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Quand je suis lá, je suis sans soucis

Wenn ich dort bin, bin ich ohne Sorge
von

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~Küstrin~

~Küstrin~
 

Es war noch dunkle Nacht als ich erwachte. Von unten vernahm ich lautes Geschrei. Lutz neben mir schlief noch friedlich, aber der Lärm weckte meine Lebensgeister und meine Neugier. Schnell zog ich mich an und ging nach unten.

Dort stand Friedrich, umringt von preußischen Soldaten, die ihm die Schwerter vor die Nase hielten. Er hatte fremde Kleidung an, wahrscheinlich englische.

Einen Moment lang setzte mein Herzschlag aus. Hatte er in dieser Nacht versucht zu fliehen?

„Ich bin der Kronprinz von Preußen!“ blaffte er die Offiziere an. „Jetzt

ist er ein Deserteur.“ Meinte der eine nur und ließ den Prinzen abführen.

Ich sah ihnen zu. Was war geschehen? Schnell lief ich zum König. Es war so früh am Tag, dass ich ihn noch halb in seinen Schlafkleidern fand.

„Majestät! Sie haben euren Sohn gefangen genommen!“ rief ich aufgebracht.

Ruhig sah mich der dicke Mann an. „Ja, natürlich. Auf meinen Befehl hin.“

Antwortete er mir und hob einen Brief vom Tisch auf und überreichte ihn mir. Er war von Friedrich verfasst worden. Meine Augen flogen nur über die Zeilen. Ich konnte nicht glauben was da stand.

Friedrich wollte in den frühesten Morgenstunden, wenn noch alle schliefen mit einem Pferd allein davon reiten, sein Ziel war die französische Grenze.

„Den habe ich abfangen lassen. Er war an Hans Hermann von Katte adressiert.“

Ich war Kreidebleich geworden. „Wusstet ihr was davon?“ fragte er mich in einem Ton der verriet, dass er jeden, der Teil hatte an dieser Flucht, sofort selbst erschießen würde. „Nein, Majestät. Davon höre ich heute zum ersten Mal.“ Was ja nur die halbe Wahrheit war. Ich wusste zum Teil von der Flucht, aber wie diese Friedrich geplant hatte, konnte ich nicht wissen. Der König stand auf und sah mich ernst an.

„Ihr werdet selbst dafür sorgen, dass mein Sohn wieder zurück auf preußisches Gebiet gelangt!“ befahl Friedrich Wilhelm im barschen Ton und seine wässrigen Augen starrten mich an.

Mir blieb nichts anderes übrig, als zu nicken.

Noch am selben Tag ritt ich mit dem Kronprinz und zwei Wachen zurück nach Berlin. Das Gefolge seines Vaters würde nach der Reise nach Mannheim nachkommen. Ich führte einen Brief bei mir, der die Gefangennahme des Kronprinzen und Kattes beinhaltete. Friedrich sah wütend und enttäuscht aus. Seine Flucht war gescheitert bevor sie überhaupt begonnen hatte.

Es dauerte ein paar Tage bis wir wieder in der preußischen Hauptstadt ankamen. Doch es schien, dass das gemeine Volk schon über die vermeintliche Flucht ihres Prinzen informiert worden war. Ich hatte dem Prinzen empfohlen in einer Kutsche

weiter zu reisen, um ihm sie Schmach zu ersparen, mit dem ihm das Volk ansah. Die Soldaten des Königs nahmen meinen Brief entgegen und nahmen ihren Prinzen sofort mit. Er sollte bis zur Ankunft seines Vaters in seinem Zimmer bleiben,

ohne jeglichen Komfort. Nur eine Dienstmagd brachte ihm schweigend drei Mal am Tag etwas zu essen.
 

Als dann der König nach einer Woche ankam, befahl er, seinen Sohn sofort zu sehen. Auch ich sah ihn nach seinem Arrest das erste Mal wieder. Er sah blass aus, ungepflegt und mitgenommen von der Isolierung. Auch Wilhelmine, seine Tochter hatte der König unter Arrest gestellt, da er vermutete, dass auch sie etwas mit der Flucht zu tun hatte. Er befahl noch im selben Atemzug, in dem er Wilhelmine unter Arrest stellte, dem Prinzen seine sämtlichen Titel abzuerkennen und schickte ihn in die Festung Küstrin bis ein Urteilsspruch gefällt war. Dort würde alles Weitere beschlossen werden. Auch befahl er, dass seinem Sohn keine bevorteilte Behandlung noch jeglicher Komfort zuteilwerden sollte.
 

Tage später- die Verhandlung zur Tat tagte gerade- kam der König in die Festung Küstrin um seinen Sohn zu befragen. Ich selbst unterlag wieder dem Befehl des Königs und musste ihm überall hin folgen. Noch war Friedrich

gefasst und in seiner besten Kleidung, doch wies diese schon Flecken auf, da seine Sachen nur selten gewaschen wurden. Wir waren in einem Zimmer, das zu befragung umfunktioniert worden war. Ein Tisch, ein Stuhl und eine Öllampe standen dort, mehr nicht. Friedrich Wilhelm stand mit dem Rücken zu seinem Sohn und sein Ton war noch ruhig, doch lag darin schon eine gespannte Tonlage mit. Friedrich stand am Fenster, den Blick nach draußen gewandt. Ich konnte ahnen, was er dachte.

„Warum hat er desertieren wollen?“ fragte er.

„Ich hatte einen Ausritt vor.“ Antwortete Friedrich ebenso ruhig. Ich dachte, es würde weiter so ruhig bleiben, aber aus heiterem Himmel schrie der König seinen Sohn an. „Er ist ein feiger und ehrloser Deserteur!“ polterte er los. „Ich habe jedenfalls mehr Ehre als Sie! Die Sie mich nicht wie einen Sohn, sondern wie einen wertlosen Sklaven behandeln!“ Friedrich knurrte die letzten Worte nur noch hervor. Voller Wut war er. Das konnte ich deutlich spüren. Da ergriff der Vater sein Schwert und zog es heraus. In Panik sprang ich vor Friedrich. Wollte er ihn gerade selbst exekutieren?

„Majestät!“ schrie ich und sah meinen Herrscher an. „Tötet mich, verschont euren Sohn!“ sagte ihn ohne jegliche Angst. Ich konnte nicht riskieren, dass Friedrich Wilhelm seinen eigenen Sohn tötete. Der König sah mich an, dann

senkte er wieder die Waffe. Ich konntenach einer Weile wieder beiseite gehen und die beiden sahen sich an. Damit war das Gespräch für heute wohl beendet. Der Herrscher Preußens drehte sich von uns beiden ab und sagte keinen Ton mehr. Mir wurde noch aufgetragen Friedrich in seine Zelle zurück zu bringen, doch nicht mit ihm zu sprechen.
 

„Wer sind seine Mitwisser?“ Tage später wiederholte sich die Prozedur immer wieder aufs Neue. Immer wieder fragte der König seinen gefangenen Sohn aus was er vorgehabt hatte. Und immer wieder wiederholte der Kronprinz seine Antworten. Friedrich sah mitgenommen aus. Sein Haar glänzte nicht mehr. Seinen Mantel hatte er abgelegt und sein Hemd und Weste waren schmutzig vom Dreck der Zelle in der er hauste. Er war müde und magerte schon langsam ab. Seine Augen waren müde und tiefe Augenringe zogen sich über sein junges Gesicht. Mit den Armen auf dem

Tisch zwischen sich und den Kopf drauf ruhend saß Friedrich so vor seinem Vater.

„Ich habe alles allein geplant.“ Seine Stimme klang schwach und müde. Ich konnte dem ganzen nicht zusehen, doch mein König hatte es mir befohlen. Wie ich schon so oft beteuert hatte, hatte ich nichts von der Flucht gewusst. Nur das was ich damals belauscht hatte, aber das war nichts gewesen. Und nun waren wir hier.

„Sein Spießgeselle Katte ist längst in Haft. Und hat alles gestanden.“ Ich sah zu ihnen. Das war neu. Katte hatte alles gestanden? Das würde den Tod für beide bedeuten. „Katte ist unschuldig.“ erwiderte Friedrich, noch immer sah

er seinen Vater nicht an. „Ich will die Wahrheit.“ forderte der König, der nun mit der Hand auf den Tisch schlug. Friedrich hob etwas den Kopf. Eine aufgeplatzte Lippe, ein blaues Auge- das hatte ich vorher nicht gesehen. „Der Angeklagte muss auf die Folter gelegt werden.“ Mir blieb für einen Moment das Herz stehen. Folter? War dieser König denn so grausam dass er selbst seinen Sohn foltern lassen würde? „Das ist ganz und gar unmöglich Sir. Wir müssen auf das Ausland Rücksicht nehmen. Dort benennt man uns ohnehin schon für- mit Verlaub- Barbaren.“ Sagte ich. Dies stimmte. Friedrich war im preußischen Ausland gefangen genommen worden, so gelten die Bestrafungen Preußens nicht.

Wenn man nun den Kronprinzen foltern oder gar töten würde, wobei der doch im Ausland gefangen genommen wurde, so würde niemand mehr sich an uns wenden. Wir wären totale Außenseiter.

„Das Ausland verbietet wohl nicht, dass ein Vater seinen Sohn anfasst, oder?“ wieder dieser cholerische König. Er besprühte Friedrich und mich reichlich mit Speichel. Ich sah weg. Nein, dies war nicht verboten.

Körperliche Züchtigungen gehörten noch immer zur Erziehung der eigenen Kinder. Benommen saß Friedrich auf seinem Stuhl.

„Wohin wollte er fliehen?“ fragte Friedrich Wilhelm erneut.

„Nach Frankreich…“ Friedrich flog vom Stuhl, als sein Vater die Hand gegen ihn erhob und ihm eine schallende Ohrfeige verpasste. „Nach England wollte er fliehen! Er selbst hat Briefe geschrieben, die das beweisen!“ zusammen

gekauert lag Friedrich auf dem Boden. Er murmelte immer wieder nur leise vor sich hin „Nach Frankreich…“
 

Wochen vergingen. Friedrich wurde in eine Zelle gesperrt, in der nichts weiter drin war als ein Holzbett- ohne Matratze aus Stroh mit nur einem dünnen Kissen und einer dünnen Decke, ein Stuhl und ein Tisch. Nichts weiter. Ein Eimer war

für ihn der Abtritt und drei Mal am Tag kamen Soldaten und brachten ihm wortlos das Essen. Selbst mir wurde dies gelegentlich befohlen. Der König verbat mir unter Strafe, mich mit ihm zu unterhalten. Als Friedrich einst nach einem Buch

bat, um sich wenigstens etwas von der zermürbenden Stille abzulenken, brachte man ihm die Bibel. „Will man mich hinreichten?“ waren seine Worte als ihm das Buch auf das harte Bett geschmissen wurde.

Doch Papier, Tinte und Feder um seinen Vater einen Brief zu schreiben wurde ihm verwehrt. Wütend warf er Krüge mit Wasser um, was mit Entzug der Nahrung bestraft wurde. Und doch behielt er seinen Stolz.
 

Immer musste ich beim König sein, während das Gericht entschied was aus dem Kronprinzen und seinem Freund Katte werden würde. Schnell wurde klar, dass Katte zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, doch für

den Prinzen Preußens erklärte es sich für nicht zuständig. Aber all das war dem Preußenkönig nicht genug. Schlimm genug für ihn dass sein Sohn angeblich nicht belangt werden konnte, aber selbst die Strafe, die Katte erwartete, war

für ihn zu milde.

Es wurde Oktober und noch immer war das Urteil nicht zu Friedrich Wilhelms Zufriedenheit gefällt worden. Ich war mit dem König und dem Korrespondenten Graf von Schwerin in den Gemächern des Königs. Er wusch sich gerade und

puderte sich die Perücke, sie sein spärliches Haar verdeckte. „Sir… das Kriegsgericht fühlt sich wegen der Sache zwischen dem Angeklagten und dem König für nicht zuständig. Da die Flucht nicht vollendet wurde.“

Erklärte er. „“Friedrich ist ein Deserteur. Das kostet ihm den Kopf.“

Erwiderte der König nur kalt. Ich konnte mir gut vorstellen, dass der König einen seiner jüngeren Söhne anstelle Friedrichs auf den Thron setzen wollte, da sie viel gefälliger waren als sein ältester Sohn.

„Angesichts der Reue des Kronprinzen-„ „Reue? Schluss damit! Was ist mit Katte?“

„Im Kriegsgericht herrscht Stimmengleichheit. Er soll lebenslänglich in Haft gelegt werden.“

„Das Kriegsgericht soll diesem Verräter keine Gefälligkeiten zukommen lassen. Es soll erneut tagen bis ein neuer Urteilsspruch gefallen ist. Katte muss sterben!“ Mir blieb die Luft weg. Der König würde seinen Willen

bekommen. Und wenn er immer wieder das Urteil neu fällen lassen würde. Friedrich Wilhelm verließ den Raum und gezwungenermaßen musste ich ihm folgen.
 

Im November 1730 wurde das endgültige Urteil gefällt. Katte wurde zum Tode verurteilt. Er würde seinen Kopf verlieren. Er wurde nach Küstrin gebracht, wo noch immer Friedrich gefangen war. Ich konnte mir nicht vorstellen was der

König geplant hatte. Der Kronprinz erfuhr nicht vom Urteil seines Freundes.

Am 6. November erschollen die Trommeln. Sie führten eine lange Kolonne von Soldaten an. Der König war nicht dabei, jedoch war ich gezwungen diesem Schauspiel beizuwohnen, damit ich dem König von der Reaktion Friedrichs berichten konnte. Katte ging in Fesseln im Innenhof des Gefängnisses umringt von Soldaten auf eine schnell gebaute Plattform zu. Ein Priester und der Henker folgten uns. Genau vor dem Fenster der Zelle Friedrichs blieben wir stehen. Mir

schlug das Herz bis zum Hals. Plötzlich wurde der Prinz, umringt von zwei Soldaten, an das Fenster geschliffen. Er wehrte sich vehement gegen das was er sehen sollte. Der Priester gab ihm die letzte Salbung und trat dann zurück.

Katte kniete vor dem Fenster und sah seinem Freund in die Augen. Diesem wurde der Kopf fest gehalten und gezwungen die Augen aufzubehalten bis selbst die Soldaten sie ihm aufsperren mussten. Und dann fiel das Schwert auf den bloßen

Nacken nieder. Friedrich fiel ebenso, gehalten von seinen Wachen. Selbst ich konnte dem nicht zusehen.

Seid ihr zufrieden, Majestät? Ihr habt euren Sohn endlich gebrochen. dachte ich bei mir als die Leiche fort geschafft wurde. Die Wachen ließen Friedrich so zurück wie er war. Ich reiste noch am gleichen Tag paralysiert zum König zurück. Monoton gab ich das wieder was der Prinz gesehen hatte und verließ ihn dann.

Ich wollte nichts mehr mit diesem Scheusal von König zu tun haben. Ich wollte meinen Dienst quittieren. Ich schrieb Wilhelmine, die in Berlin im Schloss festgehalten wurde. Doch ihr wurde keine Mittäterschaft nachgewiesen.

Ein ganzes Jahr wurde Friedrich gefangen gehalten. Bis er 1731 wieder der Armee zugeführt wurde, wo er lernen sollte, wie Heeres und Zivilverwaltungen funktionieren. Im Jahr darauf wurden ihm alle seine Titel wieder anerkannt. Aber es beinhaltete einen schrecklichen Preis. Diesen würde Friedrich auch bald erfahren. Was sein Vater mit ihm in der Zukunft vorhatte, würde noch weitere Narben in die Seele des jungen Prinzen brennen.



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