Wie Blätter aus einem Tagbuch... von Sternenschwester ((OS/Drabbel-Sammlung für OC)) ================================================================================ Kapitel 3: Von Harfen , Langweile und Literatur ----------------------------------------------- Von Harfen , Langweile und Literatur Irgendwann 1772 - Pommern Gelangweilt ließ Agnes den Blick über die Runde schweifen. Für einmal lief das Treffen der Mitglieder des heilig römischen Reiches deutscher Nation, so gesittet ab, wie es sich diese Pflaume von Roderich immer gewünscht hatte. Thüringen hielt gerade eine Rede, auch wenn sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr wusste, worum es überhaupt ging. Wenn sie ehrlich war, es interessierte sie auch nicht. Sie ließ den Blick vom Redner zu den anderen schweifen. Karl, der noch immer die Erscheinung eines Kindes hatte, blickte gedankenverloren in sein Weinglas und seufzte regelmäßig. Schnell wandte sie sich von diesem herzzerreißenden Anblick ab und stieß, unweit vom Repräsentanten der deutschen Nationen, auf die bleiche Gestalt von Gilbert, der, offenbar ebenso gelangweilt wie sie, begann seine gelbe Federkugel mit Gebäckkrümmeln zu mästen. Weit entfernt von ihm und das konnte vielleicht auch der Grund sein, warum es bisher sehr gesittet zu gegangen war, saß Bayern, welcher unter dem Tisch mit Hannes, dem personifizierten Hessen eine Partie Mühle spielte, wobei Agnes ganz sicher war, dass es nicht teil der Regeln war, mit jedem verlorenen Stein einen ganzen Becher Wein zu leeren. Agnes seufzte während sie beobachtete, wie August, Sachsen persönlich, am anderen Ende des Tisches gemütlich ein Nickerchen machte, wobei ihm ein dünner Speichelfaden den Mundwinkel hinunter lief. Ach, wie gerne hätte sie jetzt die üblichen Prügeleien und die sonstigen Kepplerein, aber offenbar dank irgendjemandes genialem Einfall, hatte man die Hauptstreithähne voneinander getrennt und sie soweit wie möglich auseinander gesetzt. Sie konnte nicht einmal mit Salzburg eine Zankerei vom Zaun brechen, da diese nicht nur ein paar Sitze weiter weg saß, sondern auch vollends damit beschäftigt war, ihren Kater regelmäßig daran zu hindern, sich Gilbert und vor allem seinem Küken zu nähern. Verdrossen legte sie höchst undamenhaft ihren Kopf auf die Arme, da nahm sie eine Bewegung neben sich wahr. Von sich selbst überrascht, noch nicht geschaut zu haben, wer neben ihr Platz genommen hatte, lugte sie zu Seite. Hagen, der zu ihrer größten Verwunderung nicht den Platz neben seinem Bruder und seiner Schwester eingenommen hatte, blättere in einem regelmäßigen Rhythmus Seite um Seite eines Buches um. Neugierig lehnte sie sich ein wenig nach links, um besser einen Blick auf die Seiten erhaschen zu können. Sie merkte zwar, dass er ihre Intentionen mit Argusaugen beobachtete, doch er schwieg und so fühlte sie sich ermutigt, herauszufinden was der graublonde Norddeutsche las. Doch kaum hatte sie die ersten Zeilen gelesen, hob sie erstaunt ihre schwarzen Augenbrauen. Aus den Augenwinkeln heraus, bekam sie mit, wie sich ein verdächtiger rosa Stich auf den bleichen Wangen ihres Sitznachbarn ausbreitete. Noch immer nicht ganz fassend, was sie da gerade gelesen hatte, suchten ihre Augen den Blick des Brandenburgers, der im ersten Moment auswich, um sich dann verlegen seinem Schicksal zu ergeben. Nochmals huschte ihr Blick über das geschriebene Wort. ~Der Abschied, wie berängt, wie trübe! Aus deinen Blicken sprach dein Herz. In deinen Küssen welche Liebe, O welche Wonne, welcher Schmerz! Du gingst, ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit nassen Blick. Und doch, welch ein Glück, geliebt zu werden, Und lieben, Götter, welch ein Glück! ~ Diese Zeilen kamen ihr bekannt vor aber sie konnte im Moment den Autor, nennen. Schiller oder Goethe vielleicht, auf jeden Fall irgendeiner dieser romantischen Spinner. „So was liest du?“, fragte sie, immer noch ein wenig verwundert. „Ja…und? Ist das verboten?“ Er zuckte mit den Achseln und beobachtete sie misstrauisch. In seiner Stimme lag etwas Lauerndes. „Nun ja, ich hätte dir nie eine solche romantische Ader zugetraut. Das passt vielleicht zu Thüringen, oder vielleicht noch zu Holger aber dich kann ich mir schwer in der Rolle des jungen Rebellen vorstellen.“ „Dir würde man auch nicht zutrauen, mit Leidenschaft Harfe zu spielen.“, erwiderte er dann lasch und klappte das Büchlein zu, wobei er den Daumen an die Stelle geschoben hatte, wo er aufgehört hatte zu lesen. „Du erscheinst nicht feinfühlig genug zu sein, ein solches Instrument zu beherrschen.“ Leicht pikiert blähte sie die Backen auf und wollte schon zu einer barschen Antwort ansetzen, da redete er einfach weiter. „Aber in diesem Punkt, habe ich mich geirrt.“, Siecherer als noch einige Augenblicke zuvor, sah er zu ihr. „Ich habe dich vor ein paar Tagen im Musikzimmer spielen gehört und es war richtig berührend. Es hat einem wahrlich zum Träumen angeregt“ Augenblicklich färbten sich nun ihre Wangen ein wenig rötlich und sie sah verlegen zu Seite. „Danke.“, nuschelte sie und ermahnte sich, das nächste Mal vorsichtiger zu sein. Sie mochte es nicht, wenn sie ein fremdes Publikum hatte. Verglichen mit Schwestern des Wasserkopfes, insbesondere mit Salvatria, fühlte sie sich musikalisch nicht sehr begabt, so dass sie es nicht gewohnt war, Lob für ihr Spiel zu bekommen. „Und warum bist du eigentlich so erstaunt darüber, dass ich Poesie lese?“ „Nun ja,es passt einfach nicht zu…“ „Nicht zu mir? Weil ich wie mein Bruder als Raufbold verschrien bin?“ In seinen Augen blitzte ein nicht näher definiertes Etwas auf. So als wäre er sich bewusst, dass er sie langsam aber sicher verbal gegen die Wand drängte. „Du hast doch auch den Ruf ein Raubein zu sein und trotzdem spielst du mit einer unvergleichbaren Sanftmut Harfe. Dabei sollten diese beiden Aspekte unvereinbar sein, oder?“ „Natürlich nicht…“, nuschelte sie und wich den Blicken der roten Augen aus. „Eben, also wenn ein Raubein wie du so herrlich Harfe spielen kann, warum sollte dann ein Raufbold wie ich nicht gerne Liebesgedichte von Gothe lesen.“ Er lachte leise auf, während sie sich ertappt fühlte, einem Klischee auf den Leim gegangen zu sein. „Keine Sorge, „Die Leiden des jungen Werther“ haben mir nicht so gut gefallen. Der Junge lässt sich viel zu sehr gehen.“ Sie warf ihm unbedacht einen verwirrten Blick zu. Stimmt, von daher war ihr der Name des jungen Schreiberlings bekannt. Sie war einst nur froh gewesen, dass diese seltsame, junge Bewegung sich in ihren Landen nicht durchgesetzt hatte. „Es ist schön, dass ihr euch dahinten so köstlich unterhaltet, aber ich möchte euch mitteilen, dass die Konferenz zu Ende ist!“, zerschnitt eine barsche Stimme die zwischen ihnen entstandene Stimmung und unbewusst fuhren sie beide auseinander, wie Kinder, die bei einer kleinen Verschwörung erwischt worden waren. Verwirrt sah Agnes zu dem Gesicht des österreichischen Erzherzogtums auf, welcher zu ihrem Platz getreten war. Unter dem einen Arm hatte er die Unterlagen des heutigen Treffens eingeklemmt, während er mit der anderen Hand Karl hielt. „Kommst wenn du fertig bist, nach? Ich möchte keinen Augenblick mehr als nötig in der Gesellschaft dieses Preuß stehen. Das geht nicht gegen Euch, Hagen.“ „Ich wäre auch nicht auf die Idee gekommen es auf mich zu beziehen, Roderich. Aber ich fürchte, Ihnen bleibt die Anwesenheit meines Bruders nicht erspart, da meine Schwester im Zuge dieses Zusammentreffens heute Abend ein Bankett ausgerichtet hat und ihr, wie auch eure liebreizenden Schwestern, eingeladen seid.“ Die Stimme des Brandenburgers klang weich und glatt. So ungewohnt zuvorkommend in den Ohren der Tirolerin. „Danke für die Erinnerung, es wäre mir glatt entfallen.“, antwortete Roderich spitzt und neigte ein wenig den Kopf. „Dann sehen wir uns noch heute Abend, doch bis dahin möchte ich mich entschuldigen. Ich muss noch etwas mit meinen Schwestern besprechen. Richten Sie bitte ihrer Schwester einen Dank für die Einladung aus.“ Hagen nickte dem Österreicher kurz kühl zu. „Ich werde es ihr ausrichten.“ „Hagen, beweg endlich deinen Hintern hier her.“, schrie just von hinten der vorhin indirekte erwähnte Preuße, während sich die übrige Gesellschaft auflöste und August höchst unsanft von Hauke, dem Friesen mit einem Klaps auf den Hinterkopf geweckt wurde. Roderich zog mit dem Repräsentanten des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation weiter, um seine restlichen Schwestern und Krain einzusammeln. Schnell sortierte Agnes ihre nicht benutzte Mitschrift und bündelte sie zusammen. Neben ihr folgte Hagen ihrem Beispiel, wobei sie darauf achteten, dass sie sich nicht weiter ansahen. Als sie sich eben verabschieden wollte, stand er auf und bat höflich um ihre Hand, auf die er dann den, von der Etikette vorgeschriebenen, Handkuss hauchte, bedacht nicht mit den Lippen die wettergegerbte Haut der Tirolerin zu berühren. Diese einfache Geste machte sie ein wenig verlegen, da sie es erstens nicht gewohnt war, auf solch höfische Weise behandelt zu werden und zudem es nicht zu dem Verhalten passte, dass sie von ihm gewohnt war. „Es wäre eine Ehre, wenn ihr mich an einem der nächsten Tage euerm Spiel an der Harfe lauschen lasst, Fräulein Hütt und bis zum Abend wünsche ich euch noch einen angenehmen Tag“ Verwirrt rang sie sich zu einem Nicken durch und sah ihm dann verblüfft nach, wie er sich zu seinen Geschwistern gesellte. Es war immer wieder verstörend, wenn ein altbekanntes Gesicht neue Seiten von sich zeigte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)