☾ Mikadzuki von Mimiteh ================================================================================ Kapitel 43: Rückkehr -------------------- InuYasha blieb stehen, als Kaedes Dorf am Horizont auftauchte. Misstrauisch witterte er. „Das gefällt mir nicht. Hier riecht es nach Oniblut. Ist zwar schon ein paar Tage alt, aber dennoch…“, er brach ab, als Kagome von seinem Rücken rutschte und neben ihn kam. „Wird schon nichts Schlimmes sein. Komm…“ Sie fasste seine Hand und zog ihn hinter sich her. Auch Kirara, die neben ihnen verharrt hatte, setzte sich wieder in Bewegung, Kohaku und Katashi taten es ihr gleich. Als sie den Dorfrand erreichten, war tatsächlich kaum etwas von Zerstörung zu erkennen. An einer der Hütten wurde das Dach etwas ausgebessert und die breiteste Gasse des Dorfes hatte eine aufgebrochene Schneise im Boden, wo sicherlich Sangos Knochenbumerang entlanggeschrappt war. Ansonsten war alles friedlich – Noch. Denn kaum wurden sie bemerkt, liefen die Dorfbewohner zusammen. „InuYasha! Kagome-san! Kohaku-san! Ihr seit wieder da!“ „Keh! Offensichtlich…“, brummte InuYasha vor sich hin, machte aber gute Miene zum bösen Spiel und lächelte sogar ein wenig, als er sich durch die Menschen drängte, sorgsam darauf bedacht, niemanden versehentlich beiseitezustoßen. Er hatte inzwischen gelernt, wie sehr seine Kraft sich von der eines Menschen unterschied. Es war Kagomes Verdienst, dass er nicht trotzdem rücksichtslos durch die Menge stapfte, aber es hatte viele, kritische Stimmen besänftigt, die ihn nicht im Dorf hatten sehen wollen. Als sie endlich durch das ‚Empfangskomitee‘ hindurch waren, stellte sich ihnen der Nächste in den Weg. „Yume!“ Kagome kniete sich zu dem Bakukind hinab, das auf dem Boden hockte und ihnen entgegen blickte. Es war gewachsen, in den letzten Monaten, aber seine Bewegungen waren noch immer tapsig, als es näher kam und die Stirn an Kagomes Unterarm schmiegte. Allerdings ließ es schnell wieder von ihr ab. „Na, bin ich dir zu gut gelaunt?“, fragte sie lachend und auch wenn Yume ihr kein Bild schickte, wusste sie, dass es genau das war. Yume lebte nun einmal von negativen Gefühlen. Sie stand wieder auf und gesellte sich zu InuYasha, der ein paar Schritte entfernt gewartet hatte. Sie brauchten keine Worte um einander mitzuteilen, dass sie froh waren, wieder im Dorf zu sein. Kurz fasste Kagome nach dem Kettenanhänger an ihrem Hals. Noch hatte Sesshômaru ja im Dunklen gelassen, was genau er mit ihr vorhatte, aber sie war entschlossen, aus der Zeit der Ungewissheit das Beste zu machen. Kurz entschlossen schob sie wieder ihre Hand in InuYashas und gemeinsam gingen sie zum anderen Ende des Dorfes, wo Sango und Miroku wohnten. Kohaku und die beiden Nekomata waren bereits vorgegangen. ~*~ Kôga und Kôhei waren inzwischen am Rande des Trainingsplatzes angekommen. Zwei der anderen, jungen Wölfe, die zu ihren Mentoren zurückgekehrt waren und gegeneinander kämpften, sprangen auseinander und sahen sich überrascht an. Was tat Kôga hier? Sie wechselten einen erstaunten Blick, als der junge Fürst der Wölfe sein Katana zog, das er sonst nie aus dem Waffengürtel nahm. Zumindest hatte das noch nie jemand gesehen oder erinnerte sich daran. Aber sie verstanden, was da vor sich ging. Kurz flüsterten sie miteinander, dann blieb einer stehen und der andere rannte los. Keine Minute später hatten sich alle Wolfsschüler versammelt und auch andere fanden sich ein. Kôga quittierte das nur mit einem Grinsen, während Kôhei wenig begeistert wirkte. Aber er zog die Waffe, die Arata ihm geschenkt hatte und brachte sich in Stellung. „Fang an!“, forderte Kôga ihn auf. Kôhei taxierte ihn kurz, ehe er vorsprang. Die leichte, gebogene Klinge des Tachis zischte durch die Luft, als er auf Kôgas Hüfte zielte, aber der ältere Ookami hatte blitzschnell mit seiner eigenen Klinge abgeblockt. „Nur weil ich selten mit dem Katana kämpfe, heißt das nicht, dass ich es nicht kann…“, sagte er leichthin und sprang zurück um gleich darauf selbst anzugreifen. Gerade so gelang es Kôhei, den Schlag abzufangen und abzufälschen, aber er nutzte die entstandene Deckungslücke und setzte sofort nach. Wäre Kôga nicht immer noch sehr schnell, auch ohne die Juwelensplitter, Kôhei hätte ihn getroffen. So aber hechtete er zur Seite, schlidderte ein Stück und wartete, bis Kôhei wieder bei ihm war. Dann erst riss er das Katana hoch und tat so, als wollte er nach Kôheis Seite schlagen. Wie erwartet reagierte der genau darauf und kippte das Handgelenk ab, um seine Klinge dazwischenzustoßen, aber da hatte Kôga schon die Schwerthand gedreht und mit dem Handrücken von unten gegen Kôheis Finger geschlagen. Das Tachi flog durch die Luft und blieb zwei Meter entfernt in der Erde stecken. Kôga sprang zurück und steckte seine Waffe weg. „Nicht schlecht“, kommentierte er, während er den Schwertarm etwas ausschüttelte. Dann klopfte er Kôhei auf die Schulter. „Du machst dich. – Ich weiß, was es dich kostet, dich gegen ein Katana zur Wehr zu setzen, auch wenn du selbst nicht mit einem kämpfen musst. Ayame hat mir die ganze Geschichte erzählt und außerdem ist der Spuk jetzt ein für alle Mal vorbei. – Meiyos letztes Opfer hat übrigens Glück gehabt. Sie ist nicht weiter geschädigt, Folgen hatten Meiyos Eskapaden auch nicht. Und ihr Bruder hat sie nicht verstoßen, sie wird also ein Auskommen haben, selbst wenn jemand sich von ihrer ‚Unreinheit‘ abhalten ließe, um sie zu werben.“ Kôgas Stimme war dabei ungewohnt ernst und als Kôhei, nachdem Kôga an ihm vorbei gegangen war, seine Waffe holen ging, meinte Arata für einen Moment Zufriedenheit auf dem Gesicht des jungen Ookami zu erkennen. Gut so… Der Lehrer hatte zwar nur einen Teil von Kôgas Worten kapiert, weil er den Hintergrund nicht kannte, aber man sah Kôhei jetzt an, wie sehr ihn das beruhigt hatte. Arata dachte an den Tag zurück, an dem der kleine Adoptivbruder von Kôhei ihm dessen Geschichte erzählte. Damals hatte er noch nicht wirklich durchblickt, wie tief sich dieses Trauma in Kôheis Verhalten gefressen hatte. Jetzt wusste er es. Aber er wusste auch, dass Kôhei auf dem Weg der Besserung war – wenn er sich denn endlich mal richtig öffnen würde. Aber ob und wann dieser Schritt stattfand und wem Kôhei dann genug vertrauen konnte, das war Kôheis eigene Entscheidung. Arata konnte nur weiter sein Bestes geben, dieses Vertrauen zu gewinnen. ~*~ Shippô sah sich suchend um. Dieses Schloss, nein, allein dieser Schlossflügel war so vermaledeit groß! Und unübersichtlich obendrein. Da sah er eine Gestalt über den Gang huschen. Akenos Zofe! Wenn er Glück hatte, führte sie ihn zurück in den Trakt der Fürstenkinder, von da aus würde er sein Gästezimmer schon finden. Aber schon, als er ihr um die dritte, verwinkelte Ecke folgte, konnte er sich denken, dass ihr Ziel ganz woanders lag. Außerdem drangen ihm langsam Essensgerüche in die Nase. Die Küche also, da wollte Aya hin. Unwillkürlich wurde er langsamer. Es war unwahrscheinlich, dass er hier unten etwas zu suchen hatte. Auch wenn man ihn vermutlich nicht rausschmeißen, sondern ihn äußerst höflich hinauszitieren würde – wie er diese erzwungene Höflichkeit doch verabscheute! – er sollte sich wohl besser nicht weiter hier unten herumtreiben. Zögerlich blieb er stehen. Am Besten, er wartete hier, bis Aya zurückkam. Sicher konnte er sie dann fragen, wo er lang musste. Das war zwar ziemlich blöd, aber etwas anderes blieb ihm nicht übrig. Jetzt war er endgültig so tief im Schloss, dass er in hundert Jahren nicht allein hinausfand. Allerdings musste er fast eine halbe Stunde warten, bis sich wieder etwas rührte. Tatsächlich war es Akenos Zofe, die – jetzt mit einem feinen, silbernen Tablett samt Tee und dem passenden Zubehör – in seine Richtung kam. Als sie ihn entdeckte, blieb sie überrascht stehen. „Hat Akeno-sama euch geschickt? Ich… gomen nasai, dass es so lange gedauert hat.“ Shippô kicherte etwas. „Keiner hat mich geschickt. Ich bin so verwinkelte Gänge bloß nicht gewohnt. Ich habe mich verlaufen, wenn ich ehrlich bin.“ Ayas Mundwinkel zuckten, als sie ein Schmunzeln unterdrückte, dann senkte sie rasch wieder den Blick. „Dann folgt mir bitte, Shippô-san.“ Er verdrehte kurz die Augen, blieb ihr aber erleichtert auf den Fersen, bis sie Akenos Gemach erreichten. Aya machte sich bemerkbar und trat dann ein, stellte das Teetablett auf den kleinen Tisch nahe der Schlafstatt. Shippô blieb unschlüssig an der Tür stehen. Akeno hatte sich als genauso unkompliziert erwiesen, wie die anderen Geschwister, aber er wusste nicht, ob er im Moment erwünscht war. „Willst du da eigentlich stehen bleiben?“, riss ihn Akenos Stimme schließlich aus seinen Gedanken. Shippô schüttelte rasch den Kopf und kam näher, kniete sich in Ermangelung einer besseren Idee, ihr gegenüber an den Tisch. Akeno nickte ihm lächelnd zu. „Was hältst du davon, mir Gesellschaft zu leisten? Eigentlich treffe ich mich um diese Zeit ja immer mit meiner Schwester, aber die wurde von ihm Herrn Verlobten zu sich gebeten, das geht natürlich vor“ Das klang ein wenig ironisch. Shippô grinste. Aya goss etwas Tee in die Schalen auf dem Tablett und zog sich dann unaufgefordert zurück. „Du bist ihr gefolgt, oder?“, fragte Akeno gleich darauf. Shippô zuckte ertappt zusammen. „Ich… ich habe gehofft, dass sie mir den Weg weist. Ich werde mich in diesem Schloss nie zu Recht finden“ Akeno lachte hinter vorgehaltener Hand. „Und sie hat dich warten lassen, länger, als es zum Teeholen eigentlich nötig ist, stimmts?“ Jetzt hob Shippô doch den Kopf. „Woher…“ „Ich weiß schon, warum ich sie immer mit reichlich Zeit losschicke. – Ayas Verlobter arbeitet in der Küche. Und da unten ist genug los, dass niemand auf zusätzliche Anstandsdamen besteht, weil genug Augen zuschauen, das beide sittsam bleiben, wie man so schön sagt. Die Situation nutzt sie natürlich“ Auch wenn Shippô nur den halben Sinn der Einrichtung von ‚Anstandsdamen‘ verstand – immerhin hatten Kagome und Sango ihn oft genug davor bewahrt, von Miroku alles bis ins kleinste Detail erklärt zu bekommen – er ahnte jetzt, warum Aya so lange gebraucht hatte – und das Akeno das tolerierte. Gerade wollte er nach seiner Teeschale greifen, innerlich betend, dass er sich dabei ordentlich anstellte, da wurde die Schiebetür aufgerissen. Es war Shin, der jüngste Prinz. „Ane! Chichi-ue ist wieder da!“, rief er, offensichtlich ohne zu merken, dass seine Schwester nicht allein war. Jedenfalls ignorierte er Shippô. Akeno sah sofort auf, erhob sich allerdings gesittet. „Und? Gibt es Neues?“ Shin schüttelte den Kopf. „Kanaye sagt, sie hätten nichts erreicht, der Inu no Taishô ist noch nicht wieder da und wird wohl auch nicht in den nächsten Tagen zurückerwartet. Vater meint, das sähe Fürst Sesshômaru ähnlich, keine Ahnung, worauf er damit hinaus will“ Shippô hätte es ihm sagen können, aber er hielt den Mund. Shin hatte ihn offenbar immer noch nicht bemerkt. Jetzt witschte der jüngste Prinz schon wieder davon. Akeno schüttelte etwas den Kopf, dann ging sie zu der kleinen Kommode an der Wand, packte ein weißes Seidenband und fasste ihre Haare damit zusammen. „Na komm. Ich nehme an, Vater will gleich los zu deinem Dorf, sonst hätte er Kanaye nicht geschickt, uns Bescheid zu sagen“, forderte sie Shippô auf, der ihr nur zu bereitwillig folgte. ~*~ InuYasha und Kagome hatten inzwischen den Rand des Dorfes erreicht – und wurden sofort von den Zwillingen in Beschlag genommen. Kagome nahm die eine der kleinen Mädchen auf den Arm und die anderen quengelte so lange, bis InuYasha auch sie hochnahm. Er verzog das Gesicht, als sich prompt kleine Kinderhände nach seinen Ohren streckten. „Hina! Lass das“, erklang plötzlich Sangos Stimme und obwohl mehr Freude über die Rückkehr der Freunde, als Ermahnung in den Worten mitschwang, ließ Hina die Hand sinken. Was ihre Mutter sagte war Gesetz – meistens wenigstens. So sagte sie auch nichts, als InuYasha sie absetzte, zumal auch ihre Schwester wieder auf eigenen Beinen stand. Sango kam näher, sichtlich belustigt über das Verhalten ihrer Töchter. Sie umarmte erst Kagome, dann InuYasha, ehe sie zurücktrat. „Freut mich, dass ihr wieder da seid. Kohaku sagte schon, dass ihr Erfolg hattet – Glückwunsch!“ Die beiden Rückkehrer lächelten nur. Sie hatten sogar mehr Erfolg gehabt, als zuvor geplant, aber das konnte warten. „Wo ist Miroku?“, wollte Kagome schließlich wissen. „Mit Hachi unterwegs. Ist eine lange Geschichte“, gab Sango schlicht zurück, ehe sie über die Schulter zurücksah, wo die beiden Nekomata lagen und zuließen, dass Yamato begeistert versuchte, abwechselnd auf ihre Rücken zu klettern. Es gelang ihm nicht wirklich, aber er gab auch nicht auf. „Wer ist eigentlich der zweite?“ InuYasha warf nur einen kurzen Blick in die Richtung. „Keh! Kohaku sagte, er hat Kirara mal gerettet.“ Sango runzelte etwas die Stirn. „Kirara gerettet?“ Es war ihr anzusehen, dass sie genaueres wissen wollte. Kagome erbarmte sich. „Auf der Reise musste Kohaku einmal alleine los, etwas besorgen. Er ging mit Kirara und kam dabei in ein Dorf, das Schwierigkeiten mit einer Oni hatte. Während des Kampfes ging etwas schief und Kirara geriet in Lebensgefahr. Der Kater hat sie im letzten Moment gerettet und tauchte ein paar Tage später dann plötzlich bei uns auf. Frag mich nicht, warum genau er bei uns geblieben ist“, erklärte sie, ehe sie zusammenzuckte, weil plötzlich Bilder in ihren Kopf gerieten. Es dauerte einen Augenblick, ehe sie sich bewusst wurde, dass Yume plötzlich neben ihr stand und zu ihr aufblickte. Sie konzentrierte sich auf die Bilder. Zuerst der fremde Kater, dann ein Stück Holz, das zerfiel, sichtlich in längerer Zeit. Dann ein Felsblock, dem geschah nichts. Ein Knochen, der zerfiel und wieder der unberührte Felsblock. Kagome runzelte die Stirn. „Wiederstand… Alter… Yume, was soll das?“ Das Bakukind verdrehte die Augen. Wieder zeigte es ihr den Felsblock und diesmal zerfiel auch der. Dann schüttelte es heftig den Kopf, dass der dünne Elefantenrüssel ihn gegen die Ohren schlug. „Das also nicht… Yume, was meinst du bloß. Hmm… Entschlossenheit? Beständigkeit?“ Bei ihrem letzten Tipp nickte das Kleine heftig. „Beständigkeit… Katashi. Ist das sein Name?“ Yume machte ein Gesicht, das eindeutig zu deuten war: Na endlich… Kagome grinste entschuldigend und hockte sich ihn, um ihm leicht über den Kopf zu streichen, ehe sie aufsah. „Tja, sieht so aus, als ob Kiraras neuer Begleiter Katashi heißt.“ ~*~ Es war ruhig geworden, in der kleinen Reisegruppe rund um Sesshômaru, Natsu und den Reitdrachen samt Reitern. Natsu hatte den Blick starr an Sesshômaru vorbei geradeaus gerichtet, dahin wo das Neko-Schloss war und das weniger entfernt, als sie es gerne gehabt hätte. Dennoch merkte sie, dass der Inuyôkai momentan langsamer ging, als gewohnt. Auch er dachte also noch nach. Der Rest der Gruppenmitglieder war still. Rin hatte aufgehört zu singen und selbst AhUhn verzichtete darauf, seine Machtspielchen mit Jaken auszutragen und ließ sich brav von dem Krötendämon führen. Anspannung herrschte zwischen ihnen, jeder ging seinen Gedanken nach. Plötzlich aber verharrte Sesshômaru. Kurz darauf witterte auch Natsu, was den Daiyôkai störte. Fremde Yôkai… Abtrünnige wahrscheinlich… Sie spannte die Schultern an, versuchte unauffällig etwas näher an Sesshômaru heran zu kommen, um leiser sprechen zu können. „Wir sind zu nahe am Schloss. Wenn wir angegriffen werden, muss ich um Schutz bitten…“, murmelte sie dann leise. Sesshômaru tat ungerührt, aber er verstand Natsus Anmerkung. Am Schloss wusste ganz offenbar kaum jemand von ihren Kampffähigkeiten und man musste sie ja nicht noch mehr in die Diskussion bringen, als ohnehin schon. Aber er hätte sie ohnehin beschützt – und das nicht nur, weil das Leben unter ihrem Herzen seines Blutes war. Seine einzig sichtbare Reaktion bestand allerdings aus einem knappen Handzeichen. AhUhn verstand trotzdem und stieg augenblicklich auf, einen protestierenden Jaken am Zügel unter sich baumelnd. Mühsam kletterte der Krötendämon an einem Hals des Reitdrachen entlang und schnaufte erleichtert, als Rin ihm hilfbereit eine Hand reichte. AhUhn schwebte da schon still dreißig Meter über der Szenerie und rührte sich nicht von der Stelle. Sesshômaru nahm das beruhigt zur Kenntnis. Er hatte bereits gehört, wie jemand eine Waffe aus einer Scheide zog, sie würden angegriffen werden. Erst gemütskranke Oni und jetzt geisteskranke Banditen… Er schüttelte sich innerlich, wirkte aber nach außen hin noch völlig unbedacht, als er weiterging. Es dauerte nur wenige Schritte, da gingen die Yôkaibanditen ihm in die Falle – wenn auch im festen Glauben, ihn in eine Falle gelockt zu haben. Blitzschnell hatte seine Energiepeitsche dem ersten Banditen eine tiefe Wunde im Arm zugefügt und einem zweiten das einfache Stahlschwert aus der Hand geschlagen. Mit zusammengekniffenen Augen ließ Sesshômaru den Arm sinken, musterte die beiden zurückzuckenden Yôkai. Sie waren dämlich genug gewesen, zu glauben, dass er sie nicht bemerkt hatte. Aber er witterte auch, dass die Meisten Banditen hinter ihm waren – richtung Natsu. Und er begriff. Sie wusste nicht, wer er war, aber sie hatten in Natsu eine Prinzessin der Neko erkannt. Und jetzt versuchten sie, ihn von ihr zu trennen. Ohne sich auf ihre wahren Fähigkeiten zu berufen, würde sie mit fünf Angreifern nicht fertig werden. Er zog Bakusaiga, hielt es dem ohnehin verletzten Banditen drohend unter die Nase. Giftig umwaberte die türkisgrüne Aura die Klinge. Dem Banditen brachen die Knie ein, er sank zu Boden, sein Kumpan tat es ihm rasch nach – die waren vorerst ungefährlich. Also wirbelte der Inuyôkai herum und sah den Ring, der die anderen um Natsu gebildet hatten. Zum Glück war Rin in Sicherheit, auf die musste er nicht achten. Rasch sprang er vor, stieß Bakusaiga einem Yôkai, der mit dem Rücken zu ihm stand, in den Leib und wartete erst garnicht, wie er zusammenklappte, ehe er mit einem Überschlag über die Runde hinweg setzte und seine Klinge dem einzigen Mitglied der Banditengruppe an den Hals legte, der einen Harnisch trug – der Anführer vermutlich. Dafür sprach auch, dass dieser Yôkai geschickt genug war, sich abzuducken und seitwärts zu drehen, aus der Affäre zu ziehen. Sesshômaru setzte ungerührt nach, wehrte die Schläge des Banditenchefs ab, ohne einmal in Bedrängnis zu geraten. Da ist ja InuYasha schneller… Mit einer raschen Drehung seines Schwertes prellte er die ungefinierbare Klinge aus der Hand seines Gegenübers und hielt ihm, wie seinem Gruppenmitglied zuvor, Bakusaigas Aura unter die Nase. Aber der Banditenanführer hielt der Drohung einen Moment stand – bis plötzlich von den Hügeln her ein yôkigeladener Speer heranzischte und einen der Banditen zu Boden schickte, die noch auf Natsu eindrangen. Sesshômaru witterte, ohne seine Klinge abzusenken. Nein, keine weitere Gefahr. Stattdessen nahm er Neko-Geruch wahr, außerdem die Witterung von Metall. Wachen des Schlosses. Sie kamen zur Hilfe – etwas, was ihm eigentlich weniger behagte, als eine eventuelle, weitere Gefahr. Er knurrte missmutig – und der Banditenanführer bezog das auf sich. Jetzt brach der doch in die Knie, sich sehr bewusst, dass, wer auch immer da vor ihm stand, ihn nicht so leicht begnadigen würde, wie seine beiden Gruppenmitglieder. Tatsächlich legte Sesshômaru prompt die Breitseite des Schwertes auf seinen Nacken. „Wer… wer seid ihr?“, fragte der Yôkai mühsam. „Ich bin der, der perfekt tötet“, antwortete der Inuyôkai kalt, ehe er zuschlug und dem Banditenchef präzise das Genick brach. Dann sah er hoch. Inzwischen hatte ein zweiter Speer einen weiteren Banditen an den Boden genagelt, nur einer stand Natsu jetzt noch gegenüber – bis sie rasch über ihn hinweg sprang. Wissend, was das bedeutete, zog sich Sesshômaru ein paar Schritte zurück. Dann hörte er die junge Löwendämonin bereits wispern. Augenblicke später loderten die Yôkiwände hoch. Nicht annähernd so stark, wie sie könnte…, dachte Sesshômaru bei sich, in Gedenken an das Schneemonster in Kuraikos Fallengarten. Tatsächlich war von dem Banditen sogar noch ein reichlich verkohlter Überrest übrig. Dann waren bereits die Wachen heran, drei an der Zahl. Zwei kamen sofort zu Natsu, die die Schultern etwas vorgezogen hatte und heftig atmete. Sesshômaru zog eine Augenbraue hoch. Das spielte sie, er ahnte es, aber wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er ihr das Schauspiel abgenommen. Die dritte Wache kam auf ihn zu, ließ sich auf ein Knie nieder, den Kopf gesenkt. „Im Namen unserer Fürsten entschuldigen wir uns vielmals für den Angriff auf Neko-Gebiet“, sagte er protokollgerecht. Sesshômaru unterdrückte ein Grollen. Er wusste, dass er diese Worte nur zu hören bekam, weil er in Natsus Begleitung war und er wusste auch, was da zwischen den Zeilen stand. Der Dank galt nicht nur dem Schutz, er galt auch abschließend. Die Wachen würden Natsu zurückbegleiten. Und er konnte nichts dagegen sagen, ohne ihnen den Grund zu nennen – und das wiederum war unmöglich. Wenn überhaupt, durfte das alles nur an die Ohren der Panthergeschwister gelangen und Tôran würde selbst dann an die Decke gehen. Eigentlich ist es das sogar wert… aber das ist mir im Moment soetwas von egal…, dachte Sesshômaru, ehe er die Wache knien ließ, wo sie war und sich Natsu und den anderen Wachen näherte. „Euch gebührt ein Dank für Eure wegweisende Arbeit. Der Plan kann nun fortgeführt werden“, sagte er mit einem Kopfneigen. Natsu reagierte sofort mit einer höfischen Verbeugung, aber in ihren Augen glomm kurz ein Feuerwerk an Gefühlen auf, die Sesshômaru sogar nachvollziehen konnte. Er war politisch handlungsunfähig – vorerst. Sie war nun auf sich allein gestellt. Von ihr hing es ab, ob sie überlebte, ob das Kind überlebte und ob der Frieden überlebte. Der Inuyôkai sah ihr nach, als die drei Wachen mit Natsu richtung Schloss abzogen. Die überlebenden Banditen waren längst geflohen, jetzt kam auch AhUhn wieder auf den Boden zurück. Sesshômaru beachtete das nicht, er sah Natsu hinterher, deren zusammengesunkene Haltung diesmal sicher nicht gespielt war. Kein Wunder, auf ihren Schultern lastete eine unglaubliche Aufgabe, die sicherlich niemals eine Hime im Alleingang hatte bestehen müssen. Aber so war das nunmal mit der hohen Politik. Sie bestimmte das Leben – aber sie konnte ebenso martialisch, ja, tödlich sein. Der Daiyôkai drehte sich um und setzte sich wieder in Bewegung. Seine Gedanken aber verharrten. Wenn es je eine Hime gegeben hat, die diese Aufgaben bewältigen kann, dann du… Natsu… ~*~ Shippô sah sich derweil aus der Luft um. Er saß wieder auf Tadashis Arm, während Kyoko diesmal von ihrem Vater getragen wurde. Kanaye und die anderen waren im Schloss zurück geblieben. „Da entlang“, sagte Shippô schließlich und zeigte zu der Wiese, auf der man den knochenfressenden Brunnen erkennen konnte, wenn auch in der Dämmerung nur schwach. „Hinter der Waldzunge ist das Dorf“, fügte er hinzu. Seit der Akademie hatte er es übernommen, den Weg zu erklären und gemerkt, wie viel schneller sie auf dem richtigen Luftweg waren. Seine Rosa-Ball-Illusion war bei weitem nicht so schnell, selbst in wahrer Form wäre er schneller, aber die hatte er bisher selten geübt. Seine Eltern waren nicht mehr dazu gekommen, sie ihm vernünftig beizubringen. Kurz darauf setzte Tadashi knapp neben seinem Vater auf dem Boden auf und setzte Shippô ab. „Wir wollen ja keine Panik riskieren“, erklärte er lächelnd und der kleine Fuchsjunge verstand sofort, worum es ging. Vier Kitsune auf einmal, waren sicher auch für Kaedes Dorf zu viel des Guten, auch wenn man die Präsenz von Yôkai – und Hanyô – dort inzwischen gewohnt war. Ohne, das man ihn hätte auffordern müssen, setzte er sich in Bewegung und suchte sich einen Weg durch den Wald. Als sie an Goshinboku vorbei kamen, blickte Shippô kurz nach oben. Nein, hier waren InuYasha und Kagome nicht. Verständlich. Vermutlich waren sie eben erst angekommen und waren bei Sango und Miroku anzutreffen. Über ihnen glitt ein großer Schatten entlang, trotz der Baumkrone deutlich zu erkennen. Shippô legte den Kopf in den Nacken, erhaschte noch den Blick auf etwas Gelbes. Hachi? Er beschloss es vorerst zu ignorieren und ging weiter. „Dieser Wald ist sehr urwüchsig. Seit wann sehen die Menschen davon ab, am Waldrand Bäume wegzunehmen?“, fragte Tadashi schließlich mehr sich selbst, als jemand anderen, aber Shippô antwortete trotzdem: „Der uralte Baum eben trägt den Namen Goshinboku. Er hat eine ganz besondere Geschichte, die übrigens auch mit InuYasha zusammenhängt. Aus Respekt vor Goshinboku rühren die Menschen von Musashi dieses Waldstück nicht an.“ Dann traten sie aus den Bäumen und gingen zwischen den Feldern hindurch, die Hügel hinab, auf das Dorf zu. Längst war kein Bauer mehr bei der Arbeit, es war ja schon fast dunkel. Shippô schlug einen Bogen um die Hütten herum und hielt direkt auf Sangos und Mirokus Hütte zu. Als er näher kam, musste er grinsen. Das scheint heute der bevorzugte Treffpunkt zu sein… Nicht nur Sango und die Kinder waren da, auch InuYasha, Kagome, Miroku und Hachi, ja sogar Kaede saß bei den anderen. Nur Kirara, der Nekomatakater und Kohaku fehlten – und Rin. „Kagome! InuYasha!“ Gin sah sich die bunt gemischte Gruppe, die da vor einer Hütte saß, interessiert an. Zwei Menschen in Miko-Kleidung, ein Mönch, eine Frau im Kimono, ein sicher nicht einmal einjähriger Junge schlief in ihrem Arm, zwei nicht viel ältere Mädchen saßen neben dem Mönch und versuchten einander an den Haaren zu ziehen, bis der Mönch die Hand hob und die Mädchen trennte. Etwas in zweiter Reihe saß ein dicklicher Tanuki und zwischen den beiden Mikos erkannte Gin eine Gestalt, die er nicht nur per Ausschlussprinzip zuordnen konnte. Das muss InuYasha sein… Sein Verdacht wurde bestätigt, als sich die jüngere der Mikos und jene rotgekleidete Gestalt umdrehten und die junge Miko den ihr entgegengelaufenen Shippô auffing. Das war also Kagome. Der Fuchsfürst bemühte sich, sich noch keine Meinung über sie zu bilden, ohne ein Wort mit ihr gewechselt zu haben. Diese gemischte Gruppe war zu außergewöhnlich, als dass er davon ausgehen konnte, dass diese Menschen normal waren. Der Mönch hatte sie inzwischen entdeckt, musterte sie interessiert, sicher spürte er die dämonischen Auren, auch wenn ihn das ganz offensichtlich nicht störte. „Guten Abend“, grüßte Fürst Gin und trat näher, sodass ihn jetzt jeder sehen konnte. Tadashi blieb etwas schräg hinter ihm, Kyoko war längst zu Shippô gelaufen und begrüßte gerade die junge Miko. Die Alte, die nur noch ein gesundes Auge besaß, runzelte ein wenig die zerfurchte Stirn, regte sich aber weder auf, noch schien sie sonderlich beeindruckt von dem ‚Besuch‘. Die direkteste Reaktion kam da noch von dem rotgekleideten Hanyô, der sich jetzt gänzlich umdrehte und offenbahrte, wie viel er von seiner väterlichen Familie geerbt hatte. Die tiefbernsteinfarbenen Augen waren unverkennbar. „Was gibt das, Shippô? Erst deine kleine Freundin und jetzt noch mehr von der Sorte?“ Fürst Gin erkannte, dass Shippô und Kyoko einen verschmitzten Blick wechselten. „Das ist Gin“, stellte Shippô dann vor und setzte ein spitzbübisches Gesicht auf, als er hinzufügte: „Oder sollte ich besser sagen… Fürst Gin, Herr der Kitsune und Fürst des Südens – Kyokos Vater. Und das hinter ihm ist der zweitälteste Prinz, Tadashi.“ Inuyasha entgleisten sämtliche Gesichtszüge, während der Mönch sich als erster höflich erhob und verneigte, die alte Miko tat es ihm gleich, spielerisch auch die kleinen Mädchen. Die jüngere Miko nahm sich ein Beispiel an ihrer älteren Kollegin und die Frau im Kimono neigte freundlich den Kopf, stand aber wegen des Kindes in ihrem Schoß nicht auf. Einzig InuYasha schien nicht daran zu denken, Höflichkeit zu zeigen. Gin wusste nicht so recht, was er davon halten sollte. „Gomen nasai, Fürst Gin, es tut mir schrecklich Leid. InuYasha-sama ist nicht sonderlich ausführlich höfisch erzogen worden. – InuYasha-sama, bitte verneigt euch ebenfalls. Euer Vater und jetzt Euer Bruder… nein, schon gut… Halbbruder mag der Hundefürst sein, dennoch steht Fürst Gin im Range über Euch“, erklang auf einmal die gehetzte Stimme Myôgas. „Keh! Als ob mich interessiert, wer oder was Sesshômaru ist“, gab InuYasha nur von sich, deutete aber auf einen bittenden Seitenblick Kagomes hin wenigstens eine Verneigung an, ehe er sich wieder zu den anderen setzte. Jetzt musste Fürst Gin doch schmunzeln. InuYasha war schon durch seine Abstammung etwas besonderes, aber ganz offensichtlich war auch sein Wesen eines zweiten Blickes wert. Aber Fürst Gin war auch wegen etwas anderem gekommen. „Miko Kagome?“, fragte er in Richtung der jungen Miko. Die nickte etwas. „Ihr tragt nun also die Sekai no Tia?“ Ehe Kagome antworten konnte, mischte sich Myôga wieder ein. „Oh ja, es ist ihr gelungen sie zu bändigen und das mit Bravour. Kago-“ „Halt die Klappe, Flohopa. Kagome kann für sich selber sprechen!“, schnappte InuYasha dazwischen und sofort verstummte Myôga, der in InuYashas Reichweite auf Kaedes Schulter saß und lieber nicht ausprobieren wollte, wie nachgiebig der Hanyô im Moment gerade drauf war. Tadashi, der bisher still hinter seinem Vater gestanden hatte, beobachtete das Geplänkel amüsiert. Da fiel ihm auf, dass Shippô und Kyoko leise flüsterten. Er spitzte die Ohren. „So ist es also, wenn InuYasha richtig aufdreht?“, fragte Kyoko gerade. Shippô kichterte. „Das ist gar nichts. Er läuft heute Abend noch richtig auf Sparflamme. Du hättest ihn früher erleben müssen, als Kagome ihn – wenn auch manchmal unbeabsichtigt – mehr gereizt als beruhigt hat. Und wenn Miroku und Sango mit ihrem ständigen Hin- und Her dann noch für dicke Luft gesorgt haben, dann ist InuYasha richtig in die Luft gegangen. – Das hier, das ist gemäßigter Normalzustand!“ Tadashi legte etwas den Kopf schief, als er diese Worte hörte. Na, das kann ja heiter werden, wenn die Bande mit unter die Bannkreise kommt – aber bis dahin ist wohl noch eine ganze Weile Zeit. Tadashi konnte nicht wissen, dass ausgerechnet der, der auf dem Jahrhunderttreffen noch der Meinung gewesen war, sie hätten noch ein paar Jahrzehnte Zeit, zu planen, bald jener sein würde, der den Grund für eine Beschleunigung lieferte. Denn in Kriegszeiten waren Diskussionen fast nicht führbar, unter den Dämonenfürsten, Dämonenkriege waren langwierig – und ein Kriegsgrund fand sich schnell… eine so essentielle Einigung wie die der Umsiedlung konnte da nicht getroffen werden. Bei den Spannungen, die immer irgendwo zwischen irgendwelchen Dämonenclans herrschten, eskalierte schnell mal etwas. Man konnte nur hoffen, dass das nicht zu bald geschah. Nicht vor der Einigung. Wie schlecht die Chancen für eine solche Hoffnung aber standen, das ahnte keiner der seltsamen Zusammenkunft am Rande von Kaedes kleinem Dorf… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)