Brut der Hölle von abgemeldet (Zwischen Hölle und Hölle III) ================================================================================ | fünf | »Könntet ihr vielleicht alle mal etwas leiser sein?!« »Sag das den anderen, die sind viel zu laut!« »Was soll das denn heißen?« »Dass ihr hier in unserer Küche herumbrüllt, als wärt ihr im Supermarkt kurz vor Ladenschluss und würdet euch um die heruntergesetzten Lebensmittel kloppen!« »Tun sie doch auch.« »Hey! Das hab ich gehört!« »Echt mal, wenn ihr Ukes Essen nicht mögt, dann geht doch rüber in die andere Küche!« »Wieso sollten wir, wir wohnen jetzt hier!« »Aber es ist immer noch unsere Wohnung! Ihr steht nicht im Mietvertrag drin!« »Na und? Außer Kai doch niemand. Ihr teilt euch nur die Kosten.« »Du bist ganz schön frech dafür, dass du erst seit heute Morgen hier wohnst.« »Jetzt seid doch mal ruhig und streitet euch nicht.« »Genau, wir wollen doch einen friedlichen Start haben.« »Dann hätten wir nie auf die Idee kommen dürfen, alle zusammen in einer Küche zu essen!« »Oder der PSC beizutreten!« »Stimmt, die sind schuld.« »Aber so was von.« »Ein Wunder, dass die nicht gleich mit eingezogen sind.« »Sag das nicht zu laut, sonst kommen die noch auf dumme Ideen.« »Stimmt, die haben bestimmt irgendwo Kameras installiert und beobachten uns durchgehend.« »Ja, ich glaub, ich hab schon welche gesehen.« »Das sind nur die von der Diva, der stellt die überall auf.« »Wieso das denn?« »Guck dir die Pinnwand an und bereite dich darauf vor, demnächst nackt beim Duschen auf Fotopapier gebannt und dort verewigt zu werden.« »Was?!« »Uke! Sei ruhig! Du verschreckst den kleinen Pon noch.« »Tora guckt auch schon so.« »Hey! Lass mich in Ruhe, klar?« »Zicke!« »Willst du Ärger?« »Meine Fresse, du gehst ja ab wie der Penner. Und ich dachte immer, Saga wäre die Zicke bei euch.« »Was bin ich?!« Der Griff um meine Hand wurde immer fester. Unruhig und überfordert wanderte Reitas Blick wild durch den Raum, schien sich auf niemanden fokussieren zu können. Aber wen wunderte es? Es saßen zehn Leute in unserer eigentlich ganz geräumigen Küche, aber mit so vielen wurde es wirklich eng. Wir hatten den Küchentisch aus der anderen Wohnung hergeholt und an unseren dran gestellt, damit wir alle zusammen zu Abend essen konnten. Sozusagen als Einstieg in die gemeinsame Zeit; ein gemütliches und geselliges Essen, bevor der Ernst des Alltags wieder losging. Kai und Nao hatten freiwillig gekocht und Ruki dafür gesorgt, dass auf unserer Seite des zusammengebastelten Riesentisches die Schüsseln mit dem Gekochten unseres Leaders standen, Naos sah irgendwie seltsam aus. Unser ursprünglicher Tisch war wie immer besetzt. Reita und ich an der Wandseite, Ruki rechts am Kopfende, Uruha und Kai gegenüber. Neben Uruha saß Tora, der die ganze Zeit komisch starrte und grinste, wenn ich ihn ansah, und neben diesem Saga, der konzentriert den Inhalt seiner Schüssel in sich hineinschob. Neben Reita saß Hiroto, daneben Shou und am Kopfende Nao, der uns alle streng im Auge behielt. Ich war wirklich froh, dass wir Kai unseren Leader nennen durften, und warf ihm ein dankbares Lächeln zu. Er grinste zurück. Vermutlich hatte er wie immer erkannt, was ich gerade dachte. Erschreckend, wie gut er mich kannte. Es gab übrigens noch etwas, das Reita nervös machte. Dieses Etwas hatte insgesamt sechzehn Beine und acht Augen, saß hinter Kai und Uruha auf der Arbeitsplatte, irgendwie ordentlich aufgereiht wirkend und recht ausdauernd im Starren. Fast schon wie Tora. Fragte sich nur, wer das von wem hatte; Shou hatte diese Eigenschaft nicht. Dort saßen vier Katzen. Noch wusste ich nicht genau, welche jetzt wem gehörte, aber mehrere davon gehörten dem Alice-Nine-Sänger. Und sie alle starrten Reita an. Vielleicht ahnten sie, dass dieser in seinem Zimmer zwei Vögel hatte. Oder sie sahen ihn selbst als Vogel an. Wenn man ihm etwas Dreckiges ins Ohr flüsterte und ihn dann neben Keiji stellte, sahen die beiden sich verblüffend ähnlich mit der Frisur und den roten Wangen. »Die gucken immer noch«, zischte er mir zu, ohne den Blick von ihnen abzuwenden. »Vielleicht solltest du dann mal weggucken, Tiere mögen das nicht so.« »Aber wenn ich weggucke, springen sie bestimmt herunter und rasen unter den Tisch, um meine Füße zu fressen!« Er rückte näher an mich heran und quetschte sich an meine Seite. Beruhigend kraulte ich seinen Nacken. »Magst du Katzen nicht so gern?« »Ich weiß nicht. Das sind doch natürliche Feinde von meinen kleinen Sittichen oder so. Und die gucken immer so fies …« »Hat unser ReiRei etwa Angst vor Katzen?«, stichelte Saga quer über die Tische und grinste breit, als alle perplex in unsere Richtung starrten. »Was?! Natürlich nicht, du blöder Beutel!« Schon stand Saga auf, schnappte sich die zweite Katze von links, die am neugierigsten guckte, und beugte sich über den Tisch, setzte sie auf Reita ab. Mit großen Augen starrten die beiden sich an. »Rei …?« Keine Reaktion. Ich hob eine Hand und streichelte durch das weiche Fell, vielleicht verstand Reita so, was man mit Katzen so anfing. Tatsächlich schob er kurz darauf seine Finger in die grauen Haare und strich leicht hindurch. Schnurrend räkelte sich das Tier auf seinem Schoß und rückte näher an ihn heran. »Warum macht die … so komische Geräusche?«, fragte Reita unsicher und berührte mit seinen Fingerspitzen den Kopf der Katze, fuhr die Ohren entlang. »Er mag euch«, antwortete Tora und stützte sich mit den Armen auf dem Tisch ab, beobachtete uns lächelnd. »Bei Aoi kann ich das ja noch verstehen, aber Chikin mag irgendwie scheinbar sogar dich, Reita.« »Was soll das denn heißen?!« »Hühnchen. Er wusste halt nicht, was das für ein Tier ist, als er sich einen Namen überlegt hat.« Uruha prustete und kletterte fast auf Kais Schoß, als Tora damit begann, nach ihm zu hauen. »Doch nicht Hühnchen! Er heißt so, weil er ein Schisser war und sich am Anfang immer versteckt hat!« »Och Tora, das überrascht mich gar nicht. Bei dir würde sich jeder verstecken. Wir sollten alle paar Stunden mal nach Schatz schauen, ob er noch da ist, wenn ihr erst mal in einem Zimmer seid.« Tora knurrte und Reita sah mich verwirrt an. »Also mag das Tier mich?« Zur Antwort rollte der Kater sich auf seinem Schoß ein. »Er wird jetzt immer an dir kleben, dich vollmiauen, wenn du ihn nicht genug streichelst, und sich in deinem Bett breitmachen. Und dich als Kratzbaum benutzen, ihr habt hier so was ja nicht«, zählte Tora trocken auf und gönnte sich noch ein Schälchen Reis. Hastig setzte Reita Chikin auf meinen Schoß und sah dann zu Kai. »Haben wir eigentlich noch die Luftmatratze im Keller?« Ach ja, die Sache mit dem Bett. Er war komplett dagegen, dass ich mir mit Tora ein Bett teilte, andererseits wollte er aber auch nicht mit in Sagas schlafen. Deswegen waren wir auf die Idee gekommen, die alte Luftmatratze aus dem Keller zu holen, die wir anfangs immer mit auf Tour genommen hatten. Normale Zimmer in Herbergen hatten meistens vier Betten, einer hatte anstandshalber die aufblasbare Matratze nehmen müssen, um Geld zu sparen. Seit ein paar Jahren hatten wir dieses Problem nicht mehr und das alte Ding schon völlig vergessen, aber jetzt war es doch ganz nützlich, dass wir alles in den beinahe platzenden Keller stopften und aufbewahrten. Er würde sie mit nach drüben nehmen und auf ihr nächtigen, damit wir das Bett nicht erst noch abbauen und wieder aufbauen mussten, waren ja auch nur ein paar Wochen. Noch so etwas, das gewaltig an den Plänen der Manager störte. Es gab keine Wohnzimmer mehr. Beziehungsweise ›Wohnzimmerecken‹, unseres war schon seit ein paar Monaten eher ein großes Arbeitszimmer mit Sofa und Fernseher in einer Ecke. Das Sofa, auf dem notfalls noch jemand hätte schlafen können, stand nun hochkant in den Keller gequetscht, die Wohnzimmer beider Wohnungen waren voll mit Instrumenten und Geräten. Bloß keine Ablenkungsmöglichkeiten bieten. Ich spürte meine Laune wieder sinken und vergrub die Finger in das weiche Fellknäuel auf meinem Schoß, kraulte es von oben bis unten durch. Dass ich dabei selbst schon schnurrte, fiel mir erst auf, als mich alle seltsam anstarrten. Sogar der Kater. Fragend sah ich in die Runde. »Er hat schon wieder nicht zugehört.« »Ist er immer so in Gedanken versunken?« »Und wie rot er jetzt anläuft.« »Ich finde es niedlich.« »Das zählt nicht, du findest alles an ihm niedlich!« »Ich darf das ja auch. Das ist schließlich mein Schneewittchen.« »Dein was?« »HEY!«, unterbrach ich die rege Diskussion, die sich gerade zu entwickeln begann, und erstickte sie im peinlichen Keim. »Was ist denn?«, fragte ich dann leiser und verschämt hinterher. Kai lächelte warm. »Ich hab nur gefragt, ob du die Luftmatratze nicht gesehen hast. Du warst doch dabei, als ihr das Sofa heute Morgen runtergebracht habt.« »Hm, da war keine.« »Ganz sicher? Die müsste ziemlich weit vorne sein, irgendwo zwischen den Schwimmflügeln, dem aufblasbaren Sumo-Anzug und der Gummipuppe.« »Schwimmflügel?«, fragte Saga entsetzt. »Wer kann denn von euch nicht schwimmen?« »Inzwischen kann ich es sehr gut, Beutel!« »Aber auch nur, weil Schatz so viel Geduld mit dir hatte und es dir nicht übelgenommen hat, dass du ihn mehrmals fast ertränkt hättest.« »Doofer Sack!«, feuerte Reita nun zu Uruha rüber und blitzte ihn wütend an. Dieser zückte seufzend sein Büchlein hervor. »Liebes Tagebuch, der Penner guckt mich schon wieder mit diesem glühend-verlangenden Blick an, dabei weiß er doch, dass mich das ganz wild macht …« Chikin purzelte fast von meinem Schoß, als ich hastig nach Reitas Schulter packte und ihn wieder auf den Stuhl drückte, damit er nicht fauchend über den Tisch kletterte. »Also haben wir die nicht mehr, wie es aussieht«, meinte Kai gelassen und zuckte mit den Schultern. »Wofür brauchst du die eigentlich?« Reitas Blick klebte irgendwie neidisch an meinen Händen, die den Kater verwöhnten, dann brummte er: »Wir haben nur ein einzelnes Bett. Ohne Luftmatratze muss ich wohl doch hierbleiben und weiterhin bei Aoi schlafen. Ist ja nur für die Nacht.« So bedauernd hörte sich das gar nicht an, wie er zu gucken versuchte. »Da finden wir schon eine Lösung«, mischte Nao sich plötzlich ein und grinste genüsslich. »Die ersten Nächte kannst du bestimmt mit in Sagas Bett. Nicht war, Saga?« »Klar, warum nicht.« »Niemals!« »Mein Gott, warum so prüde, Penner? Er wird dir schon nicht an die Wäsche gehen.« »Darum geht es doch gar nicht!« Uruhas Augen wurden groß. »Hast du etwa Angst, dass du im Schlaf nicht an dich halten kannst und ihm an die Wäsche gehst?« »Natürlich nicht, Sack!« Kai seufzte und haute eindrucksvoll auf den Tisch. Sofort wurde es ruhig und alle sahen zum Leader, der sich mit den Ellbogen auf dem Tisch abstützte und die Hände faltete. »Für ein Dankgebet beim Essen ist es jetzt aber zu spät«, wunderte sich Reita und zuckte zusammen, als die dunkelbraunen Augen einen eiskalten Blick über den Tisch schossen. »Vielleicht sollten wir dann doch mal langsam zum eigentlichen Thema kommen: unser Zusammenleben. Es sollte einige Regeln geben, damit wir gut miteinander auskommen und es nicht zu Schwierigkeiten kommt in den nächsten Wochen.« Nao nickte. »Vielleicht sollten wir das mit dem Abendessen so lassen, es könnte ganz praktisch sein, sich einmal am Tag austauschen zu können.« »Wir können doch wohl auch zwischendurch mal rüber!« »Dafür wird nicht viel Zeit sein, Reita.« Der Alice-Nine-Drummer lächelte entschuldigend. »Du weißt, wie streng die Manager sind, wir kriegen wahrscheinlich Pläne, was wir pro Tag schaffen müssen.« »Ganz genau«, übernahm Kai wieder das Wort und ignorierte das empörte Schnauben neben mir. »Ich denke, die Zimmeraufteilung wäre dann so weit geklärt. Wie sieht es mit den restlichen Räumen aus? Da bis auf die Drummer alle nach Instrumenten aufgeteilt wurden, wird das mit den Arbeitszimmern schon irgendwie klappen in den Wohnungen. Nao und ich wechseln einfach. Mal schauen. Küchen werden in den Wohnung benutzt, abends dann hier. Was ist mit den Bädern? Es wohnen auf jeder Seite gleich viele, aber wir haben hier zwei. Vielleicht sollten wir alle aufteilen und Namen an die Türen kleben, damit es keinen Stau gibt.« Ruckartig schoss Reita in die Höhe und starrte ganz Alice Nine an. »Ihr geht alle hier ins Weiberbad! Drüben kommt mir keiner rein, und hier ins andere auch nicht!« »Wieso das denn?!« »Ihr habt Saga! Und ihr heißt Alice! Das ist ein Weibername! Der kommt mir nicht ans Männerbad!« »Aber das ist doch nur der Bandname. Wir sind alles Kerle«, schnaubte Tora und verschränkte die Arme. Der Rest von Alice Nine nickte. »Trotzdem!«, beharrte Reita. »Das geht doch nicht! Ins Männerbad kommen nur Kai, Aoi und ich!« »Das geht nicht, dafür sind wir zu viele. Drei Bäder durch zehn Leute.« »Drei und einer, der in alle darf.« »Schatz darf in alle.« »Das ist eine gute Idee.« »Also muss noch einer ins Männerbad.« »Wie sollen wir uns aufteilen?« »Ruki, Uruha und Shou können doch weiterhin in Reitas Weiberbad bleiben, dann müssen die ihren Kram nicht herumräumen.« »Und Nao, Reita und ich können nebenan, wir wohnen doch eh da. Dann bleiben noch Hiroto und Tora. Pon, du gehst mit ins Männerbad. Auch wenn du dafür viel zu klein aussiehst. Tora kommt bei uns mit rein, das Bad ist anders aufgeteilt und etwas größer. Aoi bleibt dann auch hier.« »Hey, wieso darf ich nicht hier?« »Halt die Klappe, Tora. – Krieg ich noch Tee, Uke?« »Reita hat recht, du bist ein Sack!« Besagter Namensfinder war zwischenzeitlich wieder auf seinen Stuhl geplumpst und verfolgte die Diskussion mit weit aufgerissenen Augen. »Moment mal!«, fand er seine Sprache wieder. »Soll das heißen, dass nebenan Saga mit mir in ein Bad soll?! Dann ist das doch ein Weiberbad!« »Und wenn schon.« »Aber …« »Freu dich einfach und fertig«, befand Uruha und bepustete seine volle Tasse. »Oder willst du jeden Morgen und Abend frustriert rüberstapfen, nur um ins Männerbad zu kommen?« »Was denn sonst?! Der Rest ist unter meinem Niveau!« »Du klingst wie der Zwerg. Vielleicht solltest du doch besser ins Weiberbad.« »Blöder Sack!« »Nenn mich nicht dauernd so, Penner!« »Das hat dich doch noch nie gestört, Sack!« »Idiot!« »Dummsack!« »Dackelhirn!« »Müllsackhalter!« »Tomatenglibber!« »Käserinde!« »Spermafleck!« »… Aoi! Sag doch auch mal was!« ♦ Später am Abend saßen über zwanzig Personen in unserer Küche. Es war erstaunlich. Nur wenige Stunden zuvor hatte ich gedacht, mit zehn würde es schon grenzwertig voll sein, aber jetzt passten irgendwie alle gut rein. Hin und wieder kamen sogar noch welche dazu. »Ey, hier!« Rasant wandte ich den Kopf nach links, so schnell, dass ich fast vom Stuhl fiel vor Tempo – Geschwindigkeit, nicht Taschentuch – und sah die ganzen Toras, die irgendwann mit den Rukis die Plätze getauscht hatten und mir gerade vier Gläser Bier rüberschoben. Du meine Güte, wer hatte denn hier so viel Durst? Mehrmals tastete ich nach den Gläsern und schob sie dann an Saga weiter, der irgendwo auf der anderen Seite saß. »Mann, nich' der! Die war'n für dich!« Oh. »Gib die wieder heeer!«, nölte irgendjemand Saga an und meine Hände zogen drei Gläser zurück. Damit stand ich vor dem nächsten Problem. Wie bekam man so viele auf einmal an die Lippen? Eins okay, vielleicht auch noch zwei, aber dann lief die Suppe in der Mitte schon runter. Na gut, musste ich ausprobieren. Konzentriert umfasste ich erst mal das linke Glas mit beiden Händen. Aber es wollte nicht so ganz. Also das rechte. Aber auch das wich mir aus. Dann versuchte ich es mit der goldenen Mitte. Und staunte nicht schlecht, als alle auf einmal vom Tisch abhoben. Irgendein schlauer Fuchs musste die aneinandergeklebt haben, weil es sonst zu viel kleckerte. Darauf musste man erst mal kommen! »So'ne kleine Party am ers'n Abend is' doch was Feines!«, grölte die Katze auf meinem Schoß plötzlich und vor Schreck ließ ich fast meine Biere fallen. Dann entdeckte ich einen von Toras Köpfen, der sich nur über das Hühnchen gebeugt hatte. Der hatte mir aber jetzt wirklich einen Schrecken eingejagt. Dann waren da mit einem Mal vier Katzen. Verrückt. Die wollten mich doch bestimmt verarschen wie die Gläser vorhin. Grinsend tatschte ich die erste an. Gut, die war echt, es fühlte sich schön weich und flauschig an. Auch die zweite konnte ich ausgiebig betasten. Die dritte biss zu. Unglücklich steckte ich mir alle armen Finger in den Mund. Bei der vierten Katze wollte ich dann doch lieber kein Risiko eingehen, so viele Finger hatte ich nicht, auch wenn es schon eine Menge waren. Reita hatte auch mehrere. Und konnte damit die wunderlichsten Dinge anstellen. Reita … Wo war der eigentlich? Ich setzte die Katzen auf den Tisch und sah mich um. Jetzt waren sie direkt vor meiner Nase und im Weg, also nahm ich sie wieder auf den Schoß. Aber so konnte ich auch nicht wirklich viel sehen. Wieder rauf auf den Tisch und aufgestanden. Die Küche war noch immer proppenvoll, aber nicht ein einziger Reita in Sicht. Musste ich halt allein ins Bett. Auch wenn es in meiner Brust komisch ziepte. Aber vorher Zähneputzen. Und das ging nicht allein, da musste Reita doch mit! Summend machte ich mich auf den Weg, quetschte mich minutenlang erst hinter Saga und danach Nao zwischen Stühlen und Wänden herum, bis ich endlich auf der anderen Seite war und rauskam. Im Flur war es so dunkel, dass ich nicht mal die Wände fand. Nur eine unter mir. Stirnrunzelnd befühlte ich sie. Welcher von den Idioten hatte denn den Flur gedreht?! So was Fieses! Murrend stand ich auf und lief wie Spiderman … Superman … Rumpelstilzchen? … auf der Wand entlang. Die Türen hatten sie netterweise auch gedreht, sodass ich ungehindert in unser Zimmer kam. Ein Erdbeben brachte den Holzboden dazu, Wellen zu schlagen und mich zum Schwanken zu bringen, aber bald kam ich am Bett an. Auf dem schon wieder Katzen saßen. Und die Unterhose kannte ich auch nicht. War auch gar nicht meine Größe. Und … roch auch seltsam. Weg damit. Ich hängte sie an den Fenstergriff und wankte hinüber zum anderen Bett. Eklig laut aufstoßend hielt ich davor an und griffelte unter der Decke herum, bis ich meinen Hummelschlafanzug zu fassen bekam. »Da bissu ja, du Schlawiner …« Das ›Sch‹ blubberte seltsam in meinem Mundwinkel. Komisch. Schulterzuckend rupfte ich mir Hose und Shirt vom Leib, aus Versehen auch Unterwäsche und stand völlig nackig da, hatte irgendwie das Gefühl, dass ich das irgendwie nicht tun sollte. Wahrscheinlich wegen der Katze. Wo kam die eigentlich her? Und warum starrte die so aufdringlich?! Brummelnd zog ich die Hummeln über und die Socken aus, ließ mich ins Bett fallen. Gemütlich und wohl riechend. Es duftete so wunderbar nach Reita … Reita! Ich plumpste aus dem Bett, kämpfte mit der renitenten Decke und wühlte mich heraus. Umständlich hievte ich mich hoch und stolperte auf die Tür zu, stand schon wieder auf der Wand im Flur. Mein Instinkt, der sogar dann funktionierte, wenn ich nur ganz leicht angetrunken war wie jetzt, führte mich zur Wohnungstür. Irgendwas mit Schlüssel waberte durch meine Gedanken, aber darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Ich zog die Tür auf und begann zu strahlen. »Hey, Aoi.« Reita saß auf einem Sessel mitten im Flur und lächelte mich sanft an. Da wir kein richtiges Wohnzimmer mehr hatten, stand der Fernseher nun im Hausflur und mein Freund schaute sich scheinbar jetzt schmollend immer hier seine allabendlichen Seifenopern an. »Rei …«, murmelte ich plötzlich unheimlich müde und trabte zu ihm rüber, ließ mich auf seinen Schoß ziehen und lehnte mich an ihn. »Du riechst nach Alkohol …« »Un' du viel zu gut …« Er schnaubte amüsiert und kraulte zärtlich durch meine Haare. Zufrieden schloss ich die Augen und schmiegte mich an ihn, zog die Beine an und machte es mir auf ihm gemütlich. Seine Arme wanderten um mich, mein Kopf wurde gegen seine Halsbeuge gedrückt und ich spürte den beruhigenden Herzschlag in seiner Brust unter meiner Hand, die dort zum Liegen kam. »War ein langer Tag, was?«, flüsterte er so leise, dass ich ihn gerade noch über die Stimmen aus dem Fernseher hören konnte. »Mhm. Un' anstrengend. Hab Mus'elkater …« Schon legten sich warme Hände auf die schmerzenden Stellen und strichen angenehm fest darüber. Seufzend drückte ich mich näher an ihn, hickste leise und lächelte ganz breit, als Reitas Kopf sich auf meinen legte. Dann wurden die Stimmen immer leiser und leiser. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)