Quand je suis lá, je suis sans soucis von Julchen-Beilschmidt (Wenn ich dort bin, bin ich ohne Sorge) ================================================================================ Kapitel 9: ~Der Große und Voltaire~ ----------------------------------- ~Der Große und Voltaire~ Es folgten lange Jahre des Friedens. Das Volk, das 1745 jubelnd seinen König in Berlin empfangen hatte, fing an, ihn „den Großen“ zu nennen. In seinem Privatschloss Sanssouci lud er ausgewählte Gäste zu seinen Tafelrunden ein. Und auch der berühmte Voltaire ließ sich an den preußischen Hof locken. Schon seit Friedrichs Jugend hatte er mit ihm korrespondiert. Mein König selbst ließ ihn zum königlichem Kammerherren erheben. Voltaire hatte viele von Friedrichs Briefen gelesen und überarbeitet. Im den größten Tönen sprach der Franzose über den jungen König und lobte sein Engagement für die Aufklärung. Doch auch Friedrich ließ es sich nicht nehmen, diese Komplimente zu erwidern. Sie unterhielten sich meist auf Französisch. Für mich war diese Sprache überhaupt nichts. Doch für diese Zeit sprachen fast alle Herrscher französisch oder spanisch oder auch englisch. Kaum jemand, der die deutsche Sprache benutzte. Abgesehen, vom österreichischen Herrscher. Und trotzdem nahm ich teil. Vor allem, weil mein König es so wollte. Zu meinem Glück auch Francis Bonnefoy, mein Pendant aus Frankreich, der mir alles was sie sagten übersetzte. Kommt es mir nur so vor, oder habe ich in den letzten Zeilen wirklich französische Wörter verwendet? Nun... weiter mit der Erzählung. Voltaire war angetan von meinem König. Seit der „Sonnenkönig“ Louis XIV gestorben war, war auch Frankreichs Stern wieder gesunken. Der französische Adel lebte immer noch im Überfluss und das Volk hungerte sich aufgrund der Steuern fast zu Tode. Natürlich versuchte er nun wieder etwas heiterer zu werden, indem er Friedrich unterstützte. Voltaire und Friedrich waren beide Freunde der Aufklärung und für mehr Gerechtigkeit für das ärmere Volk, doch war die Situation in Frankreich sehr verfahren. Es gab Unruhen hier und dort und der französische König Louis XV, vermochte diese nicht zu beenden. Louis XV wurde der „Vielgeliebte“ genannt, doch merkte man sehr früh, das eben dieser Mann kein König hatte werden wollen und es nun mehr schlecht als recht doch tat. Schlecht beraten und unter dem Einfluss seiner Mätresse der Madame Marquise de Pompadour steuerte er Frankreich an den Rand des Staatsbankrotts. Und vermochte das Leid seiner Bevölkerung nicht zu mindern. Gerade weil Voltaire ein Freund der Aufklärung war, war er beim König nicht sehr beliebt und von daher zog es ihn auch nach Preußen und anderen Herrschern, die diese Ideen teilten. Natürlich gab es in Preußen auch Bauern, doch sie lebten aufgrund von Friedrichs Politik weitaus besser als andere Bauern in den anderen Staaten. So auch in Russland, dass von der strengen Zarin Elisabeth regiert wurde. Sie regierte mit strenger Hand und die Bauern mussten hohe Steuern an den Adel abtreten. Aber der Thronfolger und seine frisch vermählte Gemahlin waren deutlich anderes. Die Gemahlin des zukünftigen russischen Zaren, Peter III, war eine begeisterte Anhängerin der Aufklärung. Dieses „Mädchen“ war mir zuwider. Sie war aus Stettin, dass nun seit gut 25 Jahren wieder Preußen gehörte, war vor Jahren nach Russland gereist, hatte ihren Namen abgelegt, den orthodoxen Glauben angenommen und wurde nun Katarina genannt. Sie hatte ihre Vergangenheit hinter sich gelassen, die Allianz, die zwischen dem Heiligen Römischen Reich und Russland geknüpft werden sollte, gekappt und gab sich der orthodoxen Religion und ihrem neuen Volk hin. Friedrich selbst hatte sich für diese Verbindung ausgesprochen. Mir war zu Ohren gekommen, dass sie ihren Gemahl hasste, der Preußen sehr positiv gesinnt war. Sollte die alte Zarin Elisabeth eines Tages dahinscheiden, wer weiß, was später werden würde. Doch nun zurück zu Voltaire. Es waren nun schon 5 Jahre seit dem Sieg um Schlesien vergangen und wir schrieben das Jahr 1750. Wieder saßen viele Berater Friedrichs mit ihm an dem runden Tisch in Sanssouci. Sie unterhielten sich auf Französisch. Es waren die berühmten Freidenker Europas um diesen Tisch in Potsdam versammelt. Voltaire, das unbestrittene Oberhaupt. Der Franzose La Mettrie, der ein Gottesleugner und eine Art Pornografischer Dichter war. Der Schweizer Leonard Euler, ein großartiger Mathematiker und der Italiener Algorotti, der wohl nur mit seinem italienischem Charme glänzen konnte. Ihre Repräsentanten, Vash, Feliciano und Francis waren verhindert und ich musste mich allein durch das Französisch schlagen. Mir war diese Sprache schon etwas geläufiger, doch so flüssig wie mein König hatte ich es nicht drauf. „Mein Freund. Ich habe Sie heute Nachmittag schmerzlich im Park vermisst. Wo haben Sie gesteckt?“ fragte Friedrich im perfektem Französisch. Voltaire, der direkt neben ihm saß, lächelte und meinte, er habe einige Verse verfasst. Erfreut nahm Friedrich dies auf. „Ich hoffe, sie haben dabei an ihren König gedacht.“ „In gewisser Weise, ja. Aber ich habe sie der Königin verfasst. Die Arme… sitzt ganz allein in ihrem Schloss. Ich wollte sie damit etwas aufmuntern.“ Erwiderte er. Sofort versteifte sich mein König und wurde ernst. Er sprach gewiss nicht von der Königin Louis XV, nein. Er meinte ganz genau die Gemahlin meines Königs. Es wurde still im Saal. Voltaire hatte da in eine Wunde Salz gestreut. In seinem Schloss Sanssouci waren nie Frauen gewesen, und würden es in Friedrichs Augen auch nie sein. So antwortete er im scharfen Ton: „In dieser Runde haben Frauen nichts verloren. Ich möchte auch nicht, dass man über sie spricht.“ Voltaire, der eben noch gelächelt hatte, sah bestürzt drein. Und damit war dann auch das Thema beendet. Alle wussten, wo seine Frau nun lebte. Im Schloss Niederschönhausen. Nie würde Friedrich es ihr erlauben auch nur einen Fuß nach Sanssouci zu setzen. Und andersherum war es auch so. ebenso traurig wie auch die Königin Mutter, die aus Trauer um ihren Mann, schon seit 10 Jahren schwarz trug. Friedrich erfuhr, dass Elisabeth Christine und seine Mutter sich gelegentlich besuchten und dass sie sich gegenseitig ihr Herz ausschütteten. Einmal hatte Elisabeth Christine mir persönlich einen Brief zukommen lassen, in der Bitte, ich möge doch den König erweichen, sie zu besuchen. Sie hätte viel gelesen, viel über Musik gelernt, damit sie ihrem Mann in diesem Punkten gleichgestellt sei und dass er doch etwas Zuneigung zu ihr aufbauen könnte und vielleicht auch einen Thronfolger. Ich… hatte es versucht. Tatsächlich hatte ich Friedrich darauf angesprochen, doch die Antwort meines Königs war rigoros wie grausam. Niemals wurde er ihr auch nur beiliegen, da sie nicht im Entferntesten im Geiste mit ihm mithalten könne. Damals hatte er mich hinaus geschickt und für eine Woche lang nicht ein Wort mit mir gewechselt. Solange, bis sein Zorn verraucht war. Friedrich erhob sich von der Tafelrunde und wollte sich zu Ruhe legen. Auch ich stand auf, wollte ihm aber noch nicht folgen. Als die Tür sich schloss, hinter der Friedrich verschwand, kicherten die beiden Franzosen und begannen in ihrer Sprache zu sprechen, wohl in der Hoffnung, ich würde es nicht verstehen. Doch beherrschte ich diese Sprache soweit, dass ich verstand, was sie sagten. „Der König redet mehr als er tut. Ihr wisst ja, dass es nicht zum äußersten kommt, wenn er wieder einen jungen Kadetten zu sich kommen lässt. Er ist nicht in der Lage im Bett die erste Geige zu spielen.“ Meinte La Mettrie leise. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und tat so, als würde ich Eulers und Algorottis Dialog lauschen, die sich auf Italienisch unterhielten, dass ich überhaupt nicht verstand. Voltaires Antwort traf mich aber wie einen Schlag. „Kein Wunder, wenn er nur Flötist ist.“ Sie lachten beide schallend. Ich sah kurz zu den beiden herüber, als wunderte mich warum sie lachten. „Ich bewundere ihn wirklich. Und ich verehrte ihn noch mehr, wenn er mir nicht ständig seine schmutzige Wäsche zum waschen schicken würde. Seine Verse sind unerträglich und es ist unmöglich, sie zu verbessern. Was aber zu meinen Aufgaben gehört.“ Ich ballte meine Hand zusammen, versuchend nicht aufzustehen und diesem Lackaffen eine schallende Ohrfeige zu erteilen. „Hütet aber eure Zunge. Ich hörte, der König würde euch noch ein Jahr benötigen. Quetscht die Zitrone aus, und werft die Schale weg.“ Ich stand nun, hatte es erst nicht bemerkt wie ich aufgestanden war und wollte mich umdrehen und auf die beiden zugehen, als ich einen Schatten hinter der Tür verschwinden und die Tür sich leise schließen sah. Mein König hatte dieses Gespräch ebenfalls mit angehört. Kurz noch sah ich die beiden Franzosen nach, die jetzt sich auf ihre Zimmer zurückzogen. Hatten sie etwas bemerkt? Am nächsten Morgen aß Friedrich allein mit Algorotti und Euler und mir am runden Tisch. Er hatte seinen Dienern schon am Morgen aufgetragen, die Habseligkeiten La Mettrie und Voltaires aus ihren Gemächern zu entfernen und am Eingang des Schlosses aufzutürmen. „Die Herrschaften geruht es wieder in ihre Heimat zu fahren.“ Hatte er ihnen gesagt und damit war das Thema vom Tisch als die beiden Berater fragten, wo sie bleiben würden. Nach dem Frühstück, das sehr wortkarg geführt worden war, wartete Friedrich am Schlosseingang, nahm etwas Schnupftabak aus der Dose zu sich, die Voltaire ihm am Vorabend noch geschenkt hatte. Eine fein gearbeitete kleine Dose, die in eine Brusttasche hineinpasste. Friedrich sah ihn, der wie ein getretener Hund neben seinen Koffern stand, nicht an. „Aus der Ferne betrachtet, seid ihr das große Genie unserer Zeit. Aus der Nähe gesehen, seid ihr ein verwachsenes Männchen voller Intrigen und Bosheit. Ich ziehe es vor euch in der Ferne zu wissen. Entrichtet Frankreich meinen Gruß.“ Und somit verließ Voltaire Sanssouci und würde es nie wieder sehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)