☾ Mikadzuki von Mimiteh ================================================================================ Kapitel 19: Erkenntnisse ------------------------ Kagome hörte die Frage zwar, war aber nicht in der Lage, zu antworten. Im Moment war ihr das alles viel zu viel. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, dank einer quälenden Mischung aus Angst um InuYasha, Schuldbewusstsein, im Wissen, wen sie da einfach angegriffen hatte und Überforderung. Schließlich rang sich Shippô dazu durch, stockend zu berichten. Vom der Energie, die InuYasha getroffen hatte und ihn nun unter Bann hielt, davon, wie sie die reine Energie zurückverfolgt hatten und sich schließlich angesichts der nahen Oni aufgeteilt hatten. Und das er keine Ahnung hatte, wo oder mit was beschäftigt die anderen gerade waren. Allerdings nannte er dabei keinerlei Namen, dachte in seiner eigenen Erschütterung nicht darüber nach, dass es so für das Einhorn unverständlich sein konnte, was er quasselte. Kirin behielt nach wie vor den Kopf etwas gesenkt um auf Augenhöhe zu bleiben, blinzelte nun sanftmütig. Er blickte dennoch einigermaßen durch. „Das ist ein dummer Zufall. Seit versichert, dass ich das niemals wollte. Vielleicht… ich könnte versuchen, ihm zu helfen, auch wenn ich nicht sicher bin, ob das etwas bringt. Doch zuerst muss ich schauen, wo mein Reisebegleiter ist. Nachher sucht der mich noch“, erklärte er ruhig und schüttelte leicht seine Mähne. „Euer Begleiter?“, wagte Shippô nachzufragen, der inzwischen überzeugt war, wirklich niemand Bösem gegenüber zu stehen und der keine Stille aufkommen lassen wollte, im festen Wissen, dass das Kagome noch mehr zu schaffen gemacht hätte. Kirin wurde allerdings einer Antwort enthoben, als sich etwas geräuschvoll durchs Unterholz näherte. Dann erklang ein tiefes Lachen. „Hätte ich mir ja denken können, dass du keine Hilfe brauchst…“, sagte jemand und die etwas grob gebaute Gestalt eines Yôkai schob sich auf die Lichtung, der Hakama und Haori in graublau trug. Kagome hob etwas den Kopf, schien aber mehr durch den Neuankömmling hindurch zu sehen, als das sie ihn musterte. Kirin trat einen Schritt vor sie. „Stimmt, Hilfe brauche ich nicht. Aber ich sollte wirklich mal wieder trainieren, meine Kräfte besser unter Kontrolle zu halten. Es gab ein Unglück“, antwortete er ruhig, woraufhin die beiden Fuchskinder sofort aufatmeten. Offenbar gehörten diese beiden zusammen. Der Neuankömmling schielte an Kirin vorbei, musterte Kagome, ohne die beiden Kitsune zu bemerken. „Seit wann kann deine Macht einem Menschen gefährlich werden, Kirin?“, fragte er skeptisch. „Nicht der jungen Miko. Aber ihrem Begleiter. Und der ist kein Mensch. Es scheint als hätte mein Kiryoku den voll erwischt“, erwiderte das Einhorn, woraufhin der andere Yôkai scharf die Luft einzog. „Nicht gut“, murmelte er vor sich hin, ehe er den Kopf wandte. „Ich schätze mal, dann gehören diese beiden hier zu der gleichen Gruppe“, fügte er hinzu. Wie aufs Stichwort traten Kohaku und Shiori hinter ihm hervor, die Köpfe halb gesenkt, offenbar schuldbewusst. Kirin schüttelte belustigt den Kopf. „Keine Angst, ihr beiden. Ich denke, das Missverständnis ist aufgeklärt“, sagte er und bewies damit, dass er durchschaut hatte, warum die beiden so niedergeschlagen wirkten. Die beiden hoben auch sofort die Köpfe. Yutaka sah sich derweil in der Gruppe um. „Ich weiß immer noch nicht, ob ich das so glauben soll. Eine Miko, eine Hanyô, ein Menschenjunge, der aussieht wie ein Taijiya und die reisen zusammen?“ „Mehr noch. Du darfst den Hanyô nicht vergessen, den ich erwischt habe. Und die beiden kleinen Kitsune da hinten, die sich bei der Miko verstecken“, berichtigte Kirin gelassen, wobei sein Blick allerdings auf Shiori lag. „Sieh an… eine Komori-Hanyô…“, fügte er dann langsam hinzu. „Woher kommst du, Mädchen?“ Überrascht blickte das Halbdämonenmädchen auf. „Von der Küste, etwas weiter im Nordwesten.“ Mit gerunzelter Stirn bemerkte sie, dass Kirin ein wenig den Kopf hoch nahm. Sagte ihm das etwas? „Das zuletzt vertriebene Komori-Volk? Sag bloß, du bist Tsukuyomarus Tochter.“ Shiori riss die Augen auf. „Woher…“, begann sie, brach dann aber ab und nickte nur. Kirin prustete etwas. „Ich habe deinen Vater ein wenig gekannt. Ein bemerkenswerter junger Dämon, ganz anders als sein Volk. Ich hörte später nur von dem Gerücht, er habe eine halbdämonische Tochter. Sag, was ist mit ihm geschehen, dass er nicht bei dir ist?“ Die junge Hanyô senkte den Blick wieder, ihre feingliedrige Hand krallte sich um den Griff der Waffe, die sie an der Hüfte trug. „Er… er ist tot. Ermordet worden von den eigenen Eltern, bloß weil ich existiere…“, flüsterte sie erstickt und selbst Shippô konnte ein paar Meter entfernt die Tränen wittern, die Shiori über die Wangen liefen. Kirin war zusammengezuckt. Jetzt schüttelte er den weißen Kopf, sein Horn leuchtete matt. „Das darf doch wohl nicht wahr sein… Mädchen, es tut mir Leid. Ich hätte nicht so fragen sollen. Dennoch… kannst du… kannst du mir erzählen, wie das geschehen ist?“ Seine Stimme klang sanft und etwas schuldbewusst. Dann blieb es eine Weile still. Shiori schluchzte vor sich hin, war aber offenbar nicht in der Lage, zu reden. Da ließ sich auf einmal leise Kagomes Stimme vernehmen: „Soweit wir es seinerzeit mitbekommen haben, ging es um einen Korallenstein, der den Bannkreis über den Höhlen der Komoris errichtet. Tsukuyomaru wollte ihn nicht länger hüten, wenn man Shiori und deren Mutter samt ihrem Dorf nicht in Ruhe ließe. Das wollte sein Vater nicht einsehen.“ Die Stimme der jungen Miko klang leise und heiser, aber sie hatte sich wieder einigermaßen im Griff. Eine Hand auf den Oberschenkel gestützt, erhob sie sich langsam, sah zu Kirin auf. „Als wir dazu kamen, waren Jahre vergangen. Die Fledermäuse hatten Shiori gefordert, damit die an Stelle ihres Vaters den Bannkreis erhält. Das Dorf opferte sie für das eigene Leben. Dennoch erfolgten weiter Angriffe. Durch Zufall kamen wir vorbei und es gelang uns, schlussendlich mit der Hilfe von Tsukuyomarus Geist, Taigokumaru zu besiegen, die Komoris zu vertreiben und den Korallenstein zu zerstören.“ Nur ein leises Knirschen verriet, dass sich buchstäblich die letzte Schneeflocke an den richtigen Platz setzte, dann stürmten die Eismonster bereits auf sie zu und die beiden so ungleichen Yôkai mussten zurückspringen. Fast automatisch war Natsu an Sesshômarus linke Seite gekommen, inzwischen wissend, dass er das Schwert mit Rechts führte und sie ihn demnach so am wenigsten störte. Doch noch zog er seine Waffe gar nicht, sondern führte seine Energiepeitsche gegen die heranstürmenden Schneegestalten. Die eisige Oberfläche blitzte kurz auf, dann prallte das in der Peitsche konzentrierte Yôki ab ohne eine Verletzung zu hinterlassen. So funktionierte es also nicht. Gut, eine Stufe härter. Ein kurzes Kratzen, als der Hundedämon seine Klinge aus der Scheide zog, sie in einem flachen Schwung gegen den Gegner führte. Mit dem Handrücken fing das Schneemonster sie ab und drückte sie zurück. Nicht, dass Sesshômaru sich so einfach aufgeben würde, aber momentan testete er nur an und wollte wissen, wie stark diese Viecher tatsächlich waren. Also ließ er sich auf dem glatten Grund bereitwillig rückwärts schieben, ohne den etwas argwöhnischen Seitenblick Natsus zu beachten, die sich sowieso im nächsten Augenblick dem zweiten Gegner gegenüber sah und bloß zur Seite sprang. Auch den nächsten Anstürmen entging sie bloß durch Beiseitespringen. Sesshômaru der seinen Gegner ins Leere hatte laufen lassen und nun wartete, das der zu ihm zurückkehrte, nicht willens, eine Verfolgungsjagd zu beginnen, musterte das Geschehen aus dem Augenwinkel. Er erkannte keinen Sinn hinter ihren Ausweichmanövern. Und, warum sprang sie immer so gradlinig weg, dass das Schneemonster mit wenigen Schritten wieder zu ihr aufholte? Da, das fünfte Mal. Diesmal hechtete sie schlicht über das Eisvieh hinweg, kam sicher auf dem Boden auf. Und was jetzt? Sie stand da, ohne ihren Gegner überhaupt zu berühren, einzig ihre Lippen bewegten sich. Ein anderer Angriff, als der, den sie bei den Oni gezeigt hatte? Ja, entschied der Inuyôkai, als im nächsten Augenblick glutfarbene Yôkiwände aufloderten, genau auf den Linien, auf denen sie zuvor weggesprungen war. Die Tatsache, dass sein eigener Gegner gerade wieder heran war und er einfach genervt nach oben sprang, um ihn erneut ins Leere laufen zu lassen, brachte Sesshômaru zufällig über Natsus Konstruktion und er erkannte die Form, die die Yôkiwälle bildeten, ehe sie in sich zusammenfielen und den Haufen Schneematsch freigaben, der von dem Eismonster noch übrig war. Die Linien bildeten ein genaues Pentagramm, es war also tatsächlich so geplant gewesen. Sesshômarus Augenbraue wanderte ein wenig nach oben. Gut zu wissen. Im ernsten Kampf sollte man gewissen Abstand von ihr halten, wenn man nicht versehentlich ebenso in die Yôkifalle tappen wollte. Doch vorerst musste er sich um seinen eigenen Gegner bemühen, denn der fiel ihm langsam auf die Nerven. Und ihn ewig ins Leere laufen zu lassen, brachte auf Dauer auch nicht das Geringste. Die Energiepeitsche brachte nichts, das Schwert offenbar auch nicht, solange er nicht unnötig Kraft verschwenden wollte. Blieb ihm seine Geheimwaffe. Er brauchte nur daran zu denken, schon glühten die Krallen seiner rechten Hand giftgrün auf und ebenso gefärbter Nebel hüllte die Klaue ein. „Dokka-so…“, wisperte der Inuyôkai, noch während er sich aus der Luft wieder zu Boden fallen ließ und die leuchtende Hand in den Rücken des Schneemonsters bohrte. Noch ehe er sie wieder herausgezogen hatte, begann das Vieh zu schmelzen, bis von ihm ebenso wenig übrig war, wie von Natsus Gegner. Im selben Moment fiel der Bannkreis. Die Umgebung taute. Es schien, als könnte Kirin solche Grausamkeit kaum glauben, denn er schüttelte immer wieder den Kopf, während er auf Shiori zutrat und seine pferdeähnliche Schnauze leicht gegen deren Wange drückte. Dann trat er zurück. „Es tut mir schrecklich Leid. Aber… haben sie euch danach nicht in Ruhe gelassen?“ „Naja… fast drei Jahre lang schon… vor etwas weniger als einem Jahr starb meine Mutter nach langer Krankheit. In meiner Trauer verkroch ich mich oft in den verlassenen Höhlen der Komori. Eines Tages fand ich dort dieses Tachi. Es stammt von meinem Vater, da bin ich sicher. Ich spüre es. Ich… ich begriff, dass er gewollt hätte, dass ich mich durchschlage. Das ich nicht auf die angebliche Mildtätigkeit von Menschen angewiesen sein sollte, die mich eigentlich gar nicht leiden konnten. So zog ich weiter an der Küste entlang nach Norden. Und vor ein paar Tagen traf ich Kagome und einen Teil der Gruppe wieder, die mich seinerzeit retteten. Ich schloss mich ihnen an.“ Shioris Stimme die am Anfang noch fast tonlos gewesen war, nahm nun wieder normalen Klang an, ihre Tränen hatte sie offenbar vergessen. Ihre Hand ruhte noch immer auf dem Griff ihrer Waffe. Kirin schien das erst jetzt zu bemerken, denn er schnaufte überrascht, seine Nüstern berührten vorsichtig die Waffe. „Kōmori no shinzō – Das Herz der Fledermaus. Du hast Recht, es gehörte deinem Vater. Weißt du, was für ein Geschenk dein Vater dir damit gemacht hat?“, flüsterte er und etwas wie Ergriffenheit lag in seiner Stimme. Die Umstehenden – sowohl Yutaka, als auch die Gruppe um Kagome – hörten stumm zu, neugierig, worauf das Einhorn hinaus wollte. Denn sie hatten nicht die geringste Ahnung, wovon Kirin sprach. Auch Shiori schüttelte nach kurzem Zögern den Kopf. „Die Blutkoralle war einst ein sehr beliebter Rohstoff, der unter sämtlichen Völkern der FledermausYôkai und ihrer Verwandten gehandelt wurde. Doch als sie knapp wurde, blieben nach erbitterten Kämpfen nur drei Dinge übrig. Das konzentrierteste, aber auch gehassteste war der Stein, der euren Bannkreis aufrechterhielt. Wer ihn hatte, wollte Macht, wollte die anderen Fledertiervölker unterdrücken. Was Taigokumaru übrigens in seinen jungen Jahren auch gelang. Viele Völker und Familien hat er vertrieben. Das zweite ist eine pure Koralle, die sich meines Wissens im Moment im Besitz einer kleinen Familie weit im Osten befindet, die das aber nicht an die große Glocke hängen. Und das dritte ist ein kleiner Splitter, eingearbeitet in die Klingenspitze einer Waffe. Des Kōmori no shinzō.“ Kirins Ton klang nun lockerer, fast wie bei einem Großvater, der seinem Enkel Geschichten erzählt, oder so ähnlich. Shiori schniefte ein wenig. „Wi-wirklich? Ist dieses Tachi so wertvoll?“ „Ja, das ist es. Denn dadurch, dass es zwar die schützenden Fähigkeiten der Blutkoralle besitzt, aber nur so einen kleinen Splitter davon, beschützt es nur seinen Träger, den aber vor allem Übel. Und davon abgesehen besitzt dieses Schwert auch noch einen recht starken Angriff. Den kenne ich aber auch nicht näher“, erklärte das japanische Einhorn, ehe es einen Schritt zurück trat. „Ich erinnere mich nun, dass dein Vater mir vor vielen Jahren schon sagte, dass er um das Geheimnis wisse, das in dieser Waffe schlummert. Und dass er nicht zulassen würde, dass es jemand anderes, außer seiner Familie in die Finger bekommt. Ich nehme an, er hat einen Bann darüber gelegt, sodass es nur seine Blutsverwandten berühren können. Sonst hätte es sicherlich irgendeiner der fliehenden Komoris mitgenommen, meinst du nicht?“ Das Halbdämonenmädchen schien noch wie erschlagen von all diesen Erzählungen, ihr Blick war leicht verschleiert, als sie das Tachi ein Stück aus der Scheide zog und mit den Fingerspitzen vorsichtig über die ebenfalls pechschwarze Klinge fuhr. „Ein Glück, dass Taigokumaru es dann nicht in die Finger bekam“, hauchte sie leise, ehe ihr Blick zum Himmel wanderte. Die Sterne funkelten inzwischen wie festgesteckte Glühwürmchen fern am Firmament und eine hauchdünne Mondsichel glänzte leicht silbern. Über Shioris Augen schien sich ein silberner Schimmer zu legen, als sie den Kopf in den Nacken legte. „Danke, Otou-san…“, murmelte sie tonlos. „Eine Falle noch“, ließ sich Natsus feine Stimme vernehmen, als der karge Boden bereits wieder gänzlich eisfrei war. Sie klopfte ein paar verbliebene Eiskristalle von ihrer Fellschärpe und ging langsam los. „Das wird die gemeinste Aufgabe. Für katzenartige Yôkai besonders, denn die hassen das Wasser, aber auch für andere ist es nicht leicht, dort hindurch zu kommen. Um das Grottenlabyrinth zu durchqueren muss man schwimmen und zudem befinden sich im Wasser nette Gestalten, die etwas dagegen haben, dass man so leicht durchkommt. Habt Ihr schon einmal etwas von Kristallaalen gehört?“ Sesshômaru nickte nur knapp, als er zu der schwarzhaarigen Dämonin aufschloss. Seinem umsichtigen, ehemaligen Lehrer hatte er es zu verdanken, dass er tatsächlich wusste, wovon Natsu sprach. Diese Viecher waren in der Tat nicht gerade nette Weggefährten, aber normalerweise recht leicht aus dem Weg zu räumen. Da musste noch etwas hinter stecken. „Was ist die Finte?“, fragte er vorsichtshalber nach, wenn seine Stimme auch vollkommen emotionslos klang, wie immer eben. „Nun ja… in den Grotten ist es vollkommen unmöglich Yôki einzusetzen. Die Wände sind porös und man würde sich das bisschen Raum zum Atmen nehmen der oberhalb der Wasseroberfläche besteht, wenn sie einstürzen. Pure Klauen oder der reine Stahl der Schwerter, anders kann man sich da unten nicht verteidigen“, antwortete Natsu bereitwillig, dennoch zeigte ihre leise gewordene Stimme, dass sie etwas unsicher war. Sicherlich behagte die Falle ihr nicht, zumal sie doch zu den so wasserscheuen katzenartigen Dämonen gehörte. Sesshômaru schüttelte innerlich den Kopf. Warum bitte machte er sich über ihre Gefühlswelt Gedanken? Konnte ihm doch gänzlich egal sein. Nach diesem Gewaltmarsch durch die Fallen und dem Abstecher zu Kuraiko war er sie doch sowieso los. Aber er folgte ohne eine Regung, bis Natsu vor einem flach erscheinenden Wasserbecken vor einem Höhleneingang stehen blieb. Es wirkte wie ein Fluss, der sich in den Fels hinein zog, aber nach ihren Worten würde das schon wieder ein Labyrinth sein. Mit langsamen Schritten näherte sich Natsu dem Ufer, betrat vorsichtig das Wasser. Man sah ihr an, dass sie innerlich erschauerte, sich aber zusammen nahm. Von vorne hätte man auch ihre zusammengekniffenen Augen erkennen können. Aber sie wollte sich nicht blamieren. Nicht vor diesem eiskalten Fürsten, der bis jetzt noch jede Prüfung weitestgehend problemlos abgeschlossen hatte, abgesehen vielleicht von dem Aussetzer in der Blitzfalle, an dem sie aber vermutlich durch ihre eigenen Probleme mit Schuld gewesen war. Niemals würde sie sich der Schmach hingeben, nur aus Wasserscheu diese Prüfung zu vermasseln. Und so trat sie tapfer immer tiefer ins Nass. Wie es auch bei ihren tierischen Verwandten war, so konnte sie instinktiv schwimmen, mochte es auch wenig elegant aussehen, aber immerhin ertrank sie so nicht. Hinter sich hörte sie nur leises Plätschern, als Sesshômaru ihr ohne zu zögern und beinahe lautlos ins Wasser folgte, sicherlich weit geschmeidiger als sie und sicherlich ohne das geringste Zeichen von Mimik. Sie runzelte ein wenig die Stirn, als sie den Boden unter den Füßen verlor, vorsichtig zu schwimmen begann. Wie sie das Wasser doch hasste! Aber sie würde sich keine Blöße geben! Niemals! Nicht vor ihm! „Oh, du wartest ja schon. Seit wann so ein Eifer?“ In Aratas Stimme lag ein dumpfes Lachen, als er sich seinem Schüler näherte, der wie verabredet auf dem Hügelkamm saß, an dem sie am vergangenen Tage ihr Gespräch geführt hatten. Kôhei wandte den Kopf ein Stück. „Das ist kein Eifer, Sensei. Aber ich habe etwas gut zu machen. Und Pflichtgefühl ist einer der wenigen Charakterzüge eines Ookami, der mir geblieben ist.“ Aratas Mundwinkel zuckten etwas. „Wie dem auch sei, jedenfalls bist du hier. Ich habe übrigens etwas für dich“ Der alte Hundedämon hob die Hände, in denen ein in groben Stoff geschlagenes Bündel lag. Der Geruch von Asche und Hitze hing in dem Gewebe. Kôhei kniff die Augen zusammen, nahm die Gabe aber entgegen. Alles andere wäre unhöflich gewesen. Langsam schlug er den Stoff zurück, legte die Klinge frei, die darin eingewickelt gewesen war. Für einen Augenblick lag Entsetzen in seinen Augen, dann erkannte er die gekrümmte Form der Waffe. Ein Tachi. Es war aus einfachem Stahl, aber ein Band aus bläulich schimmerndem Schmuckeisen zog sich über die stumpfe Kante der Klinge. Auch der Griff war in Blau umwickelt. Der Schwertschmied hatte sein Handwerk verstanden, wenn er auch keine Koryphäe gewesen war. Arata hätte ihm sagen können, dass Dai diesen japanischen Säbel geschmiedet hatte, aber das ließ er lieber bleiben und konzentrierte sich auf wichtigere Dinge. „Ich denke, damit hast du eine Handwaffe, mit der du trainieren kannst, ohne zu sehr deinen Erinnerungen ausgesetzt zu sein, oder?“, fragte er ruhig und hob den Stoff auf, der zu Boden gefallen war. Die einfache, dunkelblau bemalte Scheide, die ebenfalls im Gras lag, nahm er in die Hand und hielt sie Kôhei hin. „Hier. Geh‘ pfleglich damit um. Es ist deins“, sagte er noch und stellte mit leiser Freude fest, dass zum ersten Mal, seit er ihn kannte, in Kôheis Augen ein Funken von Frohsinn aufflammte. Die Stille, die sich über die Gruppe rund um Kagome, Kirin und die anderen gelegt hatte, wurde erst wieder gebrochen, als das Einhorn leise zu sprechen begann: „Was euren Freund anbetrifft… das Problem ist, dass reine Energie nun einmal für alles dämonische schädlich ist. Und da das nicht ohne Grund so ist, bin ich auch nicht in der Lage, so etwas rückgängig zu machen, solange ich etwas mit dem geringsten Hauch von Yôki vor mir habe. Es tut mir Leid, aber ich fürchte, ich kann euch da nicht helfen.“ Er senkte traurig den Kopf und die fast selige Stimmung, die das Unglück rund um InuYasha für einen Moment vergessen gemacht hatte, schmolz dahin wie Schnee in der Sommersonne. Fast sofort schluchzte Kagome wieder auf, war nahe dran, erneut zusammenzuklappen. Gerade noch rechtzeitig war Shiori bei ihr, nahm sie in den Arm und hielt sie fest. Shippô schniefte, die Hand noch immer in Kagomes Kleidung vergraben. „Es ist alles meine Schuld…“, murmelte er leise vor sich hin und er bemerkte nicht einmal, dass Kyoko ihm einen tröstenden Blick zu warf. Selbst Yutaka, der nun so gar keinen Anteil an der Sache hatte, machte ein betretenes Gesicht. Kohaku ließ den Kopf hängen, wagte aber nicht, näher an Kagome heran zu gehen. Soweit er von der Freundschaft zwischen der jungen Miko und seiner Schwester wusste, war die Anteilnahme einer Freundin noch irgendwo das, was Kagome jetzt am Meisten helfen konnte. Doch plötzlich erklang Shioris Stimme, leise, aber zitternd vor Hoffnung. „Er ist ein Hanyô, wie ich. Hat… hat er dann nicht auch eine Nacht, in der er zum Menschen wird?“ Es war, als wäre ein Blitz in die Gruppe gefahren. Shippô und Kagome sahen wie auf Kommando beide zum Himmel, suchten den Mond. Beider Augen leuchteten auf, als sie die hauchdünne Sichel erkannten. Noch erstickt von den vergossenen Tränen, aber wieder hell vor Hoffnung, sprach Kagome aus, was alle Mitwisser so erleichterte: „Morgen ist Neumond!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)