☾ Mikadzuki von Mimiteh ================================================================================ Prolog: Alltag? --------------- „Ich kann es gar nicht oft genug sagen, InuYasha, wie froh ich bin, wieder hier zu sein. Diese drei Jahre waren eine Qual!“ Kagome lächelte leicht, als sie spürte, dass der Arm um ihre Schultern sie fester an den Hanyou an ihrer Seite zog. „Frag mich mal. Du hattest deine Familie“, gab er zurück. „InuYasha!“, tadelte sie leise, allerdings ohne das früher so häufige Kommando folgen zu lassen. Inzwischen waren sie beide zu erwachsen dafür, darin waren sie stumm übereingekommen. „Du hattest Sango. Und Miroku, Shippô und Kaede. Und die Kleinen“, fuhr sie dann fort und rutschte auf dem Ast, der ihnen beiden als Sitzplatz diente ein wenig nach links, um sich seitlich an den rauen Stamm zu lehnen. „Weißt du, InuYasha? Ja, ich hatte meine Familie. Und sie haben sich sehr bemüht. Aber manchmal hatte ich trotzdem das Gefühl, er hier sei mein einziger Freund“, murmelte sie leise und fuhr mit den Fingerspitzen über die schartige Borke. InuYasha war ihrer Bewegung gefolgt und sah sie nun aus golden schimmernden Augen an. „Goshinboku. Ja, ich kann es mir vorstellen. Er ist ja auch das einzige, was in deiner Zeit noch übrig ist“, gab er leise zurück, und seine Stimme klang sanfter und verständnisvoller als sie es bis vor wenigen Jahren jemals gewesen war. „Und der Brunnen. – Aber… sag nicht mehr ‚meine Zeit‘. Ich bin vermutlich endgültig gegangen. Und jetzt gehöre ich hier her. Zu dir“ Sie schmiegte sich etwas an ihn. „Ich weiß schon, warum ich dich so mag“, gab er leise von sich, worauf sie ihn aus dem Augenwinkel musterte. Noch immer hatte sie sich nicht so ganz daran gewöhnt, dass er so etwas offen sagte. Und da er im selben Moment den Kopf drehte, trafen sich ihre Blicke. Kagome lächelte erneut, spürte, wie er seinen Arm von ihren Schultern nahm und die Hand an ihre Wange legte, vorsichtig darauf bedacht, ihr nicht mit den Klauen weh zu tun. Dann trafen sich ihre Lippen. – Und der junge Kitsune, der eben auf der Suche nach ihnen, unter dem Baum aufgetaucht war, drehte sich direkt wieder um. Derweil herrschte deutlich weiter im Westen Aufregung. Die gesamte Schlossbelegschaft des Inu no Taishô, des Hundefürsten, war auf den Beinen. Sie alle spürten, dass das Yôki ihres Herrn, wenn auch nur zu einem kleinen Teil, offen gelegt war. Und da er es normalerweise komplett unterdrückte, versetzte seine offenbare Aufregung alle in Alarmbereitschaft. Nur eine behielt wie immer die Ruhe, Masa, die gute Seele des Schlosses, aber die saß momentan im Arbeitszimmer des Herrn und stand nicht für Fragen zur Verfügung. Das einzige, dessen sich alle Diener, Wachen und Krieger sicher waren, war die Tatsache, dass der Bote, der heute Morgen um Audienz gebeten hatte, an all dem Wirbel Schuld war. Dabei war ihr Herr sonst so gar nicht aus der Ruhe zu bringen, darin glich er seinem Vorgänger und Vater. Aber außer den wenigen, die den Herrn schon in seiner Kindheit gekannt hatten, wusste darüber hinaus niemand wirklich etwas über ihn. Weder die Tiefen seines Charakters, noch seine wahre Stärke waren ihnen bekannt. Besagter Herr saß derweil hinter seinem Schreibpult und musterte seine Beraterin mit undefinierbarem Blick. „Taishô, Ihr wisst, was das bedeutet. Sämtliche Fürstenfamilien werden hier auflaufen. Es muss alles perfekt laufen, denn sicherlich wissen sie, wie kurz Ihr erst wieder permanent hier seid und werden austesten wollen, ob Ihr eure Leute im Griff habt“, gab sie zu bedenken, während sie vor ihm kniete, den Blick etwas gesenkt, die Hände im Schoß gefaltet, wie es sich gehörte. Sie mochte eine geachtete Beraterin auch schon unter dem vormaligen Herrn gewesen sein, deswegen hatte sie noch lange keine Narrenfreiheit. Und, im Gegensatz zu vielen anderen, wusste sie, dass der neue Taishô seinen Namen nicht von ungefähr hatte. Sesshômaru – der, der perfekt tötet. Und so war es, daran hatte sich sicherlich nichts geändert. Trotzdem wagte sie nun den Blick kurz zu heben, als keine Reaktion kam. Tatsächlich verlegte der Herr sich mal wieder darauf, kein Wort zu viel zu sagen. Aber eines hatte sie in den drei Jahren gelernt, die vergangen waren, seit er endgültig hierher, auf den Fürstensitz des Inu-Clans zurückgekehrt war: Wenn er nichts sagte, hieß das noch lange nicht, dass er nicht längst alles geplant hatte. Und so wartete sie einfach ab. „Ich will die Verantwortlichen aller Bereiche hier sehen. Und hole ja diejenigen her, die noch über die Abläufe unter meinem verehrten Herrn und Vater Bescheid wissen“, befahl er schließlich tatsächlich und kaum einen Wimpernschlag später erhob Masa sich. Das hatte sie sich schon fast gedacht. „Sehr wohl, Taishô“, antwortete sie und schritt zur Schiebetür um dort den Diener weiterzuschicken. Dafür, selbst das Laufmädchen zu spielen, war sie sich dann doch zu schade und da sagte nicht einmal Sesshômaru etwas dagegen. Sie hatte sogar den leichten Verdacht, dass er sie immer noch achtete, auch wenn er meist mit ihr umsprang, wie mit jeder dahergelaufenen Zofe. Sie kehrte wieder zurück, kniete sich erneut nieder. „Taishô, darf ich mir eine Frage erlauben?“, begann sie vorsichtig. Wieder keine Antwort, aber das war eine Zustimmung, dessen war sie sich im Klaren. „Ihr wisst selbst, dass, wenn alle hundert Jahre sämtliche Fürsten zusammenkommen, sie es auch nutzen, untereinander ihre Fürstinnen und Erben bekannt zu machen. Ihr seid noch recht jung, aber trotzdem wird die Frage nach Eurer Gefährtin aufkommen. Sagt, gibt es da etwas zu wissen?“ „Nein“, kam die knappe Antwort zurück. Hätte sich dies einer Youkai geziemt, Masa hätte den Kopf geschüttelt. Nun, immerhin hatte er sich überhaupt zu einer Erwiderung herabgelassen. Und sie wusste, nur weil sie schon unter seinem Vater gedient hatte und er ihr obendrein zuvor die Frage erlaubt hatte, befand sie sich jetzt nicht in allen vier Ecken des Raumes zugleich. „Und was werdet Ihr über Euren Erben sagen? Da ich denke, dass Ihr ihn kaum hier haben wollt…“, fügte sie vorsichtig hinzu. „Ich gab die Erlaubnis für eine Frage, Masa“, sprach Sesshômaru bloß und sie schwieg sofort. Sie wusste, dass sie sich bei solchen Themen immer auf dünnem Eis bewegte. Der Inu-Yôkai dagegen machte sich insgeheim so seine Gedanken über ihre Worte. Natürlich war es weithin bekannt, dass er nur noch einen Blutsverwandten hatte, der damit nach dem Recht auch sein Erbe war, bis er einen Sohn bekommen würde, bloß der Betroffene würde es vermutlich nicht wissen, dieses dämliche Halbblut. Obwohl er zugeben musste, dass InuYasha sich entwickelt hatte und durchaus ein passabler, wenn auch technisch rettungslos unbegabter Kämpfer geworden war. Aber das hätte er niemals so ausgesprochen. Stattdessen konzentrierte er sich nun auf die eintretenden Yôkai, die auf sein Gesuch zu der Versammlung erschienen waren, offensichtlich aufgeregt. Schließlich wussten sie noch nicht, worum es sich handelte. Nun, sie würden gleich erfahren, welche Nachricht der Bote heute Morgen gebracht hatte: Das alljahrhundertliche Treffen der Dämonenfürsten sollte nach der Reihenfolge diesmal in seinem Schloss stattfinden. Wussten sämtliche Götter, das war wirklich keine Nachricht, die Sesshômaru erfreute. Aber er sorgte sich nicht deswegen. Yôkai haderten nicht mit Dingen, die nicht zu ändern waren. Hauptsache war jetzt, alles so zu koordinieren, dass beim nächsten Vollmond nicht ein Fehler unterlief. Im Norden des Landes war es dahingegen weit ruhiger. Das könnte daran liegen, dass zu dieser Tageszeit die meisten Dämonen mit den tierischen Wolfsrudeln draußen auf der Jagd waren und außer ein paar Wächtern eigentlich nur die Fürstenfamilie in den Höhlen verblieben war. Und gerade hier in den obersten Etagen der Wolfshierarchie war sowieso alles durcheinander. Manchmal konnte man gar den Eindruck bekommen, hier habe die Fürstin – oder besser, die Rudelchefin – das Sagen. Denn oftmals ging sie als Siegerin aus einer Diskussion hervor. Zumindest in letzter Zeit. Das mochte aber auch daran liegen, dass ihr momentan jeder Wunsch von den Augen abgelesen wurde. Wo Ayame sich das sonst scharf verbeten hätte, viel zu viel Abenteuerlust und Wildheit schlummerten in ihrem Charakter, so genoss sie es jetzt. Denn in wenigen Wochen sollte sie das Kind des Herrn der Wölfe zur Welt bringen und natürlich hoffte das ganze Rudel auf einen Erben. Gerade in diesem Moment aber ging es bei dem ranghöchsten Paar um ein ganz anderes Thema. Denn natürlich wusste auch ‚Fürst‘ Kôga, dass in etwas weniger als einem Mond das Treffen der Dämonenfürsten war und dass dieser Termin für ihn sehr ungünstig lag. Aber was sollte er schon machen. So einfach wie Ayame das in ihrem Dickkopf – der im Übrigen, in den letzten Wochen noch deutlich stärker geworden war – feststellte, ging das nicht. Er konnte nicht einfach wegbleiben. Im besten Falle noch würde man ihn und sein Rudel dann als schwach abstempeln, unter Umständen zu schwach um über die kompletten, nördlichen Ländereien zu gebieten, wie sie es taten. Im schlimmsten Falle würde man ein Fernbleiben als Kriegserklärung seinerseits interpretieren. Und in beiden Fällen mindestens die Bären und die Schlangen auf dem Hals zu haben, war nicht gerade sein Wunschtraum. Deswegen bestand er darauf, dass er gehen würde, wenn es ihm auch nicht behagte. Überhaupt hatte er der hohen Politik noch nie viel abgewinnen können, nicht umsonst war er früher viel durch die Gegend gestreunt, nur begleitet von den inzwischen einzigen Überlebenden seines damaligen Rudels, Ginta und Hakkaku, die er zu seinen engsten Freunden zählte, so schreckhaft und seltsam die beiden manchmal sein mochten. Aber jetzt, als Fürst, war diese ihm so liebe Ungebundenheit nicht mehr gegeben. Ach was, er sollte nicht weiter auf Unabänderlichem herumreiten, jetzt war es wichtig, Ayame zu überzeugen. Denn zwingen wollte er sie nicht. Auch wenn er das Versprechen seinerseits, dass zu ihrem Wiedersehen geführt hatte, lange nicht ernst genommen hatte und auch viele Monde mehr auf Kagome achtgegeben hatte, als auf Ayame, er mochte seine Gefährtin sehr und er wollte sie nicht unterbuttern. Auf der anderen Seite: Wo blieb das entscheidende Argument, sie zu besänftigen? Ihm fiel wirklich nichts mehr ein. Sie war schon immer wortgewandter gewesen als er. Vor einer Höhle, nicht weit der westlichen Fürstentümer, landete derweil eine große Katze, die sich nicht nur durch ihre Flugfähigkeit, sondern auch durch die zwei Schweife und die brennenden Läufe als Dämonin zeigte. Ihr Reiter, ein vielleicht sechzehnjähriger Junge in der hautengen Kleidung der Dämonenjäger, deren Dorf seinerzeit nicht weit von hier gelegen hatte, stieg von ihrem Rücken. Sofort verschwand die bisher säbelzahntigergroße Katze in einem Flammenwirbel um gleich darauf als immer noch zweischwänzige, aber nun eindeutig kleinere Katze wieder aufzutauchen. Mit einem geschickten Sprung landete sie auf der Schulter des jungen Taijiya und so betraten beide die Höhle. Sie spürten den Bannkreis, der hier noch immer wirkte, aber er wies sie nicht ab. Denn sie wussten um das Geheimnis dieser Höhle. So folgten sie dem Gang, bis sie in dem eigentlichen Gewölbe landeten, in deren Mitte noch immer die versteinerte Skulptur eines riesigen Dämons mit einer menschlichen Kriegerin in den Fängen verharrte. In der Brust der Kriegerin prangte ein kreisrundes, faustgroßes Loch, durch das ein Lichtstrahl blitzte. Für immer würde diese Skulptur ein Mahnmal sein, auch wenn das Dorf der Dämonenjäger nicht mehr existierte und die Welle an Leid, die das hier verewigte Geschehen über ganz Japan gebracht hatte, endlich beendet war. Energisch blinzelte der junge Taijiya eine Träne weg, lächelte leicht, als er das tröstende Miauen der Katze vernahm. Deren Blick lag allerdings fest auf dem Bildnis der Kriegerin vor ihr. Nur Kirara selbst wusste, dass sie persönlich bei diesem Kampf dabei gewesen war, aber im Gegensatz zu ihrer Herrin überlebt hatte. Seit dem hatte sie den Dämonenjägern zur Seite gestanden, die das Andenken an ihre Herrin Midoriko wahrten, und das tat sie auch jetzt noch. Denn der Junge, auf dessen Schulter sie saß, war einer der letzten zwei Taijiya der Gegend. Nur weit im Süden sollte es noch welche geben, die allerdings aus anderen Motiven jagten. Darüber wollte Kirara gar nicht nachdenken. Stattdessen blickte sie nun auf ihren menschlichen Begleiter hinab. Er hatte viel durchgemacht, gerade aufgrund Midorikos Erbe. Doch ihm war noch eine Chance gegeben worden und Kirara hatte sich schon längst geschworen, dass sie alles ihr Mögliche dafür geben würde, ihm dabei zu helfen, diese Chance zu nutzen. Sie sprang von der Schulter des Jungen und näherte sich dem Monument. Doch dann erstarrte sie und ihr Blick fiel zurück zu dem Taijiya. Wie viel wussten die Menschen eigentlich über das Gleichgewicht der magischen Artefakte? Nur wenige Menschen waren je darin eingeweiht worden. Midoriko war eine davon gewesen, aber gab es sonst noch welche und lebten sie noch? Zwei der magischen Artefakte waren in den letzten fünf Jahren vernichtet worden, ein reines und ein zwiespältiges. Blieben vier reine, zwei zwiespältige – und fünf böse. Das war eindeutig keine gute Bilanz. Kirara fauchte ungehalten, ein Laut den sie in ihrer kleinen Gestalt sonst gar nicht benutzte. Aber jetzt passte es gerade. Wenn sie jetzt nicht auf diese Idee gekommen wäre, dann wäre dieses gefährdete Gleichgewicht wahrhaft eine Bedrohung. Sie musste sich dringend schlau machen – und Hilfe holen. Sie und die anderen Nekomata dieser Gebiete konnten sich den Menschen doch leider nicht richtig verständlich machen. Blieb die Fürstenfamilie der Katzen – und die hatten bekannterweise in breiter Mehrheit nichts für Menschen übrig, egal ob man die herrschende Fraktion der Panther oder einen anderen Unterclan zu Rate zog. Und blieben… die Traumdeuter. Ein aufgeregtes Glitzern trat in Kiraras Augen. Baku nannten die Menschen diese Wesen, einige fürchteten, andere segneten sie. Und jetzt waren sie ihre einzige Chance, mehr in Erfahrung zu bringen. Um die Nekomata stieg wieder der Flammenwirbel auf, kaum stand sie wieder in groß da, stupste sie den jungen Taijiya auffordernd an. Sie würde ihn bei seiner Schwester abliefern und dann auf die Suche nach einem Baku machen. Kohaku würde eine Weile auf sie verzichten müssen. Hätte eine Nekomata das gekonnt, Kirara hätte geseufzt. Was musste auch ausgerechnet sie so viel Erfahrung und Wissen besitzen. Aber es half nichts und hier zeigte sich ihr dämonischer Charakter: Sie nahm die Tatsachen hin. Und doch wusste sie: Was auch immer ihre Nachforschungen ergeben würden, es könnten wieder stürmische Zeiten auf sie zu kommen. Denn Gleichgewichte waren schon immer ein heikles Thema gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)