Bullum Solare von Shub_Niggurath ================================================================================ Kapitel 4: Im Einkaufszentrum ----------------------------- „Die Sonne war zur Zeit des Silberjahrtausend tot“, sagte Artemis. „Die Landschaft war ohne Leben und galt als unbewohnbar. Auf ihre lebensfeindliche Art, welche nur das Böse gebären zu schien, war sie unergründlich und unberührbar. Daher mieden wir die Sonne. Wir wussten nur, dass unter der Oberfläche eine Macht schlummerte, aus der solche Kreaturen wie Metallia geboren werden konnten. Ich bin mir sicher, dass es vor dem Silberjahrtausend so war, jetzt noch so ist und in der Zukunft sein wird.“ „Daher ist es so seltsam, dass es nun eine Sailorkriegerin der Sonne geben soll“, beendete Luna seine Ansprache. Jeder grübelte. Ernst drei Tage nach dem Angriff der Schlangenhaarefrau hatten sich die Usagi, Ami, Rei, Makoto, Minako, Mamoru und die beiden sprechenden Katzen zusammengefunden. Nach der Verwüstung seiner Wohnung war Mamoru vorübergehend bei Usagi einzogen. Die Kriegerinnen tagten nun in der Tskuino-Residenz. Rei hatte schon das letzte Mal vehement ein Treffen im Hikawa-Tempel abgelehnt und tat es noch immer; als Begründung nannte sie die nervigen Mikos, die ihre Nase in jede Angelegenheit stecken mussten. „Und Kaiser Hyperion? Sagt euch dieser Name etwas?“, fragte Minako. „Nein“, sagte Artemis, während Luna angestrengt nachdachte, woher sie diesen Namen kannte. Irgendwo im Mondpalast hatte sie von diesem Mann gehört, doch sie konnte sich bei bestem Willen nicht mehr daran erinnern, wo. „Mir macht diese Sailor Sun Sorgen“, sagte Rei, die von dem Schock über dem Angriff wieder genesen schien. „Es ging nicht gerade die angenehmste Aura von ihr aus. Außerdem habe ich die starke Befürchtung, dass sie die Person aus meiner unheimlichen Vision ist...“ Minako setzte die Argumentation fort: „Und es ist nicht gerade sympathisch, dass sie sich diese hässliche Skimaske über den Kopf zieht. Sie sah aus, wie eine Einbrecherin.“ „Oder einfach wie jemand, der viel zu verbergen hat“, schwächte Ami Minakos Aussage ab. „Das heißt wohl, wir sollten ihr eher skeptisch gegenüber treten“, schlussfolgerte Makoto. „Von wegen!“ Es war das erste Mal, dass Usagi bei dem Treffen gesprochen hatte. „Sailorkriegerin bleibt Sailorkriegerin, egal ob wir sie nun identifizieren können oder nicht. Sie gehört zu uns. Schließlich hat sie mir schon zweimal das Leben gerettet.“ Die restlichen sieben Anwesenden sahen sie an. So einfach ihre Argumentation war, so logisch war sie auch. Zufrieden waren jedoch nicht alle Anwesenden damit. „Allerdings hat sie auch gesagt: ‚Haltet euch da raus’“, sagte Mamoru. „Ich wäre dafür, diesen Rat zu befolgen.“ „Wieso das denn?“ Usagi stand auf und stieg auf ihr Bett. So wollte sie unterstreichen, dass sie eine inspirierende Rede halten wollte. „Egal, wer die mysteriöse Kriegerin nun ist, Tatsache bleibt, dass unschuldige Menschen von brutalen Monstern angegriffen werden. Das haben wir noch nie zugelassen und haben es auch nicht vor. Wir müssen den Fakten ins Auge blicken – es ist an der höchsten Zeit wieder aktiv zu werden.“ Mamoru und ihre Freundinnen sahen sie lächelnd an; bei nicht allen entflammte jedoch derselbe Enthusiasmus. Dennoch blieb ihnen keine andere Wahl, als Usagi zuzustimmen... ihr Alltagsleben war wohl kein ausreichendes Argument, ihre übernatürlichen Pflichten außer Acht zu lassen. Usagi ordnete an: „Also, vergesst nie wieder eure Stäbe!“ Rei raunte: „Wenn du nie wieder deine Beschwörungsformel vergisst.“ Usagi knurrte wie ein wütender Hund: „Ja ja. Ich hab sie eh wieder gelernt...“ Mithras trommelte gereizt mit den Fingern auf die Armlehne seines Vaters Thron. Lisiphon, oder wie sie hieß, hatte sich vor ihm auf die Knie geworfen und schluchzte. Erbärmlich, wie sie sich gebar. Hatte sie wirklich einmal zur Garde der dritten Plutokönigin gehört? Am liebsten hätte er ihr auf der Stelle den Kopf abgeschnitten und die Leiche in den Weltraum geworfen, doch die schrumpfende Zahl seiner Lakaien hielt ihn ab. Er brauchte sie wohl oder übel. „Du hast also die Fährte der Mondprinzessin verloren?“, sprach er. „Ja“, schluchzte sie. „Du sagst, seit der Begegnung mit ihr, der Marsschlampe und dem Maskenheini bist du nur mehr Sailor Sun über den Weg gelaufen?“ „Ja.“ Er klopfte so heftig gegen die Armlehne, dass ihm die Fingerkuppen wehtaten, und kniff sich vor Zorn in die Wange. Wenn er sich Schmerzen zufügte, konnte er seinen Zorn im Zaum halten. Dabei würde er dieser dumme Schlampe so gerne das Licht ausschalten. So nah waren sie ihrem Ziel gewesen und diese Kuh machte alles zunichte. Er fragte sich, ob vielleicht Erfolg beschert gewesen wäre, wenn er ihre Schwester oder einen anderen Lakaien losgeschickt hätte... wahrscheinlich. Er gab sich eine geringe Teilschuld an dem Verlust der Spur zur Mondprinzessin. „Dann lass dieses Gebäude einfach aus den Augen und such deine Opfer an anderer Stelle“, sagte er gezwungen ruhig. „Verrate mir nur, warum du einfach abhaust, wenn die Peitschenschlampe auftaucht?“ Sie stotterte, ohne ihm in die Augen zu schauen: „Ich... ich... ich denke nicht, dass ich eine Chance gegen sie hätte.“ „FEIGE SAU!“, brüllte er, da er nach dieser Aussage auch die Autoaggression seine Wut nicht zügeln konnte. „Woher willst du das wissen, wenn du es nicht einmal probierst, sondern lieber unsere Züchtungen verschwendest? Denkst du, diese Schwächlinge hätten eine Chance, wenn du die Schlampe nicht mal selbst besiegen kannst?“ Mit jedem seiner Worte wurde die Furie kleiner. Als Mithras Luft holte, unterbrach sie ihn: „Wie soll ich meinen Job machen, wenn ich mich wie Megaira von ihr töten lasse?“ „DEIN JOB IST ES, DIE GRABSCHÄNDERIN ZU KRIEGEN! Damit wir an Sunnas Starseed herankommen! Hast du zu selten die Predigten des Kaisers gehört?“ „Doch... nein... aber... Sie sagten, ich soll die Mondprinzessin fangen.“ Mithras holte tief Luft: „WENN SICH DIE MÖGLICHKEIT ERGIBT! Doch wie Kaiser Hyperion immer verlangte, ist es unsere primäre Aufgabe, Sunna wiederzuerwecken! Dachtest du ernsthaft, ich müsste das erwähnen? Kannst du auch selbst denken?“ Inzwischen war Mithras vom Thron aufgesprungen. Die Luft im Saal wurde schwerer und drückte die auf den Knien befindliche Furie auf den Boden, bis sie ihn mit der Stirn berührte. Nur Mithras stand kerzengerade da. Nur eine geringe Demonstration seiner Macht. Tisiphone spürte eine Erleichterung, als Mithras sich beruhigte und der Druck nachließ. Er ließ sich auf den Thron fallen und bohrte seine Fingernägel in die Wange. „Hast du’s jetzt verstanden?“ „Ja.“ „Also, finde Sailor Sun und bei Gelegenheit – aber nur bei Gelegenheit – auch die Mondprinzessin. Und verschwinde auf keinen Fall vom Tatort und drück dich nicht, der Kriegerin gegenüberzutreten. Sonst...“ Er beendete den Satz mit einer Geste: Er fuhr sich mit dem Finger über die Kehle, wo sich seit einiger Zeit eine Narbe befand. Die Furie schluckte: „Verstanden, Eure Hoheit.“ „Ich finde es toll, dass wir uns zusammengefunden haben!“, platze Usagi heraus, als Makoto als letzte der fünf Freundinnen in das kleine Café im Einkaufszentrum eingetroffen war. „Wann war das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben?“ „Gestern in deinem Zimmer“, erinnerte Rei sarkastisch. „Ja, ja... aber da ging’s doch nur um berufliche Dinge.“ Die Mädchen waren über Usagis Wortwahl verdutzt – mit „beruflich“ assoziierten sie eigentlich andere Dinge. „Wann haben wir uns das letzte Mal als Freundinnen getroffen?“ Das klang fast wie ein Vorwurf. Die Mädchen dachten nach und wurden umso betroffener, je mehr Zeit verging. Klar hatten sie sich alle immer wieder zu zweit verabredet, doch die ganze Gruppe hatte wohl vor einer halben Ewigkeit das letzte Mal zusammengefunden. Makoto antwortete schließlich: „An meinem Geburtstag.“ Ihre Stimme war sehr leise. „Na, das ist aber wirklich schon viel zu lange her!“, kommentierte Usagi. „Also erzählt, was tut sich bei euch!“ Minako war die erste, die zu berichten begann. Während die Blondine einen Redeschwall losließ und von ihrer Arbeit am Set einer zweitklassigen Seifenoper berichtete, beobachtete Rei Usagi. Sie schien ganz verändert... während Usagi nämlich bei der Besprechung in ihrem Heim – für ihre Verhältnisse – todernst gewesen war und kein anderes Thema als die neuen Feinde kannte, schien sie nun das Problem vergessen zu haben. Baff hing sie an Minakos Lippen und traute ihren Ohren kaum, als Minako von dem ach so tollen Shota Kikuchi berichtete, der ihren Geliebten spielte. Da wurde auch Rei hellhörig... Shota Kikuchi war verdammt attraktiv. Makoto berichtete von ihrem Erfolg im Restaurant, Rei lästerte über die neuen Mikos und Ami fachsimpelte über ihren Assistenzjob in einem Gentechnikinstitut und berichtete von skurrilen Erlebnissen an der Uni. Und je mehr sie über ihren Alltag sprachen, umso mehr vergaßen alle, warum sich die Gruppe eigentlich wieder zusammengefunden hatte. „Ich trag so etwas nicht...“, motzte Akane, jedes Silbe hervorhebend, als ihre Schwester ein rosa Kleid mit Puffärmeln in die Höhe hielt. Rikas Plan war, Akane ein schönes Kleidungsstück zu kaufen, jedoch nicht aus Selbstlosigkeit, sondern weil Ayano Yuki ein zweites Mal zum Essen kommen wollte und diesmal auch die seltsame kleine Schwester kennen lernen wollte. Möglichst in einer besseren Situation als auf dem Boden der Galerie schlafend. Deswegen meinte Rika, Akane brauche ein schönes Kleid. Es war der dritte Laden, den sie bereits durchforsteten. Akane war bisher mit allen Stücken unzufrieden gewesen, die Rika vorgeschlagen hatte. Und umgekehrt. „Kann ich nicht einfach das schwarze Kleid anziehen?“, fragte Akane, als Rika ihr wieder einen hässlichen Fetzen unter die Nase hielt. „Das Ding ist sechs Jahre alt. Das nicht mehr modisch.“ „Es ist ein schlichtes, schwarzes Kleid.“ Rika fauchte: „Führ dich nicht wie die letzte Zicke auf, sondern lass dich auch mal einladen. Wie wär’s damit?“ „Hässlich.“ „Das ist ein schlichtes, schwarzes Kleid, wie du’s in deinem Schrank hängen hast.“ „Hässlich.“ Beharrte Akane und log. Tatsächlich gefiel ihr das Kleid gut, doch sie wusste, dass Rikas Konto einen solchen Kauf nicht erlaubte. Zwar verdiente ihre Schwester als Professorin an der Kunsthochschule ziemlich gut, doch die Galerie „RikArt“ fraß mehr Geld, als sie ausspukte. „Du bist so eine schwierige Patientin, stöhnte Rika. „Und dein Leguan schaut aus der Tasche.“ Weil der fette Leguan wieder einmal geschlafen hatte, als Akane beim gestrigen Einsatz als Sailor Sun unterwegs gewesen war (bei dem Sailor Moon und Co. glücklicherweise wieder NICHT erschienen waren), hatte sie ihn mit in die Shoppinghölle genommen. Sie versteckte ihn in einer Sporttasche, Rika hatte erst bei der Ankunft bemerkt, dass das ihr verhasste Tier sie begleitete. Auf keinen Fall, so ihre Richtlinie, durfte es gesehen werden, es würde ein schlechtes Bild auf sie werfen, wenn sie mit einer Person gesehen wird, die eine hässliche Echse mitschleppte... Wie kann eine Frau aus der Kunstszene nur so sensibel gegenüber Exzentrik sein, fragte sich Akane. Sie stupste den Kopf des Leguans zurück in die Tasche und schloss den Reißverschluss. „Warum schleppst du das Vieh überall mit?“ „Er soll leiden“, antwortete Akane. Rika verdrehte die Augen. Sie packte ihre jüngere Schwester am Handgelenk. „Komm, wir gehen in einen anderen Laden.“ Der Kaffee war zu Ende getrunken... Minako hatte spontan vorgeschlagen einen Einkaufbummel zu machen. Sie brauchte noch schicke Schuhe, weil sie zu einer Preisverleihung eingeladen war. Die Mädchen sollten ihr bei der Entscheidung helfen. Inzwischen probierten alle in dem Schuhgeschäft Produkte, die sie sich niemals leisten konnten, doch es machte Spaß die Schuhe einfach anzuziehen und die Verkäuferinnen ein wenig zu nerven. „Ach, ich brauch noch einen Rock!“, fiel Makoto anschließend ein. In einem der dreißig Bekleidungsgeschäfte, die das Einkaufszentrum bot, konnten die Mädchen ihre Geldbörsen jedoch nicht in der Tasche lassen. Ami gab sich mit einer Bluse zufrieden. Als sie schon gezahlt hatte, fiel Minako ein, dass sie ein bestimmtes Kleidungsstück doch nicht wollte, und rannte aus der Kassenschlange. Usagi folgte ihr. Makoto und Rei blieben bei Kassenschlangen stehen und stöhnten. „Unverändert“, sagte Makoto. Rei nickte bestätigend. Während die beiden in ein Gespräch über die beiden Blondinen fielen, schaute Ami, für die Lästern noch nie eine große Sache war, sich die übrigen Kunden an. An einem Ständer für Kleider entdeckte sie ein bekanntes Gesicht. „Akane!“, rief sie. Die Person reagierte nicht. „Wartet kurz hier!“, wies sie Makoto und Rei an und ging schnellen Schrittes zu ihrer Studiumskollegin hin. Das letzte Treffen war aufgrund der Übermudung der Projektpartnerin mehr als schlecht verlaufen, Ami erhoffte nun Schadensbegrenzung. „Hallo Akane“, begrüßte sie. Akane sah sie an, als ob man sie gerade vergiftet hätte. Wahrscheinlich war es keine gute Idee, die seltsame junge Frau, die Smalltalk offensichtlich nicht mochte, einfach anzuquatschen. Aber jetzt gab es kein zurück mehr. „Wie geht es dir?“ „Schau ich glücklich aus?“, fauchte sie. „Und nenn mich Tayo.“ Ami blickte auf den Boden. Das hatte Akane ihr das letzte Mal schon angewiesen. „Tut mir leid.“ Nach einigen Sekunden des Schweigens, da Ami nicht wusste, was man mit einer Person am besten sprach, die Smalltalk vermied, seufzte Akane: „Was willst du?“ „Bist du... das sieht nicht gerade wie ein Laden aus, in dem du einkaufen würdest...“ Akane seufzte: „Ich bin auch nicht zum einkaufen hier. Ich beobachte, wie sich ein Leguan tut, wenn man ihn in ein überfülltes Einkaufszentrum mitnimmt und ihn in die ganze Zeit in eine Tasche einsperrt.“ Ami machte große Augen: „Ernsthaft?“ „Ja.“ Akane öffnete ihre Sporttasche und erlaubte Ami einen Blick auf das übergewichtige Exemplar, das traurig herausblickte „D... das ist...“ „Tierquälerei. Ich weiß.“ Sie grinste bei diesen Worten. Ami war so entsetzt über das Vorgehen Akanes, dass sie sprachlos auf das arme Tier in der Sporttasche starrte. Als Akane die Tasche wieder schloss, hörte Ami Usagis Stimme: „Wir wollen weiter!“ „Ja. Ich komme. Ciao!“ Sie war irgendwie froh, sich von Akane zu entfernen, doch Usagi, Minako, Rei und Makoto kamen auf die beiden zu. Deren Blick fiel sofort auf ihre hochgewachsene – sie war sogar größer als Makoto – Projektpartnerin. „Stell uns vor“, sagte Usagi mit einem breiten Grinsen. „Ja. Akane Tayo, meine Projektpartnerin.“ Sie sah nicht sehr glücklich aus, dass Ami ihrer Freundin ihren Namen verraten hatte. „Freut mich! “ Usagi hielt ihr unbekümmert die Hand hin. „Ich bin Usagi Tsukino.“ Akane schaute auf die ausgestreckte Hand, als ob sie so etwas noch nie gesehen hätte. „Mich freut’s nicht.“ Usagi guckte verdutzt. Akane drehte sich um. „Mizuno, wir hörn uns.“ Und dann war sie in dem Getümmel an Menschen und Kleidung verschwunden. „Was ist das für eine?“, sagte Makoto empört. Selten war ihr ein so unhöfliches Verhalten untergekommen... nur übertroffen von den Gästen, die mit den Kellnern sprachen, als wären sie Sklaven. „Komische Gestalt. Und wie sie redet.“ Ami lächelte: „Das ist nur der Osakadialekt. Aber sie ist wirklich etwas komisch...“ Usagi hatte bis jetzt geschwiegen und in der Haltung mit ausgestreckter Hand verharrt. Nun holte sie tief Luft. Die vier Mädchen erwarteten eine Beschimpfung über das unhöfliche Verhalten von Amis Studiumskollegin. Doch sie sagte: „Osakadialekt!? Deswegen hab ich sie nicht verstanden!“ Tisiphone saß auf dem Dach eines Einkaufzentrums, starrte die auf die ein- und ausgehende Menge und hasste Mithras. Sie hatte schon ihren Dienst unter Kaiser Hyperion geleistet: Er war ein wunderbarer Anführer. Seine Instruktionen waren klar, sodass man das Hirn nicht anstrengen musste, um die Befehle auszuführen. Stets hatte sie das richtige getan, woher auch ihr Prestige rührte. Doch Prinz Mithras war das komplette Gegenteil zu seinem Vater: So sehr sie sich auch optisch ähnelten, so unterschiedlich waren ihre Charaktere. Trotz all seinem Hass war Kaiser Hyperion nämlich immer gelassen gewesen– Mithras war ein Choleriker. Kaiser Hyperion gab klare Anweisungen – Mithras schien selbst nicht ganz zu wissen, was er wollte. Erst Sailor Sun jagen, dann die Mondprinzessin und jetzt wieder Sailor Sun... ihr warf er vor, die Ziele nicht zu kennen, doch kannte er sie selbst? Wieso hatte Kaiser Hyperion ausgerechnet seinem wahnsinnigen Sohn die Befehlsgewalt überlassen? Hätte die Armee nicht zu viel Angst, hätte sie schon längst gegen Mithras rebelliert. Sie war so wütend, dass sie kaum fähig war, ein Opfer zu wählen. Da das Einkaufszentrum jedoch gut besucht war, beschloss sie, blind in die Masse zu greifen... gleich mehrmals. „Hör auf, dich so zu benehmen!“, schrie Rika und auf die Person, der das Ansehen bei anderen Leuten so wichtig war, wurde von den restlichen Kunden angestarrt. „Wir rennen seit drei Stunden in diesem verdammten Einkaufszentrum herum, und du spielst sture Zicke! Mir reicht’s! Tritt von mir aus nackt vor Frau Yuki!“ Rika schmiss die beiden Kleider in ihrer Hand auf den Boden und stampfte aus dem Geschäft, gefolgt von einigen Blicken. Akane hatte kaum eines der Worte ihrer Schwester mitbekommen. Das Amulett um ihren Hals piepste – von den meisten wurde es für ein Handy gehalten. Komisch war jedoch, dass sie nicht weg teleportiert wurde, weswegen sie umsonst in die Umkleidekabine gerannt war, was der Grund war, warum Rika ihren Wutausbruch bekommen hatte. Dabei schien endlich Einigkeit gekommen zu sein. Drei Sekunden später ertönte ein Schrei. Akane verschwand nicht, weil der Tatort schlicht und einfach hier war. Und Sailor Moon und Co. waren auch da... „Dreck...“ Während Rei Minako über Shota Kikuchi ausfragte, Ami lächelnd daneben stand und einen Kleiderständer durchforstete, Makoto versuchte Aufmerksamkeit zu bekommen, da sie soeben mit einem teuren Kleid aus der Umkleidekabine erschienen war, und Usagi mit einem breiten Grinsen das Szenario beobachtete, das sie so schön an alte Tage erinnerte, ertönte plötzlich ein Schrei. Draußen vor dem Geschäft liefen plötzlich die Menschen hysterisch durch die große Halle. In der Mitte befand sich ein Brunnen – auf der Zierskulptur saß eine Gestalt, deren lange Haare wild durch die Gegend schlugen. Die Frau mit den Schlangenhaaren. So ganz entsprach das nicht Usagis Interessen. Ein entspannender gemeinsamer Tag für Klatsch und Shoppen war dafür gedacht, die Gruppe wieder zusammenzubringen... an die alten und neuen Zeiten als Sailorkriegerinnen sollte nicht gedacht werden, Ziel war, die Mädchen daran zu erinnern, wie gut sie sich einst verstanden hatten und wie enge Freundinnen sie einmal gewesen waren. Es sollte das Bereuen geweckt werden, dass keiner wirklich bemüht war, die Gruppe zusammenzuhalten, und der Enthusiasmus erregt werden, wieder mehr zusammen die Freizeit zu verbringen. Und nun tauchte diese Kreatur auf, die alle daran erinnerte, dass sie Kämpferinnen gegen das Böse waren. Die Sorglosigkeit wurde verdrängt. Ob sich die Mädchen schon auf die alte Freundschaft rückbesinnt hatten? Usagi vermutete es nicht, trotz der schönen Situationen, die sich ergeben hatten... aber immerhin konnten sie nun ihr Teamwork als Kriegerinnen wieder üben. „Habt ihr eure Stäbe mit?“ Rei, Ami, Minako und Makoto nickten und hielten die Artefakte als Bestätigung hoch. Usagi war die erste, die die Beschwörungsformel rief: „Macht des Mondlichts, mach auf!“ Die Menge rannte vor Tisiphone weg – was aber nicht hieß, dass sie keine Opfer fand. Sie streckte zum dritten Mal die Arme aus, erwischte mit der linken eine Frau und mit der rechten einen Man, obwohl Ziel grundsätzlich Frauen waren, wie Mithras angeordnet hatte. Unter König Hyperion hatten sie noch männliche Opfer gesucht. Seit Mithras die Macht übernommen hatte, war allerdings klar, dass Sunna in einer Frau mit dem Decknamen Sailor Sun Platz gefunden hatte – doch Tisiphone meinter weiter, trotzdem konnten sich andere Starseeds auf in Männern befinden. Beide entpuppten sich als Nieten. Sie schmiss die Frau und den Mann gegen die Wände und griff nach weiteren Opfern. Ehe sie jedoch jemanden ergreifen konnte, spürte Tisiphne einen Tritt in den Rücken und fiel von der Skulptur ins Wasser. Sailor Sun stand vor ihr – wieder mit dieser komischen Maske, obwohl sie ihr Gesicht bereits gesehen hatte. „Wie findest du uns immer?“, keuchte Tisiphone. „Glück. Timing. Keine Ahnung.“ Sie Kriegerin schnalzte mit der Peitsche. „Diesmal haust du mir nicht ab.“ „Keine Angst.“ Tisiphone formte ihre Hände zu einem Dreieck, in welchem Blitze zuckten. Sailor Sun hielt die Geißel in die Höhe: „Licht...“ „HALT!“ Beide wurden bei ihrem Angriff unterbrochen. Tisiphone und Sailor Sun starrten auf fünf Gestalten, die aus dem Schatten traten. „Du wagst es, unschuldige Menschen an einem entspannenden Nachmittag zu attackieren und ihr Leben zu gefährden. Wir sind die Sailorkriegerinnen.“ Die andere viel Gestalten schlossen sich der Rede an: „Merkur.“ „Mars.“ „Jupiter.“ „Venus.“ „Und ich bin Sailor Moon. Und im Namen des Mondes werden wir dich bestrafen.“ Sailor Sun schlug sich auf die Stirn und murmelte: „Peinlich...“ Tisiphone nutze ihre Empörung aus, packte ihren Unterschenkel und ließ so viel Volt durch ihren Körper rasen, wie möglich. Das hatte die Kriegerin zwar schon ein Mal nicht aufgehalten, aber immerhin geschwächt. Nach einigen Sekunden schmiss sie Sailor Sun wie eine Puppe gegen die Wand. Ihre Aufmerksamkeit musste nun den neu aufgetauchten Kriegerinnen gelten. Die fünf Mädchen blickten entsetzt. Tisiphone rannte auf sie zu, wieder bereit ihre Blitze losfahren zu lassen. Sailor Jupiter hatte jedoch entsprechend des von ihr benutzen Elements reagiert: „Macht des Donners, sieg!“, rief sie. Ihre Attacke konnte Tisiphones Blitze abwehren. Sie war erstaunt, war der Feuerpfeil der Marskriegerin doch so leicht abzuwehen gewesen. Ein Kinderspiel war die Wasserattacke von Sailor Merkur; ein Wink und sie konnte sie aufhalten. Dafür spürte sie die Herzattacke von Sailor Venus am Körper. Vor Überraschung verlor sie kurzfristig die Konzentration. „Haut ab! Ich hatte das unter Kontrolle!“, rief Sailor Sun. „Ihr könnt es nicht besiegen.“ Keiner hörte auf sie. Sailor rief die Beschwörungsformel: „LICHT DES SILBERMONDS, SCHEINE UND HEILE!“ Tisiphone spürte, wie sich ihre Adern verdickten und ihr Herz schneller schlug. Stärker als die letzte Attacke, doch der Effekt war nur kurzfristig. Die fünf Kriegerinnen starrten entsetzt, als die Frau mit den Schlangenhaaren unbeschadet vor ihnen stand. „War das alles?“ Angst zeichnete sich in den Gesichtern der fünf Mädchen ab. Tisiphone formte die Finger zu einem Dreieck. Doch wieder wurde ihre Ladung unterbrochen, als eine Rose vor ihren Füßen landete. Man konnte wohl nicht seine Überlegenheit ausdrücken, ohne von irgendeinem banalen Angriff gestört zu werden. Mehr der Überraschung wegen, wandte sie ihre Augen auf den (zugegebener Maßen recht attraktiven) Mann im Smoking. „Tuxedo Mask!“, rief Sailor Moon. „Eine Rose steht für...,“ Er hatte den Satz kaum angefangen, schon wurde er von einem Schrei der Frau mit den Schlangenhaaren unterbrochen. Und irgendwie ärgerte das ihn. Tisiphe spürte den Geißelschlag Sailor Suns an ihrem Rücken, der einen Schmerz an ganzem Körper verursachte. Das Gute an der Attacke jedoch war, dass man die Waffe leicht packen konnte. Sie ergriff die Rute und riss daran. Sailor Sun fiel hin. „Lichtpeitsche.“ Da Tisiphone rechtzeitig losgelassen hatte, ging der Angriff ins Leere. Obwohl es Mithras verboten hatte, öffnete sie den Spalt zur Dimension – der Druck legte sogar Sailor Sun kurz lahm – und ließ eine der Züchtung in die Welt der Menschen. Die Kreatur – ein humanoider Adler – gehörte zu den Stärksten der Monster, welche Tisiphone zur Verfügung hatte. Sie befahl ihm, Sailor Sun anzugreifen. Als Ablenkung. Sie wollte sich den Sailorkriegerinnen widmen, schlicht und einfach, weil sie die leichtere Beute waren. Und laut Mithras, sollte sie die Mondprinzessin bei Gelegenheit fangen, oder? Die Kriegerinnen schienen demotiviert – sie zeigten keine Wehr, als ihre Schlangen den fünf Mädchen in die Schenkel bissen. Bloß der Mann mit der Maske, wagte es, sich zu wehren. Doch nach wenigen Sekunden hatte sie auch ihn erwischt. Es war die Energie von Starseeds, die in ihren Körper strömte. Wenn sie doch nur wüsste, wie man diese Kraftquellen extrahierte. Musste sie die Opfer eben Mithras ausliefern, der hoffentlich dann endlich Ansehen für sie entwickeln würde. Das Tor zur fremden Dimension öffnete sich und die Geißeln hielten dem Druck nicht stand, den sie nicht einmal spürte. Der Riss in der Mauer war halb offen, als sie schon wieder den schmerzhaften Geißelschlag, diesmal auf der Schulter spürte. Die Zähne der Schlangen lösten sich von den Körpern der Geiseln. Sailor Sun hatte die Züchtung schneller besiegt als erwartet. Nun würde sie sich der Furie widmen. Wütend wie ein Stier schnaufend näherte sie sich Tisiphone. „Diesmal haust du mir nicht ab.“ Ja. Das hatte Mithras Tisiphone verboten. Aber blieb ihr eine andere Wahl? Nach dem dritten Peitschenschlag wusste sie, dass sie so niemals Sailor Sun besiegen konnte. Mit Angst um ihr Leben und Furcht vor Mithras sprang sie durch den Riss in der Luft. „Nein!“ fauchte Sailor Sun. „Nein. Nein. Das gibt es doch nicht!“ Sie stampfte mit dem Fuß – dabei merkte sie gar nicht, dass sie dem Leguan auf den Schwanz trat. Sailor Moon richtete sich auf. Ihr ganzer Körper schmerzte. Und da war sie wieder, diese mysteriöse Kriegerin mit der Skimaske, der das so leicht viel, was für sie und die Kriegerinnen und ihren Verlobten so eine Hürde war. Es war ein Moment der Desillusionierung. Wieso war sie nach dem Versagen vom letzten Mal auf die Idee gekommen, dass sie die Frau mit den Schlangenhaaren besiegen konnte? In ihrem Kopf herrschte Chaos. Deswegen wunderte sie sich lieber über den Leguan, der um Sailor Suns Bein schlenderte. „Du bist verletzt“, sagte Tuxedo Mask. Er, Mars, Merkur, Venus und Jupiter schienen erholt, fühlten sich aber wohl genau so erschöpft wie Sailor Moon. Ihr Verlobter hatte jedoch nicht die Bisswunden von den Schlangen gemeint, sondern eine große, tiefe Schnittwunde an Sailor Suns Oberschenkel. Sie tat jedoch so, als wäre das nichts. „Ihr könnt echt nicht auf mich hören, was?“, sagte die maskierte Kriegerin und hob den Leguan auf. „Ich kann euch nicht ständig den Hintern retten. Haltet euch da raus.“ Sie setzte den Leguan auf ihre Schultern und wandte sich ab. Sailor Merkur hörte angestrengt der Stimme Sailor Suns zu. Sie kannte diese Art zu Sprechen und diese Stimmlage, doch sie konnte nicht sofort einen Namen oder ein Gesicht zuordnen. Erst nachdem Sailor Sun sich den Leguan auf die Schultern gesetzt hatte, fiel es ihr Schuppen von den Augen. „Halt!“, rief Merkur. Die maskierte Kriegerin blieb nicht stehen, deswegen setzte noch einen drauf: „Tayo?“ Sailor Sun versuchte zwar sich nichts anmerken zu lassen, doch sie zuckte zusammen; ein klares Indiz. Merkur sprach weiter: „Der Osakadialekt ist nicht zu überhören. Und du hast einen Leguan auf der Schulter. Ich wette, auf deinem rechten Unterarm befindet sich eine Tätowierung.“ „Spar dir das Sherlock-Holmes-Geute, ich hab den Namen noch nie gehört.“ Sailor Sun konnte sagen, was sie wollte, sie verriet sich selbst, da ihre Stimme zitterte und ihre Hände zu Fäusten geballt waren. Jupiter war inzwischen unbemerkt an die maskierte Frau herangetreten, packte sie am rechten Arm und zog den Handschuh herunter. „Was soll das, du Perverse!?“ Ein Tritt gegen Jupiters Schienbein, konnte die Komodowaran-Tätowierung aber nicht verbergen. „Akane?“, sagte Merkur wieder ihren Namen. „VERDAMMTER DRECK!“, knurrte Sailor Sun und riss sich die Skimaske vom Kopf. Zu Erscheinung kamen das bekannte Gesicht, schön und hässlich zugleich, und die rotbraunen, kurzen, dichten Haaren, die vollkommen verschnitten ware. Sie war mehrfach gepierct und ihre braunen Augen starrten die Mädchen streng und unheimlich an. Die Mädchen erkannten die unhöfliche Person aus dem Bekleidungsgeschäft wieder. „Mizuno, Hino, Kino, Aino, Tsukino, Chiba...“ Sie genoss es sichtlich, als sie einen zivilen Nachnamen nach dem anderen sagte. „Scheißegal ob ihr meine Identität kennt oder nicht, ich rat euch verdammt noch mal eins: haltet euch raus! Das ist nicht euer Krieg! Lichtpeitsche!“ Es war kein Angriff, das gleißende Licht sollte nur dienen, die Sailorkriegerinnen und Tuxedo Mask zu verwirren. Nachdem sich deren Sichtfeld wieder gelichtet hatte, war Sailor Sun alias Akane Tayo zusammen mit dem Leguan verschwunden. Tisiphone hatte sich nur zehn Minuten in ihrer Heimatwelt zu verweilen getraut. Danach war sie in die Dimension der Menschen zurückkehrt. Wenn Mithras sie zu Hause entdeckte, würde er sie zu Rede stellen und fragen, warum sie genau das gemacht, was er untersagt hatte und dabei schon wieder versagt hatte. Und was dann kommen würde, wollte sie sich nicht ausmalen. Sie schlief in einer verlassenen Straße Tokios. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)