☾ Mikadzuki von Mimiteh ================================================================================ Kapitel 54: Jigoku no Ookami ---------------------------- Mit zusammengekniffenen Augen schnellte Kôga vor und zog sein Goraishi quer durch die heranstürmenden Oni. Dutzende wurden filettiert. Er setzte auf dem Boden auf und wollte schon erneut aufspringen, da hielt ihn ein Ruf zurück: „Bleib unten, Wölfchen!“ Er fuhr herum. „Halt die Klappe, Pinscher!“, konterte er in gewohnter Weise. „Ich glaube es nicht. Jetzt bekriegen sich Sesshômaru und InuYasha nicht mehr darum, wer zuerst zuschlagen darf und ihr beide haltet an eurem Spielchen fest? Meine Güte, Kôga, die wahre Gefahr steht noch aus. Lass InuYasha aufräumen, du kannst dich heute sicher noch genug profilieren!“, mischte Kagome sich ein und verschränkte die Arme. Kôga ließ die Hand sinken, aber überzeugt wirkte er noch nicht. „Sie hat Recht. Da kommt er“, erklang eine andere Stimme und Ayame wirbelte eine Staubwolke auf, als sie schliddernd neben Kagome aufkam. Kôga gab es auf und nickte InuYasha zu. „Dann mach‘ schon. Aber wehe du zögerst zu lange!“, konnte er sich nicht verkneifen. Der Hanyô sah ihn vielsagend an und hob Tessaiga. Wer es sehen konnte, erkannte bereits den Windwirbel rund um die Klinge. „Kaze no Kizu!“, brüllte der Halbdämon und schlug zu, grell leuchtend bahnte die ausgelöste Energiewelle sich ihren Weg, riss noch ein gutes Stück der Mauer ein und machte sämtliche übrigen Oni dem Erdboden gleich. Von einem auf den anderen Moment herrschte Stille. „Und da sage nocheinmal einer, ich wäre gewalttätig. Meine armen, wehrlosen Oni…“, erhob sich eine süßlich triefende Stimme und auf dem einzig unbeschädigten, noch stehenden Teil der Mauer, erschien eine Gestalt, die fast harmlos aussah. Sie war schwarzhaarig und schmächtig, die hageren Schultern von einem gräulichen Umhang bedeckt. Der Haori war ausgefranst, die Hakama sah schäbig aus, Schuhe trug die Gestalt keine. Dennoch erkannte jeder sie instinktiv. „Jigoku no Ookami…“, knurrte Ayame bitterböse und prompt fixierte die Gestalt sie. „Ach, sieh‘ an, wenn das nicht die kleine Prinzessin ist. Ich weiß nicht, was du hast. Ich habe dich doch am Leben gelassen, damals. Und deinen Herrn Großvater auch. Deine Eltern dagegen haben ja geradezu darum gebettelt, dass ich sie…hmm… in ihre Einzelteile zerlege“, sprach er zuckersüß. „Sie haben versucht mich zu schützen!“, grollte Ayame wütend. „Weißt du, Prinzesschen, die Gründe interessieren mich nicht. Das haben sie noch nie. Sie haben sich mir entgegengestellt – und das war ihr Fehler“, erklärte der Schwarzhaarige oberlehrerhaft. Das war zu viel. Ayame wollte vorspringen, aber jemand hielt sie hart zurück. „Die Krieger werden sich um ihn kümmern“, sagte Shuran und ließ den Arm der Wolfsdämonin los. „Verzeiht, mein Fürst…“, mischte sich jemand ein. Nikko kniete plötzlich neben dem Nekofürsten. „Was willst du?“ „Die Hälfte der Krieger ist lahmgelegt, ebenso wie die beiden Heerführer. Und der Rest kämpft noch mit den Seelenfängern“, berichtete der Botenanführer und hielt dabei den Kopf gesenkt, auch wenn ihm diese schutzlose Haltung in der derzeitigen Situation sicher nicht behagte. Shuran verzog die Mundwinkel zu einem ärgerlichen Fauchen, da kam ihm jemand anderes zuvor. „Nicht mehr lange“, erklärte eine ruhige Stimme und augenblicklich teilte sich die Menge rund um zwei in dunkle Umhänge gehüllte Gestalten. Niemand sah, wer daruntersteckte aber jeder der die Stimme nicht erkannt hatte, wunderte sich über die Ruhe darin. „Wer seit ihr?“, wollte der vorwitzige Eidechsenfürst wissen, aber er erreichte nicht viel damit. „Unwichtig. – Fest steht, dass diese Seelenfänger jetzt gleich Geschichte sind“, erwiderte die Gestalt trocken und zog mit einer langsamen Bewegung etwas unter dem Umhang hervor, das die Fürsten zurückweichen ließ. Eine solche Waffe hatte kaum jemand je gesehen und sie musste stark sein, wenn ihr Besitzer sich so ruhig gab. Die vermummte Gestalt hob die Hand, die Waffe. Ein Arm in hautengem, schwarzem Ärmel wurde sichtbar, scheinbar zu schmächtig um die wuchtige Waffe zu heben. Auf der bleichen Oberfläche klebten Bannzettel. Die Gestalt holte mit einer ausholenden Bewegung Schwung und schleuderte die Waffe in einem flachen Bogen davon. Zielgerichtet sauste sie über die Mauerkrone und traf tatsächlich jeden einzelnen Seelenfänger in Reichweite. Blau erglühend verabschiedeten die schwarzen Shinidamachu sich. Einzig die schmächtige Gestalt des Höllenwolfes entkam mit einem raschen Sprung. Dann kehrte der riesige Bumerang zu seinem Ausgangspunkt zurück. Die Gestalt fing ihn mühelos wieder auf. Die Fürsten waren noch immer sprachlos. Mehr als einem lag es auf der Zunge, die Frage des Eidechsenfürsten zu wiederholen, das war deutlich. Schließlich wurde es Sesshômaru zu dumm. „Zeigt euch!“, befahl er und die beiden Vermummten sahen sich zu ihm um. Zuerst aber verneigten sie sich leicht, auch wenn das Ganze verdächtig nach Possenspiel aussah. Dann schlugen sie die tiefen Kapuzen zurück, streiften die groben Mäntel ab. Von der Seite trat eine weitere Gestalt heran, von der anderen sprangen InuYasha und Kagome dazu. Kirara löste sich von Sangos Nacken, wo sie wie eine Pelzverzierung ruhig gelegen hatte und verwandelte sich im Sprung auf den Boden in ihre große Form. Kôgas Augen weiteten sich, als er die ganze Gruppe gemeinsam sah, bereit sich, wie früher, jedem Hindernis bis zum letzten entgegenzustellen. Fürst Gin zog eine Augenbraue hoch. Er hatte insbesondere die Dämonenjägerin erkannt. Sesshômaru gab sich ungerührt. Die restlichen Fürsten waren sprachlos. Zur Hälfte aus Überraschung, zur Hälfte aus Entsetzen: Was hatte so eine Flickengruppe, was hatten Menschen in ihrer Mitte zu suchen? Der Eidechsenfürst sah Miroku an und murmelte etwas, das sie wie ‚Du schon wieder‘ anhörte. „Sollte ich beleidigt sein, dass sich keiner mehr für mich interessiert?“, fragte da plötzlich die dunkelhaarige Gestalt, die wieder auf der Mauerkrone stand und zu ihnen hinunterblickte. Es schien, als würden sich die Fürsten jetzt erst wieder auf den eigentlichen Angreifer besinnen. Die ganze Situation wirkte abstrus. Niemand stürmte los, kein Angriff jagte los, kaum einer hatte überhaupt sein Yôki offen. Einzig sarkastische Floskeln wurden ausgetauscht. Und nicht nur einer fühlte sich mehr als unwohl in seiner Haut. Schließlich war es Tôran, die sprach: „Keine Angst. Du hast unsere volle Aufmerksamkeit“ Das klang zynisch und ausnahmsweise stimmte Sesshômaru ihr zu. ~*~ Im Schloss des Westens ahnte niemand etwas von der Gefahr, in der das Fürstentreffen zu versinken drohte. Und obwohl Arata erfahren hatte, welchen Plan Fürst Sesshômaru bezüglich seines eigentlichen Problems verfolgte, hielt ihn das nicht davon ab, sich seinen Schüler auch heute vorzuknöpfen. Es war Zeit für einen weiteren Schritt. Kôhei hatte gelernt, sich auf das Tachi einzustellen, er kämpfte damit, kämpfte sogar gut. Aber er zeigte nach wie vor keine Leidenschaft, keinen Ehrgeiz. Tja, mal sehen, ob wir dich hiermit etwas aufrütteln können…, dachte der alte Lehrer und drehte sich in die Richtung, aus der er die näherkommende Witterung seines Schülers vernahm. Pünktlich und pflichtbewusst, das war Kôhei, das konnte ihm niemand abschreiben. Mit einer Handbewegung streifte Arata die einfache, schwarzbemahlte Scheide von der Klinge jener Waffe, die er in der Hand hielt. Die längliche, leicht gebogene Klinge glänzte matt im Sonnenlicht. Die war auch schonmal besser gepflegt… aber hierfür wird es reichen…, dachte der Inuyôkai und musterte die näherkommende Gestalt des jungen Ookami. Der war kurz erstarrt, als er die Waffe erkannte, kam jetzt aber ohne zu Zögern näher. „Es ist also soweit…“, murmelte er ruhig. Arata nickte freundlich lächelnd. „Ja. Es ist Zeit, dass du lernst, mit dem Naginata umzugehen – Dieses hier ist alt und sicher schon ein wenig stumpf, aber zum ersten Üben wird es reichen“ Kôhei nickte nur und fasste nach dem Holzschaft, den Arata ihm entgegenhielt. Die Waffe war durch ihre Länge schwerer auszubalancieren und einen Moment sah es so aus, als würde sie dem jungen Wolfsdämon wieder aus den Fingern rutschen. Aber er fasste gerade noch rechtzeitig nach, musterte das Kampfinstrument. Arata betrachtete mit gemischten Gefühlen das kurze, grimmige Lächeln, das Kôhei über die Lippen huschte, bitter und zittrig zugleich. Aber er konnte nicht einschätzen, was seinem Schüler durch den Kopf ging. So ganz sicher, ob er es überhaupt wissen wollte, war er sich aber auch nicht. Jetzt aber trat er ein paar Schritte zurück. „Also. Zuerst musst du lernen, ein Gefühl für die lange Waffe zu bekommen. Versuche sie auszubalancieren, probiere ein paar Schläge, was gerade passt. Du wirst sehen, es ist ganz anders als mit dem Tachi oder einer anderen, kurzen Waffe“, forderte er gelassen und war wenig überascht, als Kôhei dem ohne ein weiteres Wort nachkam, sorgfältig ausprobierte, wo er die Hand am Schaft haben musste, damit die Waffe sich in eine Richtung dirigieren ließ, ohne das sie Schlagseite bekam. ~*~ Am Nekoschloss hatte die schwarz gekleidete Gestalt auf der Mauerkrone sich inzwischen auf den Boden bewegt und kam ein paar Schritte näher, ganz, als rechne er nicht mit einen Angriff. Aber jeder der kampferfahren Fürsten erkannte die Anspannung in den Bewegungen des Gegners, wusste, dass er bis in die letzte Nervenfaser aufmerksam war. Den würde man nicht mit einem Überraschungsangriff erledigen können. Der Schwarzhaarige hatte sich inzwischen dem Kitsune-Fürsten zugewandt. „Sieh‘ einer an. Überraschend, dass ich zwei meiner Zielpersonen sogar noch persöhnlich antreffe. – Meine seelenfangenden Freunde haben mir verraten, dass die anderen längst von uns gegangen sind. Nicht einmal läppische sechshundert Jahre haben sie es ausgehalten auf meine Rache zu warten, wie … armselig“, sprach er mit provozierend sanfter Stimme. Sesshômaru spürte aufwallendes Yôki, als Karan ganz in seiner Nähe vor Wut zu beben begann. Auch ihre Geschwister hatten die Augen zu schmalen Schlitzen verengt. Natürlich, die Beleidigung war gegen ihren Vater gegangen. Und gegen seinen, dessen war der junge Hundefürst sich durchaus bewusst, aber er dachte nicht daran, irgendeine Regung Preis zu geben. Sollte sich dieser dumme Wolf doch die Zähne an ihm ausbeißen, er würde sich nicht provozieren lassen. Demonstrativ steckte er die Arme in die Haoriärmel und musterte abwartend das Gebaren des noch so friedlich tuenden Angreifers. Der war inzwischen in lockerem Schritt wieder etwas auf Abstand gegangen. „Nun, da also nur noch zwei da sind, die es betrifft… die anderen können gehen“ Die Ankündigung schlug ein wie ein Blitz, auch Sesshômaru zog eine Augenbraue hoch. Was war das denn für eine seltsame Strategie? „Was ist denn das?“, hörte er plötzlich Kagomes Stimme neben sich flüstern. Automatisch folgte er ihrem Blick und erkannte das schwarze Dodekaeder in der Hand des Höllenwolfes, kaum faustgroß und unscheinbar. Dākuhāto… Sesshômaru begriff. Dieses Ding war eines der beiden Artefakte, die der Höllenwolf besaß. Und im Gegensatz zu dem anderen, das ein reiner Detektor war, hatte dieses hier beachtenswerte Fähigkeiten für den Kampf. „Seine schärfste Waffe“, antwortete er aber nur. Inzwischen war Sesshômaru nicht mehr der einzige, der erkannt hatte, über was der Höllenwolf wieder verfügte, obwohl man es bei seiner Niederlage nicht mehr bei ihm gefunden hatte. Man hatte angenommen, er habe es zerstört, ehe es in fremde Hände fallen konnte. Aber offenbar hatte er nur ein Versteck dafür gehabt, das geschlagene sechshundert Jahre lang niemand gefunden hatte. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer unter den Fürsten, keiner dachte mehr daran, tatsächlich den Rückzug anzutreten. Sie wussten jetzt alle ganz genau, wenn sie das taten, dann hatten sie gleich Dākuhātos Macht im Rücken. Jigoku no Ookami merkte schnell, dass seine Falle entschäft war, aber er hatte nicht als ein spöttisches Lächeln dafür übrig. „Ihr habt es nicht anders gewollt…“, kündigte er süffisant lächelnd an, ehe er mit großer Geste zurücksprang und einen kurzen Wink mit der Hand gab. Augenblicklich stürzten sich Massen von Oni vom Himmel, die bisher anscheinend in einer so hohen Luftschicht gehangen hatte, dass niemand sie gespürt hatte. Und diese hier waren schon weit kränker, wahnsinniger als die erste Armee. Der eine oder andere der Fürsten stöhnte genervt auf. Aber die Oni hielten sich brav hinter dem Höllenwolf, der bisher noch nicht eine Geste gemacht hatte, die seinen Beinamen gerechtfertigt hätte. Für einen Moment herrschte wieder Stille, dann war es erneut Ayame, die die Stimme erhob: „Jigoku no Ookami, bah. Das ich nicht lache. Bisher machst du nicht einmal deinem eigentlichen Namen Ehre – Akuma“ Das klang abwertend. „Du bist nicht besser als der letzte Unruhestifter dieser Gegend“, fügte sie hinzu und spuckte demonstativ aus. Kagome, die so eine grobe Geste von Ayame noch nie gesehen hatte, schluckte etwas. Sie begann langsam zu verstehen, was für einen tiefen Hass die rothaarige Wolfsdämonin auf diesen Yôkai haben musste. InuYasha neben ihr hielt die Hand bereits an Tessaiga. Bisher hatte er sich zurückgehalten, aber schon das erneute Auftauchen der Oni hatte ihn in Alarmbereitschaft versetzte. „Unruhestifter nennst du mich, Prinzesschen?“, fragte der Schwarzhaarige da drohend, trat einen Schritt vor, die eine Hand so erhoben, das niemand mehr freie Sicht auf sein Artefakt hatte, ehe fast etwas wie Neugier in seine Augen trat. „Obwohl… mich würde schon interessieren, mit wem du mich da vergleichst. Wenngleich er wohl bereits tot ist, nehme ich an?“ Nun hielt es InuYasha nicht mehr länger an seinem Platz. „Jawohl, das ist er, mausetot sogar. Und er war genau so ein verdammter Feigling, wie du!“, rief er hitzig. Die Augen des Schwarzhaarigen schwangen zu ihm herum. Plötzlich verzerrte ein Knurren die Züge des dunkel Gekleideten. „Es reicht. Schimpf mich alles, aber keinen Feigling! – Hanyô“, grollte er gefährlich leise und ehe irgendeiner der Umstehenden reagieren konnte, schleuderte er das Dodekaeder in InuYashas Richtung. Noch im Flug begannen sich auf einmal wie Lava glühende Linien an den Kanten entlang zu ziehen. InuYasha verengte die Augen aber ausweichen konnte er nicht mehr. Und dann plötzlich ertöhnte ein ohrenbetäubender Knall und der faustgroße, scheinbare Stein explodierte noch im Flug. InuYasha wurde meterweit zurückgeschleudert und kam hart auf dem Boden auf, richtete sich aber sofort wieder auf. Seine Augen weiteten sich. Das Dodekaeder lag wieder als unscheinbarer Stein da, ganz, als könne es kein Wässerchen trüben. Aber von ihm ausgehend hatte sich eine Feuersbrunst auf dem Schlosshof ausgebreitet, die nicht zu verachten war. Sie erlosch schnell wieder, weil sie auf dem sandigen Boden keine Nahrung fand, aber mehr als ein Fürst hatte sich abgewendet um Gesicht und Hände zu schützen, darunter auch Sesshômaru. „Bastard!“, zischte er jetzt leise, sodass es nur InuYasha verstand, aber hätten es andere gehört, sie hätten sofort gewusst, was der Inuyôkai meinte. InuYashas Provokation war zu viel und der Angriff mit dem Dākuhāto nur die Vorhut gewesen. Im Schutze der Feuerwelle hatte der Höllenwolf das Zeichen gegeben, dass die Oni angreifen ließ. Mit voller Kraft. Augenblicklich kehrte das Chaos zurück. Sesshômaru hielt sich die Oni mit seiner Energiepeitsche vom Leib, bis er Bakusaiga gezogen hatte, dann warf er sich der Masse entgegen. Er hatte schon einmal erlebt, was geschah, wenn diese kranken Viecher einen einkesselten und das musste vermieden werden. Zurückhaltung ist ein Fremdwort, Halbblut…, dachte er dabei, während er Bakusaiga in einem wütenden Schwung herumführte und dessen Macht in die Oniherde jagte. Neben ihm schrillte der Angriffsruf einer anderen Stimme: „Tetsu no Ame!“ Fast wäre Sesshômaru in der Bewegung gestockt, als er die Stimme erkannte. Natsu… Augenblicke später fielen zig Oni nicht weit von ihm in sich zusammen, jeder einzelne von einem oder sogar mehreren nadelspitzen Metallsplittern getroffen. Der Inuyôkai erlaubte sich einen Seitenblick und erkannte gerade noch, wie Natsus Schwertklinge sich unter leichtem Glühen wieder selbst reparierte. Das also ist Ashai-Has eigene Macht…, stellte er für sich klar, aber er hatte ebensogut erfasst, wie verkrampft Natsu dastand. Sie kämpfte bereits mit ihrer Reserve, ihr Yôki war niedrig und es fehlte vermutlich nicht viel, dass sie vor Schwäche gezittert hätte. Sesshômaru kniff die Lippen zusammen, konnte ihr aber nicht beispringen, weil die Oni die Lücke vor ihm wieder geschlossen hatten – und weil Tôran direkt neben ihm kämpfte. Sicher nicht ohne Absicht. Gerade materialisierte sie einen weiteren ihrer scheinbar unerschöpflichen Eisspeere in ihrer Hand und schleuderte ihn den Oni entgegen, die sofort als Eisklumpen zu Boden stürzten und dort klirrend zerbrachen, als seien sie aus Glas. Er schleuderte eine weitere von Bakusaigas Energiewellen in die Oni, ehe er mit einem hohen Satz zurücksprang, in der Luft versuchte, einen Überblick zu gewinnen. Es dauerte eine ganze Weile, bis er die schmächtig wirkende Gestalt des eigentlichen Gegners inmitten der Oni ausmachte. Die Rufe, mit denen viele der Kämpfer ihre Waffen anfeuerten, klangen wild durcheinander, der sich überschlagende ‚Hiraikotsu‘-Schrei der Dämonenjägerin mischte sich mit InuYashas Gebrüll, der inzwischen von der Windnarbe auf Kongosoha umgestellt hatte. Jigoku no Ookami hatte sich ganz offensichtlich sein Artefakt wiedergeholt, denn immer wieder prallten Ringe aus Yôkai zurück, wenn Dākuhāto wieder einmal in die Luft ging. Die Fuchsfamilie bildete einen schützenden Halbkreis um den zweitältesten Prinzen, dessen Oberarm offenbar von einer dieser Explosionen arg angegriffen worden war, jedenfalls hatte er dort tiefe Wunden, die bis auf den Knochen sehen ließen. Dennoch ging es keinen Schritt weiter und keinen zurück. Die gegnerischen Massen rieben sich aneinander auf und niemand hatte einen Vorteil. Die alles andere als geeinte Masse der adeligen Yôkai wirkte ebensowenig effektiv wie die unkoordinierten, wahnsinnigen Oni. Einzig InuYashas Gruppe hielt einen Abschnitt des Hofes fast onifrei, aber diese Bande war auch aufeinander eingespielt: Tessaiga erledigte die grobe Arbeit, Bannzettel, Seelenpfeil und Knochenbumerang wechselten sich mit der Feinabstimmung ab. Und was dann immer noch nicht besiegt war, landete entweder zwischen den Säbelzähnen der Nekomata oder in den Klauen dieser Komori-Hanyô. So geht das nicht weiter… man muss diesen verdammten Höllenwolf selbst erledigen… sein vermaledeiter Ring sorgt dafür, dass er genau weiß, wo er immer neue Oni herrufen kann, das ist fruchtloser als bei Naraku… genau! Die Artefakte müssen weg! Kurzerhand landete Sesshômaru und machte sich mit einem einzigen Schwung Bakusaigas den Weg zu InuYashas Bande frei. Man hatte beim Shikon no tama gesehen, dass die Artefakte nicht auf normalem Wege zerstört werden konnte. Jedes einzelne hatte eine ganz spezielle Aufgabe und erst nach Beendigung eben jener verschwand es. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit, als sie kaputt zu machen. Es reichte ja schon, wenn Jigoku no Ookami keinen Zugriff mehr darauf hätte. Besiegen ohne zu töten… - „InuYasha!“ Überraschenderweise reagierte der Hanyô sofort, schlug noch einmal mit Tessaiga zu, kam dann aber auf ihn zu. „Jigoku no Ookami’s Artefakte müssen weg. Das Meido, InuYasha“, befahl er knapp. Für einen Moment sah es so aus, als wollte InuYasha protestieren, dann aber fasste er das Heft seines Schwertes fester. „Seit wann vertraust du mir, dass ich das richtige tue?“, fragte er. Sesshômaru sah ihn nicht an. „Seit es um Vaters Ehre geht. Chichi-ue war einer der vier Yôkaifürsten, die den Höllenwolf seinerzeit bannten“, erwiderte er bereitwillig. In diesem Moment fragte er sich nicht einmal, warum er so gesprächig war. In diesem Moment ging es um etwas, das hoffentlich sie beide nachvollziehen konnten. Tatsächlich schien InuYasha zu verstehen. „Miroku!“ „Hai?“ „Kannst du dieses dämliche Artefakt finden?“ Der Mönch kannte InuYasha gut genug, um zu kapieren, wovon der Hanyô sprach. Wortlos zog er einen Bannzettel hervor und murmelte einige Worte. Der Bannzettel glomm schon zwischen seinen Fingern bläulich auf, ehe Miroku ihn davonschleuderte. „Kommt!“, brüllte InuYasha nur, ehe er dem fliegenden Papierfetzen folgte. Sesshômaru blieb ungerührt stehen. Das war jetzt eine Sache der Koordination von InuYashas Bande. Aber er behielt die Aktion im Auge, denn der Kampf dauerte ihm schon bei weitem zu lange. Im unrentablen Kampf gegen diese Oni verlohr man schnell die Zeit aus den Augen. Es dämmerte bereits. Sango hatte Kagome hinter sich auf Kirara gezogen, damit die Miko nicht zurückblieb, solange sie mitten durch die Onimasse sprengten, aber so musste sie sich allein auf Kiraras Fähigkeiten auszuweichen verlassen. Es war ihr kaum möglich, mit dem Hiraikotsu auszuholen, solange Kagome hinter ihr saß. Miroku wäre es gewohnt, sich wegzuducken, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, die junge Miko war das nicht. Zum Glück war Kirara durch ihre Arbeit mit Kohaku in guter Form, sie geriet nicht einmal in Gefahr, gebissen zu werden. So konzentrierte Sango sich darauf, was InuYasha an der Spitze trieb. Er hielt Tessaiga aktiviert, schlug aber keinen Angriff, sondern benutzte momentan die blanke Klinge. Hier im Gewimmel war es auch besser so. Zu groß war das Risiko, dass einer der Yôkai getroffen wurde und das sicher nicht gutheißen würde – wenn er es denn überlebte. Schon die recht schwache Windnarbe aus InuYashas Anfängen hätte Sesshômaru umgebracht, hätte Tenseiga ihn nicht geschützt, das wussten sie inzwischen alle. Endlich gab der Bannzettel vor ihnen seinen Zickzackkurs auf und flog nun geradeaus – bis er auf der Stirn des Höllenwolfs pappen blieb. Für einen Augenblick verharrte InuYasha überrascht, dann zog er die Konsequenz. War ihm doch egal, ob der Höllenwolf sein Artefakt in der Hand hielt. Der Halbdämon schloss halb die Augen. „Zurück! Alle zurück!“, schrie Kagome über die Menge hinweg und wohl mehr aus Überraschung, als aus wirklichem Gehorsam machten die nahestehenden Dämonenfürsten und ihr Gefolge Platz. Besser so. Wer wusste, wohin Tessaigas Macht sich ausbreitete. Dann erst fiel ihr auf, wie tief die Sonne bereits stand. Der Schreck bohrte sich wie eine kalte Nadel in ihr Herz, aber es war zu spät, InuYasha aufzuhalten. Er hat nicht viel mehr als diesen einen Schlag… er muss nicht nur die Artefakte durch das Meido schicken, sondern auch diesen Höllenwolf, sonst ist es vorbei… Sie schluckte hart, musterte mit angstvoll zusammengekniffenen Augen Tessaigas Klinge, die sich bereits nachtschwarz verfärbt hatte. In dem Moment, in dem Jigoku no Ookami noch stutzte, schlug InuYasha zu: „Meido Zangetsuha!“ Dutzende, halbmondförmige Weltentore schossen auf den Höllenwolf zu, aber sie waren zu schwach, zu langsam. Er wich reflexartig aus und nur wenige trafen ihn. Eines verschluckte zwar tatsächlich das seltsame Dodekaeder und ein anderes riss ihm ein durchscheinendes Loch in die Seite, aber das war auch alles. Der Höllenwolf stand noch aufrecht und InuYasha war erstarrt, den Blick auf die letzten Sonnenstrahlen gerichtet, die über den Horizont leckten. Er spürte die aufkochende Wut des Höllenwolfs, schlug aus der Verzweiflung heraus noch einmal mit Tessaiga zu, eine nicht nennenswerte Windnarbe löste sich von der Klinge und erstarb noch, bevor sie den Höllenwolf erreichte. Der lachte triumphierend, während sich seine Augen wutrot färbten. Energiewirbel strichen heran, wirbelten sein Haar auf und umschlossen ihn. Gleichzeitig verwandelte sich auch InuYasha, in entgegengesetzter Richtung allerdings. In dem Atemzug, in dem plötzlich ein mehrmetergroßer, schattenschwarzer Wolf auf dem Schlosshof stand und auch dem letzten Anwesenden klar wurde, woher dieser Angreifer seinen Beinamen hatte, in dem Moment in dem der den letzten Mauerrest unter einer Hinterpfote zertrümmerte, in dem stand ihm nur noch ein schwarzhaariger, menschlicher InuYasha gegenüber – und in dessen Augen leuchtete seltene Angst. Der menschgewordene Hanyô wusste, was diese Situation für ihn bedeutete: Den sicheren Tod. Schon setzte Jigoku no Ookami zum Sprung an, er stieß sich ab und schnellte auf InuYasha zu, die Kiefer unbarmherzig aufgerissen. Dann geschah alles auf einmal. Eine helle Gestalt schoss heran, eine Schwertklinge zerschmetterte einen Eckzahn des Wolfsdämons und schlug ihm die Lefze blutig, während InuYasha derb beiseitegestoßen wurde. Er fiel hin, überschlug sich und blieb dann reglos liegen. Gleich darauf setzte Kirara neben ihm auf und Kagome sank neben InuYasha auf den Boden, legte ihm die Arme um die Schultern. „InuYasha!“, rief sie halb besorgt, halb außer Atem. Mühsam stemmte der menschgewordene Hanyô sich hoch. „Schon… gut… es geht schon…“, keuchte er, hustete krampfhaft. „Wer… wer was das?“, wollte er dann schwer verständlich wissen. „Sesshômaru. Sesshômaru hat dich zur Seite gestoßen, als er gesehen hat, was vor sich geht“, antwortete Sango, während sie sich ebenfalls neben InuYasha kniete und jetzt genau in seine erstaunten, braunen Iriden starrte. Sie grinste matt, kam aber zu keinem weiteren Kommentar, denn Miroku mischte sich ein, der neben Kirara stand. „Schaut mal!“ Die Freunde sahen auf – und rissen die Augen auf. Der Höllenwolf wälzte sich gerade herum, doch Sesshômaru, den er damit hatte abschütteln wollen, war längst zur Seite gesprungen und schlug mit Bakusaiga zu – mit purem Yôki. Jigoku no Ookamis Fell hing bereits in Fetzen und dort wo InuYashas Meido ihn noch getroffen hatte, klaffte ein Loch in seinem riesigen Körper, aber der Kampf war dennoch ebenbürtig. Allerdings war auch Sesshômaru verletzt, der zersplitterte Reißzahn musste ihn an der Schulter getroffen haben, denn die Wunde dort war zu großflächig um von einem intakten Zahn zu stammen. Keiner der anderen Yôkai rührte sich, die restlichen Oni waren plötzlich verschwunden. Alle Augen lagen nur auf dem Duell inmitten der Trümmer der Schlossmauer. Und dann reagierte Sesshômaru ein Mal zu langsam. Die stumpfen Klauen an der rechten Hinterpfote des Höllenwolfes trafen ihn heftig in die Seite und der Inuyôkai wurde zur Seite geschleudert, überschlug sich in der Luft und kam auf den Füßen auf, allerdings nur um gleich darauf auf ein Knie niederzugehen. Sein Haori war an der Seite blutgetränkt. „Oh, Scheiße!“, fluchte InuYasha und wollte sich unwillkürlich aufrappeln. Das Verhältnis zwischen ihm und Sesshômaru war zwar nie so besonders geschwisterlich gewesen, aber er wollte dennoch nicht, dass sein Halbbruder gemeuchelt wurde, nur weil er ihn beschützt hatte. Kagome hielt ihn allerdings nachdrücklich am Kragen zurück. Dass sie dabei in die Kette fasste, war sicher kein Zufall, denn auch wenn es lange nicht mehr die Bannkette war, das altbekannte, leicht würgende Gefühl ließ InuYasha parieren. Er sank zurück und begnügte sich mit einem missglückten Knurren. Jemand anderes hatte allerdings nicht das Glück, zurückgehalten zu werden. Inmitten der Versammlung erglühte plötzlich ein Yôkiwirbel und abrupt erhob sich ein weiterer, riesiger Körper über den anderen Yôkai. Es war der Leib einer mehrmetergroßen, sandfarbenen Löwin mit hellem, fast goldenem Rückenfell. Offensichtlich mehr automatisch als durchdacht, setzte sie mit einem Sprung über die Menge hinweg und stellte sich in dem Moment zwischen Sesshômaru und den Höllenwolf, als letzterer erneut zuschlug, mit der Vorderpranke diesmal. Die Löwin wurde an der Brust getroffen, aber sie hatte ihre mächtigen Klauen tief in die Erde gegraben und verlohr keinesfalls den Halt. Dennoch schwankte sie etwas. Kagome und die anderen sahen sich an. „Sagt mir nicht, dass das Natsu ist…“, wisperte die junge Miko erschüttert, ohne die Augen von dem abstrusen Szenario zu lassen. „Doch, ich fürchte, das ist sie…“, bestätigte Miroku trocken. „Leichtsinnige Idiotin“, brummte InuYasha mit zusammengebissenen Zähnen und traf damit fast genau den Wortlaut, der Sesshômaru durch den Kopf ging, als ihm bewusst wurde, warum der finale Schlag ihn nicht getroffen hatte. Der Inuyôkai knurrte auf. Es reicht! Er ignorierte seine Verletzung so gut es ging und gab sein eigenes Yôki frei. Richtungsloser Wind hüllte ihn ein, sein Körper wandelte sich um und gleich darauf stand eine dritte, riesige Gestalt inmitten der Trümmer: ein monströser, weißer Hund. Oder eher… rot-weiß, denn die Wunden waren deswegen nicht verschwunden. Sesshômaru grollte tief in der Brust, giftige Säure troff aus seinem Maul und grub tiefe Kuhlen in den Boden. Natsu wich zur Seite weg, besaß noch genug Vernunft um zu erkennen, dass Sesshômaru diesen Kampf selbst beenden wollte, Verwundung hin oder her. Der weiße Hund setzte zum Sprung an, da erstarrte er in der Bewegung. Die rautenförmigen, leuchtend roten Augen glitten zu Natsu. Nein, ich täusche mich nicht…, dachte Sesshômaru doch etwas verblüfft. Sein Yôki, das ihn umzüngelte wie eine ungefesselte Flamme, leckte in Richtung von Natsus Yôki, wollte sich mit ihrem verbinden – und die Stellen, an denen beide Yôki sich berührten strahlten eine stärkere Aura aus, als einer von ihnen im erholten Zustand aufgebracht hätte. Es war seltsam. Normalerweise stießen sich die Yôki von nichtverwandten Yôkai aufs Heftigste ab, vermischten sich niemals. Ob das an ihrem gemeinsamen Sohn lag? Sesshômaru wusste es nicht, aber etwas anderes war ihm völlig klar: Das ist die Chance… Kurzerhand packte er mit den Reißzähnen vergleichsweise vorsichtig Natsus Nackenfell, hinderte sie am Rückzug. In der Meute der Yôkaifürsten erklang ein empörtes Fauchen, sicher ihr Vater. Der hatte sicher nicht erkannt, was vor sich ging, Sesshômaru hatte sogar das dumpfe Gefühl, das das nur für ihn und vielleicht Natsu fühlbar war. Sie sah ihn jedenfalls nur reglos aus dem Augenwinkel an. Unpassenderweise fiel ihm gerade jetzt auf, dass ihre Augen auch in wahrer Form Silbergrün blieben, während die seinen ja ihre Bernsteinfarbe verloren und blutrot leuchteten. Dann aber konzentrierte er sich wieder auf den Gegner. Jigoku no Ookami hatte fast spöttisch abgewartet, er schien Natsu nicht ernstzunehmen und einen so schwer verletzten Sesshômaru auch nicht. Der Inuyôkai spürte auch, wie der Blutverlust ihn langsam schwächte. Er musste handeln – jetzt! Rasch ließ er Natsus Nackenfell los, stellte sich noch ein Stück näher neben sie, das Blut aus seiner Wunde besudelte ihr helles Fell, aber darauf achtete keiner von beiden. Natsu hatte offenbar kapiert und fixierte den Höllenwolf, ehe sie sich zum Sprung anspannte. Vollkommen gleichzeitig setzten Hund und Löwin vor, verbissen sich in den Schultern des verdutzten Höllenwolfs und warfen ihm alles Yôki entgegen, was sie noch aufbringen konnten. Blitze zuckten und eine grelle Lichtexplosion fegte über das Gelände, ein bestialischer, mehrstimmiger Aufschrei mischte sich hinein, dann war Stille – Totenstille. Als die ersten wieder die Augen öffneten, lag am Kampfplatz nur noch ein schäbiger, grauer Fetzen, der einmal Jigoku no Ookamis Umhang gewesen war… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)