☾ Mikadzuki von Mimiteh ================================================================================ Kapitel 20: Unentschieden ------------------------- Es war beinahe dunkel in den wasserdurchfluteten Höhlengängen. Zwar konnten beide Yôkai dennoch gut sehen, aber einladender machte es die Szenerie nicht. Beide verloren natürlich kein Wort darüber und schoben sich weiter durch das nasse Element. Wenn man es genau nahm, war es gerade so tief, dass sie nicht stehen konnten, gerade so, dass sie ab und an den Boden berührten, jedoch nicht darauf laufen konnten. Eine nervenzehrende Angelegenheit. Sesshômaru musste wieder einmal zugeben, dass diese Kuraiko anscheinend wusste, wie sie jeglichen Besuch von sich abhielt. Als Urkönigin der Panther war sie sicherlich eine Daiyôkai, konnte dementsprechend vollkommen ohne Nahrung auskommen, wenn es sein musste, brauchte niemandes Hilfe, wenn sie nicht auf Diener im Alltag bestand. Und das hatte sie ja offenbar nicht einmal getan, als sie noch im Schloss der Néko gelebt hatte, wenn ihr selbst eine persönliche Zofe von außen zugewiesen werden musste. Innerlich schüttelte er den Kopf, wusste aber durchaus, dass solch verschrobene Persönlichkeiten unter hochrangigen Yôkai nicht gerade selten waren. Ebenso wusste er, dass er selbst da keine Ausnahme darstellte, aber das störte ihn auch nicht. Er war wie er war und Nachteile hatte ihm das bisher nie eingebracht. Plötzlich vernahm er ein leises Plätschern und im nächsten Augenblick jagte eine silbrig glitzernde Gestalt auf ihn zu. Instinktiv riss Sesshômaru die Hand hoch, um abzublocken, glitt allerdings an dem Etwas ab. Ein kurzer, scharfer Schmerz zeigte ihm, dass seine Hand offenbar aufgeschlitzt worden war. Aber das war noch lange kein Grund, irgendwie zurückzuweichen. Er aktivierte seine Giftklaue und schlug erneut nach dem etwas. Sofort schmolz es zu einem unkenntlichen Klumpen Kristall zusammen, sank ins Wasser zurück und verschwand Richtung Boden. Geht doch. Mit einem innerlichen Kopfschütteln senkte der Inuyôkai die Hand und schwamm weiter. Die kleine Verletzung interessierte ihn wenig, in wenigen Minuten würde die wieder geschlossen sein, egal ob sie momentan blutete oder nicht. Dennoch war er jetzt noch mehr auf der Hut, als sonst. Offenbar war es mit seinem Gift einfach, die Kristallaale, denn nichts anderes war das schließlich eben gewesen, zu besiegen, dann sollte er jegliche Verzögerung aus dem Weg räumen können. Er sah zu Natsu, von der nicht viel mehr, als der Hinterkopf und die Schultern zu sehen war. Für eine Katzenartige schlug sie sich recht gut, aber ihn störte etwas anderes. Er brauchte einen Moment, bis ihm bewusst wurde, dass die feuchte Luft ihre Witterung schwerer und auffälliger machte. Ihre Witterung, die ihm sowieso schon nicht mehr aus dem Kopf ging, seit dieser unseligen Fadenfalle. Und er merkte, innerlich erschrocken, dass er aufpassen musste, einen gewissen Abstand von ihr zu halten. Dieser Geruch zog ihn an. Verdammt nochmal, was soll das?, fragte er sich in Gedanken, kam aber verständlicherweise zu keiner Antwort. Das lag vermutlich daran, dass bisher nie ein weibliches Wesen es geschafft hatte, seine Gedanken derartig zu besetzen. Ein Grund mehr auf der Liste, sie schnellstmöglich wieder los zu werden. Aber gut, sie hatte ja gesagt, dies war die letzte Falle, also standen sie danach Kuraiko gegenüber und dann konnte er sie endlich wieder zu Hause abliefern. Dann wäre er sie los. Geflissentlich ignorierte er den kleinen Stich in der Brust, den dieser Gedanke hervorrief. „Hier entlang!“ Kohaku hatte die Führung übernommen, nachdem der Rest offenbar in einer Art Fieber zwischen Sorge und Hoffnung gefangen war. Er konnte es ja verstehen. Kagome liebte InuYasha und auch den Rest verband eine tiefe Freundschaft mit ihm, aber man konnte es auch übertreiben. Kirin hatte doch gesagt, dass er bei einem Menschen etwas ausrichten konnte. Und ein urmagisches Wesen, wie das japanische Einhorn, würde sicherlich nicht lügen oder falsche Hoffnungen wecken. Dessen war der junge Taijiya sich sicher. Er bog ein paar Zweige auseinander und trat aus dem lichten Wald auf die Ebene hinaus. Nicht weit entfernt lag InuYasha im Windschutz einiger Felsen. Kirara musste ihn dorthin gezerrt haben. Jetzt saß sie in ihrer kleinen Form daneben – und kratzte sich hinter dem Ohr. Eine tolle Begrüßung. Aber im selben Moment folgte die Auflösung, denn eine jammernde Stimme erklang: „Schon gut, Kirara, ich lass dich ja schon in Ruhe…“ Es war schon zu dunkel, als das Kohaku die winzige Gestalt erkannt hätte, die beleidigt aus dem Pelz der Nekomata hüpfte, aber er erkannte die Stimme auch so. Er verdrehte die Augen. Yutaka, der sich neben ihm aus dem Wald schob, wandte den Blick zurück zu Kirin. „Dorthin ist Euer zweiter Begleiter verschwunden, Kirin-dono. Ich habe mich schon gewundert, wo er abgeblieben ist. Ein Flohgeist wie er ist doch immun gegen Eure Kampftechnik“ Kirins Schnaufen klang beinahe wie ein Lachen. „Das hat nichts mit der Technik zu tun. Es gab einen Kampf. Meinst du, der Angsthase bleibt da freiwillig in meiner Nähe?... Dennoch, es wundert mich, dass er sich ausgerechnet hierhin zurückgezogen hat. Nun, mal sehen, vielleicht hat das ja einen triftigen Gru-…“ Mitten im Wort verstummte er, als er der reglosen Gestalt des Hanyô nahe genug kam, um sie genau zu sehen. Dieses weiße, fast silbrige Haar war an sich schon unverkennbar, aber der rote Stoff, aus dem die Kleidung gewebt war, machte ihn erst Recht aufmerksam. Feuerrattenhaar… ich glaube ich spin… nein, das muss stimmen… oh, was habe ich bloß angerichtet… Kirin schüttelte etwas den Kopf, versuchte seine Gedanken zu ordnen. Er hatte erkannt, wer da lag. Zwar hatte er den jüngeren Sohn des großen Hundefürsten nie persönlich gesehen, aber der Suikan und die Haarfarbe waren Indizien genug. Sein Verhalten ließ nun auch die anderen aufmerksam werden. „Was habt Ihr, Kirin-donno?“, fragte Yutaka nach, doch das gazellenähnliche Wesen gab keine Antwort. Sein tiefbrauner Blick lag auf der leblos erscheinenden Gestalt des jungen Halbdämons. „Ki-kirin-donno? Oh, Ihr habt mich gefunden? Wie erfreulich… oh, es scheint, Ihr habt erkannt, dass wir gefunden haben, wen wir suchen, nicht wahr? Aber… aber, ich weiß auch nicht, was mit ihm los ist… InuYasha-sama schläft reichlich selten und dass er dann nicht aufwacht… ich weiß wirklich nicht…“ „Es reicht, Myouga-jiji. Es war ein Unfall“, mischte Kagome sich in die Worte des lamentierenden Flohdämons ein, der oberhalb von InuYashas Ohren auf einem der Felsen saß. „Oh…“, brachte der kleine Kerl nur noch hervor, während er sich umsah, die Gruppe erst jetzt wirklich wahrzunehmen schien. Die ohnehin zerfurchte Stirn etwas gerunzelt, blickte er dann das zweite halbdämonische Mitglied an. „Wer bist du?“, wollte er skeptisch wissen. Sein Gesichtsausdruck zeigte klar, dass er keine Ahnung hatte, warum Kagome, Shippô und die Angesprochene jetzt leise lachten und auch Kirara amüsiert piepste. Schließlich hatte die Weißhaarige sich wieder gefasst. „Erkennst du mich denn nicht, Floh? Ich bin Shiori“ Myouga riss die Augen noch weiter auf, unklar ob aus Entrüstung über die Betitelung oder aus Überraschung. „Shiori? Doch nicht etwa…“ Shiori lachte erneut auf. Mit der Hand fuhr sie sich durch die Haare, die in den Schatten der Nacht fast ebenso violett erschienen, wie ihre Augen. „Doch, die. Die kleine Komori-Hanyô, die ihr damals gerettet habt“ Im nächsten Moment war der alte Flohgeist in Ohnmacht gefallen. „Na also, geht doch.“ Zufrieden beobachtete Arata aus ein paar Metern Entfernung, wie Kôhei seine neue Waffe gegen das Kurzschwert eines älteren Schülers drückte. Zwar zeigte der junge Ookami nicht die geringste Regung, aber zu mindestens boykottierte er das Training nicht und das war schon einmal ein großer Fortschritt. „Er ist gar nicht mal schlecht, Arata-san. Wie kommt es, dass er vor zwei Tagen den Übungsplatz lahm gelegt hat, hm?“, fragte der blonde Inuyôkai, zu dem der andere Schüler gehörte. „Ein Trauma. Über alles weitere werde ich Stillschweigen bewahren, Jiro-san. Ich möchte nicht, dass Kôhei glaubt, sein Vertrauen in mich wäre unnütz“, gab der erfahrenere Lehrer zurück und warf seinem Kollegen einen kurzen Seitenblick zu. Jiro stand, die Arme vor der Brust verschränkt, da, nickte nur knapp. Er hatte verstanden. Arata änderte nie seinen Standpunkt, wenn er den einmal festgelegt hatte, das war allgemein bekannt. Also blickte er wieder auf den Übungskampf. Obwohl klar erkenntlich war, dass Kôhei sich noch mit der gebogenen Klinge des Tachi anfreunden musste, zeigte er durchaus Geschick und ein Verständnis für die Handhabung der Waffe. Ein Jammer, dass der junge Wolf dabei keinerlei Begeisterung oder Ehrgeiz zeigte. Aus dem könnte ein guter Krieger werden, wenn ihn mal jemand richtig aufwecken würde. Aber das sollte er Arata überlassen. Der dienstälteste Kampflehrer der gesamten Inu-Akademie wusste mit Sicherheit, was zu tun war. Kôhei war derweil zur Seite weg gewichen und führte seine Klinge nun von unten gegen den Angriff seines Trainingsgegners. Er musste tatsächlich zugeben, dass das Tachi in ihm weniger Hemmungen hervor rief, als es ein Katana getan hätte, aber wohl fühlte er sich noch immer nicht. Aber was tut man nicht alles für das Glück seiner Schwester, nicht wahr, Sayoko? Ich will nicht, dass du in das Unglück unserer Familie auch noch mit rein gezogen wirst… nicht du mit deinem unvoreingenommenen Charakter… du bist noch normal, du sollst es bleiben… dafür – und nur dafür – kämpfe ich… Unwillkürlich zuckte Natsu ein wenig zusammen, als einer der Kristallaale ihren Unterarm aufschlitzte. Schon eine Berührung mit deren Haut reichte dazu aus. Und ihre Abwehr mit der Klaue war unter Wasser abgebremst gewesen, sie war nicht schnell genug. Blut mischte sich ins Wasser, während Natsu kurz inne hielt, sich etwas mühsam mit harten Beinschlägen über Wasser hielt. Da, da war das Vieh wieder. Diesmal setzte sie über Wasser an und ließ die Klaue bloß nach unten sausen und diesmal reichte der Schwung aus. Ihre Krallen trafen den kristallähnlichen Körper und brachten ihm einen langen Riss bei. Mit seiner nächsten Bewegung sorgte der Aal selbst dafür, dass er zersplitterte. In Stücke gerissen taumelten die Splitter auf den Boden des Wasserbeckens. Sie hob wieder den Kopf, dachte nach. Vor ihnen teilte sich der Wasserweg zum x-ten Mal. Wo lang? Der übliche Trick, immer dieselbe Richtung einzuschlagen, funktionierte hier nicht, weil selbst ein Yôkai früher oder später müde werden würde, vor allem angesichts der schon überstandenen Fallen. Ein reines Ausprobieren würde nicht gelingen, sie würden einfach ertrinken. Und das war ein unwürdiges Ende. Sie ging noch einmal die Richtungen durch, die sie bisher genommen hatten. Nur ihr hatte Kuraiko seinerzeit verraten, dass dieses Labyrinth nach einem Muster angelegt war. Immer zweimal links und einmal rechts, sollte es drei Möglichkeiten geben, immer der mittlere Weg. Dann kam man als Ziel. Mehr oder weniger zu mindestens. Was waren sie zuletzt gegangen? Links, links, Mitte… also müssen wir jetzt rechts! Erleichtert schwamm Natsu wieder los, ignorierte, dass sie langsam wirklich erschöpft war. Noch musste sie durchhalten. Ihr Begleiter zeigte ja auch kein Anzeichen von Erschöpfung. Da mochte sie Recht haben. Sesshômaru zeigte nach außen hin mal wieder nichts. Aber auch für ihn war diese letzte Falle langsam mit Anstrengung verbunden. Ob das aber nun mit seinen verrücktspielenden Gedanken, mit seinen strapazierten Nerven oder tatsächlich mit körperlicher Erschöpfung zusammen hing, diese Frage konnte nicht einmal er wirklich beantworten. Erbost klopfte Tôran sich den Staub von ihrer Kleidung und musterte den noch immer etwas benommenen Diener, der an der Schlossmauer lag, gegen den sie ihn gerade befördert hatte. Ihr Blick machte der Eisigkeit ihrer Speere durchaus Konkurrenz. Wie konnte ihr Bruder es eigentlich wagen, ihr Bestreben schon wieder in Grund und Boden zu reden? Warum hörte er ihre Argumente nicht? Sie kniff die Augen zusammen, sodass dem Diener bereits wieder angst und bange wurde. Er arbeitete schon lange genug in diesem Schloss um zu wissen, dass die Älteste der drei Fürstinnen ziemlich reizbar sein konnte, aber das hier war wirklich beängstigend. Umso erleichterter war er, als sie ihren Weg fortsetzte. Nie wieder würde er es wagen, einen zu langen Blick aus dem Fenster zu werfen, wenn sie in der Nähe war, das schwor er sich jetzt. Tôran war inzwischen den Gang weiter entlang geschritten, trat nun durch das Tor hinaus in den Schlossgarten. Ihr türkisfarbenes Haar wehte im frischen Wind, als sie sich nach einer ruhigen Stelle umsah. In einem kleinen Hain aus noch nicht erblühten Pfingstrosenbüscheln fand sie ihn. Sie ließ sich ins Gras sinken, den Blick in den Himmel gerichtet. Wie konnte sie ihrem Bruder bloß verständlich machen, wie richtig ihre Einschätzung der Dinge war? So viel sie im Neko-Clan trotz ihres Geschlechts zu sagen hatte, wenn es um politische Angelegenheiten gegenüber anderen Clans ging, musste immer noch ihr Bruder die Rede führen. „Wusste ich‘s doch, hier ist sie, Karan!“, hörte sie da plötzlich die Stimme ihrer jüngsten Schwester und senkte den Blick. Shunran und Karan näherten sich ihr, jetzt langsamer. „Gut, das wir dich finden, Onee-san. Shuran schickt uns, er dachte, du wärst vielleicht wütend. Was ist denn schon wieder vorgefallen?“ Karan kniete sich neben ihre ältere Schwester, ihr kurzes, rotes Haar leuchtete im Mondlicht. „Phh… ich bin nicht wütend. Ich verstehe nur nicht, warum er nicht endlich nachgibt“, knurrte Tôran. Shunran verdrehte die Augen, als sie sich ebenfalls setzte. „Wir wissen, wie du von der Sache denkst, Onee-san, aber glaubst du wirklich, es ist so eine kluge Idee, weiter daran fest zu halten? Selbst wenn du Shunran rumkriegst, das heißt noch lange nicht, dass ausgerechnet Sesshômaru…“ Weiter kam sie nicht, denn Karan unterbrach sie, hitzig wie sie war: „Pah, dein Angebeteter“, und das kam sarkastisch, „würde sich ja eher den Arm noch mal abhacken lassen, als dich zur Gefährtin zu nehmen, Tou-chhh“ Hustend brach Karan ab, als die Klaue ihrer älteren Schwester sich um ihre Kehle schloss und sie unerbittlich rücklings auf den Boden drückte. Tôrans Augen waren wütend zusammengekniffen. „Sei still!“, zischte die Türkishaarige, ehe sie ihre Schwester wieder los ließ. Keuchend holte Karan Luft, ehe sie sich wieder aufrichtete. „Schon gut. Aber trotzdem, Tôran, ich halte deine Hartnäckigkeit für keine gute Idee…“ „Still sollst du sein!“, konterte die Ältere nur und beide, sowohl Karan, als auch Shunran, der das gar nicht gegolten hatte, zuckten zurück. Im Moment war ihre Schwester in einer Stimmung, in der man ihr besser nicht wiedersprach, besser noch, sie gar nicht erst ansprach. Beide erhoben sich. Angesichts dieser Situation sollten sie vielleicht ein gutes Wort für Tôrans Vorhaben bei Shuran einlegen. Mehr, als das Sesshômaru abwies, konnte ja nicht passieren. Obwohl, vermutlich mussten sie sich in diesem Falle ziemlich große Sorgen um die Gesundheit ihres Bruders machen. Und dieser Fall war sehr wahrscheinlich. „Ich glaube… das hat ihn umgehauen“, kommentierte Shiori kichernd und fing den alten Flohgeist auf, ehe er auf dem harten Stein weiter hinabkullern konnte. „Offensichtlich“, sagte Kohaku und wandte sich ab. „Kirara, begleitest du mich, Feuerholz sammeln?“, fragte er dann. Sofort erhob die kleine Katze sich, piepste zustimmend. Ihre zwei Schweife zuckten leicht, ehe eine Flammenlohe um sie aufstieg und sie in ihrer großen Form da stand. Nur so könnte sie ihrem menschlichen Freund schließlich tragen helfen. Kirin riss überrascht den Kopf hoch, als ihm erst jetzt auffiel, dass er keine normale Katze vor sich hatte. Nekomata besaßen in ihrer kleinen Form keinerlei dämonische Ausstrahlung und ihre beiden Schweife hatte Kirara gerade so nah beieinander liegen gehabt, dass sie nicht aufgefallen waren. „Jedenfalls weiß ich jetzt, dass Myouga Recht hatte. Wir sind da, wo er uns hinführen wollte“, murmelte er vor sich hin. Er konnte nicht ahnen, dass seine momentane, fast resignierende Stimmung derjenigen sehr ähnlich war, die der alte Flohgeist fast immer hatte, wenn er mit dieser Bande Kontakt hatte. Diese Gruppe war eben immer für Überraschungen gut. Kagome ließ sich derweil ins Gras nieder, musterte InuYasha. Der lag noch immer vollkommen ruhig da, auch sein Gesicht war friedlich, wie damals, als er noch gebannt an Goshinboku gehangen hatte. Und doch ahnte sie, dass das, was von ihm noch wach war, vielleicht konnte man es das Unterbewusstsein nennen, dass das alles andere als ruhig war. Aber sie konnte nichts tun. Dennoch legte sie ihre Hand fast automatisch auf den Unterarm des Hanyô, verkrallte ihre Finger etwas in den roten Stoff seines Suikans. „Ach InuYasha… hoffentlich… hoffentlich können wir dich morgen retten…“, wisperte sie leise und bemerkte gar nicht, dass Kirin sie etwas überrascht musterte. Mit so einer engen Bindung zwischen ihr und dem Halbdämon hatte er verständlicherweise nicht gerechnet. Aber er sagte nichts, sondern wandte sich respektvoll ab und ließ sich ein paar Meter weiter ins Gras nieder. Yutaka setzte sich zu ihm und bald hörte man die beiden leise reden. Auch der verbliebene Rest der Gruppe hatte sich hingesetzt. „Sag mal, wo ist eigentlich Tián hin?“, fragte Shippô da plötzlich und sah zu Shiori auf. Die zuckte etwas mit den Schultern. „Keine Ahnung. Der ist ja schon den ganzen Tag mehr um uns herum gestreift, als das er mit uns gewandert wäre. Weiß ich, wieso er so unruhig ist, er kann mir ja nichts erklären. Aber ich bin sicher, früher oder später taucht er wieder auf“, antwortete sie, aber ihr Tonfall verriet, dass diese Tatsache sie weit mehr störte, als sie zugeben wollte. „Da ist die große Grotte… ein Glück…“, flüsterte Natsu vor sich hin, während sie es hinter sich zischen hörte, weil Sesshômarus Giftklaue einen weiteren Kristallaal einschmolz. Langsam hatten sie Übung darin. Vor ihnen öffnete sich jetzt tatsächlich der Gang, weitere sich zu einer Höhle aus, die wie ein unterirdischer See wirkte. Die Felskuppel über ihnen war pechschwarz. Natsu runzelte die Stirn. Wie war das noch gleich… Der letzte Bannkreis war nicht direkt hier an der Wasseroberfläche, das wusste sie noch, aber mehr wollte ihr nicht einfallen. Wie kamen sie hier wieder raus? Unschlüssig paddelte sie ein bisschen auf der Stelle, ohne zu merken, dass ihr die Schwimmbewegung inzwischen leichter fielen, sie beinahe automatisch oben blieb und nicht mehr so abgehackt herumzappelte, wie zu Beginn. Im Gegensatz dazu hatte Sesshômaru es bemerkt, aber natürlich äußerte er sich nicht dazu, als er aufschloss und sich ebenfalls umsah. Es war eindeutig, dass sie nicht weiter wusste, offenbar nicht alles behalten hatte. Er zog eine Augenbraue hoch. Wieso schickte man sie ihm als Führerin mit, wenn sie an der entscheidenden Stelle versagte? Er warf ihr einen skeptischen Seitenblick zu, nur um zu sehen, dass sie plötzlich zusammenzuckte und im nächsten Augenblick untertauchte. Mit Absicht, oder… Kurzerhand ließ er sich auch hinabsinken, blickte sich in dem fast schwarz wirkenden Wasser um. In ihrer dunklen Kleidung war Natsu schwer auszumachen, was aber eindeutig zu erkennen war, war der Kristallaal, gegen den die bisherigen nur mickrige Abklatsche gewesen waren. Dieser hier war mindestens zehn Mal so groß und offenbar nicht gerade erbaut darüber, dass man seine kleinen Artgenossen abgeschlachtet und eingeschmolzen hatte. Der hinterste Teil seines Körpers hatte sich um Natsus Beine geschlungen und zog sie immer tiefer ins Wasser. Die Yôkai schlug mit den Armen um sich, hatte es sogar irgendwie geschafft, noch ihr Schwert zu ziehen, aber bei diesem großen Vieh wirkte der pure Stahl offenbar nicht. Und auch wenn er unter Wasser nicht wittern konnte, reichte es ihm zu sehen, dass Blut sich ins Wasser mischte, der scharfe Körper des Aals offenbar dabei war, Natsus Beine aufzuschlitzen. Wenn der so weiter machte, würde sie viel zu viel Blut verlieren und mit etwas Pech war er gar stark genug, ihr die Beine komplett abzutrennen. Er war wohl derjenige, der mit am besten wusste, dass Gliedmaßen im Normalfall nicht einfach so nachwuchsen. Als er erkannte, dass Natsus Verteidigungsversuch erneut wirkungslos an dem kristallenen Körper abprallte, zog er kurz entschlossen sein eigenes Schwert, schwamm näher. Mit aller Kraft, die er unter dem Druck des Wassers aufbringen konnte, ließ er die Klinge gegen den riesigen, schlangenähnlichen Körper sausen. Der einzige Erfolg bestand darin, dass der Kristallaal ihm den Kopf zuwandte und ihn aus weiß leuchtenden Augen anfunkelte. Sesshômaru riskierte einen kurzen Seitenblick zu Natsu. Ihre Bewegungen wurden bereits lahmer, vermutlich hatte sie nicht mehr richtig einatmen können, als es sie hinab zog und nun fehlte es ihr an Sauerstoff. Ohne Sauerstoff konnte auch ein Dämon nicht überleben. Er musste schnell handeln. Experimente waren nicht mehr möglich. Ohne sich die Zeit zu nehmen, das Schwert wegzustecken, rief er sein Gift in die linke Hand und griff den Aal damit an. Gasblasen stiegen auf, als sich die getroffene Stelle etwas aufzulösen begann, die Wirkung jedoch von der großen Wassermenge rund herum gleich wieder neutralisiert wurde. Nicht gut. Also dann, volles Risiko. Wenn die Höhle einstürzte, ging es eben nicht anders. Und schon bei dem Gedanken begann Bakusaiga helltürkisfarben zu leuchten, griff auf seine ganze Macht zurück. Sesshômarus Yôki verband sich mit seinem Gift und zentrierte sich im Schwert. Er schlug zu, die Energiewelle traf genau den Kopf des Kristallaals und der bäumte sich vor Schreck und Schmerz auf, als sein Körper zu schrumpfen begann und in sich zusammenfloss, wie schon seine kleinen Kumpane. Dieser Angriff war eindeutig zu viel für ihn gewesen. Natsu hatte er los gelassen und sie sank nun weiter im Wasser ab. Doch plötzlich riss sie die Augen auf, ihre Hand streckte sich nach einer hell schimmernden Stelle an der Felswand aus, dann erschlaffte ihr Körper. Sie hatte das Bewusstsein verloren. Sesshômaru reagierte ohne richtig nachzudenken. Mit einer raschen Bewegung war er bei ihr, fing sie ab und zog sie mit sich, auf die schimmernde Stelle zu. War das der Ausgang? Hatte sie sich wieder erinnert, als sie es gesehen hatte? Er musste es hoffen, denn langsam wurde auch ihm der Sauerstoff knapp und mit ihr im Schlepptau würde er es nicht mehr bis zur Oberfläche schaffen. Auf einmal erschütterte etwas die Höhlenwände, das Wasser geriet in Aufruhr und nur durch Glück wich Sesshômaru gerade rechtzeitig einem Felsbrocken aus, der offenbar von oben herabgestürzt war und überraschend schnell im Wasser auf sie zu sank. Also war sein Angriff tatsächlich zu viel den Guten gewesen. Nun ja, Hauptsache Natsu war gerettet – Moment, was dachte er da? Doch, es stimmte. Er war froh, sie aus den Fängen dieses Kristallviechs befreit zu haben. Und mit dieser Erkenntnis tauchte er in das Leuchten ein, dass sich tatsächlich als Bannkreis entpuppte. Sie hatten die letzte Falle überstanden… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)