Wie Blätter aus einem Tagbuch... von Sternenschwester ((OS/Drabbel-Sammlung für OC)) ================================================================================ Kapitel 14: Jüngstes Kind von Österreich ---------------------------------------- Neusiedlersee - in den 1960ern Nachdenklich ließ Franziska den Blick über die nebelverhangene Landschaft schweifen. Die Luft war feucht und unangenehm kühl. Der November lag förmlich in der Luft und das Mädchen meinte sogar, ihn schmecken zu können. Das klapprige Fahrrad, welches sie von Ivan geschenkt bekommen hatte, so als könne er dadurch ihr Misstrauen ihm gegenüber nehmen, lag - eingebettet von hohen, grünen Stängeln - neben ihr. Leise und beinahe beruhigend ließ der Neusiedlersee das Wasser in Form von kleinen Wellen vor ihre Füße plätschern. Alle diese Eindrücke machten auf sie den Eindruck, als wäre sie Teil einer längst stillgelegten Welt. Sie war schon damals nicht mit dem goldenen Löffel im Mund auf die Welt gekommen, wie ihre viel ältere Schwester Salzburg und sie hatte auch kaum etwas eingebracht, auf dem man vernünftig etwas hätte errichten können, wie ihre andere ältere Schwester Steiermark. Alles, was sie hatte, waren flache Felder, ein paar grüne Hügel und der Neusiedlersee. Doch nun, wo sie an der Grenze der westlichen Welt lag, war sie vollends vergessen worden. Sie war schon einmal vergessen worden, kurz bevor der schreckliche Krieg ausgebrochen war. Kaum auf der Welt und schon wurde einem der Name gestrichen. Ein unangenehmer Schauer glitt ihren Rücken entlang, als sie an diese Zeit dachte. Doch nun war sie da und sie hatte nicht vor, noch einmal beinahe im Staub unterzugehen. Sie wollte leben und nicht im Vergessenen dahinvegetieren. Sie war doch noch so jung und hatte doch schon über ein halbes Menschenleben hinter sich. Kokett spielte der Wind mit dem tauverhangenen Netz ihrer Spinne, das verloren und verlassen zischen zwei Schilfrohren gespannt worden war. Langsam stand sie auf schüttelte die Kälte aus ihren Knochen. Mühsam versuchte die Morgensonne, sich einen Weg durch den nebelverschleierten Himmel zu bahnen. Sie stellte das Fahrrad wieder auf und blickte ein letztes Mal Richtung Süden, wo unsichtbar eine Grenze verlief, die den kompletten Globus in zwei politische Lager aufteilte. Eine Grenze, die sie an den Abgrund des politischen und wirtschaftlichen Vergessens drängte. Zögerlich strich einer der korngelben Strahlen über ihr schmutzblondes Haar und wärmte ihre durch die Kälte rot gewordenen Backen. „An Kraft und Treue allen gleich, du jüngstes Kind von Österreich“ Bitter dachte sie an diesen Satz ihrer eignen Hymne. Das jüngste Kind zu sein war eine undankbare Bürde, das hatte sie schon früh festgestellt und während Franziska das Fahrrad durch die Ufervegetation zog, meinte sie, die Nixen des Neuseiderlsees klagen zu hören. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)