☾ Mikadzuki von Mimiteh ================================================================================ Kapitel 60: Vergeltung ---------------------- Sesshômaru!“ InuYasha war der Erste, der hinter seinem Halbbruder durch die zerfetzte Tür stürmte. Der Hanyô erstarrte, als er die Szenerie erfasste. Dann war auch schon der Rest angekommen, Natsu drängte sich an InuYasha vorbei. Sie brauchte keinen zweiten Blick um zu erfassen, was geschehen war. „Kin…“, hauchte sie erschrocken. Sesshômarus Reaktion war nur ein Knurren. Sie sah ihn an. „Wer hat das getan?“, wollte sie wissen. Die Augen den Inuyôkai wurden noch eisiger als sonst, fast weiß glommen sie. „Tôran“, konstatierte er, ohne sein Knurren zu unterbrechen. Augenblicklich waren Natsus Augen nur noch Schlitze, sie unterdrückte mühsam ein Fauchen. Ihr Herz verkrampfte sich in einer Art, als würde einer der Eisspeere der Genannten darin stecken. Sie hatte plötzlich panische Angst um ihren Sohn, doch das währte nur einen Augenblick. Dann machte die Furcht einer wütenden Leere Platz. Damals, als man sie mit Sesshômaru auf die Reise schickte, da hatte Tôran ihr aufgetragen, den Inuyôkai auszuspionieren. Tôran hatte mehr erfahren wollen und auch wenn sie ihre wahre Intention nicht verriet, so war sie deutlich. Solange Natsu Sesshômaru nicht sonderlich gekannt hatte, hatte sie nichts dagegen gehabt. Im Gegenteil, es hatte nach Abenteuer gerochen. Aber dann hatte ihre Einschätzung sich gewandelt. Sie hatte begonnen zu kapieren, wie wenig Tôran Sesshômaru verstand, wie wenig sie ihn respektieren würde. Und diese Erkenntnis hatte zu schmerzen begonnen. Bis sie verstand warum, hatte sie es längst aufgegeben, weiter Informationen sammeln zu wollen. Als sie nach der Reise ins Nekoschloss zurückkehrte, war das angesichts des Banditenangriffs und später der Nachricht von ihrer angeblichen Vergewaltigung in Vergessenheit geraten. Jetzt erst dämmerte der Löwendämonin, wie ernst es Tôran wirklich mit dem gewesen war, dass sie zu ihrem Auftrag trieb. Und diese Einsicht ließ einen namenlosen Zorn in ihr erwachen. Ohne Vorwarnung wanderten ihre Augen zu der nachtblauen Scheide ihres neuen Schwertes, das neben ihrem Lager lag, mit wenigen Schritten war sie dort, fasste nach der Waffe, die sie bisher nie erprobt hatte. Dennoch dachte sie kaum nach, als ein Sprung sie richtung Fenster brachte, sie wollte nur noch hinter Tôran her, wollte sie stellen, ohne dass sie wirklich über die Folgen nachdachte. Aber als sie schon springen wollte, schloss sich eine Hand grob um ihren Unterarm, hielt sie derbe zurück. „Nichts da“, knurrte Sesshômaru. Für einen Augenblick überlegte Natsu, sich ihm zu wiedersetzen, aber das letzte bisschen Beherrschung hielt sie davon ab. Dennoch fauchte sie unwillkürlich auf. „Nichts da“, wiederholte Sesshômaru scheinbar unnahbar, „Du hast keine Rüstung und du kennst deine neue Waffe nicht“ Und Ashai-Ha käme nicht gegen Tôran an…, aber das sprach er nicht aus, stattdessen atmete er sichtlich tief durch. „InuYasha und ich werden gehen“ Der Hanyô spitzte unwillkürlich die Hundeohren. „Bitte was?“ Sesshômaru wandte ihm den Blick zu, ohne Natsu loszulassen. „Angst?“ „Keh! Das glaubst auch nur du! Als ob ich vor dieser dämlichen Katze Angst hätte!“, schnappte InuYasha zurück, die Hand demonstrativ an Tessaiga gelegt. Dass seine Worte die restlichen Neko in Reichweite ziemlich brüskieren mussten, interessierte ihn sichtlich wenig. Im Moment schien das aber auch niemand anderem aufzufallen. Sesshômaru hatte auch nicht geantwortet. Er blickte wieder zu Natsu, seine Augen bohrten sich in ihre und für einen Moment hatten sie wieder ihre bernsteinfarbene Tönung zurück. „Du bleibst hier. Kümmere dich um unsere Tochter. Ich hole unseren Sohn zurück“, befahl er. Nach kurzem Zögern senkte Natsu den Blick und nickte. Sie hatte nachgegeben. „Sesshômaru-sama?“ Es war Rins dünn gewordene Stimme, die die entstandene Stille brach. Der Inuyôkai drehte leicht den Kopf. „Gomen nasai, Sesshômaru-sama. Ich hätte besser auf Ototo-chan aufpassen sollen“ „Unsinn, Rin. Gegen Tôran käme unsereins nicht an“, mischte Kagome sich entrüstet ein und drängelte sich an den anderen vorbei um sich zu Rin zu knien. Sie legte die Arme tröstend um das jüngere Mädchen. „Es ist nicht deine Schuld. – Na komm, wir sehen ersteinmal zu, dass wir irgendwo Verbandszeug auftreiben. Wo ist denn Arisu? Meinst du, die weiß, wo wir sowas finden?“ Damit zog sie Rin vorsichtig hoch und dirigierte sie richtung Tür. Im Vorbeigehen nahm Kagome kurz InuYashas Hand und drückte sie leicht. Zeig ihm, dass er dir nicht umsonst vertraut!, sagte ihre Geste und auch wenn InuYashas Ohrenzucken das scheinbar als belanglos abtat, wusste sie, dass er genau darauf achten würde. Als sie noch einmal über die Schulter sah, waren die beiden Halbbrüder bereits durchs Fenster verschwunden. Natsu sah ihnen nach, ihre um das Schwert verkrampfte Hand zeigte, wie mühsam sie sich zurückhielt, den beiden zu folgen, bis Amaya schließlich vortrat und ihr die Waffe sanft aber bestimmt aus der Hand wand. Dann nahm sie ihre Schwester in den Arm. „Ich bin sicher, die beiden werden alles tun, Kin zurückzuholen. Fürst Sesshômaru wird seinen Sohn genausowenig im Stich lassen, wie InuYasha seinen Neffen“ Damit sprach die junge Schamanin Kagome aus der Seele, aber die junge Miko konzentrierte sich jetzt ersteinmal auf Rin. Ihr war klar, dass Rin ziemlich durch den Wind sein musste, wenn sie schon glaubte, Sesshômaru würde ihr die Schuld an irgendetwas geben. Was Rin jetzt brauchte, war Beistand. Ebenso wie Natsu. Und solange sie, Kagome, nichts für die Rettung von Sesshômarus Sohn tun konnte, so konnte sie sich wenigstens um seine Tochter kümmern – um es mit seinen Worten zu sagen. ~*~ Besagter Inuyôkai und sein Halbbruder sprinteten derweil Seite an Seite dahin. Keiner von ihnen verlohr ein Wort, Sesshômaru sowieso nicht und InuYasha hielt die Klappe, weil er die Bedeutung der Situation erkannte. Sesshômaru hatte ihm von Tôrans ‚Gesuch‘ erzählt und InuYasha wusste sowieso, wie sein Halbbruder darüber dachte, in Bezug auf die Panthergeschwister waren sie beide sich ja schon seit einiger Zeit erstaunlich einig gewesen, aber der Hanyô hatte dennoch erkannt, dass Tôran den Bogen diesmal überspannt hatte. Was auch immer sie mit Kin anstellen wollte, schon damit, dass sie Hand an den Kleinen gelegt hatte, hatte sie ihr Todesurteil unterschrieben, darüber war InuYasha sich im Klaren. Er war sich nicht einmal sicher, ob Sesshômaru ihn überhaupt brauchte, um mit der Pantherdämonin fertig zu werden. Die kalte Wut, die der Inuyôkai auf Meilen Entfernung ausstrahlte, verlieh ihm sicher noch mehr Kräfte als ohnehin schon. Und in diesem Moment war InuYasha nicht nur unendlich froh, Sesshômaru nicht gegen sich stehen zu haben, sondern ihm wurde auch bewusst, dass Sesshômaru nie in einer ähnlichen Stimmung gegen ihn gekämpft hatte. Zu Beginn, die zwei Male, wo nur Tenseiga ihm das Leben gerettet hatte, da hatte er ihn noch unterschätzt, nicht erst genommen. Aber auch in den unzähligen Scharmützeln zwischendurch, war Sesshômaru nie so kaltblütig draufgewesen. So hatte InuYasha ihn wahrlich noch nie erlebt. Das ist dann wohl seine Art, sich für die einzusetzen, die er liebt…, schoss es dem Hanyô durch den Kopf, ehe ihm bewusst wurde, dass Sesshômaru ruckartig stehen geblieben war. „Was ist los?“ „Sie hat uns bemerkt“, antwortete Sesshômaru knapp und im nächsten Moment spürte InuYasha, dass sein Halbbruder nah hinter ihm stand und ihn am Kragen packte. Bevor er protestieren konnte, hatte Sesshômaru ihn mit in die Luft genommen und sauste in vielfacher Geschwindigkeit los. Bereits wenige Augenblicke später, ließ er InuYasha plötzlich los und der Hanyô konnte sich gerade noch drehen, kam auf den Füßen auf. „He, was soll das, verdammt?“, rief er hinter seinem Halbbruder her, aber der beachtete ihn schon nicht mehr. Er hatte die Gesuchte erspäht und zog noch im Landen Bakusaiga. Die giftig leuchtende Aura umspukte die Klinge, als der Inuyôkai knapp vor Tôran aufkam. Die Pantherdämonin sprang zurück, das Baby fest an sich gepresst, als wollte sie es hier und jetzt ersticken. Ihre Augen schimmerten tiefgründig. „Da bist du ja“, sagte sie mit einer Stimme, die so ziemlich alles zwischen Freude und Wut abdeckte. Sesshômaru rührte sich nicht von der Stelle. „Mein Sohn“, forderte er eiskalt. Tôran lockerte ihren Arm etwas, als wollte sie sich das Dämonenbaby genauer ansehen. Doch gleichzeitig lag ihr Blick noch immer auf Sesshômaru. „Warum sollte ich, Sesshômaru? Ich weiß, warum ich noch keine Antwort auf mein Ersuchen bekommen habe. Er ist der Schlüssel. Er ist die Grenze zwischen uns, die ich durchbrechen muss – und werde“, kündigte sie an und eine seltsame Art der Vorfreude ließ ihre Stimme beben. Sesshômarus Augen wurden eng. „Selbst wenn du ihn umbringst. Du würdest niemals gewinnen“, konstatierte er eisig und ließ das Schwert sinken. „An seine Mutter binden mich Dinge, die du dir nichteinmal wünschen darfst!“, fügte er dann hinzu und kam mit langsamen Schritten auf die Pantherdämonin zu. So wie sie im selben Tempo zurückwich, wirkte das Verhalten der beiden, als belauerten sich zwei rivalisierende Tiere. Und beide näherten sich so immer mehr einigen schroffen Klippen. Sesshômaru hatte das nun auch bemerkt und verharrte augenblicklich. Er ahnte, dass Tôran alles auf eine Karte setzen wollte. Wenn er ihr das Kind nicht überließ, würde sie kämpfen und das bis zum Äußersten. Sie würde darum kämpfen, sich ihn Untertan zu machen. Und an den Klippen konnte so ein Todesduell noch riskanter werden, als ohnehin schon. Er unterdrückte ein Knurren. „Es reicht, Tôran. Beende dieses Posse und ich lasse dich laufen“ Die Pantherdämonin warf daraufhin nur den Kopf in den Nacken, ein spöttisches Blitzen in den Augen. „Niemals werde ich aufgeben, wo ich so nah am Ziel bin!“ „Du warst niemals weiter entfernt“, konterte Sesshômaru und nun lag das Knurren, das sich in seiner Brust zusammenkrampfte, auch in seiner Stimme. Tôran hob eine Hand und zog sie mit einer harschen Bewegung durch die Luft. Augenblicklich bildete sich aus dem Nichts eine zentimeterdicke Eisscheibe, auf der sie das Dämonenkind ablegte. Kin rührte sich nicht, auch nicht, als, von der Eisscheibe aus, Streben nach oben zu wachsen begannen und sich wie ein Vogelbauer um ihn schlossen. Das ganze Gebilde schwebte locker in der Luft. Tôran würdigte es nun keines Blickes mehr. „Du willst also, dass ich aufhöre, zu spielen, ja? Gut. Dann mache ich jetzt Ernst“ Noch ehe sie zuende gesprochen hatte, sauste ein aus dem Handgelenk geschleuderter Eisspeer auf den Inuyôkai los. Sesshômaru sprang ein Stück zurück und hieb mit Bakusaigas Klinge dagegen, sodass er zersplitterte. Damit hast du dein Todesurteil unterschrieben…, dachte InuYasha, der zu diesem Zeitpunkt aufgeschlossen hatte und, ausnahmsweise seiner Vernunft gehorchend, sich erst einmal im Hintergrund hielt. Er ahnte, dass Sesshômaru sich dieses Duell nicht nehmen lassen würde. Das war seine Sache, seine Vergeltung. Der Inuyôkai war nun vorgesprungen und zerschmetterte mit seiner Klinge einen Speer nach dem anderen, aber er wusste genausogut, dass das wenig brachte. Tôran war in der Lage, die Speere ebenso leicht nachzubilden, wie er seine Energiepeitsche hätte rufen können. Aber er konnte sie in Sicherheit wiegen. Bei ihrem letzten Duell hatte er noch Toukijin besessen und er bezweifelte stark, dass Tôran während des Kampfes gegen den Höllenwolf auf die Macht seines Schwertes geachtet hatte. Tôrans Augen hatten einzig auf ihm selbst gelegen – so wie immer. Doch Bakusaigas wahre Macht war sein Trumpf, den würde er sicher noch nicht jetzt ausspielen. Sie standen erst ganz am Anfang. Mit nichtssagender Miene und Schlägen voller Kalkül trieb er Tôran Schritt für Schritt rückwärts. Er hatte einen leichten Zeitvorteil, dadurch, dass er seine Waffe durchgehend in der Hand behielt, aber dieser Vorteil war nicht groß genug, um ihr erwähnenswert beizukommen. Im Gegenteil, sie bewegten sich immer weiter auf die Klippen zu. Er zerschmetterte einen weiteren Eisspeer und sprang ein gutes Stück zurück, leitete ein wenig Yôki in Bakusaigas Klinge, um es ihr entgegenzuschleudern, da erkannte er, dass auch sie die Strategie gewechselt hatte. Die Hand zur Faust geballt, streckte sie einen Arm in seine Richtung, öffnete die Finger dann ruckartig. Eisgespickte Windböen wirbelten auf ihn zu. Sie veralbert mich…, schoss es ihm durch den Kopf, als er den linken Arm hob und seine Energiepeitsche auf sie zu zucken ließ. Dass er dabei den Haoriärmel schützend vor dem Gesicht hatte, war nur ein – wenn auch beabsichtigter – Nebeneffekt. Ihr Eis in die Augen zu bekommen, war nicht sonderlich angenehm. Ohne Vorwarnung sprang er ihr wieder entgegen, die Peitsche zuckte von einer zur anderen Seite und war durchlässig genug, dass ihre Klauen nichts auszurichten vermochten, als sie sich damit wehrte. Doch ehe er sie zum wirksamen Schlag verstärken konnte, war sie zurückgesprungen und wieder auf Abstand gegangen. Leider kannte sie ihn recht gut, wusste um seine Fähigkeiten, seine Techniken. Aber nie wieder, das schwor er sich, nie wieder würde ein Kampf zwischen ihnen beiden unentschieden ausgehen. Jetzt war der beste Zeitpunkt, um mit dem Siegen zu beginnen. So setzte er ihr nach und schlug mit Bakusaiga zu, zielte auf ihren bloßen Oberarm – und traf. Die silbrig schimmernde Klinge riss eine leichte Wunde in ihre Haut, Blut rann über die bläulichen Markierungen der Pantherdämonin. Sie fauchte auf, mehr aus Zorn, als aus Schmerz. Und dann tat sie etwas, was er sie schon lange nicht mehr hatte tun sehen: Sie zog ihr Schwert. Es war ein Katana, aber wie die meisten Dämonen führte sie es trotz seiner Länge und Machart nur mit einer Hand. Hell klirrend trafen die Klingen aufeinander, sie legte es darauf an, ihm Bakusaiga aus der Hand zu winden. Aber das ließ Sesshômaru nicht so leicht mit sich machen. Er zog sein Schwert zurück, hielt es quer vor sich um die Deckung zu wahren und stieß dann ohne Vorwarnung gegen Tôrans Hüfte. Sie entkam nur knapp einer zweiten Verwundung, drehte sich auf der Stelle und versuchte Sesshômaru ihrerseits an der Seite zu erwischen. Als er auswich, drehte sie die Klinge etwas und murmelte einige unverständliche Worte. Augenblicklich überzog ein dünner Eisfilm die Waffe. Sie setzte ihm hinterher, vollführte einen weiten Schwung mit ihrer Klinge und wieder warf sich ihm Eiswind entgegen. Sesshômaru verzog keine Miene und sprang schlicht in ihren Angriff hinein, die linke Hand erhoben zum Einsatz seiner Energiepeitsche. Die nächste, ungleich heftigere Sturmböe erfasste ihn frontal und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Unsanft, aber auf den Füßen kam Sesshômaru auf, schlidderte ein Stück rückwärts. Der Boden war längst verharscht und glatt. Für einen Herzschlag nur senkte er dabei den Blick und das war schon zu lang. Tôran war ihm nachgesprungen, bildete in der freien Hand einen ihrer Eisspeere und rammte ihn vorwärts. Ehe er reagieren konnte, bohrte sich die eisige Spitze tief in seinen linken Arm. Blut quoll heiß aus der Wunde, schmolz die Spitze des Eisspeeres, aber dennoch spürte der Inuyôkai, dass etwas nicht stimmte. Er brauchte auch nicht lange, um zu begreifen was es war. Heftiger Schmerz entflammte um die Wunde herum und unwillkürlich zog er den verwundeten Arm eng an den Körper – oder besser: er versuchte es. Der Arm war nämlich steif. Steifgefroren um es genau zu nehmen. Unwillkürlich knurrte Sesshômaru, musterte aus dem Augenwinkel Tôran, die nicht weit entfernt von ihm aufgekommen war und ihn triumphierend musterte. „Tja, das war’s dann wohl. So kannst du sicher kaum weiterkämpfen. Ich habe gewonnen…“, sagte sie und ein deutliches Schnurren untermahlte ihre Stimme. Sesshômaru knurrte nur erneut. InuYasha, nicht weit entfernt, zuckte ungläubig mit den Hundeohren. Das durfte doch nicht wahr sein! Gab Sesshômaru etwa wirklich auf? Es hatte doch so gut ausgesehen. Er hatte Tôran gezwungen zuerst Blut zu vergießen, er hatte ihre Ausdauer angegriffen, indem er sie dazu gezwungen hatte immer neue Eissspeere zu bilden. Er war eindeutig im Vorteil gewesen. Und jetzt das. InuYasha packte Tessaigas Heft fester, wollte das Schwert ziehen, zu Hilfe eilen, da erkannte er plötzlich, dass Sesshômaru zwar immer noch den Kopf leicht gesenkt hielt, sich seine Miene aber leicht verändert hatte. Das Knurren war verflogen, die Züge des Hundedämons waren wieder ausdruckslos. Und dann richtete Sesshômaru sich auf. „Wenn du wirklich glaubst, du könntest mich so leicht unterbuttern, bist du zu bemitleiden“, bemerkte er kühl und es war ihm deutlich anzuhören, dass er ganz sicher nicht vorhatte, sich diesem Mitleid anzuschließen. „Du vergisst, dass ich diesen Arm lange Zeit nicht benutzen konnte, weil er schlicht nicht mehr da war. Bedank‘ dich bei InuYasha. Er hat dir deinen Triumpf genommen“ Ein süffisantes Blitzen zog durch seine Augen, ehe er urplötzlich wieder vorsprang, Bakusaiga in so rascher Folge auf Tôran herabsausen ließ, dass sie bald ihr Schwert verlor. InuYasha hatte Tessaiga längst wieder losgelassen. Hatte er es doch geahnt. Sesshômaru ließ sich nicht unterkriegen. Gerade hob der Hundedämon erneut seine Waffe, sauste auf Tôran zu, aber an ihr vorbei und zerstörte damit nicht nur erneut einen Eisspeer, sondern riss auch eine weitere Wunde in ihren Arm, durchtrennte dabei eine Sehne. Das würde heilen, aber nicht sonderlich schnell. Nun war dieser Arm für Tôran ebenso nutzlos wie sein eingefrorener für ihn. Ihr wütender Schrei, als sie ihm eine wahre Flut von Eis entgegenwirbelte, verlohr sich in der Stille, als er einfach nach oben sprang und aus der Luft herablassend auf sie hinabblickte. „Gleiches Recht für alle“, kommentierte er trocken und verharrte an Ort und Stelle. Tôrans Schultern bebten wütend, als sie zu ihm aufsah, dann biss sie plötzlich deutlich sichtbar die Zähne aufeinander. Sie rief die Sturmböen, die sie umwirbelten, zu sich zurück, konzentrierte ihr Yôki um sich – und wechselte in Tôshin-Form. Anstatt der türkishaarigen Dämonin stand dort nun eine riesige, blausilberne Pantherdame. Ihr Körper war schlank und geschmeidig, das charakteristische, kaum sichtbare Leopardenmuster wirkte wie Marmor. In dieser Form war sie wunderschön, dass stand fest und daran änderte auch ihre nun schiefe Schulterhaltung nichts. Aber Sesshômaru hatte sich davon noch nie sonderlich beeindrucken lassen. Der Inuyôkai zog eine Augenbraue hoch. Er wusste aus leidiger Erfahrung, dass es nicht einfacher war, auf drei statt vier Beinen zu kämpfen, anstatt noch immer auf zweien zu stehen und eben nur einen Arm zum Kämpfen zu haben. Aber bitte, wenn sie so wollte. Im Landen rief er sein Yôki auf, hell leuchtend umwölkte es ihn, als auch er in seine wahre Form überging. Die Erde erzitterte, als der riesige, weiße Hund aufkam und feine Risse zogen sich durch den Eispanzer, den Tôrans Kampftechnik über die nähere Umgebung gestülpt hatte. Sofort warf er sich auf die annähernd gleichgroße, blausilbrige Pantherdame, die vor ihm aufragte, seine stumpfen Hundekrallen prallten gezielt gegen ihre Verwundung und rissen das ohnehin fast nutzlose Bein unter ihrem Körper weg. Tôran stürzte auf die Seite, wieder erzitterte die Umgebung, als sei ein Erdbeben im Gange, aber ihr Katzenerbe ließ sie sich abrollen und mühsam wieder auf die Beine kommen. Sie fauchte lautstark. Sesshômaru antwortete mit einem fast spöttisch zu nennenden Bellen, ehe er erneut vorsprang, mit voller Breitseite gegen ihre Flanke stieß und sie abermals von den Beinen holte. Er konnte sich auf die Zeit ohne linken Arm zurückbesinnen, sicherte sein Gleichgewicht geschickt über die drei intakten Beine, aber er hatte unterschätzt, dass das vierte Bein zwar steif aber jetzt vorhanden war und durchaus im Weg sein konnte. Als Tôran zu Boden ging – was ein erneutes Erdbeben verursachte – riss sie ihn mit und aus den beiden riesigen Dämonen wurde ein kämpfendes, geiferndes Knäuel, das sich wahllos Klauen und Zähne ins Fleisch schlug. Sesshômaru war da durch die giftige Säure in seinem Maul in klarem Vorteil, auch wenn Tôrans Katzenkrallen tiefer drangen und schon bald dampfte ihr Fell an unzähligen, verätzten Stellen. Als er ihr Ohr erwischte und mit den Reißzähnen fast genüsslich aufschlitzte, brüllte sie schmerzerfüllt auf und kämpfte sich frei. Doch als sie versuchte aufzustehen, verlagerte sie unbewusst ihr Gewicht auf das nutzlose Bein, es knickte ein und sie fiel erneut auf die Seite, schlidderte mit einer halben Drehung seitwärts weg. Sesshômaru setzte ihr unbarmherzig nach, landete auf ihrem Brustkorb und der linken Schulter, ein ohrenbetäubendes Knacken zeigte das Brechen von Knochen an. Ihr Schrei hallte weit, aber auch ihr Vergeltungsschlag war nicht von schlechten Eltern. Mit letzter Verzweiflung riss sie die Hinterpfoten hoch, bohrte die sichelförmigen Klauen von unten in Sesshômarus Brust. Sie verfehlte sein Herz nur knapp. Dennoch sprang er vorwärts und auf Abstand, erlaubte sich einen Moment zu verharren, ehe er sich zurückverwandelte. Für sie waren nur zwei Beine unnütz, so konnte sie nicht weiterkämpfen. Sie war besiegt, konnte nur noch auf den Gnadenstoß warten. Er würdigte sie keines Blickes mehr, sondern suchte mit den Augen nach dem Eiskäfig, in den sie Kin eingeschlossen hatte. Da schwebte er, nicht weit entfernt. Doch plötzlich geriet er in Schräglage, offenbar hatte Tôran ihre Magie zurückgezogen, die ihn hatte schweben lassen. Der Käfig stürzte ab, einige Streben brachen beim Aufprall auf den Boden, die Bodenplatte aber schlidderte über den gefrorenen Boden und geradewegs auf einen nahen Klippenrand zu. Sesshômaru stockte der Atem, er setzte an, ihm nachzuhechten, da geriet ihm plötzlich eine leichte Brise von hinten in die Nase. Noch ehe er sich darüber wundern konnte, wehte der Wind doch eigentlich von vorn auf ihn zu, erkannte er instinktiv die Warnung darin. In einer einzigen Bewegung hatte er Bakusaiga aus der Scheide gerissen, wirbelte herum und rief die Macht seiner Insignie ab: „Bakusaiga!“ Die türkisgrüne Welle bäumte sich auf – und stoppte den Strom aus purem Eis nur wenige Meter vor Sesshômarus Nase. Der Inuyôkai war für einen Moment wie erstarrt. Das war geradezu unheimlich knapp gewesen. Eine weitere Brise umspielte ihn, von der Seite diesmal und so absurd es klang, er meinte etwas wie Freude darin zu wittern. Etwas mitgetragenes berührte seine Hand und er packte unwillkürlich zu. Als er die Finger öffnete, lag eine kleine, weiße Feder auf seiner Handfläche. Er kniff die Augen zusammen, als er zu begreifen meinte, wem er die Warnung in letzter Sekunde zu verdanken hatte. Kagura? Wie als Antwort auf seine stumme Frage hin, bündelte sich die von der eigentlichen Windrichtung ungerührte Brise vor seine Nase in einer losen Spirale, ehe sie sich verflüchtigte. Zurück blieb eine ebenso stumme Replik: Deine Anwesenheit hat es mir ermöglicht, mit dem Tode frei zu sein. Du hast mir, die sich in diesem Moment nach nichts mehr als nach deiner Gegenwart sehnte, den Frieden und die Freiheit gegeben. Nun war es an mir, meine Schuld zu bezahlen… Sesshômaru sah dem unsichtbaren Gruß einen Augenblick nach. Er wusste nicht so Recht, was er davon halten sollte. Kagura – der Wind, der freie Wind… mein Dank gebührt dir…, entgegnete er dennoch stumm und meinte daraufhin ein ebenso glockenhelles wie lautloses Kichern zu vernehmen, ehe es in der Weite verklang. Der Inuyôkai blickte dorthin, wo Bakusaigas Angriffswelle eine Schneise der Leblosigkeit geschlagen hatte. Er hatte nicht geahnt, dass Tôran diese Macht besaß. Diese Eiswelle, die ihm nur einen Herzschlag später das Genick hätte zertrümmern können, war aus ihrem Maul gekommen wie Feuer aus dem Schlund eines Drachen, sie lag noch immer in Tôshin-Form auf der Erde, bewegungslos nun. Ein Schimmern hüllte sie ein und sie lag wieder in menschenähnlicher Form da. Bewundernswert wie gut sie Bakusaigas Macht überstanden hatte. Ihre Haut unter der Kleidung musste zwar samt und sonders blutig wund sein, aber sie war noch in einem Stück. Gleich darauf begriff Sesshômaru aber, dass das nicht Tôrans eigener Verdienst war, denn eine Gestalt stand bei der Liegenden, etwas in der Hand, das ein Yari sein konnte. Die Klinge strich ohne weiter zu verletzen über Tôrans Brust, ihre Taille, ihre Beine und auf ihren Spuren bildeten sich aus dem Nichts feste Ranken, die links und rechts von Tôrans lädiertem Körper in der Erde versanken. Die Spitze des Yari wurde in den Boden gerammt und augenblicklich zogen sich die Ranken fest, so fest, dass Tôran trotz ihrer Ohnmacht aufstöhnte, fesselten sie an den Boden. Dann sah die Gestalt auf und Sesshômaru erkannte die tiefgrünen Augen in einem Gesicht mit schwarz-rotem Familienzeichen. Kuraiko. Sie war ihm gefolgt und hatte ihrer Tochter bei seinem letzten Schlag das Leben gerettet. Aber sie fesselte sie. Er kniff kurz die Augen zusammen. Aus der Urkönigin der Panther würde er wohl nie schlau werden. Im selben Moment aber zog sich ihm der Brustkorb zusammen, als ihm wieder zu Bewusstsein kam, dass er nicht schnell genug gewesen war, seinen Sohn zu retten. Yôkai hin oder her, der Sturz von der Klippe musste selbst Kin alle Knochen samt des Genicks zerschmettert haben. Dennoch war es mit einem einzigen Sprung am Klippenrand. Er konnte den Abrieb von Eis an einem Abschnitt der Kante erkennen, dort wo die Bodenplatte von Tôrans Eiskäfig hinübergeschrappt sein musste. Mein Sohn… Nur seine tiefe Selbstbeherrschung hielt ihn davon ab, dem Ausdruck zu verleihen, was er im Moment fühlte. Trauer, Zorn und endlose Hilflosigkeit brodelten in ihm, am Liebsten hätte er es herausgeschrien. Er, der bis vor wenigen Jahren noch gesagt hätte, er habe keine Gefühle, dem ein kleines Menschenmädchen beigebracht hatte, dass er sie eben doch hatte und der gerade erst gelernt hatte, wirklich zu lieben, er stand nun hier an der Klippe und würde fast von eben jenen Gefühlen überwältigt. Wie muss es dann erst Natsu gehen, wenn sie diese Nachricht erhält… Er übersah dabei, dass sie es längst wissen musste. Mit dem Tod des Kleinen war auch ihre Bindung zu ihm abgebrochen und im Gegensatz zu Sesshômaru hätte sie das deutlich gefühlt. Nur mühsam überwand er sich, einen Blick hinab zu werfen – und taumelte wahrhaftig zurück, als ihm im selben Moment eine rote Gestalt entgegenschoss. InuYasha prallte gegen ihn und warf den lädierten Hundedämon um, konnte sich selbst nur mühsam abrollen und wieder aufrappeln, zumal er nur einen Arm zum Abstützen gebrauchte. Es dauerte einen, zwei Herzschläge, bis Sesshômaru gewahr wurde, wozu der Hanyô den zweiten Arm viel wichtiger benötigte. Fest hatte er ihn um ein winzig erscheinendes Bündel geschlungen, barg es an seiner Brust. Blitzschnell rappelte der Inuyôkai sich auf, Ungläubigkeit, Erstaunen, Erleichterung, alles mischte sich in seinen sonst so ausdruckslosen Augen und ließ sie regelrecht erstrahlen. Es war InuYasha gelungen, Kin zu retten, der Kleine war in einem Stück und lebendig obendrein, Sesshômaru konnte, als er hoffnungsvoll lauschte, unter InuYashas angestrengten Atemzügen auch Kins flaches Luftholen hören. Die goldenen Augen des Inuyôkai richteten sich auf InuYasha, der mit zuckenden Hundeohren dastand, den freien Arm, dessen Suikanärmel auf ganzer Länge aufgeschlitzt und blutig war, herabhängend. Und dann tat Sesshômaru etwas, das hätten weder er noch InuYasha sich bis vor kurzem auch nur denken können: Er nahm seinen Halbbruder fest in den Arm. „Arigatô, Kyodai!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)