Quand je suis lá, je suis sans soucis von Julchen-Beilschmidt (Wenn ich dort bin, bin ich ohne Sorge) ================================================================================ Kapitel 10: ~ Friedrich und die Kartoffel~ ------------------------------------------ ~ Friedrich und die Kartoffel~ Voltaire war fort. Doch welche Gerüchte er in die Welt gesetzt hatte, blieben in Preußen haften. Mein König würde sich nach dem Mahl eine viertel Stunde mit einem ausgewählten Kadetten in seinen privaten Gemächern vergnügen. Und es war eindeutig worauf er hindeutete. Die Königin war bisher nicht einmal guter Hoffnung gewesen und sie blieb auch Sanssouci fern, da es ihr Gemahl ihr nicht erlaubte. Preußens König schien homoerotische Neigungen zu haben. Es war wohl die Rache dafür, dass Voltaire seinen besten Günstling belogen hatte und sich wieder einfacheren Dingen hingeben musste. Doch kann ich sagen, dass er eben dies nie tat. Immer wenn seine Diener ihn seines Mantels, Schuhe und Weste entledigt hatten, schickte er sie fort. Nur ich blieb bei ihm und unterhielt mich mit ihm noch eine Weile. Dann schickte er mich fort um ihm seine Hunde zu bringen. Immer mehr hatte ich das Gefühl, dass er die Menschen um sich herum immer mehr hasste. Nur seine Hunde liebte er über alles. Und doch… das Volk liebte seinen König. Aber... kannte ich meinen Herrscher wirklich so gut? Friedrich unternahm sehr viele Reisen durch sein gewachsenes Land. Er besah sich alles sehr genau und bemerkte bald, dass sein Volk sehr oft unter Hunger litt. Auch wenn er zu seinem Regierungsantritt verordnen ließ, für den Winter höhere Mengen an Weizen den Bauern zu lassen. Viele Bauern litten an Hunger. Besonders nach Missernten. Durch die Vergrößerung des Reiches konnte man auch größere Ernten erbringen, aber auch mehr Menschen mussten versorgt werden. Friedrich hatte ein Problem. Selbst die Trockenlegung des Oderbruchs brachte erst viel später hohe Erträge ein. Das Volk brauchte eine Ernährungsgrundlage, die nicht durch Mäuse aufgefressen und sich lange durch den Winter hindurch lagern ließ. Preußens Boden war Nährstoffarm. Vieles musste man dem Boden dazugeben, damit wenigstens etwas hervorkam. Aber was gab es denn sonst als Getreide? Als Friedrich eines Tages eine Schwester Wilhelmine in Bayreuth besuchte, begleitete ich ihn auf der Reise. Friedrich und sie pflegten noch immer ein inniges Verhältnis, obwohl sie weit voneinander entfernt lebten. Sie unterhielten sich viel miteinander und gingen fast täglich durch den schönen Garten, den Wilhelmine hatte anbauen lassen. Eines Tages fiel Friedrich dabei eine Pflanze auf, die er bisher sehr selten gesehen hatte. Seine Schwester behauptete, dass es eine Kartoffelpflanze sei und sie die Blüten der Pflanze sehr schätze. Leider würde sie kurz nach der Blüte verwelken. Danach würde sie die Knollen, aus der die Pflanze wuchs für den nächsten Frühling aufbewahren und nach dem Frost wieder einpflanzen. Und es wären jedes Jahr immer mehr von diesen Knollen, dass sie bald keinen Platz mehr für weitere Pflanzen hatte. Friedrich schien sehr interessiert an der Pflanze zu sein. Später erzählte Wilhelmine uns woher sie diese Pflanzen hatte. Sie stammte von einem Kontinent namens Südamerika, dort wurde sie schon seit der Italiener Christoph Kolumbus sie von seinen Entdeckungsfahrten in die neue Welt mitgebracht hatte, angepflanzt. Von den Italienern wurde diese Pflanze „Tartufoli“ genannt, was an die Ähnlichkeit mit einem Trüffelpilz erinnern sollte. Die Europäer schätzten die Blüten sehr und so wurde sie nur in adligen Familien kultiviert. Doch schien Friedrich sich mehr um die Knolle zu interessieren als um die Blüte. Er fragte seine Schwester, ob er nicht ein paar der Knollen mitnehmen dürfe und sie erlaubte es ihm. Und so fuhr er nach dem Besuch mit ein paar unförmigen, braunen Knollen zurück, die er auch sofort anpflanzen ließ. Die neuen Knollen ließ er waschen und kostete erst selbst und war dann sehr ratlos, da er sich mehr von der Kartoffel erhofft hatte. Er hatte angenommen, sie wären wie Karotten, die ja auch in der Erde wuchsen und roh auch gegessen werden konnten. Doch schmeckten sie nicht im entferntesten so wie Karotten. Im Grunde schmeckten sie fast gar nicht. Enttäuscht wollte er schon seine Entdeckung wieder fallen lassen, als eine Dienerin ihm eines Tages diese Kartoffeln gekocht, ohne Pelle als Mittag servierte. Er ging zu der Köchin in die Küche, die sehr überrascht über den Besuch des Königs war. Sie zeigte ihm, wie sie die Knollen zubereitet hatte. Friedrich kam dann wohl eine zündende Idee. Er nahm sich einen Löffel und zerdrückte die gekochte Kartoffel, mengte etwas Milch und Butter dazu und probierte wieder. Sein Gesichtsausdruck hellte sich schlagartig auf. Begeisterung war darin zu lesen. Er schrieb Anordnungen in denen sein Volk die Kartoffel anbauen sollte, was sich allerdings wieder als Fehlschlag erwies. Die Bauern konnten mit den braunen Knollen nichts anfangen, selbst kochen wollten sie diese nicht und ließen die Kartoffeln welken und in der Erde verrotten, statt sie zu ernten. Wenn ich ehrlich war, wusste ich auch nicht, was mein König mit dieser Pflanze bezwecken wollte. Mir erschien der Sinn hinter dieser Anordnung nicht. Er kannte doch das Sprichwort: „Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht.“ Und so kam Friedrich auf eine List. Er ließ die Kartoffeln auf bewachten Feldern einpflanzen und ordnete den Wachen an diese Felder nie aus dem Auge zu lassen. Die Bauern, die in nächster Nähe lebten, beobachteten dies mit wachsender Neugier. Warum ließ ihr König so etwas streng bewachen, wenn es nicht unglaublich wertvoll war? Und die Menschen waren schon immer so, dass sie sich alles aneignen wollten was besonders Wertvoll war. Des Nachts schlichen sich die Bauern auf das bewachte Feld und in einem unbeobachteten Moment stahlen sie die Knollen aus der noch weichen Erde und nahmen sie mit zu ihrem Hof. Am nächsten Morgen kam Friedrich zurück und stellte mit Genugtuung fest, dass alle Kartoffeln aus der Erde entfernt worden waren. Ich selbst begriff seine Freude nicht, da sie doch alle Kartoffeln gestohlen hatten. „Sie haben erkannt, dass es etwas sehr wertvolles ist und werden sie ab jetzt auch selbst anbauen.“ Erklärte er mir kurz. Das war mir ein Rätsel. Angebaut hatten die Bauern sie doch schon. Und hatten sie letzten Endes einfach verrotten lassen. Was sollte nun, da sie bewacht worden war, besonders daran sein? Doch er sollte Recht behalten. Binnen kurzer Zeit verbreitete sich die Kartoffel im ganzen Land und löste den Weizen als Hauptnahrungsmittel in Preußen ab. Sie wurde gestampft, gedünstet, blanchiert, püriert, gekocht, gebacken, geröstet, gegrillt und frittiert. Kein anderes Lebensmittel wurde so kreativ verwendet. Und das eigenartigste war, sie gedieh auf unseren nährlosen Sandböden. Besser noch als jedes andere Gewächs. Bad kam man sogar darauf unterschiedliche Kartoffelsorten anzubauen. Einige waren mehlig-, andere festkochend. Und sie alle bekamen Namen. Adretta, Frühgold und Krone. Aber das kam erst sehr viel später als der Erdapfel nicht mehr aus der deutschen Küche wegzudenken war. Die Bauern hatten die Kartoffeln wegen der Anordnung gezwungener Maßen angebaut, jedoch den Nutzen nicht gesehen. Durch die List, war es dazugekommen, das die Bevölkerung sie als wertvoll angesehen haben und die großartige Verwendungsvielfalt schätzten. Sie war überaus nahrhaft und würde bald auch „Zitrone des Nordens“ genannt, da auch Seefahrer auf langer Reise nicht an Skorbut erkrankten, aufgrund ihres hohen Gehalts an Vitamin C. Und sogar als Handwärmer im Winter wurde sie sehr geschätzt, da sie die Wärme sehr lange vorhielt. Die Kartoffel hatte ihren Siegeszug begonnen und es entstanden immer kreativere Rezepte. Francis präsentierte mir bei einem Besuch seine „Pommes Fritte“. Die Kartoffel wurde in Stiftform geschnitten und in heißem Öl frittiert. Ich hatte mich auch eines besseren belehren lassen und begonnen, von da an auch Kartoffeln anzubauen. Sie hielt sich in einem gekühlten, frostfreiem Keller den ganzen Winter entlang. Auch mein Bruder liebte sie und wollte sie fast jeden Tag essen. Bald gab es nur noch Kartoffeln. Mir schmeckte sie, durch die vielen Rezepte auch immer besser und Friedrich wurde bald neidisch auf meinen Kartoffelgarten. Nur einen Dämpfer gab es eines Tages. Ivan kam auf einen Besuch vorbei und nahm sich ein paar der Knollen in sein Land mit. Er ließ die Kartoffel kochen und vergären. Bald darauf kam er wieder zu Besuch und präsentierte mir seinen Woda, oder auch Wodka was er „Wasser“ nannte. Er soff es wie Wasser weg obwohl es stark nach Alkohol roch. Ich probierte und mir brannte die Kehle wie Feuer. Sein „Wasser“ war vergorener Kartoffelsud. Schnaps aus Kartoffeln. Und dass Ivan mir bald noch mehr Probleme bereiten sollte, wollte mir in diesem Moment nicht in den Sinn kommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)