☾ Mikadzuki von Mimiteh ================================================================================ Kapitel 15: Neue Wege --------------------- Der nächste Tag begann für Arata früher, als für seinen neuen Schüler. Nun war der alte Inuyôkai stark genug um sowieso so nicht zu schlafen, aber er nutzt die Nacht gerne um Ruhe zu finden, weit draußen in den Wäldern, entfernt vom Schloss. Jetzt aber stand er vor Masas Büro, als gerade die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont stiegen und bat um Einlass. Seine rotbraune Haarpracht, die er nur schulterlang trug, obwohl sie deutlich länger hätte sein können, leuchtete etwas im Licht, als er eintrat. Die Schiebetür zum Balkon stand offen, Masa stand dort an der Balustrade und drehte sich jetzt zu ihm um. „Gut, dass du kommst, Arata. Wir müssen über deinen neuen Schüler reden.“ Der Alte trat neben sie. „Ich weiß. Er ist nicht, was man einen angehenden Krieger nennt. Viel zu desinteressiert an der Welt.“ „Das ist nicht das ganze Problem, Arata. Hier, lies das!“ Sie reichte ihm das Schreiben, welches Kôhei am vergangenen Abend bei ihr abgeliefert hatte und wunderte sich nicht im Geringsten, als selbst der erfahrene Lehrer scharf die Luft einzog. „Das hättest du nicht erwartet, oder? – Dieser junge Ookami ist stark genug um seine Energie zu unterdrücken und er kann sicherlich seine wahre Form annehmen, in seinem Alter müsste er es gelernt haben. Aber ob er bei seinem Wesen zum Krieger taugt oder überhaupt jemals eine Waffe in der Hand gehalten hat?“ Arata brummte etwas Unverständliches. „Das mit den Waffen lässt sich machen. Er muss nur lernen mit dem Naginata und mit einer Handwaffe umzugehen. Was mir eher Sorgen macht, ist sein Verhalten. Die anderen sind alle noch kindlich naiv, aber sie besitzen Willen und Ehrgeiz. Mein neuer Schüler tut das nicht. Zu mindestens zeigte er es nicht.“ Und an dieser Stelle bewies er, wie viel Erfahrung beim Einschätzen von neuen Bekanntschaften er hatte. „Ich glaube, da steckt etwas hinter. Nicht nur, dass es sicherlich nicht seine Entscheidung war, dass seine Schwester mit dem Wolfserben verlobt wird. Ich glaube, da ist mehr. Diese Unlust hat einen Grund. Und den werde ich herausfinden müssen, ehe ich irgendetwas erreichen kann. – Ich danke für die Warnung, Masa. Ich werde mein Bestes geben.“ „Das weiß ich, Jii-san. Ich wollte nur, das du Bescheid weißt.“ Damit trennten die beiden sich und Arata machte sich auf den Weg zum Trainingsplatz. Wollte er doch mal sehen, ob dieser Kôhei wenigstens pünktlich sein konnte. Natsu hatte sich derweil auf einen weiteren scharfen Blick des Hundedämons hin, langsam auf den Weg gemacht, der hinüber zu der Fadenfalle führte. In Gedanken zählte sie die Schritte mit. Vier… Drei… Zwei… Eins… Dunkel! Tatsächlich schwand im selben Augenblick um sie herum das Licht. Stockduster war es um sie herum und sie spürte für den winzigen Bruchteil einer Sekunde, wie das Yôki ihres Begleiters wachsam aufwallen wollte, ehe er es wieder unter Kontrolle brachte. Ein winziges Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Sie blieb stumm stehen, wartete, dass die Falle sich vollends aktivierte. Das dauerte immer eine Weile, aber jetzt schon vorzupreschen, würde es nur schlimmer machen. Sesshômaru stand nach außen hin vollkommen ruhig knapp hinter ihr und sah sich um. Viel konnte er allerdings nicht erkennen. Das lag allerdings weniger an der Qualität seiner Sehkraft, als an der Tatsache, dass es momentan auch nicht zu sehen gab. Wo lag hier die Falle? Einfach nur an der Dunkelheit? Mit Sicherheit nicht. Er sah zu seiner Begleiterin, wartete auf ein Zeichen, sicher, dass sie wusste, was geschehen würde. Aber noch rührte Natsu sich nicht. Er unterdrückte das aufkommende Misstrauen über ihre vollkommende Ruhe und beschloss einfach zu warten. Lange brauchte er das nicht mehr. Er sah zwar nicht, dass Natsu kurz die Augen zusammenkniff, um ihren Blick besser auf das fixieren zu können, was ihr wichtig war, aber er sah, warum sie jetzt reagierte: In der undurchdringlichen Dunkelheit waren silbrige Fäden aufgetaucht, leicht schimmernd und glitzernd, quer durcheinander, wie ein verknäultes Spinnennetz. Und immer mehr kamen hinzu, über ihnen, neben ihnen, vor ihnen. Sesshômaru brauchte sich nicht umzudrehen, um sich denken zu können, dass auch hinter ihnen welche waren. Die Fäden malten ein bizarres Muster in die Schwärze, das keine klare Richtung oder Anweisung zu enthalten schien. Sie hat etwas von Labyrinth gesagt… nun, Recht hat sie… für die Augen ist ein Labyrinth, für den Körper nicht…, erfasste der Inuyôkai die Situation, während unaufhaltsam immer noch weitere Fäden auftauchten. Schließlich erkannte er, dass gleichzeitig auch wieder welche verschwanden. Ein stetes Hin- und Her, hier kamen welche dazu und dort schwanden sie. Die Wahrnehmung… für die gesamte Wahrnehmung ist diese Prüfung wohl gedacht… Es behagte Sesshômaru zwar nicht wirklich, dass er spekulieren musste, aber er würde sich hüten, zu fragen. Einerseits sowieso und andererseits, weil er doch eigentlich froh sein konnte, dass Natsu im Moment mal still war. Sie war ja sonst geradezu undämonisch redselig. Die Sonne war weiter im Norden noch kaum aufgegangen, da drängte InuYasha bereits wieder zum Aufbruch. Lange hatte er in der Nacht nicht geschlafen, aber das er es überhaupt getan hatte, war schon etwas Besonderes. Normalerweise reizte er so etwas bis zum Limit aus, ehe er sich um sich selbst sorgte. So oder so wollte er jetzt weiter. Und das zeigte er auch deutlich, war mürrisch und reizbar. Kagome sorgte dafür, dass alles nach seiner Nase verlief, ehe sie nach dem Aufbruch versuchte, ein paar vernünftige Worte mit ihm zu wechseln. Aber das war schwierig. „InuYasha, jetzt sag schon. Was ist los?“ „Nichts“, brummte er bloß. Die anderen waren in Hörweite. Und manches ging sie eben nicht an. „Ach, InuYasha…“, seufzte Kagome bloß und nahm sich vor, es bei der nächsten Rast noch einmal zu versuchen. Vielleicht hatte er sich dann ein wenig beruhigt. Sie ließ sich zu Shiori zurückfallen, die zwischen Kohaku und Tián hinter InuYasha herlief und sich nicht anmerken ließ, ob dessen Verhalten sie störte. „Sag mal, warum ist er so? Er kann doch auch ziemlich geduldig sein…“, setzte sie aber nun an. Kagome lächelte etwas. „Er kann, ja. Aber im Grunde ist das eher die Ausnahme. Er ist hitzköpfig und vorpreschend. Aber das jetzt… ich weiß auch nicht, Irgendetwas beschäftigt ihn. Das war früher oft so. Bloß das ich da erraten konnte, worum es ging, weil der Grund entweder Naraku oder Kikyô hieß.“ Die junge Miko sprach den Namen ihrer einstigen Rivalin inzwischen, wenn sie nicht gerade wütend war, ganz normal und ohne ein Zeichen von Bitterkeit aus. In den drei Jahren der Trennung hatte sie viel nachdenken können. InuYasha war nicht fähig gewesen, loszulassen, hatte sich Kikyô gegenüber schuldig und verpflichtet gefühlt. Und Kikyô? Die hatte wohl einen Grund gesucht, durchzuhalten. Und InuYasha war da der einzige Anhaltspunkt gewesen. Einst hatten die beiden sich geliebt, das war ihr klar, aber schon lange bevor diese etwas kuriose Tändelei der beiden mit Kikyôs endgültigem Tod ein so dramatisches Ende genommen hatte, hatten nur noch andere Gründe sie zusammen gehalten. Kagome zürnte nicht mehr, sie hatte gelernt zu verstehen. Und inzwischen tat ihr Kikyô im Nachhinein fast Leid, auch wenn sie wusste, dass die am Ende mit sich im Reinen gewesen war. Und sie rechnete es Kikyô hoch an, das die Kohaku eine dritte Chance gewährt hatte. Ohne das Licht von Kikyôs zum zweiten Mal verstorbener Seele, würde Kohaku nicht mehr leben. Kagome schob das Thema beiseite, als sie den Seitenblick des jungen Taijiya spürte. „Was ist, Kohaku?“ „Werden wir noch einmal im Dorf vorbeisehen, bevor wir weitersuchen?“ „Das musst du InuYasha fragen, sollte er heute nochmal auf die Idee kommen, zu rasten. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist, aber lass ihn erst mal seinen Frust loswerden, vorher kann man sowieso nicht mit ihm reden.“ Innerlich musste Kagome ein wenig grinsen. Schon bei den winzigen Anekdoten, die sie früher ihren Freundinnen in der Neuzeit über InuYashas früheres Verhalten erzählt hatte, waren die beinahe von der Bank gekippt. Würde sie denen erzählen, welches Chaos jetzt schon wieder herrschte und das es unter anderem von dem ‚gewalttätigen, eifersüchtigen, unfreundlichen Freund‘ abhing, ob die Welt weiter so bestehen würde, wie sie war, dann würden die drei vermutlich ohnmächtig werden. Dieser Gedanke führte Kagome zurück zu ihrer Familie. Sie dachte an das letzte Gespräch mit ihrer Mutter, an deren so tiefes Verständnis. Es hatte ihr das Herz zerrissen, einfach zu gehen, aber, so weh es irgendwo auch tat, ohne InuYasha hatte sie es nicht mehr ausgehalten, ohne ihre Familie, das ging irgendwie. Vermissen tat sie sie schrecklich, aber in InuYashas Nähe zu sein, tröstete sie mehr über den Verlust ihrer Mutter, ihres Großvaters und ihres Bruders hinweg, als es umgekehrt gewesen war. So ist es wohl, wenn man jemanden innig liebt… nicht wahr? Eigentlich war Arata nicht einmal wirklich überrascht, als er Kôhei bereits am Rande des Trainingsplatzes sitzen sah, scheinbar die anderen seines Rudels beobachtend, deren Training bereits begonnen hatte. Als er näher kam, bemerkte der alte Inuyôkai allerdings, dass Kôhei eher durch die anderen hindurch sah. Er besah sich den jungen Ookami noch einmal genauer. Wie es zur Tracht der Wölfe gehörte, trug auch er eine Rüstung, allerdings bezweifelte Arata schwer, dass Kôhei deren Dienste irgendwann einmal in Anspruch genommen hätte. „Kôhei!“, rief er, woraufhin der Wolfsjunge aufstand, ohne ihn anzublicken. Das wird ein hartes Stück Arbeit… Es war ja nicht so, dass Arata nicht wüsste, wie man mit emotionslosen Persönlichkeiten umging, aber Sesshômaru war schließlich alles andere als lustlos oder unfähig zum Kampf gewesen. Der hatte schon rein instinktiv mit seinem Klauenangriff und seinem Gift umgehen können, ehe er das Kampftraining richtig begann. Arata wusste, dass die Wölfe nur selten einen persönlichen Klauenangriff besaßen, bloß ihre Krallen durch ihr Yôki stärken konnten, aber dennoch sollte er wohl erst einmal herausfinden, ob dieser Kôhei wenigstens die Grundlagen beherrschte. „Hast du jemals eine Waffe in der Hand gehalten?“, fragte er im Näherkommen. „Ich kann ein wenig mit dem Katana umgehen. Seit zwanzig Jahren hatte ich aber keines mehr in der Hand“, erwiderte Kôhei gelassen. Seit der Geburt meiner Schwester…, fügte er in Gedanken noch hinzu, hütete sich allerdings, das auszusprechen. Er würde einen Teufel tun, seinem Lehrer so etwas einfach zu erzählen. Was ging den seine Familiengeschichte an? Arata hatte sich den ersten Teil der Antwort bereits denken können. Das Katana, das normale, einschneidige Schwert, war die gebräuchlichste Waffe. Kurzerhand zog er das, was er an der Hüfte trug, aus der Scheide und hielt es Kôhei hin. „Na dann, zeig, was du kannst!“ Ein bisschen Provokation musste vermutlich sein, damit der Kerl auf Touren kam. Kôheis Hand legte sich zwar um den Griff des Schwertes, aber er rührte sich nicht. „Warum?“, wollte er leise wissen. „Weil ich wissen will, wie gut deine Ausbildung bisher war. Also mach“, ließ Arata sich zu einer Erklärung herab, ohne jedoch große Hoffnung zu haben, dass das etwas bringen würde. „Ich muss doch bloß lernen, mit einer Stangenwaffe umzugehen“, konterte Kôhei auch ohne zu Zögern. Arata unterdrückte ein Seufzen. „Eine Stangenwaffe, wie es Naginata und Yari sind, ist aber nicht für den direkten Nahkampf oder den Kampf in einer Gruppe geeignet. Es sei denn, du willst deine Kumpane abschlachten“, erläuterte er, war aber doch überrascht über die Reaktion des jungen Wolfes. Der konnte nämlich ganz offensichtlich ein Knurren nur knapp unterdrücken. Da hatte er offenbar einen Nerv getroffen. Und er hatte Recht gehabt. Hinter der Unlust dieses Wolfsjungen steckte etwas. Warte ab, Junge, dich werde ich schon knacken… Es war bereits früher Nachmittag, als InuYasha endlich zuließ, dass sie Rast machten. Kohaku war schon die letzten zwei Stunden wieder auf Kirara geritten, weil sein Bein die überlange Wanderung dann doch nicht mitmachte und auch die anderen waren erleichtert. Nur Kagome machte sich nach wie vor große Sorgen. Etwas stimmte nicht, mit InuYasha, schon gar nicht, weil er seit ihrem missglückten Gesprächsversuch heute Morgen kein Wort mehr verloren hatte. So schweigsam war er noch nie gewesen. Als er sich wie üblich abseits auf einen Stein setzte, ging sie ihm hinterher, blieb hinter ihm stehen. „Wenn wir leise sprechen, hören die anderen uns hier nicht. Gut, außer Kirara vielleicht. Also, was ist los?“, fragte sie sanft und bewies damit, dass sie ihn vorhin in diesem Punkt durchschaut hatte. InuYasha grummelte vor sich hin, sein Blick war in die Ferne gerichtet. „Wir wurden so oft angegriffen. Wir können uns wehren. Aber das Dorf? Kommen Sango und Miroku zurecht?“ Kagome konnte nicht anders, als hinter seinem Rücken etwas zu lächeln. „Du vermisst sie“, stellte sie ruhig fest. „Keh! Quatsch!“, brummte der Hanyou, schien es sich dann aber doch anders zu überlegen. „Naja… vielleicht. Es… es ist nicht wie früher. Shiori… ich weiß, dass sie uns viel verdankt und sich revanchieren will. Ich weiß, dass sie glücklich ist, mitkommen zu dürfen und das sie durchaus auf sich selbst aufpassen kann. Aber…“ Er stockte. „Und dieser Tián, den kann ich gleich gar nicht einschätzen. Was für ein Dämon ist er überhaupt? Und…“ Wieder unterbrach InuYasha sich, sah jetzt zu Boden. „Selbst Kohaku. Ich kenne sein Schicksal und ich weiß, dass er eigentlich fast zur Familie gehören sollte. Immerhin ist er Sangos Bruder. Aber…“ Kagome nahm es ihm nun ab, die Sätze zu vervollständigen: „… aber es ist eben doch irgendwie fremd, nicht wahr? Nicht wie früher. Sango und Miroku fehlen dir, unsere Truppe, die fest entschlossen war, mit allem fertig zu werden, egal ob dieses alles Naraku, Kagura, Kanna oder wieder ganz anders heißt. Ich verstehe dich, InuYasha, ich verstehe dich gut. Aber Sango und Miroku haben nun mal ihre Verpflichtung im Dorf. Sie haben ihre Kinder und müssen obendrein Rin beschützen. Kaede hätte das in solchen Zeiten nicht allein geschafft.“ Sie seufzte leise. „Ach, InuYasha, die Zeiten ändern sich nun mal. Wer weiß eines Tages ziehen wir vielleicht wieder mit Sango und Miroku durch die Gegend. Auf jeden Fall aber werden wir wieder nach Hause zurückkehren. Aber vorher müssen wir zusehen, dann wir unseren Auftrag erfüllen. In Ordnung?“ Sie kniete sich neben den Felsen ins Gras und sah von unten zu ihm auf. InuYasha zuckte etwas mit den Ohren. „Hmm… ja, schon gut, ich habe verstanden. – Danke, Kagome…“ Die junge Miko suchte seinen Blick. „Nicht zu danken, InuYasha. Ich kann genauso wenig ertragen, wenn dich etwas belastet, wie du es kannst, wenn mich etwas belastet. Ich liebe dich, InuYasha. Ich kann dich nicht leiden sehen.“ Nun lächelte der Halbdämon beinahe wieder. Er ließ sich von dem Felsen hinabrutschten und setzte sich neben sie ins Gras, schlang den Arm um sie und zog sie an sich. „Ich liebe dich auch, Kagome…“, flüsterte er leise. Derweil war die Welt von Sesshômaru und Natsu noch immer in Dunkelheit getaucht. Die Löwendämonin hatte sich inzwischen in Bewegung gesetzt, schritt langsam vorwärts, jeden Schritt überdenkend. Sesshômaru, der ihr wohl oder übel auf den Fersen blieb, versuchte dabei herauszufinden, wie sie ihren Weg plante, denn wenn er ehrlich war, erkannte er keinen Hinweis in dem stetig wechselnden Gewirr aus Lichtfäden. Er versuchte zu wittern, doch nirgendwo zeigte sich ein Anhaltspunkt. Eigentlich kein Wunder, schließlich befanden sie sich in der bekannten Umgebung, bloß das sämtliches Licht ausgeschaltet war. Und da selbst Natsu ihre Schritte so vorsichtig setzte, nahm er an, dass auch ihre Katzenaugen ihr nicht viel halfen, obgleich sie damit eigentlich einen Gutteil besser sehen müsste, als er. Diese Kuraiko war offenbar tatsächlich mit allen Wassern gewaschen. Tatsächlich sah Natsu auch nicht mehr, als der Inuyôkai, aber sie wusste von dem einzigen Indiz auf die richtige Richtung und hielt sich daran, aber wenn sie schneller gehen würde, konnte sie sich nicht darauf konzentrieren. Einem bestimmten Lichtfaden zwischen unzähligen Lichtfäden zu folgen, war verständlicherweise nicht ganz einfach. Und sie musste sich zusammen nehmen, damit ihre Wahrnehmung nicht verschwamm. Oh, oba-san, warum der Quatsch? Du weißt doch, dass ich es bin… willst du mich etwa auch nicht mehr sehen? Was habe ich dir getan? War ich nicht diejenige, der du mehr vertraut hast, als deinen eigenen Kindern? Der du deinen Schmerz offenbart hast, wenn du dich vor allen anderen unverwundbar gabst? Natsu verzog etwas das Gesicht, als sie beinahe im wahrsten Sinne des Wortes den Faden verlor. Für einen Augenblick war er verschwunden, so wie die anderen Fäden auch ab und an. Da war er wieder. Ein Glück. Beinahe hätte sie erleichtert aufgeatmet, aber diese Schwäche wollte sie sich dann doch nicht eingestehen. Wenn der Leitfaden jetzt auch schon flimmerte, war es nicht mehr weit. Jetzt konnte sie aufs Ganze gehen. „Schneller…“, wisperte sie nur, ehe sie sich vorwarf. Sesshômaru hechtete ihr sofort nach, zu erfahren um nicht rechtzeitig zu reagieren. Ein paar Sprünge lang ging das gut. Dann jedoch begannen die Lichtfäden an den Rändern seines Gesichtsfeldes durch die Geschwindigkeit zu einem einzigen Lichtfeld zu verschwimmen, Natsu vor ihm, mit ihrer dunklen Kleidung verschmolz mit der magischen Dunkelheit – und dann stand er plötzlich alleine da. Abrupt kam er zum Stehen, versuchte sich wieder zu orientieren. Leichter gesagt, als getan. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wohin er sich wenden musste. Außerdem regte diese Falle ihn langsam auf. Für einen Sekundenbruchteil schloss er die Augen, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, aber das reichte, damit sich instinktiv seine anderen Sinne verstärkten. Und da, eine Ahnung bloß, viel zu schwach eigentlich für die erwartete Nähe… ein Funken einer Witterung. Unterschwellig der Geruch einer Katze, dämonische Energie, Stoff. Aber noch etwas anderes. Etwas wie Wärme lag drin, Gras- und Blütenduft – Sommerwind. Natsu. Diese Mischung hatte er zuvor nie richtig wahrgenommen. Bemüht, den unverhofften Hinweis in der Nase zu behalten, folgte er ihm zielstrebig, bis sich plötzlich, vom einen auf den anderen Moment die Dunkelheit um ihn herum lichtete. Wie schwarze Wolken brach sie auf und gab wieder die Sicht frei. Und im selben Moment verstärkten sich auch alle anderen Sinneswahrnehmungen wieder, offenbar unterdrückte diese Falle auch diese. Da erfassten seine Augen Natsus Gestalt, die etwas links von ihm stand, offenbar gewartet hatte. Hatte sie darin vertraut, dass er es allein schaffen würde? So oder so, spürte er plötzlich Erleichterung. Ob das nun daran lag, dass er diese unsägliche Falle hinter sich hatte, oder dass er Natsu wieder gefunden hatte, darüber wollte er nicht nachdenken. Beidenfalls wäre es seiner nicht würdig. Da erkannte er, dass sie ihn musterte, konterte mit seinem üblich eiskalten Blick. Tatsächlich sah sie diesmal weg. Und setzte sich wieder in Bewegung, die Hand locker auf ihren Schwertgriff gelegt. Die linke Hand. Erstaunlich. Das war unter Dämonen extrem selten. Aber ihre Verhalten freute ihn aus anderem Grund: Offenbar war die nächste Falle nur kämpferisch zu überwinden. Das wäre eine gute Möglichkeit, sich abzulenken. Und das hatte er bitter nötig. Diese Dämonin trieb ihn nochmal zum Wahnsinn. Jetzt, wo er ihre Witterung so deutlich wahrgenommen hatte, ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Was sollte das bloß? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)