Wie Blätter aus einem Tagbuch... von Sternenschwester ((OS/Drabbel-Sammlung für OC)) ================================================================================ Kapitel 24: Frustkompensierung ------------------------------ Florenz - 1888 Vorsichtig zog Giovanni die Fingerkuppen über die knöchernen Schulter des Jungen. Andreas lag ausgestreckt quer über das große Bett und stierte stur auf den teppichbedeckten Boden, als hätte er im Muster des kostbaren Stoffes was entdeckt, das seine Aufmerksamkeit mit absoluter Gewissheit von seinem Liebhaber wegzog, während sich sein Atmen langsam beruhigte. Ein leichter Schweißfilm überzog den hageren Körper, der nur von einer dünnen Decke bedeckt war. Es war den Italiener bis heute noch nicht nachvollziehen geworden, dass der Junge jedes Mal, wenn ihr Treiben ein Ende fand sich bedecken musste, auch wenn Giovanni selber öfters betont hatte, er könnte ruhig auch nachher nackt neben ihm liegen. Er selber bedeckte ja schließlich auch nicht hektisch seine Blöße, kaum begann der Nebel aus seinem Verstand zu entschwinden. Außerdem war es nicht so, dass ihm der Körper des Jungen nicht gefiel, selbst wenn er sich eingestehen musste, dass dieser nicht unbedingt seinen exquisiten Geschmack traf. Mit einem selbstgefälligen Blick ließ Giovanni seine dunklen Augen über die dünnen Beine hin zum schmalen Becken, über die ebenso schmalen Schultern bis zum schwarzen Wuschelschopf schweifen, wobei er nur dessen Rückseite sehen konnte. Die körperliche Ähnlichkeit zur Vertreterin Agnes konnte nicht verleugnet werden, war auch dieses Miststück von eher hagerer, wenn nicht drahtiger Gestalt. Mit einem Seufzen ließ er vom Jungen ab und richtete seinen Körper wieder auf. Der Florentiner konnte nicht sagen, wie lange sie dieses Spielchen trieben. Kennen gelernt hatte er den Jungen, dessen körperliches Aussehen zwischen sechzehn und siebzehn Jahren geschätzt werden konnte, vor einigen Wintern bei einem der mehrmals im Jahr stattfindenden politischen Treffen, wobei diesmal Venedig die Gastgeberin gewesen war. Viele der Ihrigen hatten die Einladung angenommen und waren auch dann wirklich erschienen, doch das politische Klima, welches eben Europa vergiftete, hatte auch dieses Treffen in eine Nervenprobe verwandelt. Das Besondere jedoch an dieser Angelegenheit war gewesen, dass unter ihnen auch Verkörperungen anwesend gewesen waren, welche noch nicht lange ihre Rolle ausübten und sich in ihrer Gesellschaft bewegt hatten. Neben dem jungen Kaiserreich Deutschland und der reizenden Vertreterin der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn war auch die Verkörperung Triento erschienen, was bei vielen Teilnehmern Erstaunen ausgelöst hatte. Österreich und noch viel mehr die Repräsentantin von Tirol hatten mit Argwohn darauf geachtet, den Knaben nie in die Nähe der Konferenzen auf italienischem Boden zu lassen. Verständlich, wenn man die politische Situation im Süden dieses Alpenlandes bedachte und die Konflikte zwischen den dort ansässigen Volksgruppen. Dennoch fand Florenz, dass es als Zeichen gedeutet werden konnte, dass ausgerechnet in diesen Zeiten, wo das Königtum Italien gefestigt wurde und sich aus seiner Sicht glänzend entwickelte, nun für dieses Stück Land ein eigener Vertreter erschienen war, welcher genau zwischen diesen Parteien stand. Zudem wenn zusätzlich der Junge durch sein Alter so leicht formbar war, selbst wenn er schon zu dieser Zeit seinen Dickschädel deutlich unter Beweis stellte. Doch trotz aller Schwierigkeiten hatte Giovanni es irgendwie geschafft, unbemerkt von Österreich und Tirol mit dem jungen Hütt Kontakt aufzunehmen. Von diesem einen Treffen weg hatte sich dann daraus ein Arrangement entwickelt, das selbst er als alter Intrigenmeister nicht vorhergesehen hatte. Auf Giovannis markantem Gesicht bereite sich ein Lächeln aus. Was als Versuch gestartet war, den Jungen für die Sache Italiens zu gewinnen, hatte mit einer Affäre geendet, dessen größter Reiz wohl in der Unerfahrenheit des Knaben lag. Das Fürstentum hatte einst beinahe vergessen, wie aufregend doch diese Schwelle in einem Leben war und welche Unruhe einem die Entdeckung des sexuellen Verlangens einbringen konnte. Diese Unsicherheit, gekuppelt mit Neugier und vor allem dem reizvollen Geschmack, mit seinen Taten im Geheimen Verbote zu übertreten, hatte ihm den Jungen in die Arme getrieben. Dabei war auch die ältere Nation bei den Versuchen, diskret um die Gunst des jungen Tiroler zu werben, aufgeblüht. Es hatte ihm wieder einen Nervenkitzel verschafft, den zu erlangen er nicht mehr geglaubt hatte. Wie gut konnte er sich an die Verwirrtheit im hageren Gesicht erinnern, als der Knabe sich das erste Mal ihres Treibens bewusst geworden war und den Unglauben in den goldenen Augen, als dieser dabei die Weitreiche seiner Taten zum ersten Mal klar erfasste. Dabei hatte es Andreas nicht nur getroffen, dass er unbedingt mit einem derjenige paktierte, welche durch ihre Taten politisch dem Reich geschadet hatten, dem der kleine rote Adler unterstand, auch die Tatsache, dass er mit einem Mann geschlafen hatte, schien dem Jungen anfangs schwer auf der Seele zu lasten. Doch das war nur eine Nebenerscheinung der Zeit. Dennoch, diese anfänglichen Schwierigkeiten hatten zu keinem Abbruch ihrer verzwickten Beziehung geführt. Zwar war sich der Italiener mehr als bewusst, dass diese Verbindung keinesfalls auf Liebe basierte, doch dieser Tatsache zum Trotz war der junge Hütt regelmäßig bei ihm aufgetaucht, stellte eine der netten Abwechslungen dar, welchen Giovanni frönte. Es war auch wohl besser, dass niemand ahnte, was genau sie beide verband. Dabei stellte die Motivation des jungen Hütt, warum er regemäßig vor seiner Schwelle stand, selbst für Giovanni, welcher durch seine Jahrhunderte lange Erfahrung eine ausgezeichnete Menschenkenntnis erlangt hatte, lange ein durchschaubares Rätsel dar und die Wahrheit wäre für sentimentalere Geister bitter gewesen. Unter einem Seufzen strich sich der Ältere durch das blonde, kurze Haar und fuhr sich mit feuchten Fingern über den leichten dunklen Bartwuchs seiner Wangenknochen, bevor er mit Eleganz seine Beine über die Bettkante schwang. Ohne einen weiteren Blick auf seinen Bettgefährten stand er auf und ging zu dem kleinen Tisch, auf dem eine Karaffe Wein stand, wie auch ein paar filigrane Meisterwerke der Glaskunst. Er schenkte sich ein Glas ein und drehte sich um. Unerwarteter Weise hatte der Junge in der Zwischenzeit leicht den Oberkörper aufgerichtet, wobei er sich auf die Unterarme stützte, und verfolgte mit angespanntem Gesichtsausdruck die Bewegungen der älteren Nation. Wortlos bot ihm Giovanni mit einer Geste das Glas an, doch der Junge schüttelte den Kopf. Der Italiener zuckte mit den Schultern und richtete seine Aufmerksamkeit auf einen anderen Punkt, der nicht in der Nähe des Objektes seiner Begierde lag. „Du solltest dann langsam verschwinden.“ Giovanni war selbst erstaunt, wie schroff sich seine Worte anhörten. Als würde er damit was abfertigen, was schon zu lange von ihm hätte abgeschlossen gehört. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Andreas den Kopf leicht schief legte und dabei die widerspenstige Locke aus dem Gesicht prustete, die ihm wie immer vor die Augen fiel. „Du wirfst mich raus?“ Ein wenig fester als beabsichtigt stellte der Hausherr sein Glas auf dem Tischchen ab. „Ich möchte keine Probleme haben, wenn Agnes deine Abwesenheit in Bozen bemerkt.“ Mit einer lässigen Geste winkte der Junge ab. „Sorg dich nicht darum, sie ist selber in Bregenz bei Adelheid. Außerdem glaub ich kaum, dass mein Brief, dass ich aus Wien aufgebrochen bin, bei ihr schon eingetroffen ist.“ „Dennoch solltest du jetzt aufbrechen.“, setzte Giovanni unbeirrt nach und beobachte, wie Widerwille hinter den goldenen Augen sich zusammenbraute, doch er ließ es erst gar nicht zum Ausbruch kommen. Mit einer schnellen Handbewegung griff Florenz nach seinem Morgenmantel und schlüpfte elegant hinein. Während er den Gürtel zuband, warf er einen letzten warnenden Blick in Richtung seines Gastes. „Ich werde mich jetzt zurückziehen und für dich eine Kutsche Richtung Bahnhof anfordern. Wenn ich zurück bin, möchte ich, dass du schon gegangen bist. Und Andreas….“ Für einen kurzen Moment hielt er inne und dachte noch einmal nach, ob er es wirklich aussprechen sollte. „Ich möchte dich nicht jedes Mal wiedersehen, wenn du wieder mal mit der kleinen Sofia aneinander geraten bist. So schön die Zeit und der Sex mit dir ist, ich will nicht weiter dein Ventil sein, wenn du den Frust über eure verzwickte Beziehung irgendwie kompensieren musst!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)