmal Herrscher über Russland ist.“ Auch Friedrichs Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. „Doch leider ist er nicht der Zar. Und wir müssen mit dieser launischen, alten Elisabeth vorlieb nehmen. Ich seufzte. „Warum müssen alle Frauen nur solche Launen haben, wenn sie das Oberhaupt ihres Landes sind?“
 

Und einen Monat später brach ein neuer Krieg aus. Es ist zu mühselig ihn im Detail zu erläutern. Jedoch waren es sieben lange Jahre. Entbehrungsreich und auch kräftezehrend. Ich möchte euch nur sagen, das Friedrich, wie er es geplant hatte den ersten Schritt tat und das die ersten Jahre sehr erfolgreich für uns waren. Allerdings nicht so erfolgreich wie die ersten beiden schlesischen Kriege. Dieser Krieg umspannte fast die gesamte Welt. Von Nordamerika bis nach Indien. Korrekterweise hätte man ihn auch den ersten Weltkrieg nennen können. Doch dieser sollte sich ja viel später zutragen.
 

Den ersten großen Rückschlag ereilte den König nicht auf dem Schlachtfeld. Wir schrieben das Jahr 1757. Fast ein Jahr schon tobte der Krieg. Wir hatten vor kurzem erst die Schlacht um Kolin gegen Österreich verloren. Ein herber Verlust, doch waren wir uns gewiss, das wir mit aller Härte die verlorenen Gebiete wieder zurück gewinnen würden.

Ein Bote aus Berlin kam zu Friedrich mit einer niederschmetternden Botschaft. Die Mutter Friedrichs, Sophie Dorothea war im Schloss Monbijou am 28. Juni verstorben. Klagend zog Friedrich sich für den Rest des Tages zurück und schrieb seiner Schwester Amalie: „Liebe Schwester, alle Unglücksfälle schlagen auf mich mit einem mal ein. Vielleicht hat der Himmel unsere teure Mutter zu sich genommen, damit sie nicht das Unglück unseres Hauses sieht…“. Ich erinnere mich sehr gut an die Mutter, die so ganz anders als Friedrich Wilhelm gewesen war. Sie war nie besonders schön, doch hatte sie immer eine königliche Würde ausgestrahlt und trotz ihrer vierzehn Schwangerschaften immer eine gute Figur gehabt. Sie hatte in ihrem ersten Sohn immer einen Künstler gesehen. Bei ihr hatte er sein dürfen, wie er es wollte. Sie hatten sich regelmäßig getroffen und in einer Geheimbibliothek miteinander philosophiert. Friedrich hatte seine Mutter sehr geliebt, mehr noch als seine eigene Ehefrau. Sophie Dorothea war die erste Dame am Hof. Sie hatte damals von der versuchten Flucht des damaligen Kronprinzen gewusst und hatte die Briefe, die er aus Küstrin geschrieben hatte empfangen.
 

Friedrich bestimmte die Hohenzollerngruft im Berliner Dom als die letzte Ruhestätte seiner Mutter.
 

Nach der Niederlage auf dem Schlachtfeld und der Botschaft, wählte Friedrich eine andere Strategie. Zwar hatte er den Ruf der Unbezwingbarkeit verloren, jedoch blieb er bei seinen Feinden immer noch unberechenbar, schnell und kaum zu bezwingen.
 

Nach drei der sieben Jahre war unser Heer schon sehr erschöpft. Wir hatten an so vielen Schauplätzen gekämpft, das es uns kaum noch gelang das preußische Kernland zu verteidigen.
 

Doch bleibt mir die Schlacht bei Kunersdorf vom 12. August für immer im Gedächtnis.
 

Wir kämpften nahe Frankfurt an der Oder gegen die Russen. Sie hatten sich durch Ostpreußen gekämpft und uns große Verluste zugefügt. Nun standen wir uns nahe Kunersdorf gegenüber.

Ich hatte mich, wie alle unserer restlichen Mannen in die Schlacht geworfen. Auch Friedrich kämpfte hoch zu Ross gegen den Feind. Pistolenhagel ging immer wieder auf uns nieder. Dann endlich entdeckte ich Ivan. Er erschlug unsere Soldaten als wären es einfache Holzattrappen. Mein Waffenrock war schon durchlöchert, blutig vom Kampf, doch wollte ich mich nicht geschlagen geben.

Brüllend lief ich auf den Hünen von einem Mann entgegen, das Bajonett im Anschlag. Als er mich sah, lächelte er mich wie ein kleines Kind freudig an.

*Dir wird noch der Spaß vergehen!*, dachte ich zähneknirschend. Gerade wollte ich mich auf ihn werfen, als er mein Bajonett packte, es mir entriss und mich an meiner Kleidung empor hob.

„Privjet, Gilbert.“, sagte er mit zuckersüßer Stimme und lächelte noch breiter. „Warum siehst du deiner Niederlage nicht entgegen?“ - „Weil du eine Niederlage erleben wirst!“ zischte ich und versuchte mich aus seiner eisernen Umklammerung zu befreien. Er kicherte nur und gab mir einen Schlag in die Magengrube, das mir die Luft wegblieb. Mir wurde kurz schwarz vor Augen und ich hatte den Geschmack von Blut im Mund.

„Deinem König scheint es nicht gerade besser zu gehen~“ säuselte er weiter. Automatisch wandte ich meinen Blick zu Friedrich, der mit gezogenem Degen auf einem Pferd auf einen russischen Soldaten einstach. Er bemerkte nicht, das ein anderer Soldat gerade mit seiner Flinte auf ihn zielte. Ivan hielt mich immer noch umklammert und ich war gute hundert Meter von ihm entfernt.

Da löste sich schon der Schuss.

Ich sah nur noch wie Friedrich vom Pferd stürzte und liegen blieb. In mir blieb alles still mein Blut gefror zu Eis, ich konnte keinen Muskel mehr rühren.

Ein paar Soldaten hoben unseren König hoch und schleppten ihn von dannen. Ein Offizier befahl den Rückzug und wir mussten die Schlacht aufgeben. In diesem Augenblick ließ Ivan mich los und ich konnte mich nur taumelnd vom Schauplatz entfernen. Ich konnte alles nur durch einen Schleier sehen. Lag Friedrich im Sterben? War dies das Ende?
 

Im Lazarett angekommen kümmerten sich die Ärzte um die Verwundeten. Viele hatten schwere Verletzungen. Einer kam auf mich zu, doch ich wollte mich nicht untersuchen lassen. Viel wichtiger war für mich jetzt mein König.

Um ihn herum waren drei Feldscher, die sich um ihn kümmerten. Friedrich lag da wie tot. Aber ich fühlte mich nicht so, als läge er im sterben. Als ich näher herantrat, da öffnete er auf einmal die Augen. Er keuchte schwer, als sei er mehrere hundert Meilen gelaufen.

„Ein Wunder, er lebt!“, rief einer aus.

Aber ganz so ein Wunder war es dann nicht. Friedrich öffnete seine Uniform und holte eine kleine, runde Dose hervor, in der eine Kugel steckte. Ich erkannte die Dose wieder, genauso wie auch mein König. Es war die Schlupftabakdose, die er vor Jahren von Voltaire geschenkt bekommen hatte.

Ironie des Schicksals, wie man es so nennt.
 

Am Abend saß Friedrich dann am Feuer und starrte in die Flammen. Das preußische Heer war nach der Niederlage kurzzeitig zerschlagen, hatte sich aber nach der Nachricht, der König sei am Leben wieder neu formiert. Aber was war das für ein kleiner kümmerlicher Haufen? Friedrich hatte gerade einen Brief an seinen Staatsminister Graf von Finckenstein verfasst und den Oberbefehl an seinen Bruder Prinz Heinrich übertragen. Ich lese dies hier nun für euch vor. Niederschmetternder könnte keine Nachricht sein.

„Ich habe heute morgen um 11 Uhr den Feind angegriffen. Wir haben sie bis zum Judenkirchhof bei Frankfurt zurückgedrängt. Alle meine Truppen haben Wunder an Tapferkeit vollbracht, aber dieser Kirchhof hat uns ungeheure Verluste gekostet. Unsere Leute gerieten durcheinander, ich habe sie dreimal wieder rangiert, am Ende war ich selber drauf und dran, gefangen zu werden, und musste das Schlachtfeld räumen. Meine Kleidung ist von Kugeln durchlöchert. Zwei Pferde wurden mir unter dem Leib erschossen, mein Unglück ist, dass ich noch am Leben bin. Unsere Niederlage ist enorm. Von einer Armee von 48.000 Mann habe ich keine dreitausend mehr. Indem ich dies schreibe, flieht alles, und ich bin nicht mehr Herr meiner Leute. Man wird gut daran tun in Berlin, an seine Sicherheit zu denken. Das ist ein grausamer Rückschlag, ich werde ihn nicht überleben; die Folgen dieses Treffens werden schlimmer sein als das Treffen selbst. Ich habe keine Reserve mehr, und, um nicht zu lügen, ich glaube, dass alles verloren ist. Ich werde den Untergang meines Vaterlandes nicht überleben. Adieu für immer! Friedrich“
 

Nun saß er dort am Feuer. Ich wusste, das er mit dem Gedanken spielte sich hier und jetzt das Leben zu nehmen. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis Russland und Österreich nun zum finalen Schlag ausholen würden.
 

Doch der blieb wider erwarten aus.

Anfang September des Jahres 1759 rückten Russen und Österreicher nach Osten ab. Der Sturm auf Berlin blieb aus. Sie nutzten nicht die Gunst der Stunde uns zu schlagen. Es war ein Wunder, das uns rettete. Friedrich konnte seine übriggebliebene Armee neu formieren.
 

Wir konnten uns die folgenden Jahre wieder besser gegen die feindlichen Truppen erwehren, jedoch mit großen Verlusten. Berlin wurde in den nächsten Monaten dann doch kurzzeitig von den Russen belagert, mit einem Befreiungsschlag konnte diese aber wieder aufgehoben werden.
 

Aber das wahre Wunder passierte dann zum Jahreswechsel 1762. In Russland starb die Zarin und ihr Neffe Peter wurde zum Nachfolger gekrönt. Und so wie er es Jahre zuvor in seinem Brief geschrieben hatte, stoppte er die Kriegstreiberei gegen Preußen und unterzeichnete einen Friedensvertrag. Russland schied aus dem Krieg aus und Österreich blieb mit Frankreich und Schweden alleine zurück. Viele verwechseln dieses Wunder mit dem Mirakel des Hauses Brandenburgs, das sich in Wahrheit auf den Abzug der österreichischen und russischen Truppen nach der Schlacht von Kunersdorf bezieht. Aber diese beiden haben nichts miteinander zu tun.

Leider regierte Zar Peter III nur ein halbes Jahr, danach wurde er hinterrücks ermordet, beauftragt durch seine Frau Katharina, die aus einer preußischen Provinz in die russische Monarchie hineingeheiratet hatte. Die setzte sich nun die Zarenkrone auf den Kopf.

Viele vermuteten nun, die Politik Elisabeths würde wieder aufleben, doch das trat nicht ein. Katharina wählte den Frieden.

Gestärkt durch den Austritt Russlands zogen wir wieder in die Schlacht. Und wie durch diese Wunder beflügelt errang unsere Armee die Oberhand.
 

Binnen kurzer Zeit brach die antipreußische Koalition auseinander. Es wurden nun nicht mehr nur Schlachten geschlagen, sondern auch Verhandlungen. Am 10. Februar 1763 schlossen die Briten und Portugiesen mit Frankreich und Spanien Frieden. Fünf Tage danach war dann auch der Krieg zwischen uns und den Österreichern beendet. Zwar hatten wir keine großartigen Gewinne erzielen können, jedoch wurde Preußen nun als fünfte Großmacht neben Großbritannien, Frankreich, Österreich und Russland angesehen. Frankreich hatte sich schwer verschuldet und verlor die Österreichischen Niederlande, die heute eher unter dem Namen Belgien bekannt ist. Dazu musste Francis weite Teile Nordamerikas und Indiens an Arthur abgeben. Der wälzte die Schulden auf die Siedler ab. Was daraus folgte, kennen wir unter dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Aber der spielt hier keine Rolle. Davon soll euch eher Alfred erzählen. An uns für sich hatte sich für mich und Roderich nichts geändert. Der Status quo ante bellum, der Zustand zu Friedenszeiten wurde wiederhergestellt.
 

Leider musste nicht nur ich feststellen, das die Kriegsjahre arg an meinem König gezehrt hatten. Er war früh gealtert. Jetzt, 51- Jährig war kaum noch etwas vom weltoffenen Monarchen zu spüren. Er war zynisch und verbittert geworden. Und, zu meinem großen Betrüben hielt das von nun an auch so bis zum Ende an.

Heimreise

~Heimreise~
 

Es war Anfang März des Jahres 1763. Der Friedensvertrag von Huberusburg zwischen uns, Österreich und Sachsen lag nun zwei Wochen hinter uns. Und endlich waren wir wieder auf dem Weg zurück nach Berlin. In ein paar Tagen würden wir wieder in unserer Heimat sein. Jedoch war die Reise zurück nicht sehr fröhlich. Friedrich wollte unbedingt an einigen Kriegsschauplätzen vorbei, an denen wir gefochten hatten. Jedes Mal, wenn wir hielten, stieg er aus seiner Kutsche aus und blieb für einige Momente still stehen. Ich glaube, er tat es, um den Gefallenen zu gedenken, die für ihn gestorben waren.

Hinter der Grenze zwischen Sachsen und Preußen hielten wir in einer Taverne und wollten die Nacht dort verbleiben. Es war ein zweigeschossiges Haus, am Rande einer kleinen Stadt. Von drinnen drang kaum ein Laut. Das war auch nicht verwunderlich. Jetzt, so kurz nach dem Krieg hatten die Leute andere Sorgen, als lustig in Tavernen ihr hart erarbeitetes Geld auszugeben.

Ich ging woraus und kündigte Friedrich dem Tavernenwirt an, damit dieser dem Preußenkönig eine akzeptable Unterkunft herrichten möge.

Der Schankraum war für diese späte Nachmittagsstunde recht leer. In der hintersten Ecke spielten zwei Leute Karten. Der Raum war spärlich beleuchtet. An den Tischen gab es ein paar Kerzen und am Tresen ein paar Öllampen.

Der Mann, ein etwas untersetzter, dicklicher Herr, mit schütterem, leicht ergrautem Haar und wässrigen Augen starrte mich erst verdattert an, als er dann aber Friedrich hineinkommen sah, sprang er, wie von der Tarantel gebissen auf und konnte gar nicht so viele Verbeugungen machen. Auch die beiden in der Ecke rissen die Münder auf und knieten ergeben nieder.

„Eure Majestät! Eine Ehre! Eine große Ehre!“, rief er und berührte fast mit seiner Stirn den Boden. Erstaunlich, wie gelenkig dieser Mann doch war.

„Schon gut, schon gut, möge er sich erheben!“, meinte Friedrich nur und wandte sich zu einer Bank um sich zu setzen.

Sofort lief der Wirt in einen Raum hinter der Theke. Aufgeregtes murmeln war zu hören. Ich bekam nur soviel mit das er wohl seinem Weib die Neuigkeit mitteilte, denn kurz darauf erschien eine Frau mit mausgrauem, zu einem geflochtenem Zopf frisiertem Haar, einer fleckigem Schürze und Haube. Sie kreischte auf und keifte ihren Mann an, das sie sich so doch nicht vor dem König hätte zeigen können. Schnell eilte sie zurück in den Raum von dem der Geruch von gebratenem Fleisch kam.

„Ich werde für euch das beste Zimmer herrichten.“, versprach er und war schon wieder in den Raum auf der anderen Seite verschwunden.

Nun ließ ich mich auch nieder.

„Was die Leute für ein Gewese machen, nur weil ihr König hier einkehrt.“, „Ihr seid ihr König. Sie lieben euch.“, erwiderte ich nur, was dem ganzen auch der Wahrheit entsprach. Friedrich schnaubte nur und sah hinaus auf das Feld auf dem Kinder mit Holzschwertern anscheinend Schlachten nachspielten. Eine junge Frau, vielleicht die Mutter eines der Kinder rief sie nach Hause. Sie hatte wohl die Kutsche neben der Taverne gesehen und ihre Schlüsse draus gezogen.
 

„Gilbert, ich will morgen so früh wie möglich aufbrechen.“, verkündete mein gealterter König und sah mich mit müden Augen an. „Ich möchte, das du nach Berlin voraus reitest und alles für meine Ankunft dort vorbereitest. Ich selbst will von hier aus weiter Richtung Kunersdorf.“

Ich machte große Augen. Wieso wollte Friedrich sich dieser Qual erneut stellen? Er schien meine Frage aus meinem Gesichtsausdruck lesen zu können.

„Ich habe dort die größte Schmach erlitten. Und doch überlebte ich wie durch ein Wunder.“, er holte die eingedellte Schnupftabakdose hervor.

„Wäre die Kugel nur ein paar Zentimeter höher oder tiefer eingedrungen...“ er beendete den Satz nicht.“Majestät- ich...“, „Ich habe dir einen Befehl gegeben. Führe ihn aus und wenn du dies getan hast, reite mir entgegen. Ich gebe dir einen Brief mit, den gibst du meiner Frau.“ Ich nickte.

Von hier aus war Kunersdorf etwa vier Reisetage per Pferd oder Kutsche entfernt, Berlin gerade mal zwei. Ich würde ihn also kurz vor oder hinter Kunersdorf antreffen.

Der Wirt kam mit dem essen und wir taten uns gütlich daran. Das Fleisch war saftig und zart. Er hatte Brot und Kartoffeln dazugetan. Darüber freute Friedrich sich etwas.

Nach dem essen zog er sich auf sein Zimmer zurück. Ich blieb noch im Schankraum und genoss einen Krug Bier. Ein Diener kam wenig später mit dem Brief für Elisabeth Christine zu mir und gab mir diesen. Dann ging er wieder hinauf zum König.
 

Ich hing meinen Gedanken nach. Es war allen am Hof schon lange klar, das man von Friedrich II. Keine Kinder mehr erwarten würde. Daher hatte er sich um eine geeignete Thronfolge schon gekümmert. Zuerst sollte sein Bruder, August Wilhelm die Staatsgeschäfte nach dem Tod des Monarchen aufnehmen. Leider hatte dieser im siebenjährigen Krieg mehrere Male versagt und der König entließ ihn aus der Thronfolge. Stattdessen sollte dessen Sohn, Friedrichs Neffe, Friedrich Wilhelm der nächste König werden. Der Junge war nun 19 und hochbegabt in der Kunst und Literatur. Sein Onkel hatte seinen Erziehern freie Hand gegeben. Wenn Friedrich Wilhelm sich für etwas interessierte, sollte er es auch machen dürfen. Allerdings war seine größte Neigung dem weiblichem Geschlecht zugewandt.

Trotzdem kam dieser der Statur nach dem Großvater, dessen Namensvetter er war. Eine passende Ehefrau war auch schon ausgesucht, die die Liebeseskapaden des Thronfolgers hoffentlich in die richtigen Bahnen leiten würde. Die Vorlieben des Jungen an französischen Tänzerinnen war weithin bekannt.

Ich seufzte und leerte mein Bier bevor auch ich mich in mein Zimmer zurückzog. Morgen früh würde ich mich wieder aufs Pferd schwingen und weiter Richtung Berlin reiten. Ich legte meine Sachen über den Stuhl und schlüpfte unter die Decke. Irgendwo im Gasthaus hörte ich jemanden laut schnarchen. Ob das der Wirt war? „Die arme Frau...“, dachte ich noch bevor ich dann in einen leichten Schlaf fiel, der gelegentlich durch das laute schnarchen des Wirtes unterbrochen wurde.
 

Als die ersten Sonnenstrahlen die Baumwipfel berührten, war für mich der Schlaf auch vorbei. Ich setzte mich auf, zog mir meine Hose an, holte mir Wasser aus dem Brunnen neben dem Gasthaus und wusch mich in der Waschschüssel, die in meinem Zimmer stand. Das kühle Nass weckte meine Lebensgeister, sodass ich mich fertig ankleidete und hinunter in den Schankraum ging. Vorher noch steckte Ich hatte beim ersten hinausgehen schon die Wirtin gesehen und ihr mein Frühstück aufgetragen. Mit leerem Magen wollte ich nun wirklich nicht reiten. Ich verzehrte mein Mahl und verabschiedete mich dann. Von meinem König musste ich mich nicht verabschieden, er hatte mir ja selbst diesen Auftrag erteilt. Und so ritt ich gen Berlin. Wie das Volk wohl über die Nachricht reagieren würde? Oder gar die Königin selbst?
 

In Berlin angekommen ritt ich zum Berliner Stadtschloss. Die Stadtwache hatte mir gesagt, die Königin sei dort anzutreffen. Vor den Toren des Schlosses hielt ich mein Pferd an. Die Palastwache hielt mich an. „Was ist euer Begehr?“, fragte mich der eine. Eine Standardfrage, auch wenn man den Gegenüber kannte, wurde man dies jedes Mal gefragt.

„Der König schickt mich mit einer Nachricht für seine Frau.“, antwortete ich und hielt den Brief hoch auf dem das königliche Siegel zu sehen war. Die Wache besah sich kurz das Wachssiegel, nickte dann und ließ mich passieren.
 

Im Inneren des Schlosses stieg ich vom Pferd. Ein Diener nahm sich des Pferdes an und ein anderer nahm mir meinen Reiseumhang ab. „Die königliche Majestät geruht im Musikzimmer zu verweilen.“, erklärte er mir. Ich nickte. Das Musikzimmer? Elisabeth Christine, die alles andere als musikalisch begabt war? Doch ich ging hinauf und vor dem besagten Zimmer saß eine junge Dame. Es war wohl eine von Elisabeths Hofdamen. Sie knickste vor mir. „Die königliche Majestät wünscht niemanden bei ihren musikalischen Übungen zu stören.“, sagte sie. Von drinnen hörte ich ein paar klägliche Laute einer Harfe.

„Bitte, ich komme von ihrer Majestät, dem König. Ich habe eine Nachricht von ihm für seine Frau.“ Die Hofdame machte große Augen und knickste erneut. „Bitte wartet hier.“, antwortete sie und klopfte leise an die Tür. Die Harfenklänge verstummten und die Königin rief sie hinein. Die junge Frau ließ mich im Flur allein zurück. Ich hörte sie beide leise miteinander tuscheln, bis ich eingelassen wurde. Ich kniete vor der Königin, die neben der Harfe saß und mich ansah. Sie ließ mich wieder aufstehen.

„Man sagte mir, ihr habt eine Nachricht von meinem geliebten Gatten?“, fragte sie. Es war wohl das erste Mal das sie direkt mit mir sprach. So oft hatte ich sie auch noch nie gesehen, geschweige denn sprechen hören.

„Das ist richtig, königliche Hoheit. Der König selbst gab mir den Auftrag dazu.“

Sie hielt ihre Hand hin und ich gab ihr den versiegelten Brief.

Während sie ihn las herrschte langes Schweigen. Als sie den Brief zu Ende las, seufzte sie leise.

„Er hat den Krieg unbeschadet überlebt und kehrt bald zu mir zurück.“, sagte sie. Ich hörte Erleichterung in ihrer Stimme mit schwingen. Sie hatte zwar schon die Hoffnung auf ein gemeinsames Kind zu Grabe getragen, doch hoffte sie noch immer, sie würden nach langer Zeit endlich so etwas wie Zuneigung füreinander entwickeln, hatte Friedrich ihr doch immer beteuert und zu Gute gehalten, wie Loyal und Treu sie ihm doch war. Er war ihr keineswegs egal, er kümmerte sich stets um sie, bedachte sie mit wertvollen Geschenken, doch konnte er nie wirklich Zuneigung für sie entwickeln.
 

Sie sah zu mir und schenkte mir ein warmes lächeln. „Ich danke euch, das ihr die Strapazen auf euch genommen habt und mir diese Nachricht habt zukommen lassen.“ sagte sie und hielt mir ihre rechte Hand zum Kuss hin. Ich erwiderte die Geste und küsste ihre Hand.

„Ich habe euch an der Harfe spielen gehört, Majestät. Es klang sehr schön.“, gab ich zur Antwort. Elisabeth Christines Wangen wurden einen Hauch rosa und sie lächelte. „Ach, nichts im Vergleich zu den Sonaten, die mein geliebter Gatte komponiert.“

Was war sie doch für eine reine Seele. Fast schon konnte man Mitleid für sie empfinden. Aber sie schien auf eine gewisse Art Glücklich.

„Wenn ihr wieder zu meinem Gatten reitet, dann gab ihm dies hier von mir mit. Damit er es mir, wenn wir uns wiedersehen zurück geben kann.“, sagte sie und gab mir ein fein besticktes Taschentuch. Es roch leicht nach einer Mischung aus Rosen und Jasmin. Sie bat mich, für die Nacht im Schloss zu bleiben. Die Diener würden mir eine Wohnung bereitstellen.

Da ich die letzten Nächte eher schlecht als recht geschlafen hatte und ich der Bitte der Königin nicht abschlagen konnte, willigte ich dankend ein und blieb die Nacht. Diesen Tag mehr würde nicht zu Gewicht fallen. Am Nächsten Tag würde ich erfrischt und ausgeruht zurück reiten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe mich dazu entschlossen, endlich an dieser Fanfiction weiterzuschreiben. Auch werde ich die bisherigen Kapitel überarbeiten und hier und da ausbesserungen durchführen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hatte zwar gesagt, das ich vor der LBM kein neues Kapitel veröffentliche, doch war ich die letzten Tage doch so inspiriert, das ich es einfach niederschreiben musste.
Ich werde im folgenden Kapitel (Kap. 12) nicht komplett auf die 7 Jahre Krieg eingehen. Nur die erwähnenswertesten Fakten und viel Zwischenmenschliches wird darin vorkommen. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Von:  BB-Cute
2017-04-01T17:22:16+00:00 01.04.2017 19:22
Wunderbar! ;3 Immer weiter so~ Ich mag deinen Schreibstil sehr.
Ich finde es außerdem erstaunlich, wie du als fast als einzigste, von den ganzen geschichtlichen FF´s die ich schon gelesen habe, so gut wie Lückenlos die Vorkommnisse und Details beachtest!
Ganz viele liebe Grüße
BB-Cute♥
Von:  kawaii_kamy
2017-03-30T14:41:22+00:00 30.03.2017 16:41
Wow, so schnell wieder ein neues Kap! *-*
Ich finde es mit den Dialogen viel lebendiger! Hat gleich noch mal mehr Spaß gemacht zu lesen. Ich finde es toll wie Gilbert gemerkt hat, dass irgendwas nicht stimmt, als Friedrich erschossen wurde. ^^ nettes Detail! Und das zusammentreffen mit Ivan xD... der ist so gruslich. Aber ich mag ihn. Ich denke du hast ihn erstaunlich gut getroffen, obwohl er nur kurz vor kam.
Von:  BB-Cute
2017-03-29T06:51:17+00:00 29.03.2017 08:51
Wunderbar! Mach weiter so! :3
Es ist echt gut geschrieben, richtig interessant~
Ich freu mich wenn das nächste Kapitel kommt ;P Ich verfolge es weiter mit!

LG BB-Cute♥
Von:  kawaii_kamy
2017-03-28T17:07:08+00:00 28.03.2017 19:07
Wie schön ein neues Kap. Also ich finde es toll das du dir die Zeit genomen hast.
Ich finde es gut das du erwähnt hast das die Krigsveteranen nun als Lehrer eingesetzt werden.
Das Treffen von den 3 "Freunden" hat mir gefallen, aber ich hätte mir da mehr Dialoganteil gewünscht. Auch bei den Besuch bei Ludwig. Ich denke es wäre dann noch emotionalter und spannender.
Ich bin sehr gespannt, wenn ich mich nicht ganz teusche war das komende, der Krieg wo es einen Machtwechsel in Russland gibt und sie sich mitten im Krieg auf die seite von Präußen schlagen? Irgend was war da .... >.>
Ich freue mich schon auf das nächste Kap! ♥
Von:  kawaii_kamy
2017-03-22T09:54:37+00:00 22.03.2017 10:54
Also das Kapitel 4 war schwer zu ertragen. ^^' aber wegen der Geschichtlichen Hintergründe. Friedrich tut mir so schrecklich leid! Ich mag die Geschichte auch wenn sie ganz anders ist als ich ursprünglich dachte. xD' ich hatte mir mehr Interaktion zwischen Gilbert und Friedrich erhofft und vielleicht etwas Romantik. Das ende ist etwas abrupt, auch wegen den Verweis auf Ivan. Wird es noch weiter gehen? Ich hatte irgendwie angenommen es ist abgeschlossen, aber es scheint nicht so.
Gilbert hat Ludwig meist nur gesehen wenn er schlief, so kam es mit vor, vielleicht auch weil ihre Gespräche sehr rar waren. Ich denke wenn du etwas aktiver schreiben würdest, wäre die Geschichte noch viel besser. Momentan ist es eher eine passive Erzählung aus Gilberts Sicht. aber dennoch interessant und ich finde gut recherchiert. Ach die Sprache am Hof ist gut umgesetzt. Mehr Dialoge auch zwischen den Ländern wären schön!Wie sie sich über ihre Herrscher austauschen zum Beispiel. xD'
Ich würde es begrüßen mehr von dir zu lesen! ^.~
Antwort von:  Julchen-Beilschmidt
22.03.2017 12:47
Vielen Dank für deine konstruktive Kritik. Ich werds in den folgenden Kapiteln beherzigen. Und natürlich ist die Geschichte noch nicht vorbei. Es gibt noch soviel was ich erzählen möchte. Wie gesagt, ich will mir jetzt etwas mehr Zeit nehmen. Vor der LBM erstmal nicht, aber danach auf jeden Fall XD.
Von:  kawaii_kamy
2017-03-22T00:36:16+00:00 22.03.2017 01:36
Ich finde den Anfang vielversprechend und gut geschrieben, auch wenn ich persönlich mit der Ich-form nicht so viel anfangen kann. Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht,deswegen lese ich gleich mal das nächste Kap!
Ach und ich finde es toll das du dich auf tatsächliche Historische Einzelheiten stützt! Das ist schwierig, wenn man erstmal recherchieren muss und nicht gleich drauf los schreiben kann. Ich mag auch die Kleinigkeiten auf die du achtest. Zum Beispiel das Gilbert will das sein Pferd mehr essen bekommt. Er ist ein guter Kerl!
Antwort von:  Julchen-Beilschmidt
22.03.2017 05:32
Danke für deinen Kommentar. Es freut mich, das dir meine FF gefällt. Leider komme ich in letzter Zeit nicht dazu, neue zu verfassen. Ich muss mich wirklich mal wieder hinsetzen und schreiben ^^"
Von:  MinYoyo
2014-01-13T17:35:17+00:00 13.01.2014 18:35
Oh cool. Die fanfic ist der hammer !!!
Mir gefällt auch dein Schreibstil. Richtig gut.
Von:  Youmi-chan
2013-08-08T12:17:46+00:00 08.08.2013 14:17
Deine Fanfiction ist echt klasse geschrieben .Ich finde es toll ,dass du dich an historische Ereignisse hälst und das Leben von Friedrich dem 2. genauer beleuchtest ;hab mich auf Wikipedia auch schon etwas schlau gemacht und bin schonmal sehr gespannt auf die weitere Vater-Sohn Beziehung und welcher Rolle Gilbert dabei spielt.
Antwort von:  Julchen-Beilschmidt
08.08.2013 14:23
Vielen Dank^^
ich freu mich das es dir bisher gefällt.


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