loving your weak point von Ryoko-san (Wie würdest du dich entscheiden?) ================================================================================ Kapitel 1: Ein heißer Anfang ---------------------------- Sonntagmorgen. Englands Hauptstadt lag noch verschlafen im weichen, warmen Bett, während der Frühnebel über den Grünflächen waberte, in den Vororten, wo es Rasen gab. Je weiter man in die Innenstadt vordrang, umso mehr grauer Beton umgab einen. Im weltweit bedeutendsten Finanzviertel ragten zudem silberblau schimmernde Glasbauten in den Himmel und spiegelten den pastellenen Sonnenaufgang wieder. Das war ein Morgen, wie John ihn liebte. Er saß jetzt bestimmt schon geschlagene 15 Minuten am Esstisch, hielt die  'Daily Mail' in beiden Händen, war jedoch nicht ins Lesen vertieft, sondern starrte aus den leicht beschlagenen Fensterscheiben nach draußen. Es war ungewöhnlich kühl für einen Aprilmorgen, in der Nacht hatte es leicht gefroren und für den späteren Vormittag war laut dem Wetterbericht, der gerade in den leise gestellten Morning News lief, Regen und bis zu 10°C Höchsttemperaturen angekündigt. 'Observierung und Gespräch mit Ms Dunham. Könnte Mittag werden. SH' Johns Blick fiel immer wieder auf sein Handy, dessen Display schwarz war, so als ob er eine Nachricht von Sherlock erwarten würde, nachdem er ihm solch eine informative SMS um 5 Uhr früh geschickt hatte, die den ehemaligen Militärarzt erst aus dem Schlaf gerissen hatte, dann in Alarmbereitschaft versetzt hatte und schließlich beschloss John, den Consulting Detective einfach machen zu lassen. War anscheinend nur ein Gespräch, am frühesten Sonntag. Doch John war unruhig. Der Vorfall mit James Moriarty im Schwimmbad war erst wenige Tage her. Und John wurde das Gefühl nicht los, dass dieser neue Fall rein zufällig so mysteriös klingen sollte, wie er es von Moriartys bisheriger Vorgehensweise langsam aber sicher gewöhnt war. Alice Dunham war eine Private Detective und hatte am gestrigen Samstagmorgen eine Morddrohung erhalten - doch weder per Anruf noch per Brief: die übliche Tageszeitung, die sie abonniert hatte, war um einige Tage vordatiert worden und die Schlagzeile auf dem Cover zeigte ihr Porträt, blutverschmiert. Weder Titel noch Fließtext gaben Anhaltspunkte - alles nur Blindtext, der keinerlei Bedeutung hatte, was den Fall so bizarr nach Moriartys Handschrift aussehen ließ, wie Sherlock nach nur wenigen Sekunden deduziert hatte, nachdem Lestrade ihn darüber informiert hatte. ~~~ "Wieso beauftragt eine Private Detective die Polizei bei sowas? Ich dachte, die arbeiten nicht zusammen." "John", hatte Sherlock daraufhin leise geseufzt, "Personenschutz. Den bekommt sie natürlich am einfachsten durch die Polizei. Was die im Endeffekt ausrichten können, wenn tatsächlich Moriarty dahinterstecken sollte - ich bange um das Leben dieser Frau. Vielleicht ein Grund mehr, weshalb Lestrade mich dafür zu ihr zitiert hat. Detectives unter sich, meinte er. Unerheblich, wir arbeiten nicht einmal im gleichen Berufsfeld", endete er mit einem Augenverdrehen und nahm einen Schluck von seinem Tee, während er seine Füße auf dem weichen Leder der Couch ausstreckte und John mit zusammengekniffenen Augen anstarrte, durch ihn hindurch sah. John hörte ihm aufmerksam zu, konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen und schüttelte schließlich leicht den Kopf. "Was?", kam es unverständlich von dem Jüngeren. "Der einzige Consulting Detective. Einzigartig auf seinem Gebiet. Unvergleichlich", lächelte John schwach und sah von seinem Notebook auf, zu Sherlock hinüber, der die Beine mittlerweile angezogen hatte, während seine Finger unruhig auf seinen Knien tippten. "Sehr gut, John." War das ein Lob von Sherlock Holmes? Oder Ironie? Der Braunhaarige schwang sich von der Couch und ging Richtung Küche. "Sollte mein Handy klingeln, bringen Sie es mir bitte", wies er an und verschwand in den dunklen Flur hinter der Küche. "Wieso nehmen Sie es nicht mit? Wohin gehen Sie?", rief John ihm verwirrt hinterher, bekam aber keine Antwort mehr. "Sherlock...?" Irgendwo im Flur fiel eine Tür ins Schloss. Der Blonde seufzte laut, schüttelte wieder den Kopf und richtete seinen Blick auf den hellen Notebookbildschirm, wo der Cursor schwarz auf weiß unaufhörlich blinkte. Dieser Fall mit der Private Detective könnte interessant werden und er wollte die ersten Details unbedingt schon einmal festhalten, doch außer ein paar Fakten gab es noch nichts Interessantes zu berichten. Am morgigen Sonntag wollten sie Kontakt mit der Zielperson aufnehmen und sie befragen. Sicher würde Sherlock in ihrem Appartement sämtliche Hinweise finden können, weshalb gerade sie das Opfer sein würde und was den vermeintlichen Täter zu dieser Tat anstiften würde - und ob tatsächlich Moriarty dahinterstecken sollte. Kannte Sherlock die Frau vielleicht sogar? Er wolte zu ihr und sie befragen - natürlich war das die normale Vorgehensweise, aber... sonst überließ er doch einen Fall gerne mal solange der Polizei, bis es richtig brenzlig wurde, sogar, bis es erst ein Opfer geben würde, das obduziert werden könnte. Nur hier schien der Jüngere gleich angesprungen zu sein. John behagte der Gedanke nicht recht, dass da jemand aus Sherlocks Vergangenheit sein könnte, der dessen ganze Aufmerksamkeit für sich einnahm. 'Was denkst du da bloß? Bist du etwa eifersüchtig, John Hamish Watson? Mach dich nicht lächerlicher, als du eh schon bist.' Stimmte wohl oder übel. Er hatte seine Vergangenheit, genauso wie Sherlock seine haben musste. Der einzige Unterschied war, dass der Consulting Detective jedes Detail aus Johns Privatleben und seiner Vergangenheit mit nur einem Blick zu erfassen schien, dafür aber im Gegenzug dem Älteren stets persönliche Dinge über sich selbst verschwieg. Angeblich gab es da nichts, was Interessant genug wäre. Langweilig, klingelte es in Johns Ohren nach. Doch der großgewachsene, schlanke, zugegeben gut aussehende Mann mit dem durchgedrehten Hirn war alles andere als langweilig für Dr. Watson gewesen. Sein Scharfsinn und seine fast schon hellseherischen Fähigkeiten, die jeden und alles durchschauten - so jemandem begegnete man vielleicht nur einmal im Leben und dann würde man umgehauen werden von solch einer paradoxen Persönlichkeit. Er konnte nicht einordnen, ob Sherlock und er Freunde waren; er wusste nie recht, wo er bei dem Jüngeren dran war. Einmal konnten sie zusammen lachen, dann ließ Sherlock ihn einfach unwissend darstehen, und dann der jüngste Vorfall im Schwimmbad, wo Sherlock außer sich schien vor Erleichterung, als Moriarty die Halle verlassen hatte und John mit dem Sprengsatz am Körper dagestanden hatte, bis Sherlock ihm atemlos die verkabelte Jacke heruntergerissen und weggeschleudert hatte. John hatte den Braunhaarigen nie so außer sich gesehen, so... ängstlich. Die Augen waren weit aufgerissen, der Puls bescheunigt, seine Hände hatten gezittert. Das war ein echter Freundschaftsbeweis, oder? Sherlock machte sich etwas aus John, auch wenn sie sonst nie große Worte darüber hatten fallen lassen, in welcher Beziehung sie zueinander standen. Assistent war vielleicht ein Ausdruck, doch der passendste...? Nein, da war mehr. Irgendwas war da, aber es war nicht in Worte zu fassen. Es schwebte über ihnen, wie Nebel, der nicht zu fassen war, der - Das plötzliche Klingeln eines Handys riss John aus seinen Gedanken und er blinzelte in die schummrige Dunkelheit, die den Wohnraum mittlerweile erfasst hatte. Sherlocks Handy lag mit erleuchtetem Display sichtbar auf der Couch. Eine SMS? Sicher von Lestrade. John erhob sich, hatte mit zwei Schritten den Raum durchquert und las auf dem verriegelten Display den Namen Lestrade und darunter im Feld den Anfang der SMS. 'Ms Dunham hat sich gemeldet, ist auf dem Weg zu SY.' Sicher würde Lestrade wollen, dass Sherlock ebenfalls dazu stieße, doch John entriegelte das Display nicht, sondern wandte sich um und ging mit dem Handy in der Hand durch die Küche, horchte, wo Sherlock abgeblieben sein konnte und klopfte schließlich an dessen Schlafzimmertür. "Sherlock, Lestrade hat sich gemeldet." Keine Antwort. Hatte er sich schlafen gelegt? Das wäre untypisch gewesen, wo er doch scheinbar so fieberhafte Gedankengänge angestellt hatte. Noch ein Klopfen. Wieder keine Antwort. "Sherlock?" Was trieb er da drin? Doch nicht etwa... Drogen? John öffnete langsam die Tür, stellte jedoch fest, dass niemand im Zimmer war, hörte aber im gleichen Moment hinter sich, wie das Rauschen von Wasser im Badezimmer angestellt wurde. OK, dann stand er gerade unter der Dusche. Lestrade musste erstmal warten. Die Lippen schürzend schlurfte John wieder zurück in die Küche, doch nicht ganz angekommen, hörte er ein Rufen über das Wasserrauschen hinweg. "John?" Der Ältere stoppte, wandt sich um, den Blick auf die Badtür gerichtet. "John, Handy!" Verständnislos rümpfte der Angesprochene die Nase. Ernsthaft? "Das Handy ist nicht wasserfest, Sherlock", sagte John laut mit Vorwurf in der Stimme durch die morsche Holztür. Wasserdampf drang durch den Türspalt empor und John konnte den Duft von Moschus und Sandelholz riechen, die in dem Duschgel enthalten sein mussten, das der Jüngere gerade benutzte. Typischer Sherlock-Geruch. "John", wiederholte Sherlock sich ungeduldig. "Ich hatte Sie darum gebeten. Handy, bitte." Der Ältere schüttelte zum x-fach-wiederholten Male heute den Kopf, holte tief Luft und öffnete die Tür ungehalten. Unglaublich, dass Sherlock wohl niemals sowas wie Anstand oder Benehmen, was intime Situationen angeht, beigebracht bekommen hat. Beizeiten musste er wirklich mal mit Mycroft darüber reden. "Verdammt, wie heiß duschen Sie?" John lief in eine Wand aus heißem Wasserdampf und wich instinktiv wieder zurück in den kühlen Flur, holte ein paar Mal tief Luft. Er hasste diese feucht-warme Luft. Wie in den Tropen. Die Dusche war glücklicherweise rechts hinter der Tür, obwohl John eh nicht viel davon gesehen hätte bei diesem Nebel. "Herrgott, John, kommen Sie rein. Tür zu, es wird kalt!", hörte er den Jüngeren murren, dann wurde das Wasser abgestellt und ein leises Platschen von Füßen auf Fliesen war zu hören, die hinter der Tür näher kamen. 'Nein, John, du gehorchst ihm nicht! Dann war es das mit deiner Heterosexualität - dieser Mann ist zu allem fähig! Besonders, wenn diese warm-feuchten Duftschwaden dein Hirn umnebeln werden! Mach die Tür zu und lauf!' Doch zwei ungewollte, unüberlegte Schritte weiter und einen Augenblick später schloss sich die Tür hinter John und er war gefangen; den ansehnlichen, dunkelhaarigen Mann, an dessen Körper das Wasser unablässig abperlte und dessen Haare vom Wasser wie zurückgegelt aussahen, genau vor sich stehend. ~~~~~~~ To be continued... Hallo! Vielen Dank, dass ihr bis hierher gelesen habt. Dies ist mein erster Versuch, meinem Fandom zu Johnlock ein wenig Ausdruck zu verleihen und ich würde mich über ein paar Reviews sehr freuen, wenn euch der Anfang gefallen haben sollte ;) Kapitel 2: Eine kühle Antwort ----------------------------- 'John... starr nicht, berühr mich endlich. Oder ist es nicht das, was du wolltest?' 'Das ist alles, was ich je wollte, Sherlock.' ~~~~~ John kniff die Augen zusammen. Was in seinem Kopfkino gerade vor sich ging, durfte einfach nicht Wahrheit werden. Wie konnte er je wieder diesem schönen Mann in die Augen sehen, wenn er jetzt etwas Unbedachtes täte und eine Abfuhr bekam? Wenn Sherlock vielleicht sogar asexuell wäre, was laut seiner eigenen Aussage, dass er weder an Frauen noch an Männern interessiert war, am Wahrscheinlichsten wäre? Und wieso zum Geier interessierte es John so sehr? Das hier war der scheinbar ungünstigste Moment, um in tiefes Gedankenwirrwarr zu versinken. Was Sherlock ähnlich sah. "Nein, John, bin ich nicht", antwortete die samtene, tiefe Stimme des Jüngeren, als ob er Johns Gesichtsausdruck ablesen konnte, was er dachte. 'Stehen Sie nun doch auf Männer oder was soll dieser Scherz hier bitteschön!? Sind Sie verrückt, mich in so eine prekäre Lage hineinzubringen, Sherlock?' Der Ältere stand beinahe wie versteinert vor ihm, umhüllt von dichten Nebelschwaden, die sich allmählich auflösten, jetzt, da das Wasser abgestellt war. "Was?" Er öffnete langsam die Augen, vermied direkten Blickkontakt sowie den Blick unter Sherlocks Gürtellinie. "Mein Handy, bitte." Sherlock beugte sich leicht vor und griff fast schon ungehalten nach der Hand des anderen. John ließ sich das Handy mühelos aus der Hand nehmen, wich nicht zurück, als der Braunhaarige ihm derart nahe kam und seine braunen Augen weiteten sich für einen Augenblick, bevor Sherlock sich zur Seite umwand und an ihm vorbei ging, die Tür öffnete und einfach, nass und nackt, herausging, den DI anrufend. "Hat sie etwas gesagt? Gut. Ich sehe morgen bei ihr vorbei. Ihnen auch, Lestrade." John stand immer noch wie angewurzelt im Badezimmer, lauschte der leiser werdenden Stimme von Sherlock, als dieser den Flur entlang und in sein Zimmer zu gehen schien, dann war es wieder still. Nur langsam wurde sein Kopf wieder freier, als der Sherlock-typische Geruch weniger wurde, das Badezimmer aufklarte, die Situation wie nie geschehen wirkte... Wo sollte John zuerst anfangen? Wieso jetzt? Wieso wirkte dieser Mann gerade jetzt, gerade heute, gerade in diesem Moment eine so unsagbar, unfassbar seltsam anziehende Wirkung auf ihn aus? War der Vorfall im Schwimmbad sowas wie ein Schlüsselmoment? Er war brenzlig, intim, atemberaubend und furchteinflössend gewesen, diese Minuten, die sie beieinander gestanden hatten, dem Tode nur einen winzigen Schritt entfernt, und sie hatten sich in die Augen gesehen. Beinahe endlos lange. "Hunger?" Sherlocks tiefe Stimme ließ den ehemaligen Militärarzt zusammenfahren, als der Jüngere erneut ins Bad hineinlugte und - Gott sei Dank - endlich Kleidung am Körper trug, wenn auch seine Haare immer noch feucht waren und einzelne Strähnen in sein Gesicht fielen. Er grinste frech und ging dann weiter durch den unbeleuchteten Flur, ließ John wieder allein zurück. Wie einen Idioten. "Ja", gab der Blonde knapp zurück, räusperte sich, als er endlich aus dem Badezimmer heraus kam und der Duftwolke des frisch Geduschten in die schummrige Küche gefolgt war.Er setzte sich an den Küchentisch und beobachtete Sherlock, der weiter ins Wohnzimmer durchging und sich seine Geige nahm, sich mit dem Rücken zu John vor das Fenster wandt, kurz zu schmunzeln schien und schließlich den schmalen Boden über die Saiten fahren ließ, woraufhin die ruhigen, melancholischen Töne erklangen, die John so liebte. Er hatte sie des Nachts öfters vernehmen können, wenn er ruhig in seinem Bett lag, eine Etage über dem Wohnraum. "Sherlock?" Keine Reaktion. Der Braunhaarige spielte weiter Violine, tat so, als hätte John nichts gesagt, bis er schließlich doch kurz stoppte und zum Reden ansetzte: "Chinesisch? Oder Italienisch?" Hieß das, er wollte etwas essen? John sah ihn fragend an, ein wenig überrascht. Es kam selten vor, dass er derjenige war, der nach Essen fragte. Entweder war ein Fall erledigt oder es gab keinen Fall, dann konnte John ihn bei der Nahrungsaufnahme beobachten. Und in Sherlocks Fall war es wirklich 'nur' eine Nahrungsaufnahme. Er gehörte zu der Sorte Mensch, die Essen mieden, wenn sie konnten. Bulemisch war er nicht, doch ein Arzt wusste, was gesunder Appetit war und wo es an eine Essstörung grenzte. Nur Sherlock war da ein... spezieller Fall. Ein ganz spezieller, in jeglicher Hinsicht.Es war eben das Verhalten eines Genies. "Chinesisch", antwortete der Ältere lächelnd, nicht gewillt, Sherlock die Wahl zu überlassen, aus Angst, dass er es sich doch überlegen würde und lieber nichts von beidem aß. "Im übrigen könnten Sie die Haare öfters mal so stylen", kam es von John. Er war pappsatt von den Nudeln und den Wantan, streckte sich und gähnte. Sherlock saß ihm gegenüber in seinem Sessel und sah von seinem Notebook auf, dass auf seinen Knien lag. Reiskörner klebten auf seiner Wange, die Reste seiner Nahrungsaufnahme. "Stylen?", kam es argwöhnisch, als ob es ein Wort war, dass es in Sherlocks Wortschatz nicht geben würde und dass er niemals gehört hätte. "Nun, ja. Mit Gel oder so." "Warum sollte ich das tun?" Der Braunhaarige fuhr sich instinktiv durch die mittlerweile trockene Lockenpracht, den Blick nicht von John abwendend, der mit so einer Frage beinahe gerechnet hatte. Beinahe, daher fiel ihm jetzt keine passende Antwort ein - oder doch, eine schon, nur sie war zu abstrus, zu peinlich, um sie zuzugeben. 'Weil es einfach total sexy aussieht und deine perfekten Wangenknochen und leuchtenden Augen so noch mehr zur Geltung kämen.' Doch wollte John, dass noch andere Menschen auf den Geschmack kamen und seinen Sherlock begafften? Wollte er es riskieren, weniger Aufmerksamkeit von ihm zu erhalten? Nein. "Nur so... ein Gedanke, mehr nicht. Jeder gut aussehende Mann Ihrem Alter greift ab und zu zu solchen Methoden." John räusperte sich. Es war ein Kompliment. Mehr nicht. Etwas, was man einem Menschen ruhig sagen konnte, den man mochte. Dessen Freund man war. Daran war nichts perverses zu finden.Sherlock kniff die Augen weiter zusammen und sah den Älteren durchdringend - oder durchschauend? - an; seine Finger schwebten über der Tastatur, bereit, seine Website upzudaten, wenn er sich wieder darauf konzentrieren würde. "Nicht mein Gebiet." Damit senkte er den Lockenschopf wieder und tippte emsig, den Blick erhellt vom Display vor sich. Ach. Ebenso wenig 'sein Gebiet' wie Frauen- oder Männerbeziehungen. Und nicht gewillt, darüber nachzudenken, ob es sich nicht doch lohnen würde, mal 'hineinzuschnuppern'. Wie fühlte es sich an, wenn die Luft zwischen einander knisterte, wenn Berührungen heiß prickelten, wenn die Lust aufeinander die Überhand gewann, wenn man dem anderen einfach nur nahe sein wollte - um jeden Preis. Ob Sherlock über diesen Preis der Erfahrungen wusste, die er so geflissentlich vermied? John schüttelte abermals den Kopf, unverständlich. Was in diesem Wirrkopf vorging, sollte sich ihm wohl niemals eröffnen. Jeder Mensch brauchte einen anderen Menschen um sich. Einzelgänger gab es, natürlich, aber früher oder später braucht man immer jemand anderen. Der Mensch ist nicht gemacht, allein zu sein oder zu bleiben. Auch kein Sherlock Holmes. Sich selbst mit dieser Erkenntnis beruhigend, erhob sich John seufzend aus seinem warmen, weichen Sessel und verabschiedete sich ins Bett. Er ging auf die Eingangstür zu, blickte kurzerhand verstohlen auf Sherlock zurück, der weiter gebannt auf sein Notebookdisplay sah und mopste sich kurzerhand den blauen Schal aus dem Mantel des Jüngeren, ging in den Flur und verschwand nach oben in sein Schlafzimmer. 'Wow, Dr Watson, wie erwachsen du wieder bist. Stiehlst dem Schönling seinen Schal. Und wofür? Er hat es sicher bemerkt. Er bemerkt alles.' Sollte er es merken. Sollte er nachdenken, weshalb John so gehandelt hatte. Zurücknecken konnte er schon lange. Wenn sich Sherlock Holmes so einen Spaß mit seinen Gefühlen erlaubte, konnte John ihm halt seinen Stahl stibitzen und sagen, es hätte keinen besonderen Grund gehabt. Ihm sei halt kalt gewesen, er habe Halsschmerzen gehabt oder dergleichen. Genau. Erkältung wegen ungewollt heißen Wassernebelschwaden im Bad und darauffolgender Unterkühlung im Schlaf. Perfektes Alibi. 'Kindisch.' John war beinahe energisch angetan von seinem teuflischen Plan, ignorierte sein Gewissen und zog sich Schlafkleidung an, als unter ihm wieder die zarten Violinenklänge ertönten. Er setzte sich auf die Bettkante, schloss die Augen, den Schal in der linken Hand fest umklammert und legte den Kopf seufzend in den Nacken, als sich der wohlige Moschus-Sandelholz-Geruch des kleinen Stoffstückes um ihn herum langsam ausbreitete und sein Blick in die Dunkelheit gläsern wurde. ~~~~~~~ To be continued... 2. Kapitel beendet und ich hoffe, ihr bleibt weiter am Ball um unsere 2 Lieblinge - es wird immer spannender! Im übrigen vielen Dank für die bisherigen Kommentare. ♥ Auf bald! Kapitel 3: Ein aufwühlender Anruf --------------------------------- 'Sie müssen nur die Hand ausstrecken...' 'Aber das ist nicht richtig, Sherlock.' 'Richtig oder nicht ist unbedeutend. Das ist die einzig logische Sache, die wir jetzt tun können. Na los, tun Sie es, John...' ~~~~~ Ein Klopfen und ein bekanntes "Huhu" später reißt Mrs Hudson John aus seinen Tagträumen und er stößt beinahe die Kaffeetasse über die Tischkante, als er sich abrupt umdreht. "Guten Morgen", versucht John möglichst gefasst zu antworten, da er die Röte ins Gesicht schießen spürt. Muss diese Dame auch gerade in dem Moment hineinplatzen, wo er gedanklich so schön in den gestrigen Abend versunken war!? "Sherlock ist aber heute früh ausgegangen. Hatten Sie beide Ehestreit?", kam es von der älteren Lady mit neugierigem Interesse in der Stimme, während sie wieder einmal versuchte, Ordnung in die Küche des Lockenschopfes zu bringen, Johns Blick meidend. "Was? N-nein", war alles, was dieser entgegenbrachte. Er war es ja schon gewöhnt, dass jeder Sherlock und ihn für ein Paar hielt und mittlerweile war er es leid, sich ständig darüber aufzuregen. Und bei Mrs Hudson hatte es ja von Anfang an nichts gebracht habt, alles zu dementieren. Sie beruhte auf ihrer Meinung. Typisch ältere Leute? Vielleicht. 'Sherlock hat es nie dementiert. Immer bist DU derjenige, der sich rechtfertigt, John Watson. Das sollte dir doch zu denken geben!' "Bloß mal wieder ein neuer Fall. Sie wissen ja, wie enthusiastisch er sein kann. Da wird Schlaf zur Nebensache." "Typisch Sherlock", schmunzelte Mrs Hudson und wuselte schließlich mit einem Tablett voll leerer Tassen die Treppen in ihr Appartement hinunter. John sah ihr mit einem Stirnrunzeln nach, versuchte sich dann aber wieder auf seine Sonntagszeitung zu konzentrieren und verfolgte über den Zeitungsrand die Nachrichten im Fernsehen, während er an seinem Tee nippte. Doch nach wenigen Minuten ertappte er sich dabei, wie er schon seit geraumer Zeit an ein und derselben Stelle feststeckte und den Sinn hinter den Buchstaben weder verstanden noch aufgenommen hatte. 'Du solltest ihn fragen. Ganz direkt. Sonst kapiert er es nicht.' Von wegen fragen! Sherlock hatte ihm direkt an ihrem Kennenlerntag klar gemacht, dass er nicht interessiert war - an niemandem. 'Meinungen können sich ändern. Donovan war diejenige, die dich gewarnt hatte, dass er keine Freunde hat. Dennoch war Sherlock außer sich vor Sorge an diesem einen Abend im Schwimmbad. Er hat dir das Leben gerettet, nicht weil du irgendjemand warst, sondern weil DU es warst, John.' Beweis? Er konnte einfach keinen Vergleich anstellen. Es gab keine andere Situation bisher, in der John Sherlock so hatte erleben können. Vielleicht gab es Personen aus dessen Vergangenheit, bei denen er genau so reagiert hätte. Es machte John nicht besonders, dessen war er sich fast schon sicher. 'Lachhaft. Du wirst schon sehen, was du von diesem Runterputzen haben wirst. Mach dich nicht unglücklicher, als du eh schon bist. Wieso sollten Frauen dich regelmäßig daten, wenn du nicht ein echter Teufelskerl mit Charme und Herz wärst, auf den sogar Männer stehen könnten!? Aber mach dir nur weiter etwas vor, Dr Watson, und erzähl deinen Dates, dass du sie liebst und sie die attraktivsten Personen auf Erden wären. Flirte ruhig, um dich abzulenken. Am Ende wird es sowieso nur auf eines hinauslaufen, nämlich-' Die Zeitung auf den Tisch donnernd, fiel der Stuhl rückwärts mit einem Krachen auf den Boden und John stand mit knirschenden Zähnen und geballten Fäusten senkrecht. Wieso stritt er sich mit seinem Gewissen!? Es durfte einfach nicht recht haben. Sovieles sprach  dagegen und es würde so unendlich viel Mühe kosten, die Wahrheit aus Sherlock herauszubekommen. Und es würde schmerzhaft enden, ganz bestimmt. Die Antwort lag ja quasi schon auf dem Tisch: Sie waren Freunde. Maximal. Wenn nicht sogar einfach nur Mitbewohner oder auch Bekannte, die beruflich irgendwie zusammen arbeiteten. Manchmal. Der Blonde seufzte und fuhr sich mit beiden Händen durch Gesicht und Haare. Es schien so kompliziert geworden zu sein und das war allein seine eigene Schuld! Anfangs hatte er sich noch von Sherlock verschaukelt gefühlt, wie der sich benahm, hatte ihn misstrauisch beäugt, ihn als verrückt betitelt... und mittlerweile wollte er den Braunhaarigen am liebsten die ganze Zeit um sich haben, lächelte über sein Verhalten, mochte es sogar, wie bizarr dieses Superhirn sich verhielt. Allein schon, weil es deswegen manches Mal zu solch paradoxen Begegnungen wie gestern Abend gekommen war. Und dann wunderte John sich, wenn andere sie für ein Paar hielten. Der Ausgeflippte und sein Gegenpart, der Ruhige. Perfekte Ergänzung. Sie konnten zusammen lachen und ergänzten sich in ihrer Arbeit regelmäßig. Oder wurden gegeneinander ausgespielt, wie Moriarty ihnen so schön bewiesen hatte. Aber hätte der nicht auch all diese Details gewusst, wäre es nicht halb so interessant für ihn gewesen, John zu kidnappen und Sherlock damit verwundbar zu machen. 'Verwundbar. Allein deinetwegen. John, mach die Augen auf. Ihm liegt etwas an dir. Mehr als du sehen kannst und noch mehr, als du vielleicht denkst.' Verdammt! Das war genug. Er musste sich ablenken. Keine Frau! Das schien momentan keine Lösung zu sein. Wieder schlafen gehen war auch denkbar schlecht, obwohl er noch ein paar Stunden hätte vertragen können, nachdem ihn die frühmorgendliche SMS so böse geweckt hatte. Er käme eh nur wieder ins Grübeln und hätte kein Auge zutun können. Allein schon nicht, weil da noch etwas anderes im Bett neben seinem Kopfkissen schlummerte; etwas weiches, blaues, das nach Moschus und Sandelholz duftete und sein Hirn derart vernebeln würde - nein! Er wollte den Kopf frei bekommen, aber irgendwie erinnerte ihn alles, einfach alles an Sherlock. Sogar sein Handy, das in dem Moment vibrierend Laute von sich gab und aufleuchtete. Anruf (anonym) Wer rief ihn an einem Sonntag morgen anonym an? Das konnte nur Sherlock sein. Sofort nahm John ab und dachte sich im gleichen Moment, dass der Jüngere doch eigentlich sein eigenes Handy dabei hatte, womit er ihm eine SMS geschickt hatte. "Sherlock, ist ihr Handyakku etwa leer?", antwortete er schmunzelnd und mit ironischem Vorwurf in der Stimme ins Mikrofon. "Oh, vielen Dank für die Information, Johnnyboy." Diese Stimme! John konnte ihn am anderen Ende auf seine verrückte Art grinsen hören. "Woher zum Teufel haben Sie meine Nummer, Mr Moriarty?" Die schrille Stimme lachte laut auf, bevor sie wieder ruhiger weiterredete, nicht von dem verspielten Ton ablassend, den James so liebend gern nutzte. "Na, na, na, Sie wissen doch, dass ich Ihnen nichts verraten werde. Sonst wärs doch langweilig." Natürlich. "Was wollen Sie?" "Sie, mein Lieber. Aber nennen wir es doch lieber 'brauchen'; wollen klingt so schwul. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir einen kleinen Gefallen tun könnten. Im Gegenzug möchte ich sein überraschtes Gesicht sehen und ihn vor mir auf die Knie fallen sehen." "Wie bitte?" "Ach John, kommen Sie, denken Sie nach! Sie dürften doch am besten wissen, was Ihrem Freund gefallen wird." "W-was?" "Haaah, nun gut. Für einen Normalsterblichen muss ich es also haarklein erklären. Es wird einen Toten geben, Johnnyboy, und das wird Sherlock Holmes garnicht gefallen." ~~~~~ To be continued... Somit wäre Kapitel 3 beendet und Leute, ihr macht mich glüüühücklich! Vielen Dank für Eure Rückmeldungen.Wer erfahren möchte, was Moriarty genau vorhaben wird, muss wohl oder übel dranbleiben - bald geht es weiter ;D Kapitel 4: Ein verzwickter Gedanke ---------------------------------- 'Verbrennen Sie sich nicht, John.' 'Oh, ja, Dankeschön für den Hinweis. Aber ich glaube, ich darf selbst entscheiden an was ich mich verbrenne. Oder an wem.' 'Sicher. Aber es wird weh tun.' 'Sogar höllisch weh, Sherlock...' ~~~~~ Es war eine angenehme Art zu reisen. Man musste sich nicht um Steuern und Benzin kümmern und die teure Anschaffung blieb einem auch erspart. Es blieb mehr Zeit um nachzudenken, wenn man sich nicht um den stressigen Verkehr kümmern musste, dachte sich Sherlock Holmes, und stieg mit zwiespältigen Gefühlen aus dem Taxi aus, das vor dem Broadway nahe des Westminsters Abbey hielt. Die Stadt lag im morgendlichen Frühnebel, der von der Themse aus über den Asphalt kroch, während sich ein purpurfarbener Himmel aus dem Tiefblau erhob und die ersten Sonnenstrahlen am Horizont zu erkennen waren. Sicherheitshalber hatte er John seinen Verbleib gemailt und ihn somit ruhig gestellt, um während des Besuchs bei dieser Kollegin nicht gestört zu werden. Ein seltsamer Fall, bei dem es bisher keine Leiche gab, hatte seine Aufmerksamkeit erregt: Alice Dunham, von Beruf Private Detective, hatte am gestrigen Morgen ihre täglichen Rituale pflegen wollen und stieß beim Holen ihrer samstäglichen Ausgabe der Daily Mail auf ihr eigenes Porträt in Schwarz-Weiß. Die einzige Farbe auf dem Titel war Blutrot und wurde über ihr Foto gepanscht. Drumherum Blindtext, ohne Bedeutung, kein weiterer Bezug auf den restlichen Inhalt der Zeitung, konnte Sherlock feststellen. "Da kein anderes Exemplar wie dieses existiert, hat mir DI Lestrade bestätigt, hat es jemand speziell auf Sie abgesehen, Ms Dunham", deduzierte der Braunhaarige mit der Tageszeitung zwischen seinen behandschuhten Händen und lief währenddessen in dem geräumigen Wohnzimmer langsam auf und ab. Alice Dunham war - zugegeben - keine Schönheit, höchstens mittelmäßig, was an ihrem bereits herauswachsenden dunkelblonden Ansatz zum restlichen Wasserstoffblond und ihren nicht vorhandenen Make-Up-Künsten lag sowie an ihrem nicht vorhandenen Modebewusstsein. Als PD erweckte sie somit nicht gerade die Aufmerksamkeit ihrer Beschattungsopfer, sehr clever. "I-ich wüsste nicht, wer, Mr Holmes", schluchzte sie leise auf. Verzweiflung klang in ihrer Stimme mit und sie krallte ihre Finger in ihre Oberschenkel. "Oh, ich habe da einen Verdacht." Sherlocks Augen verengten sich mit Blick auf seine Klientin und er stoppte vor ihr. Sie sah ihn fragend an, während sie sich eine mascaragefärbte Träne von der Wange wischte. "Sagt Ihnen der Name Moriarty etwas, Ms Dunham?" Die Lady überlegte kurz, senkte ihren Blick, schüttelte dann schließlich den Kopf. "Nein, nie gehört." "Auch niemanden namens Jim oder James mit Vornamen, der nicht zu ihrem Bekanntenkreis zählt?" "Mh-mh." Wieder ein langsames Kopfschütteln. Sie saß da wie ein Häufchen Elend in ihrem teuren, weißen Ledersessel. "Es hat sie in letzter Zeit niemand verfolgt, niemand angerufen, kein Stalker? Sie fühlen sich hier sicher in der Gegend? Natürlich fühlen Sie sich sicher, um die Ecke hier ist ja New Scotland Yard." Er schnalzte genervt mit der Zunge, als er sich seine voreiligen Fragen mit einer Antwort selbst beantwortete. Jim wollte sich tatsächlich lächerlich machen über die Polizei, sah ihm ähnlich. "Ich sehe mich einmal um, wenn es Ihnen recht ist", lächelte Sherlock höflich, ohne eine Antwort abzuwarten und durchlief die Räume mit beängstigender Ruhe und schneller, sherlock-typischer Auffassungsgabe. Er nahm jedes Detail auf, ordnete seine Gedanken, speicherte ab, sog wieder von neuem Informationen auf, die ihm die Gegenstände in der Wohnung verrieten und orientierte sich aus Fenstern schauend über die Lage der Wohnung und Nachbarhäuser. Es gab einfach absolut keinen Grund, weshalb Moriarty diese Frau töten wollte und Sherlock dafür hatte herkommen sollen. Für einen Kinderstreich war es zuviel Aufwand gewesen, die Titelseite der Zeitung auszutauschen und sie dennoch täuschend echt erscheinen zu lassen. Sherlock kannte diese Frau weder von früher noch von sonst einem Zeitpunkt und sah keinerlei Verbindung von ihr zu ihm, von ihr zu Lestrade, von ihr zu... John? Nein. Das hätte er erwähnt, ganz sicher. Wieso also diese Frau? Sollte er sie wirklich willkürlich herausgepickt haben, weil sie nahe an New Scotland Yard wohnte und eine Detective war, wie er? Was wollte er damit sagen? Und wieso holte er soweit aus, wenn das Offensichtliche auch ohne Umwege gesagt werden konnte? Langweilig, schoss es ihm in Jims spezieller Betonung durch den Kopf. Sherlock sollte wohl absichtlich einiges zum Grübeln haben, es sollte ihm das Hirn zermatern, bis sie beide sich irgendwann wieder gegenüberständen. Und ein nächstes Mal, da war sich der Consulting Detective sicher, würde jemand umkommen. Ich werde dir das Herz herausbrennen! Einer von beiden musste bei diesem Spiel den Kürzeren ziehen. Und das sollte sicher nicht Sherlock selber sein! "Bitte benachrichtigen Sie mich, wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte - oder falls sich plötzlich jemand mit genannten Namen melden sollte", sprach der Lockenkopf und ging auf die Wohnungstür zu. Alice war aus ihrem Sessel aufgesprungen. "S-sie gehen schon wieder!? Aber, was denken Sie, dieser Jim oder so - wird er mich wirklich umbringen? Es sind noch 3 Tage bis zum Datum, das in der Zeitung genannt wurde." Sie kam mit schnellen Schritten auf Sherlock zu und blieb nur knapp vor ihm stehen. "Nun, Scotland Yard wird seine besten Männer auf den Fall ansetzen, seien Sie unbesorgt. Auf-" Doch Alice ließ Sherlock nicht gehen und krallte sich in seine Armbeuge, als dieser die Tür öffnen wollte. "Bitte, Mr Holmes. Werden Sie da sein? Werden Sie mir helfen? Sie kennen diesen Moriarty, oder?" Sherlocks Augenlider zuckten kurz, bevor er sich schwungvoll ihrem Griff entriss und durch die Tür verschwand. "Schließen Sie die Tür gut ab", wies er sie an und eilte die Treppen hinunter. Als ob es ihn kümmerte, wenn Moriarty sie wirklich umbringen würde. Er wusste, dass dieser Mann seine ganz eigenen Theorien und Methoden hatte und alle nur darauf abzielten, Sherlock zu verwunden. Doch dieses Puzzle ließ sich nicht so zusammensetzen, so einfach und durchschaubar, wie es sonst immer war. Es fehlten Motive, Absichten, Hintergründe, die hier nicht gegeben waren und das ließ den hochgewachsenen, schlanken Mann, der sich den Mantel nun sichtlich enger umlegte, da es an der frischen Luft sehr viel kühler war als in der Wohnung oben, schier wahnsinnig werden. Die Straßen füllten sich langsam, Touristen bevölkerten schon am frühen Vormittag die Sehenswürdigkeiten, an denen Sherlock unbeeindruckt vorbeilief, völlig vertieft in Gedanken, die er immer wieder nach nützlich und unnützlich für den Fall abwägte. An einer Ecke nach dem Piccadilly Circus hielt er kurz inne und gönnte sich einen Kaffee, um der nachlassenden Wirkung seiner 2 Nikotinpflaster, die er für diesen Morgen irrtümlicherweise viel zu niedrig dosiert aufgeklebt hatte, entgegenzuwirken und stellte sich unter ein Vordach, um den ersten Regentropfen auszuweichen, die mit der grauen Wolkendecke gekommen waren. 'Verdammt, John', dachte er mit geschürzten Lippen wehmütig an seinen geliebten, blauen Schal, grub sich enger in seinen Mantel ein und musste unweigerlich an den gestrigen Abend zurückdenken, der ihm doch irgendwie eine kleine, teuflische Freude bereitet hatte. Der Ältere war aber auch immer leicht zu beeindrucken. Wieso er das überhaupt getan hatte? Es war ihm logisch erschienen. Er wollte duschen gehen, normal für einen Menschen, um sich zu säubern, danach hörte er John und da er ihn ja darum gebeten hatte, ihm das Handy zu bringen, wann immer sich jemand für ihn melden würde, so wollte er es in dem Moment haben. Wozu warten, wenn es auch sofort passte? Zumindest ihm selbst schien es sofort zu passen. John schien das Gegenteil zu behaupten, kam mit Ausreden an und hatte sich gesträubt. Dass er schließlich doch nachgegeben hatte, zeigte Sherlock, dass er lernfähig war. Dinge, die keinen Aufschub benötigten, sollten auch keinen bekommen. Logisch, einfach, richtig. Bin auf dem Weg. Essen w| Der Cursor auf seinem iPhone blinkte an der Stelle auf, als er den Finger über dem Display schweben ließ. Wollte er ihn etwa schon wieder ärgern? Essen wir heute zusammen bei Angelo's?, schien dem Braunhaarigen zwar eine geeignete Phrase, um John wieder aus dem Konzept zu bringen, doch hielt ihn sein Gewissen davon ab, es wirklich zu schreiben. Wieso machte er sich gerade heute seine Gedanken wegen gestern Abend? Er war an einem verdammt verzwickten Fall dran, der um einiges wichtiger war als John und dessen Verhalten. Sherlock sollte keine Zeit verschwenden und herausfinden, wer dahinter steckte und wenn es Moriarty war - was er damit bezwecken wollte. Schnell löschte er die SMS, steckte das Handy wieder in seine Brusttasche, warf den leeren Kaffeebecher in einen Mülleimer und schlug sich den Kragen noch höher ins Gesicht. Bei seinem Glück kam gleich sicher der ganz große Regen, aber ein Taxi wollte er sich jetzt auch nicht mehr nehmen. Zu schnell wäre er wieder Zuhause. Bei John. Und er fürchtete um die dortige Abwesenheit seines Verstandes, den er im jetzigen Augenblick dringend benötigte, um das Gesehene, das Abgespeicherte nochmals geordnet durchzugehen, nur um dann alles durcheinander zu würfeln und aus anderen Blickwinkeln zu betrachten und Schlüsse zu ziehen... die im Endeffekt keine Schlüsse waren. Alles verlief sich wie der Sand einer Sanduhr im Nichts und bildete einen großen Berg voll Wissen, der nichts miteinander gemein hatte. Knappe 50 Minuten später stand Sherlock durchnässt bis auf die Knochen vor Baker Street 221B, nicht gewillt, hineinzugehen. Die Hände in den Manteltaschen vergraben, stand er vor der Haustür, blickte kurz zum rechten Fenster auf, an dem er John erblicken konnte, der in die Ferne zu starren schien. 'Straßenkleidung angezogen, keine Nachtwäsche mehr, Augenringe, leicht zittrige Hände, wenn er zur Teetasse greift - Schlafmangel, versucht aber wach zu wirken. Zusammengekniffene Augen, den Blick nicht fixiert gen Himmel gerichtet - nachdenklich. Schlaffe Haltung, jedoch aufrecht - angespannt.' Als jedoch plötzlich ein eisiger Wind den Regen aufpeitschte, war es Sherlock genug und er beeilte sich, ins Trockene zu kommen. Seine Haare klebten durchnässt an seiner Stirn und er musste aufpassen, sich auf den nassen Fliesen nicht auszurutschen, bis er sicher am oberen Treppenabsatz angekommen war. John stand immer noch am gleichen Platz und hatte Sherlock scheinbar nicht bemerkt, weder unten vor der Tür noch dass er reingekommen war. Der Jüngere schloss die Wohnungstür hinter sich, entledigte sich seines nassen Mantels und verteilte beim Ausziehen fröhlich Regentropfen auf dem Holzboden, die unablässig weiter von dem Stück Stoff tropften, als er es am Türhaken aufhing. "John?" Sherlock räusperte sich, verwundert, wie leise seine Stimme geklungen hatte und hoffte, sie erhielte beim nächsten Mal wieder ihre ursprüngliche Stärke zurück. Der Angesprochene regte sich nicht und Sherlock durchquerte mit wenigen Schritte den Raum, bis er dicht hinter dem Blonden stand, der immer noch genau so wirkte, wie der Braunhaarige es eben von unten für sich deduziert hatte. Irgendetwas musste passiert sein, oder? Sherlock sah sich um, doch alles war an seinem gewohnten Platz, in der Zeitung von heute war nichts zu entdecken, was den anderen derart aus der Bahn werfen würde. Der Jüngere kam ihm näher, sah ihm beinahe schon über die Schultern, als er sah, dass John aus seiner Trance aufzuwachen schien und sich die Distanz zwischen ihnen schlagartig für einen Sekundenbruchteil verringert hatte, als er auch schon wieder zurückwich und erschrocken seinen Namen nannte. "Sherlock! Wann sind Sie-" "Gerade eben. Sie schienen abwesend; Problem?" Johns Augen zuckten kurz hin und her; ein Indiz für schnelles Nachdenken, eine Meinungsänderung, eine... Lüge? "Nein, nur... müde", antwortete John mit träger Stimme und brachte ein wehmütig angedeutetes Lächeln zustande. Nein, er konnte nicht falsch liegen. Etwas lag in der Luft, dass in seiner Abwesenheit passiert war. Hatten John Albträume geplagt? Oder war er etwa seit der SMS, die Sherlock ihm vor 5 Stunden geschickt hatte, wach und stand hier so verloren rum? Zumindest schien er bereits gefrühstückt zu haben, wie an der Zeitung, dem Tee und dem leeren Teller unweigerlich zu erkennen war. Sehr gut. Wenigstens würde er ihm hier jetzt nicht Gefahr laufen, zusammen zu brechen. Welche Last auch immer ihn gerade niederzudrücken schien. 'Interessant, dass dich John so beschäftigt, Sherlock Holmes.' ~~~~~ To be continued... Hier bekommt man auch mal einen Einblick in Sherlocks abgeklärte Gedankenwelt und ich muss sagen - es hat Spaß gemacht, auch wenn ich es erst meiden wollte. Ich hoffe, er ist nicht zu sehr OOC geworden, da er mMn ein seeehr schwieriger Charakter ist und ich ihn ungern verfälschen will. Schreibt mir doch bitte Eure Meinung, damit ich weiß, wie ich in zukünftigen Kapiteln als 'Sherlock' schreiben kann/soll. :) Kapitel 5: Eine schlimme Vorahnung ---------------------------------- 'Ich weiß nicht, wie ich das machen soll... bei einem Mann.' 'Ich vertraue Ihnen, John.' 'Oh, sagen Sie das besser nicht, Sie wissen ja nicht, worauf Sie sich einlassen.' 'Ich weiß mehr, als sie jemals wissen werden ...' ~~~~~ "Was wollen Sie?" "Sie, mein Lieber. Aber nennen wir es doch lieber 'brauchen'; wollen klingt so schwul. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir einen kleinen Gefallen tun könnten. Im Gegenzug möchte ich sein überraschtes Gesicht sehen und ihn vor mir auf die Knie fallen sehen." "Wie bitte?" "Ach John, kommen Sie, denken Sie nach! Sie dürften doch am besten wissen, was ihrem Freund gefallen wird." "W-was?" "Haaah, nun gut. Für einen Normalsterblichen muss ich es also haarklein erklären. Es wird einen Toten geben, Johnnyboy, und das wird Sherlock Holmes garnicht gefallen." Er wollte John umbringen? Und rief ihn vorher an, um ihm das mitzuteilen? Die Situation war so schon paradox genug - eben ganz Moriarty-like - wo steckte da bitte der Sinn? "Wieso sollte jemand umgebracht werden, wenn Sie mir das im Vorhein schon verraten?", knurrte John in den Hörer. "Weil es passieren wird. Und sie werden maßgeblich daran beteiligt sein. Sozusagen der Schlüssel dafür sein. Sie tun mir also den Gefallen?" Moriarty klang zwar zu Scherzen aufgelegt, aber John wusste, dass das seine Masche war und die Stimmung von einer zur nächsten Sekunden kippen konnte. Er war ja so launenhaft. Resignierend seufzte der Blonde auf und massierte mit der linken Hand seine Schläfe, kniff die Augen zusammen. Das hier konnte nur schlecht ausgehen. Und er war wohl oder übel das Opfer, ganz prima. Wie sollte er das Sherlock beibringen, was hier gerade besprochen wurde!? Natürlich würden sie Lestrade einschalten müssen, aber wieviel dieser ihnen nützen konnte war fast schon abzusehen. "Welchen?" "Daten Sie Sherlock", wies er mit höchst vergnügtem Ton an. John stutzte und Moriarty hätte sein Hirn jetzt rattern hören können, würde es Geräusche von sich geben wie eine Festplatte. "Bitte?", war alles, was der Blonde zustande bekam. So abstrus hatte er nichtmal diesen seltsamen Mann eingeschätzt. Aber sicher steckte mehr dahinter. Wie immer. "Führen Sie ihn aus. Machen Sie sich einen schönen Tag, was auch immer Ihnen da vorschwebt so zu Zweit als zwei Männer." Er sprach beinahe schon nebensächlich über diese Sache, als würden John und Sherlock nie etwas anderes tun, als zusammen auszugehen und sich zu vergnügen. "Aber eine Bedingung gibt es - schweigen Sie. Ich habe nie angerufen, sie wissen nicht, dass es einen Mord geben wird. Sonst wird es zwee~ii Tote geben, Johnnyboy!" James Stimme klang auf einmal dunkler trotz seines Sing-Sangs zum Schluss. Johns Herz sprang beinahe auseinander bei diesen Worten. Er würde sie beide umbringen, wenn er es Sherlock sagen würde? "O-OK. Aber was -" Klick. Leitung unterbrochen. James hatte aufgelegt. John hielt sein Smartphone vor sich und betrachtete es leicht panisch. Was um Himmels Willen sollte der Anruf? Wollte er ihm Angst einjagen? Sollte Moriarty so nett gewesen sein, ihn vorzuwarnen, um die letzten Stunden nochmal richtig auskosten zu können? Nein, da steckte irgendetwas anderes dahinter, doch ohne so ein Genie, wie Sherlock es war, kam er zu keinem passenden Rückschluss. John wusste nicht mal, wann er Sherlock ausführen sollte. Welchen Tag, welche Uhrzeit und wohin? 'Du machst dir jetzt gerade nicht ernsthaft Gedanken darüber, wie du Moriartys Forderungen nachkommst, oder? Sherlock daten, schön und gut. Aber das hat doch alles keinen tieferen Sinn. Du weißt von dem Gespräch, darfst aber nichts verraten und lockst Sherlock somit in die Falle? Tickst du noch sauber, Watson!?' Er biss sich nachdenklich auf die Unterlippe und ließ das Handy schließlich auf den Tisch sinken, ging langsam auf das linke, bodentiefe Fenster zu und sein Blick huschte draußen über die Dächer der Nachbarhäuser. Es hatte begonnen zu regnen (wann hatte sich der pastellene Morgenhimmel nur so zugezogen?); erst nur ein paar Tropfen, dann ergoss sich ein wahrer Platzregen über London und tauchte die Stadt in verwaschenes Grau. Doch all das konnte den ehemaligen Militärarzt nicht von seinen Grübeleien, die jetzt die Gedanken an Sherlock mehr als überlagerten, abbringen. Endlose Vermutungen später, keine vernünftigen Schlussfolgerungen ziehen könnend, hörte John nicht einmal, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel, schwerer Stoff raschelte und sich ihm jemand mit wenigen Schritten genähert hatte. Erst als der Ältere einen Blick im Nacken spürte, holte er Kopf und Gedanken wieder ins Hier und Jetzt und wandte sich leicht nach rechts um, erstarrte, als er in hellblaue Augen sah, die seinen so nahe waren, und stolperte dann doch zwei Schritte rückwärts. "Sherlock! Wann sind Sie-" "Gerade eben. Sie schienen abwesend; Problem?" Die samtene Stimme durchführ Johns Glieder und beruhigten ihn auf eine gewisse Art genau so sehr, wie sie ihm einen Stich ins Herz jagten, wenn er an Moriartys Worte dachte. "Nein, nur... müde", antwortete John beinahe wahrheitsgetreu und versuchte, sein Herz zu beruhigen. Diese plötzliche Nähe hatte ihn total auf dem Konzept gebracht. Und erst jetzt bemerkte er, dass der Jüngere ganz duchnässt war. "Fuhr kein Taxi?", scherzte John und ging an Sherlock vorbei in die Küche. "Messerscharfer Verstand, Dr Watson. Ich hatte lediglich frische Luft gebraucht, bis der Regen schließlich einsetzte." Der Blonde stoppte, drehte sich mit ungläubigem Gesichtsausdruck zu Sherlock um. "Sie sind zu Fuß zurückgekommen?", fragte er halb im Scherz. "Mhh", kam ein zustimmendes Brummen von Sherlock. Der Jüngere kam auf John zu und ging an ihm vorbei durch den Flur und in sein Zimmer. "Das sind mindestens 2 Meilen, Sherlock." "2,2 Meilen. Lang genug, um nachdenken zu können, John. Sollten Sie auch mal ausprobieren", kam es aus dem Schlafzimmer. John schüttelte den Kopf, was irgendwie zur Angewohnheit wurde, wenn sie miteinander redeten. Er schlurfte ins Badezimmer, nahm ein Handtuch aus dem kleinen Einbauschrank linker Hand und ging auf Sherlocks Raum zu. "Was haben Sie erreichen können?" Als er gerade das Zimmer betrat, entledigte sich der Jüngere gerade seiner nassen Kleidung und wühlte in seinem Kleiderschrank nach einem Hemd. 'Los, sieh ruhig hin, John. Sieh, was dir da entgehen könnte, stellst du dich weiter so an. Und dann sag mir, dass du ihn nicht einfach Moriarty ausliefern wirst. Oder gar dich selber und ihn damit unglücklich machen wirst.' "Gute Frage", brummte der Braunhaarige und schloss die Schranktür, ein Hemd in der Hand, der Oberkörper frei. "Sie hat tatsächlich weder Feinde noch frühere Klienten oder Beschattete, die ihr etwas antun wollten." Sherlock machte einen Schritt auf John zu, der das Handtuch vor sich in den Händen hielt, wohl zu interessiert an dem, was der Jüngere sagte, als dass er es ihm reichen wollte. "Ich muss leider zugeben, dass ich ein wenig ratlos bin, wer dahinter stecken könnte, obwohl nach dem Vorfall letztens ein gewisser Jemand nicht ganz aus dem Schneider ist." Er rubbelte sich die Haare trocken, ließ das Handtuch achtlos auf den Boden fallen und zog sich das frische Hemd über. "Gleich viel besser. Verdammt kalt draußen, wenn es so regnet", grummelte er leise zu sich selbst. "Sie meinen..." "Jim Moriarty, ja. Dieser Zeitungsartikel hat eindeutig seine Handschrift. Er weiß, dass die Polizei damit nichts anfangen kann, dass sie zu dumm sind für so ein Rätsel, und Lestrade mich dafür konsultieren würde. Es kann garnicht anders sein. Aber ich frage mich, wie er darauf kommt, dass mir etwas an dieser Frau liegen sollte. Wieso hat er gerade sie dafür benutzt?" "Zufall?", entkam es John und er lächelte ein wenig nervös. 'Zufall? Nein, John, es hat sicher etwas mit der Gegend dort zu tun. Du sollst Sherlock ausführen. Zum Themsenufer am Westminster und zwar an ihrem Todestag. Dort wird es passieren.' Diese Erkenntnis brannte sich gerade in Johns Hirn ein. Sie war so einfach, so... offensichtlich. Doch nicht für Sherlock, natürlich nicht. Wie sollte er auch an so etwas Banales denken? "Meinen Sie? Ich denke, da steckt etwas anderes dahinter. Wenn es nichts mit dem baldigen Opfer an sich zu tun haben soll, wieso sollte er mich sonst zu ihr geführt haben?" Ein paar Sekunden vergingen, bis Sherlock sich wieder bewegte und an John vorbei wehte, ins Wohnzimmer lief. Der Ältere blieb wie angewurzelt stehen. Was sollte er tun? Wie konnte er Sherlock nur einen Hinweis geben, ohne, dass Moriarty davon erfuhr und sie beide des Todes waren? Er kniff die Augen zusammen und hob die Hände an beide Schläfen, während seine Beine wacklig wurden und er halt auf Sherlocks weicher Matratze suchte. Das konnte alles nicht wahr sein. Er war ein Freundschaftsverräter, würde er Sherlock nicht sagen, was er wüsste und ihm somit entscheidende Hinweise geben (vielleicht sogar Moriarty austrick- nein, unmöglich), andererseits riskierte er ihrer beiden Leben. Beides keine zu empfehlbaren Optionen. Beide würden auf dasselbe hinauslaufen. Jemand starb, dessen war sich John sicher. "Verdammt!", knurrte er wütend und grub eine Faust in den weichen Stoff unter sich, während im Wohnzimmer Violinenklänge erklangen, die wunderbar zu seiner Verzweiflung passten, die sich seine Magengrube bis hoch in die Speiseröhre erkroch und ihm das Atmen erschwerte, förmlich die Kehle zuschnürte. Welchen Weg er auch abwog - den Homizid Moriartys bevorzugte er dann doch, bevor Sherlock noch etwas passierte. Ihn brauchte die Welt noch, John hingegen konnte ihr nichts geben, was von Nöten war. Kein brilliantes Deduzieren von Mordfällen, keine Violinenstücke, keinen Erzfeind. Nur einen Blog, der der Selbsttherapie diente und Schaulustigen die Möglichkeit gab, einen Einblick in Sherlocks Arbeit zu bekommen. Er hingegen war Zweitrangig. Plötzliche Stille und ein Niesen aus dem Wohnzimmer ließen John wieder aufblicken. 'Du hast seinen Schal genommen. Jetzt sieh zu, dass er nicht krank wird davon. Sonst bist DU es am Ende noch Schuld, wenn er an einer Grippe stirbt, und nicht Moriarty!' John seufzte über seine Gewissensbisse, musste ihnen aber beipflichten und erhob sich wieder. "Suppe? Oder Tee?" Sherlock rümpfte gerade die Nase, als der Blonde hinter ihm auftauchte und die Küchenschranktür öffnete. "Meinen Schal, wenn's recht ist." Er streckte die Hand aus, als ob John den Schal gleich um den Hals tragen würde und ihn hergeben könnte. Doch Angesprochener stockte in seinen Bemühungen, Suppenpäckchen aus dem Holzschrank zu fischen; seine Wangen wurden heiß und er nickte nur kurz, bevor er durch die Küche in den Flur verschwand, hoch in sein Zimmer. Sherlock sah ihm nach, die Violine mitsamt Bogen kopfüber in der linken Hand haltend, und ein kleines Grinsen stahl sich unwillkürlich um seine Mundwinkel. ~~~~~ To be continued... Kapitel 6: Eine sanfte Berührung -------------------------------- 'Los, sag Bitte.' 'Was?' 'Sag. Bitte.' 'Warum sollte ich?' 'Oh, Sherlock Holmes, das wird dir noch leid tun.' ~~~~~ Sherlock saß konzentriert an seinem Küchentisch und starrte durch sein Mikroskop, während er die Petrischale leicht hin und her schob und mit einer Pinzette im zermahlenen Inhalt herumstocherte. Er ließ ein entnervtes Seufzen verlauten, sah auf und rieb sich die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger. "Nichts?", ertönte Johns Stimme aus dem Wohnzimmer und er konnte Sherlock vom Esstisch aus sehen, wenn er sich leicht zurückbeugte. Der Jüngere war selten so demotiviert, selten so... ratlos, was einen Fall anging. "Absolut rein garnichts", gab Sherlock mit Unmut zu und stand müde von seinem Platz auf, schlurfte auf John zu und ließ sich vor ihm in seinen Sessel fallen, dem Älteren nun den Rücken zugewandt. "Nicht aufgeben. Ich glaub an dich." Der Braunhaarige kniff die Augen, für John unsehbar, zusammen, als er dieses kleine Wörtchen vernahm. Du. Er hatte ihn geduzt. Wieso? Wieso gerade jetzt? "Wenn ich aber nichtmal selber in mich vertraue, wie sollen es andere dann können, John?" Angesprochener ließ die Frage unbeantwortet im Raum stehen, wusste keine Antwort darauf. Sherlock seufzte erneut auf und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, beugte sich dabei leicht nach vorn. "Los, du als mein Doktor - welche Therapie schlägst du vor?" John brauchte einige Sekunden, bis er den Sinn dahinter verstand und blinzelte Sherlock schließlich fragend an, der sich nicht umgedreht hatte, aber mit gefalteten Händen vor dem Kinn auf eine Antwort zu warten schien. "Nun", begann Doktor Watson fachmännisch zu analysieren und zu deduzieren, "ich würde sagen, eine Mütze voll Schlaf könnte da Abhilfe schaffen. Oder aber Entspannungsmaßnahmen, um die Gehirnströme durch die Nerven wieder besser fließen zu lassen." "Rauchen?" "Nein, Sherlock, nicht rauchen. Andere Entspannungsmaßnahmen wie ein heißes Bad, was hier leider nicht funktioniert mit nur einer Dusche. Eine Massage. Oder auch mentales Train-" "Fahre fort." Irritiert blickte John auf den Lockenschopf. "Ich bin doch gerade dabei!? Also-" "Nein, setze es in die Tat um." "Was meinst- oh." In dem Moment wurde dem Älteren klar, dass Sherlock nur die Massage meinen konnte. Eigentlich hatte er professionelle Massage gemeint, keine von einem Amateur. Gut, natürlich konnte John einzelne Partien lockern, das gehörte zu seinem Job dazu, aber eine vollständige Bearbeitung und Genesung der Muskeln war nicht sein Fachgebiet. "Ich... bin aber nicht so besonders gut darin." "Oh, ich glaube, es wird vollkommen ausreichen." Sherlock schien es ernst zu meinen. Er hatte sich mit einem kurzen Nicken zu ihm umgedreht und saß nun wieder mit dem Rücken zum Doktor, ließ seine Schultern etwas kreisen und wartete. Wartete auf Johns Hände. Auf warme, starke Hände, die sanft sein würden. Die langsam Verspannungen lockern würden, von denen der Detective sicher selber nichts wissen würde und die ihn unbemerkt in seinem Denkvermögen für den aktuellen Fall blockierten. John räusperte sich kurz, warf einen Blick á la 'ist-das-jetzt-wirklich-dein-Ernst-Sherlock?-Reicht-es-nicht-dass-du-die-Sache-mit-dem-Schal-bemerkt-und-mich-damit-lächerlich-hast-aussehen-lassen' auf den Boden und krempelte seine Ärmel hoch, während er sich Mut zuredete. 'Lediglich ein Patient, lediglich ein Patient, lediglich...Sherlock.' Er rückte den Stuhl näher an den Sessel heran und legte seine Hände schließlich auf beide Schultern des Jüngeren. Sie fühlten sich kühl an durch den Satinstoff seines Morgenmantels und John verharrte kurz, in Gedanken vertieft. 'Das ist DIE Chance, John! Jetzt kannst du zeigen, was in dir steckt! Als Arzt und als 'Liebhaber'...', flüsterte sein Gewissen mit Vorfreude und tänzelte innerlich auf und ab, während es sich die Hände rieb. John wischte alle Gedanken beiseite und begann, leichten Druck auf Daumen und Fingerspitzen auszuüben. Sofort merkte er, wie sich der Braunhaarige verkrampfte. "Hey, ganz locker. Wenn du dich verkrampfst, wird es weh tun, Sherlock." Ein stummes Nicken von Sherlock und John fühlte, wie sich der Körper unter seinen Händen immer weiter fallen ließ, wie er leichter zu bewegen war, wie er seine Hände in den Muskeln vertiefen konnte und gezielt Druck an einigen Punkten knapp neben der Wirbelsäule mit seinen Daumen massierte. Gleichzeitig strich er mit den restlichen Fingen von seinem Haaransatz über den Nacken und ließ die Bewegungen in einem Streichen auf seine Schulterblätter ausklingen. "Du bist tatsächlich ganz schön hart- VERSPANNT", korrigierte er sich lautstark und fühlte, wie Sherlock kurz zusammenzuckte. "Entschuldige", fügte er verlegen hinzu und schluckte. Dieser Ausdruck konnte natürlich nur ihm über die Lippen kommen und genau in einem so intimen Moment. Er sah den Jüngeren schon aufstehen und etwas von wegen 'Fachjargon' und 'unfähig' murmeln, während John mit hochrotem Kopf zurückbleiben würde und ein Loch suchte, wo er sich hineinverkriechen konnte. Aber nichts dergleichen geschah. Als der Doktor erneut an der richtigen Stelle an seinem Rücken ansetzte, ließ Sherlock sich sogar noch ein Stück weiter in den Sessel sinken und drückte sich Johns Fingern fast schon entgegen. Ob er jemals solch körperliche Nähe zugelassen hatte bei jemand anderem? Hatte Sherlock in seiner Jugend nie Freunde gehabt... eine Freundin? Einen Freund vielleicht, mit der oder dem er intim gewesen war?John fielen zahlreiche Komödien ein, in denen es um 'alte Jungfrauen' ging, die jenseits der 30 noch nie Sex gehabt hatten. Er hatte die Filme nie gesehen, aber allein die Titel schienen so sonderbar, so unglaubwürdig - und doch hatte er vielleicht genau so jemanden vor sich sitzen. Die Hauptpersonen in den Filmen waren stets tollpatschig, unattraktiv oder sonst irgendwie nerdig. Traf das auf Sherlock zu? Definitiv nicht. Er war smarter als jeder, den John sonst kannte, gut aussehen tat er auch, oh und wie gut! Ein Nerd war er nur manchmal und nur für Außenstehende. Solche, die ihn Freak nannten und ihm ein Verpiss dich hinterriefen. John würde es nie im Leben einfallen, auch nur in Gedanken an solche Bezeichnungen über Sherlock zu denken. Er kannte ihn besser. Besser als jeder sonst. Besser als Mrs Hudson, besser als Lestrade, besser als Molly. Besser als Maycroft? Oh, er wollte ihn aber noch soviel besser kennen lernen, besser als... "Hn." Ein leises Seufzen holte John aus seinen Gedanken. Dieser Laut war nicht unbewusst von ihm gekommen. Sondern von Sherlock. Ein tiefes, samtenes Geräusch, das im Brustkorb vibrierend schließlich über seine Lippen gekommen war und den Blonden seine Berührungen stoppen ließen. Er fühlte, wie seine Wangen heiß wurden, wie seine Hände zu kribbeln begannen, wie sein Atem flacher wurde, schneller. Der Jüngere genoss es. Er wollte von John berührt werden, er wollte es genießen. Er genoss es. Dieser zustimmende Laut hatte es bewiesen. "John?", hörte er den Bariton nun leise fragen, doch bevor Sherlock ihn über die Schulter ansehen konnte, hatte John schon seine Hände weggezogen und war aufgestanden, um Sherlock nicht ansehen zu müssen. "Wieso hörst du auf, John? Das hat sich gut angefühlt." Oh Gott! "Jaaawn", begann Sherlock fast schon kindlich zu jammern und stand ebenfalls auf, doch bevor er John erreicht hatte, war dieser schon mit einer abwinkenden Geste in Richtung Badezimmer abgezogen; ruhig, aber bestimmt. Er brauchte Abstand. Sofort. Lauter als gewollt fiel die Tür ins Schloss. Tief atmend stützte sich der Arzt über dem Waschbecken ab und drehte den Wasserhahn auf, als er leise zu fluchen begann. "Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt!" Er sammelte Wasser in seinen Händen und tränkte sein Gesicht damit, bevor er hoch und seinem Spiegelbild ins Gesicht sah. Er war hochrot um die Wangen herum und seine Augen waren weit aufgerissen. "Wieso er? Wieso gerade er?", flüsterte er sich selbst zu und sah, wie verzweifelt der Mann im Spiegel ihn anblickte. Er hätte beinahe Magenkrämpfe bei sich diagnostizieren können, wüsste er nicht genau, dass dieser Druck in der oberen Bauchregion andere Gründe haben könnte. Haben sollte. HATTE. Zu oft hatte er ähnliches gefühlt. Betont ähnliches. Nie war er wegen Frauengeschichten so zerissen wie jetzt. Nie war er so kopflos wie in diesem Moment. Er fühlte sich schwerelos, taub, benommen. Und doch klingelte diese Stimme in seinem Kopf, die seinen Namen sagte. Mit einem Seufzen. Stöhnend. Und oh, John wollte mehr davon. Er musste mehr davon hören. Sherlock sollte ihn schreien, sollte vor Lust- 'Herrje, jetzt übertreibst du aber. Führst dich ja auf wie ein pubertärer Notgeiler, Dr Watson. Komm mal runter, alles zu seiner Zeit.' John schloss mit zittrigem Atem seine Augen, holte mehrmals tief Luft und griff nach dem Handtuch, um sein Gesicht abzutrocknen, als es an der Tür klopfte. "Dr Watson?", ertönte dumpf Sherlocks Stimme durch die Holztür. "John, was ist los?" Der Ältere hing das Handtuch zurück an seinen Platz und öffnete die Tür. "..." Sherlock erwartete eine Antwort, doch John ging ohne einen Blick vorbei. "John!?" 'Wieso merkt er nicht, was er falsch macht? Er ist doch sonst so ein Genie. Aber nein, kaum geht es um zwischenmenschliches Zwischen-den-Zeilen-lesen, stellt er sich dumm. Da hast du dir ja genau den Richtigen ausgesucht, John. Das kann noch lustig werden.' "Sherlock", begann der Blonde in ruhigem Ton, drehte sich um und sah den Braunhaarigen endlich an, der etwa einen Meter entfernt stehen geblieben war im Wohnraum und jetzt aufmerksam zu horchen schien. "Ich hoffe, die Massage war entspannend. Aber du hast es ja schon bestätigt." "Machst du weiter?" John ballte die Hände an seinen Seiten zu Fäusten, bis seine Knöchel weiß hervor traten. "Krampf... in der Hand, weißt du. Besser, wir verschieben das." "Oh", machte der Jüngere nur und sein Blick wurde weicher. Er überwand die Distanz zwischen ihnen und beugte sich leicht vor, nach Johns Hand greifend. Déjà vu. "Sher-", doch der Ältere wurde mit einem Blick von Sherlock zum Schweigen gebracht. Seine linke Hand lag in der warmen des Lockenschopfs und er begann, Johns Techniken, die er eben an seinem Rücken erfahren durfte, nachzuahmen und knetete leicht über das Handgelenk bis zu seinen Fingerspitzen, umfuhr jeden Finger einzeln mit seinen langgliedrigen Fingern und drückte zu, sodass die Haut für einen kurzen Moment weiß wurde und sich gleich wieder rot färbte, als er fortfuhr. John fürchtete, dass Sherlock seinen beschleunigten Puls durch die Hand erfühlen konnte und vermied es, ihn anzusehen. Wieso ließ er es zu? Wieso ließ er ihn das hier mit sich machen? Wollte Sherlock ihn ärgern oder hatte er tatsächlich nur seinen eigenen Vorteil im Kopf, dass John mit entspannten Fingern erneut seinen Nacken massieren könnte? Er musste sich wahrlich konzentrieren, nicht zu sehr zu zittern bei diesen sanften Berührungen. "Gut?" Bei diesem Wort, dieser Frage, musste John schlucken. Er nickte stumm. Was sollte er auch antworten? An diesem Abend schien alles für ihn zweideutig zu klingen. Eine Gänsehaut überzog seine Arme und reichte bis in seine Oberschenkel, als der Jüngere schließlich auch die andere Hand bearbeitete und ruhig atmend vor ihm stand, nicht die Miene verziehend, aber irgendwie zufrieden wirkend. War Sherlock tatsächlich so naiv und tat das hier ohne jeglichen Hintergedanken sexueller Natur? Dachte er, dass Freunde das so tun füreinander? Sich gegenseitig massieren? Sich derart nahe sind? John kaute mittlerweile auf seiner Unterlippe und traute sich, die Augen zu schließen, um den Moment noch mehr genießen zu können, bevor Sherlock ihn gleich loslassen und vielleicht wieder herumkommandieren würde. Ein kleiner Moment, der so intim schien, da sie so nahe beieinander standen und er den vertrauten Sherlock-Geruch wahrnehmen konnte, ihn aufsaugen konnte und in seinem Kopf ein wahrer Filmstreifen mit geheimen Wünschen ablief, die sie beide jetzt unternehmen konnten. Doch die Realität sah anders aus. "Lunch?", riss Sherlock ihn aus seinen Gedanken und als John die Augen öffnete, war der andere schon an der Küchentheke angelangt und griff sich ein Prospekt eines Lieferservices. Hatte er wirklich nicht gemerkt, dass Sherlock längst fertig war mit der Massage und hier dumm rumgestanden? Wie doof musste er ausgesehen haben, mit verkrampfter Haltung und geschlossenen Augen und geröteten Wangen!? Wie furchtbar verzweifelt musste er auf Sherlock wirken, dass er so bei einem Mann reagierte. Wenn der Braunhaarige denn überhaupt wusste, wann man wie zu reagieren hatte. "Gute Idee", antwortete John knapp und räusperte sich, während er verstohlen auf seine kribbelnden Hände hinunterblickte, die nach ihm rochen und wunderbar warm waren... und dann schossen ihm Moriartys Worte wieder durch den Kopf von seinem Anruf vor ein paar Stunden und die Welt wurde wieder ein ganzes Stück dunkler, als sie es noch vor wenigen Augenblick war. ~~~~~ To be continued... Und wieder ist ein Kapitel beendet! Oh, es wird langsam aber sicher spannend. Ein paar Kapitel noch, dann geht es rund. In jeglicher Hinsicht ;D Kapitel 7: Ein unsanfter Morgen ------------------------------- "Hng, John..." "Ja bitte?" "Weitermachen." "Mit was genau, Sherlock?" "Frag nicht so dumm. Denk nach." "Oh, ich will es aber gern hören. Aus deinem Mund, Liebster..." ~~~~~ Es war dunkel und kalt und nass. So furchtbar nass. Er bekam keine Luft und wusste, er würde ersticken, wenn er nur versuchen würde, Sauerstoff einzuatmen, der nicht vorhanden war. Wie er hierher gekommen war, war nicht wichtig; allein die Person, die es zu retten gab, war wichtig. Und er war hier unten gefangen und sah keinen Ausweg, kein Entkommen, keine Chance, noch einmal das Tageslicht zu erblicken und diesem geliebten, so sehr geliebten, Menschen helfen zu können. Jim würde ihn umbringen, er konnte ihn nicht aufhalten. Sein Körper schrie, kribbelte aufs Äußerste, seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt und dann - fiel er. Bodenlos. Über ihm nur Blau, unter ihm graue Linien, die unaufhörlich näher kamen. Er fiel Sekunden, Minuten, Stunden- Bis John plötzlich mit einem Gefühl des Aufpralls und rasendem Puls in seinem Bett erwachte. Er rang nach Luft und starrte in die Dunkelheit. Alles, was er hörte, war sein Herzklopfen und das rauschende Blut in seinen Ohren. Er war nassgeschwitzt und krallte sich zitternd in sein Bettlaken. 'Nur. Ein. Traum. Nur ein Traum, ganz ruhig.' Es war so real gewesen. John konnte sich an jede Szene, jedes Detail, jedes Wort, jeden Gedanken und jede Empfindung erinnern, die er gespürt hatte, während er in der Themse zu ertrinken schien und Sherlock nicht vor Moriarty retten konnte. Und dann war er plötzlich von einem Gebäude gefallen - der Höhe nach zu urteilen, konnte es nur das Shard gewesen sein. Ein absoluter Alptraum. Er hatte sich so machtlos, so hilflos gefühlt und als sich sein Atem gerade ein wenig normalisierte, zog er seine Beine unter der stickigen Bettdecke an und legte seinen Kopf darauf, um die aufkommenden Tränen gleich in dem weichen Stoff versickern zu lassen. Moriartys Worte den Tag davor waren so uneinsichtig, so unvorhersehbar ausgelegt worden, dass er alles Mögliche hätte meinen können mit dem Ort und was passieren könnte. Allein die Worte, dass jemand sterben müsste, hatten Johns Innerstes wohl so aufgewühlt, dass er davon nun aus einem Albtraum erwacht war, der vorerst einer blieb. Ein dumpfes Gefühl in der Magengegend hatte der Ältere aber doch und auch nach 10 Minuten, in denen er sich halbwegs selbst zu beruhigen versucht hatte, blieb es bestehen und er beschloss, nach Sherlock zu sehen. Er musste wissen, ob es ihm gut ging. Vorahnungen waren nur so schlimm wie die Wahrheit selber, doch dafür musste er sich nun aus dem Bett schälen, wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn und sah mit einem Blick auf sein Handy, dass es 03:02 Uhr waren. Die Geisterstunde hatte also gerade begonnen. 'Wie passend.' Mit zittrigen Knien erhob er sich, lockerte kurz seine Muskeln, entschied sich, sein Shirt auszuziehen und wechselte es in ein frisches, nicht verschwitztes, bevor er die Tür öffnete und in den Flur lauschte. Alles war still. Er schlich auf Zehenspitzen hinunter zum Wohnraum, spitzte die Ohren, doch hörte wieder nichts durch die geschlossene Holztür und stand schließlich im unbeleuchteten Zimmer. Sherlock war nirgends zu sehen noch zu hören. Einzig die Straßenlaternen vor dem Haus beleuchteten den Raum mit den bodentiefen Fenstern in einem warmen Orangeton und ließen die dunklen Gegenstände bizarre Schatten an die Wand werfen. John warf kurz einen prüfenden Blick durch die Fensterscheibe, ob auch ja niemand um das Haus herumschlich, als er einen Laut, ein Stöhnen, ein Ächzen?, hinter sich hörte. Sein Kopf schnellte herum, doch es war niemand zu sehen. Das musste aus Sherlocks Zimmer kommen!? Er hielt kurz inne, horchte aufmerksam, doch es war wieder still. John zog die Augenbrauen nachdenklich zusammen und ging mit leisen Schritten in die Küche, durchquerte langsam den dunklen Flur und streckte seine Hände nach der Tür tastend aus, immer auf der Hut vor einem weiteren Geräusch. 'John, du weißt, was das Geräusch bedeuten könnte. Sherlock ist auch nur ein Mann - ein Mensch. Gerade du predigst ihm immer wieder etwas von Privatsphäre.' Sein Gewissen innerlich zur Ruhe zwingend erfühlten seine Finger das kühle, unbewegliche Holz und mit angehaltener Luft legte John nun ein Ohr an die Tür. Er kam sich vor wie ein Perverser, dass er hier einfach so vor der Tür seines Partners stand und nach Geräuschen lauschte, die anzüglich klangen oder ihm wenigstens anderweitig verrieten, ob es Sherlock gut ginge.Doch ein Wimmern, dass nicht gerade nach einer anzüglichen Situation klang, in der sich der Jüngere hätte befinden können, ließ Johns Herz schneller schlagen und er drückte die Türklinke ein Stück weit herunter, sodass er das Holz langsam öffnen konnte. Durch den Spalt war nicht viel zu erkennen: Decken, Kissen, Füße sahen am Bettende heraus - Sherlock schlief. Er lag unbewegt da. John öffnete die Tür weiter und konnte einen Blick auf das schlafende Gesicht des Braunhaarigen werfen, der mit Kopf zur Tür gewandt war und tief und ruhig atmete. Die Fenster im Raum waren verschlossen, niemand war hier gewesen, der seinem Partner hätte derart zusetzen können, wie es im Traum geschehen war. Ein Stich durchfuhr John bei dem Gedanken an diese Bilder und er bekam wieder ein schlechtes Gewissen, dass er Sherlock mit keinem Wort das Telefonat vom gestrigen Morgen verraten durfte und ihn blindlings ins Verderben ritt - reiten musste. Oder sich selbst, was eine 50:50-Chance zu sein schien, je nachdem, wie man Jims Worte auslegte. Er seufzte lautlos und ihn überkam das unbändige Verlangen, dem Jüngeren ein paar Locken aus dem Gesicht zu streichen und seine vom Schlaf leicht geröteten Wangen zu berühren, mit dem Daumen seine Lippenkonturen nachzufahren und einfach nur die Gewissheit zu haben, dass alles gut werden würde. Mit dem Fall. Mit ihnen. "Hmn...", kam es leise von dem Schlafenden und er schmatzte leicht, bevor er ein Wort schmunzelte, dass "John" ziemlich nahe kam. Dann drehte er sich auf die andere Seite und man hörte ein tiefes Seufzen. Danach war wieder alles still. Johns Finger krallten sich ungewollt leicht in den hölzernen Türrahmen und er sah mit geweiteten Augen auf die schlafende Gestalt. Sein Herz klopfte wieder wilder und er schluckte trocken. Was zum Teufel träumte Sherlock da!? Etwa von ihm?? Oder von... ihnen zusammen? Nach Luft ringend schloss er leise die Tür hinter sich und beeilte sich, in sein Zimmer zurückzukommen, um nicht noch weitere Geräusche zu vernehmen, die seine Gedanken nur umso mehr und schneller Achterbahn fahren ließen.Erst eine gewisse Situation nach Sherlocks abendlichem Duschen vor 2 Tagen, dann die anzüglichen Geräusche bei der Massage am späten Vortag und schließlich diese unbewussten Laute eben... was sollte John davon halten? Was ging in Sherlock vor? Zu gern würde er in sein Innerstes sehen, in seine Gedankenwelt, seine Psyche, und herausfinden, was der Detective gerade jetzt träumte... oder was er generell über John dachte: Assistent? Partner? Freund? Eventueller Freund? John zog die Bettdecke über sich, als er wieder in seinem Bett angekommen war und kniff die Augen zusammen, als wolle er alle Gedanken vertreiben, die ihm den Schlaf rauben könnten. Er wollte nicht darüber nachdenken. Obwohl er es tun sollte. Jim würde sie trennen. Einen von beiden würde er umlegen. Sollte John da nicht noch einmal in sich kehren und Sherlock sagen, was er fühlte, bevor er keine Möglichkeit mehr dazu hätte? Er wusste aus eigenen Erfahrungen, dass es besser war, mit dem geliebten Menschen letzte Worte auszutauschen, bevor man fiel, wie viele seiner Kameraden im Krieg. Sie alle mussten ihren Familien Lebwohl sagen, als sie Richtung Osten abgeflogen waren. John hatte vielen Soldaten ein offenes Ohr geschenkt, die ihm ihr Leid geklagt hatten, was neben seiner Ärztefunktion eine weitere Wohltat für die Männer war. Familienväter, Geliebte, Freunde, auf die ihre Lieben Zuhause warteten und die sich vielleicht nie wieder sahen. Und John sah sie alle im Krieg fallen. Besonders in Erinnerung war ihm sein Namensvetter John Waynon in Erinnerung geblieben, der kurz vor einem tödlichen Bombenanschlag noch vor Johns Augen mit seinem Freund telefoniert hatte und vor ihm in Tränen ausgebrochen war. Er hatte seinen Freund ehrlich geliebt und John Watson konnte sich gerade noch in Sicherheit bringen, bevor ein markerschütterndes Donnern den Boden erbeben ließ, eine Druckwelle ihn von den Füßen gerissen hatte und er ein Handy knapp über dem Erdboden davon fliegen sah. Der Ältere riss die Augen auf, sah in die Dunkelheit, die immer noch über der Baker Street im nächtlichen London lag und versuchte, seine schmerzenden Erinnerungen zu verdrängen. Solche Details hatte er eigentlich längst vergessen, doch manchmal kamen sie wie ein Eisberg am Horizont mit scharfer Spitze an die Oberfläche und brannten sich eiskalt in sein inneres Augenlid. Er durchlebte ungewollt viele Momente, die er Sherlock niemals erzählen konnte und wollte, obwohl es laut Ella Thompson die beste Methode war, sich mitzuteilen, um zu verarbeiten, was geschehen war. Oh, seinen Blog hatte er auch seit 2 Tagen vernachlässigt. Er hatte abwarten wollen, was Sherlock über diesen seltsamen Fall der Private Detective herausfinden konnte, doch war der gestrige Tag... John war zu abgelenkt und in Gedanken versunken, als dass er einen klaren Gedanken hätte fassen können für den restlichen Tag. Schier endlose Stunden später merkte John, wie die Müdigkeit doch endlich über ihn kam und er schlief erschöpft von seinem Gedankenwirrwarr ein. Der nächste Morgen begann ruhig. Zu ruhig. John schlug langsam die Augen auf, als die Sonne sein Zimmer blendend erhellte. Erst hielt er sich murrend die Hand über seine schmerzenden Augenlider, sog die frische Morgenluft ein, die durch das angelehnte Fenster hereinwehte und fragte sich plötzlich, wieviel Uhr es sein musste bei dem Sonnenstand. Wieso hatte Sherlock ihn noch nicht geweckt - sei es durch Geräusche oder persönlich, so wie sonst auch immer?Wie aufs Signal ertönte sein Handy auf seinem Nachttisch und verkündete den Eingang einer SMS. John tastete blind mit der rechten Hand neben sich, bis er Holz spürte und schließlich das kühle Plastik seines NOKIAs ergriff, auf dem nicht wie erwartet eine SMS von Sherlock zu lesen war, sondern von einer unbekannten Nummer. 51.5045, -0.0865 2000 - M "Was?", entfloh es ihm leise. Was sollte das und von wem - "M" wie Moriarty. Natürlich. Diese Ziffern mussten etwas mit dem Fall zu tun haben. Ob Sherlock diese SMS auch bekommen hatte? John sprang aus dem Bett, lief die Treppen mit nackten Füßen hinunter, stolperte beinahe ins Wohnzimmer und sah sich ein wenig atemlos um. Es war bereits 10.30 Uhr am Morgen - wo war der Consulting Detective schon wieder abgeblieben? Alles sah noch so aus, wie er es in der Nacht zuvor durch das dunkle Licht hatte erkennen können. Auch auf dem Küchentisch war nichts anders als den Abend zuvor, als Sherlock daran gesessen hatte und verzweifelt aufgestanden war, um eine Massage zu erhalten. Der Blonde blickte durch den Flur; Sherlocks Zimmertür war verschlossen. Nichts ungewöhnliches. Nirgends war eine Nachricht hinterlassen, keine SMS, kein Wasserrauschen aus der Dusche - sollte er vielleicht wirklich...? John tappste leise durch den Flur, öffnete vorsichtig die Holztür zu dem Zimmer, das er heute Nacht beinahe fluchtartig verlassen hatte und staunte nicht schlecht, als er den Lockenschopf unter der Bettdecke entdeckte. "Sherlock?", flüsterte er leise. Keine Antwort. "Sherlock", wiederholte er eindringlicher und tat diesmal einen Schritt auf dessen Bett zu. Er wiederholte dessen Namen noch einmal lauter, doch Angesprochener regte sich nicht einmal einen Zentimeter. Von seinen Albträumen angespornt, beugte sich John schließlich vor und zog die Bettdecke mit kribbelnden Fingern herunter. Zum Vorschein kam ein schweißgebadeter, hochroter Kopf Sherlocks, der recht flach atmete und den Älteren erschaudern ließ. Ein leises Stöhnen und eine verzogene Miene komplettierten den sichtbar schlechten Zustand seines Mitbewohners und Johns schlechte Vorahnung wurde nicht gerade gemindert. "Sherlock! Was ist los? Hast du Schmerzen!?" ~~~~~ To be continued... Kapitel 8: Eine zerreißende Erkenntnis -------------------------------------- „Wieso kannst du es dir nicht denken?“ „Ich kann es mir denken, aber-“ „John! Lass mich nicht drum betteln.“ „Oh doch, eine brillante Idee.“ „Verdammt... du...“ ~~~~~ Der Raum schien sich immer mehr aufzuheizen, obwohl die Vorhänge das Innere vor dem grellen Morgenlicht schützten. Die Fenster waren beide verschlossen, doch das allein konnte nicht der Grund für Sherlocks Verhalten sein. Schweißperlen bahnten sich ihren Weg über Sherlocks Stirn und die Haut war leicht gerötet im gesamten Gesicht. John fühlte mit seiner Handrückseite Wangen und Stirn des Jüngeren und erntete ein leichtes Seufzen dafür. „... John“, ächzte Sherlock leise, ohne die Augen zu öffnen oder sich großartig zu bewegen. „Du hast Fieber, mein Lieber“, folgerte der Doktor besorgt und schlug die Decke nun ganz auf die andere Betthälfte zurück. „Unmöglich“, murmelte der Jüngere, öffnete seine Augen nun doch ein Stück weit und atmete tief Luft ein. „Nicht unmöglich. Jeder kann mal Fieber bekommen. In deinem Fall wohl, weil du gestern morgen kein Taxi nehmen wolltest und deinem Körper zu wenig Ruhe gönnst“, widersprach John ihm und sah sich suchend im Raum um. Er brauchte seinen Arztkoffer aus seinem Schlafzimmer, Eis, Tee und ein kühles Tuch. Kurz ließ er den Kränkelnden allein und suchte sich alles zusammen. Als der Blonde gerade alles mit sich genommen und kurz vor dem Kühlschrank abgestellt hatte, hörte er einen Rumms aus Sherlocks Zimmer und konnte sich fast schon vorstellen, was das gewesen war. Er seufzte, verdrehte kurz die Augen und ließ das Eis erstmal Eis sein. An der Zimmertür angekommen, bestätigte sich seine Vermutung: Sherlock hatte versucht, aufzustehen. "Was machst du da bitte?", tadelte er ihn und sah dem Jüngeren dabei zu, wie der sich vor seinem Bett aufzurappeln versuchte, sich hinkniete und sich mit einem Arm am Bett abstützte. "Wonach sieht es denn aus, John!?", murrte er langsam mit tiefer Stimme und hob seinen roten Kopf, um zu dem Arzt aufzusehen, der immer noch unbewegt im Türrahmen stand. Sein Blick versuchte sich im Scharfstellen, doch er konnte John nur verschwommen wahrnehmen. Er kniff die Augen zusammen und massierte sich die Nasenwurzel, als sein Oberkörper auf einmal unkontrolliert nach vorn wankte und beinahe auf die hölzerne Bettkante gestoßen wäre, hätte John nicht blitzschnell reagiert und ihn aufgefangen. "Uhh", kam es von Sherlock, sein Kopf an die Schulter seine Retters gelehnt. "Hey", flüsterte John und konnte nicht verleugnen, dass ihm diese Nähe gerade unendlich gut tat, auch wenn es der unpassendste Zeitpunkt für einen Egotrip war. "Du wirst dich heute ausruhen, Sherlock. Kein Fall, keine Experimente. Nur ausruhen." "...kannnich...keinzeit...", ertönte der Bariton und John spürte das Vibrieren von Sherlocks Stimme an seiner Schulter, an der der Braunhaarige mit seinem Kopf halt gefunden hatte und nun an Johns Hals atmete. Schauer erfassten den Älteren und John schluckte, als ihn die Gänsehaut bis zu seiner Körpermitte hin innerlich erzittern ließ. "Doch, Sherlock", flüsterte er erneut beruhigend und eine Hand strich, ohne dass er sie bewusst dort hingelegt hatte, über den Rücken des Jüngeren. Sherlock war nicht er selbst. Er hatte keine Kontrolle über seinen Körper, seine Worte... er war John ausgeliefert. Er brauchte ihn. Mehr denn je. Er stand auf und zog den Protest murmelnden Sherlock mit sich. Trotz, dass er so groß war, war der Lockenkopf doch erstaunlich leicht. Nicht zu leicht, aber John hätte nicht gedacht, dass er doch die Kraft besaß, ihn relativ unproblematisch aufs Bett zurückzulegen und dass so früh am Morgen. Mit ein paar Griffen hatte er Sherlock das verschwitzte Oberteil ausgezogen und beeilte sich, ein frisches aus dem Schrank zu suchen. Mit müden Augen beobachtete der Detective sein Tun, als John ein sauberes Shirt vor sich hielt und auf Sherlock zukam, seine Arme durch die kurzen Ärmel zog und schließlich seinen Kopf durch den Kragen steckte, bevor er es scheinbar in Zeitlupe über den schwach glänzenden Oberkörper zog. "Gefällts dir?" Was? John hatte sich wohl verhört. Er sah verwirrt auf, wurde im gleichen Moment rot und schlug eilig die Decke über seinen Patienten, ohne auf seine Frage einzugehen. 'Ob es mir gefällt!? Ob ES mir gefällt? Ob... du... mir gefällst? Oh Sherlock... du stellst doch sonst keine so dummen Fragen. Das muss der Fieberwahn sein. Er will mich nur ärgern, ganz sicher. Wie sonst auch.' John kramte mit zittrigen Fingern in seinem Koffer herum, den er schließlich doch aus der Küche geholt hatte, fand das gesuchte Fieberthermometer und wurde von Sherlock mit den Augen verfolgt, als er ihm wieder näher kam, nur um ihm das kleine Röhrchen in den Mund zu schieben. Er ging während der Messung wieder in die Küche zurück, ließ sich auffallend viel Zeit beim Herausdrücken der Eiswürfel in einen Zipperbeutel und kochte währenddessen einen Kräutertee auf. Sherlock so nahe und intensiv bei sich zu spüren und das so unverhofft, hatte Johns Herzschlag innerhalb von Millisekunden ansteigen lassen. Kranke sollte man natürlich nicht ausnutzen, aber der Jüngere war so willenlos gewesen, dass er praktisch alles mit ihm machen könnte. Er könnte über sein Gesicht streichen, seine Lippenkonturen mit den Fingern nachfahren, wenn Sherlock schlief. Er könnte seinen Hals streicheln, seine Brust berühren, über seinen warmen Bauch streichen bis hin zu- "Jaaawn", kam es mürrisch aus dem Schlafzimmer und der Ältere fuhr unwillkürlich zusammen, seufzte kurz, schloss seine Augen und straffte seine Schultern, bevor er mit dem Beutel und der Teetasse wieder in den Raum trat und sich neben Sherlock setzte. "39,1° C, John." Sherlock wedelte langsam mit dem Thermometer vor seinem Gesicht herum und sah den Doktor aus halb geschlossenen Augen an. "Ok. Du bleibst heute im Bett, Sherlock." John drapierte ein weiches Tuch auf Sherlocks Stirn und legte den Beutel mit dem Eis darauf. Den Kräutertee hatte er neben Sherlocks Handy auf seinen Nachttisch abgestellt. "Ruh dich aus, damit das Fieber sinkt." "Keine Medizin?", fragte Sherlock beinahe trotzig, als wäre er gierig darauf gewesen, etwas einzunehmen, um möglichst schnell wieder auf die Beine zu kommen und sah ihn mit Hundeaugen an. "Doch, Bettruhe und Tee. Sollten die nichts bringen, sehen wir weiter. Erstmal will ich sehen, wie dein Körper darauf reagiert, absolute RUHE zu haben." Er sah Sherlock bei seinen letzten Worten durchdringend an. "Hmm", brummte Angesprochener nur, schloss die Augen und atmete ungeduldig tief ein und aus. "Brav", lobte der Doktor, nickte und verließ leise den Raum, nachdem er Sherlocks Handy ohne einen Laut vom Nachttisch mitgenommen hatte. Er konnte nur hoffen, dass Sherlock ein einziges Mal auf ihn hören würde und sich nicht wie ein Kleinkind benahm, dass aus Trotz nicht auf die Mahnungen seiner Eltern hörte und versuchte, herumzutollen. John goss sich mit dem restlichen Wasser einen Tee auf und setzte sich mit der Tasse schließlich an den Wohnzimmertisch zu seinem Notebook mit Blick auf Sherlocks Zimmertür. Er klappte das Notebook auf und holte sein Handy und das von Sherlock aus der Hosentasche. Das schwarze BlackBerry verkündet jedoch weder neue Nachrichten noch schon gelesene Nachrichten, die John von Nutzen gewesen wären. Stirnrunzelnd besah er sich erneut die SMS von Moriarty auf seinem Nokia. 51.5045, -0.0865 2000 - M Was hatten diese Ziffern zu bedeuten? Eine Telefonnummer vielleicht? Geldsummen? Postleitzahlen? Hausnummern? Koor- natürlich, Koordinaten! Das musste der Ort sein, zu dem John Sherlock mitnehmen sollte, um Moriarty zu treffen.  Eilig tippte der Doktor die Ziffern in eine Suchmaschine ein, bekam aber nichts heraus, dass ihn wirklich weiterbrachte. Er tippte die Ziffernfolgen einzeln ein, nichts Brauchbares. Vielleicht Zahlenpaare? Nein. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, ratterte sein Gehirn, während er in die Spalte der Suchmaschine sah, in der die schwarzen Zahlen auf weißem Grund zu verschwimmen schienen. Wie hatten Koordinaten überhaupt auszusehen? Wie lang waren die Ziffern dafür? Ein kurzer Blick auf Beispiele im Internet und John löschte die letzten vier Ziffern, die beinahe schon wie eine Uhrzeitangabe wirkten. 2000. 20 Uhr. 8 Uhr abends? Und mit dem Drücken der Entertaste wurden Johns Augen mit einem Mal groß und glasig. Seine Schultern sackten ein und er starrte ungläubig und mit rasend schnell ansteigendem Puls auf den hellen Bildschirm vor ihm. Er hörte nur noch sein Blut in den Ohren Rauschen. Die Landkarte, die direkt als erstes bei der Suche erschienen war, zeigte die London Bridge an. Mit zittrigen Händen dirigierte John die Maus auf die Lupe, um näher an den grünen Pfeil heranzufahren, der gut sichtbar das Ziel der Korrdinaten anzeigte, und alle Hoffnung schwand, dass nicht dieser eine Ort gemeint war, den John seit ein paar Sekunden als schlimmste Möglichkeit in Betracht gezogen hatte. The Shard. Oh bitte nicht. Er schlug die Hände vors Gesicht und massierte sich die Schläfen, als er schließlich aufstand und sich auf die Couch schleppte. Ihm war plötzlich übel und er fürchtete um seinen Kreislauf, wenn er sich nicht schnellstmöglich hinlegen würde. Die Höhe war eine Sache; schließlich war das Shard seit kurzem das höchste Gebäude in West-Europa mit über 300m. Ihm bereitete allein Sorge, dass Moriarty unberechenbar war und er ihm sogar zutrauen würde, dass er Sherlock oder ihn von der Spitze aus runterfallen lassen würde. Eine grausige Vorstellung und ganz und garnicht nach Johns Geschmack. Und was nicht nach Sherlocks Geschmack war, war die Höhe. Fast schon jammernd wälzte sich John auf der Couch hin und her, keinen triftigen Grund findend, Sherlock dort hinauf zu locken. "Wie!? Wie, wie, wie? Verdammter Moriarty!", fluchte er leise die Decke über sich an. 'Hey Sherlock, ich hab einen neuen Fall für dich. Allerdings ist das Opfer oben im Shard zu finden und Greg braucht deine Hilfe dabei!' Ja, totsichere Strategie, befand Johns innere Stimme ironisch und er setzte sich schließlich auf, krümmte sich nach vorn und legte das Gesicht in seine Hände. Totsicher ja. Und eine Strategie... ja, vielleicht. Vielleicht war es die einzig Logische, Nachvollziehbare für Sherlock. ~~~~~ To be continued... Kapitel 9: Ein warmes Gefühl ---------------------------- "Bitte." "Hm?" "John." "Ich werde alt. Meine Ohren funktionieren nicht mehr so gut, wenn du ins Kissen nuschelst. Wie war das?" "Bitte. John." "'Bitte' was, Sherlock?" "..." "Oh, meine armen alten Ohr-" "John, verdammt! Nimm mich endlich!" ~~~~~ Sein Körper glühte. Er fühlte sich kraftlos, war es nicht gewohnt und wollte dagegen ankämpfen, doch es brachte einfach nichts. Das nächste, was er fühlte, war schroffer, kurzer Teppich unter sich. Er wollte Johns Namen rufen, doch ihm war übel geworden, sodass er vorsichtshalber die Lippen aufeinandergepresst ließ, bevor er sich hier unwürdig übergab. "Hey", flüsterte John mit seiner ruhigen Stimme in Sherlocks Ohr und trotz dieses grauenhaften Wirbels vor seinem inneren Auge, jagte ihm der sanfte Luftzug an seiner erhitzten Haut eine Gänsehaut über den Rücken und sein Atem wurde etwas beruhigter, der Schwindel weniger. "Du wirst dich heute ausruhen, Sherlock. Kein Fall, keine Experimente. Nur ausruhen." "...kannnich... keinezeit", murmelte er protestierend und merkte, dass er kaum Kraft hatte, um aufzustehen und seiner Worte Taten folgen zu lassen. Außerdem spürte er nun deutlich Johns kühle Hand auf seinem Rücken, die langsam über sein verschwitztes Shirt strich und ein eigenartig schmerzstillendes Gefühl hinterließ. Sherlock entspannte seine Mimik und ließ sich automatisch ein Stück näher an den Älteren heransinken. "Doch, Sherlock." Beinahe schienen Johns Worte aus dem Kontext in den Raum geworfen, als er zwei starke Hände an seinem Körper spürte, eine unter seinem Arm hindurch auf die andere Seite zur Taille hin, die andere vornherum auf seiner Hüfte, und ehe Sherlock sich versah, hatte der Doktor ihn auf sein Bett zurückgehoben und weiche, kühle Laken empfingen den Jüngeren erneut, an denen er kurz mit den Fingern Halt suchte, da sich durch das kurze Aufrichten wieder ein leichtes Schwindelgefühl gemeldet hatte. Die Augen zusammengekniffen atmete er tief ein und aus, während John ihm wortlos das verschwitzte Stück Stoff über die Arme zog, zum Schrank eilte und mit einem frischen, weißen Shirt wieder an sein Bett trat. Sherlock beobachtete ihn mit Argusaugen, soweit ihm das überhaupt möglich war, da er sich schläfrig fühlte. Doch solange John hier war und sich um ihn kümmerte, würde er alles andere wollen als zu schlafen. Besonders nicht in dieser Situation. "Gefällts dir?", hatte er mit einem leichten Anflug von einem Schmunzeln um die Mundwinkel zu John gefragt, als dieser das neue Shirt in sichtbar langsamem Tempo, als wäre Sherlocks Oberkörper aus zerbrechslichstem, kostbarstem Muranoglas, nach unten zog, seine Augen der glänzenden Haut folgten, als wolle er sie scannen und sich ein Abbild davon in seinem Kopf schaffen und dabei scharf Luft einsog. Das Schmunzeln breitet sich auf Sherlocks Gesicht aus, als John fast schon verschreckt hochsah, die ihm gestellte Frage ihn scheinbar erst Sekunden später erreichend, sich eine sofortige Rötung auf seinen Wangen bildete und er hastig die Decke über ihn schlug, ohne ihm wie sonst üblich eine peinlich berührte Antwort zurückzuschmettern und gab ihm alsbald ein Fieberthermometer, dass Sherlock unter seine Zunge bugsierte. Er konnte nicht leugnen, dass er John gerne ein wenig neckte. Immerhin: wer Sherlock in einem Restaurant bei Kerzenschein nach Beziehungen fragte und fürchtete, dass man über sie beide reden würde, weil Sherlock ihm im Schwimmbad 'die Klamotten vom Leib gerissen' hatte und dann noch vehement abstritt, dass man sicher nicht 'sein Date' wäre - legte es dieser jemand nicht geradezu darauf an, dass man ihn weiter foppte? Für den Lockenkopf war es gerade die interessanteste Beschäftigung, wenn schon sonst nichts zu tun war und er einfach mal durch Fieber ausgeknockt im Bett liegen musste. Zum einen wusste er, dass John sicher nicht nur auf Frauen stand - dafür war sein Verhalten wahrlich zu zweitdeutig. 1. Fakt: Welcher normale heterosexuelle Mann zog in seinem Alter mit einem Jüngeren zusammen und dann auch noch mit so jemand speziellem wie Sherlock (das gab er sogar selbst zu)? 2. Fakt: John war bis heute Single. Die Beziehungen, die er scheinbar bis heute geführt hatte, hielten nie lange und Kinder hatte er auch nicht. 3. Fakt: Welcher heterosexuelle Mann wurde rot, wenn er einen anderen Mann halb nackt sah und sie sich nahe waren - besonders weil er doch Arzt war und zahllose Männer untersucht hatte bisher? Zum anderen war da Sherlock selbst, der immer mehr Gefallen an Johns Verhalten fand und merkte, wie er ihn auffällig und immer öfters deduzierte, wenn sie zusammen saßen, zusammen unterwegs waren, sich einfach... nahe waren, wie sonst auch. Aber irgendetwas schien sich geändert zu haben. Konnte es wirklich allein an John liegen? Es musste so sein. 'Deine letzte Beziehung war nichtmal eine richtige, wieso leugnest du dann den Umstand, dass John dir gefällt? Und mit Gefallen meine ich nicht als Deduktionsexperiment, sondern als Mensch, sogar als Freund, Sherlock Holmes. Meinst du nicht auch, dass du-' NEIN! Er wollte keine Beziehung mehr eingehen. Es war schon gnädig von ihm gewesen, John in sein Leben treten zu lassen. Und jetzt sollte da mehr sein, als es sowieso schon war - nämlich eine Freundschaft? Er war schließlich mit seiner Arbeit verheiratet, dass hatte er dem Blonden gleich am Anfang klar gemacht und auch sonst nie andere Andeutungen gemacht. Freundschaft, das war das höchste der Gefühle, wenn man es überhaupt so nennen konnte. Sie hatten nie darüber geredet, wie sie zueinander standen, aber es war doch das, was sie am ehesten beschrieb, das gestand Sherlock sich zumindest ein. Er hatte natürlich zahlreiche Fakten über seinen Partner feststellen können, ohne die er nicht mehr richtig er selbst war, ohne die er nicht richtig nachdenken konnte, ohne die... sein Job keine Bedeutung mehr hatte. Moment. Sein Job war alles für ihn. Er hatte immer oberste Priorität. Er war sein Adrenalin, sein Lebensinhalt, sein Hobby, sein Schlaf, einfach sein Ein und Alles. Wenn man es übertreiben wollte, befriedigte Sherlocks Job alle seine körperlichen Bedürfnisse im vollsten Maße. Er brauchte keinen Schlaf, keine Nahrung, keine Intimitäten. Und doch half ihm in dem Moment, wo er so schwach ans Bett gefesselt war, nicht einmal das. Sondern John. John, der Arzt war und sich um seinen Patienten kümmerte. John, der ihn vor einem Sturz bewahrte und ihn in den Armen gehalten hatte. John, der vehement eine Beziehung zu Sherlock abstritt und doch rot wurde, wenn sie sich näher kamen. John, der ihn bewunderte und so ganz anders war als alle Menschen vor ihm. John, der bei ihm blieb, trotz all seiner Macken und seinen Geduldsproben, die er dem Älteren antat. John, bei dem er sich wohl fühlte. Sehr wohl. Sherlock ließ sich einfach in seinen Fieberwahn hineintreiben. Gerade wollte er nicht dagegen ankämpfen. Zu gut fühlte es sich an, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und sich diesem warmen, flattrigen Gefühl in seiner Magengegend hinzugeben, dass so ganz neu und außergewöhnlich war. Vor seinem inneren Auge sah er Johns blaue Augen, sein müdes Lächeln, das nur ihm galt; er fühlte dessen Körper nach, an den er sich vor wenigen Augenblicken noch Halt suchend geschmiegt hatte. John so sanft gewesen, als er ihm über den Rücke gestrichen hatte und unwillkürlich kamen ihm sogar die geflüsterten Worte an seinem Ohr wieder in den Kopf. Johns Stimme war so beruhigend und weich gewesen. Generell schien der Ältere der weichere, sanftere von ihnen beiden zu sein. Sherlock war meist grob und fordernd, John hingegen beugte sich oft seinem Willen und so war harmoniebedürftig... dieser Gegensatz gefiel Sherlock doch irgendwie sehr. Aber noch mehr gefiel es ihm, wenn der Doktor ab und zu durchgriff und seine harte Seite zum Vorschein kam. John ließ viel zu selten den Macho raushängen und wenn, war Sherlock sichtlich amüsiert über seinen Blogger. Es gefiel ihm wirklich. Er gefiel ihm. So sehr. Erschrocken über diese Erkenntnis riss Sherlock die Augen auf, holte hörbar tief Luft und bemerkte, dass John nicht mehr im Raum war. Das kribbelnde Gefühl hatte sich von seiner Magengegend langsam Richtung Lenden geschlichen während seine Gedanken abgeschweift waren, doch glücklicherweise konnte er sich gerade noch so zur Vernunft bringen und nahm sich nun das Thermometer aus dem Mund, das schon seit ein paar Sekunden piepste und somit die aktuelle Temperatur verlauten ließ. "Jaaawn", rief Sherlock und strengte sich an, dass man seinen Gedankengängen nichts anhören konnte. Wo war der Ältere bloß wieder hingegangen? Doch als er Schritte hörte und Angesprochener kurz darauf wieder aus dem Flur auftauchte, in der einen Hand einen Plastikbeutel voll Eis darin und in der anderen Hand eine Tasse mit dampfendem Inhalt, sog er kurz lautlos Luft ein und versuchte, sein rasendes Herz zu beruhigen. Er durfte einfach nicht zu sehr nachdenken und sich somit in Dinge reinsteigern, die nie wahr wurden. Fieberwahn, beruhigte er sich vergeblich. "39,1° C, John", fügte er hinzu und tat schmollend. Er wedelte langsam mit dem Thermometer vor Johns Gesicht herum und sah den Doktor aus halb geschlossenen Augen an. "Ok. Du bleibst heute im Bett, Sherlock." John drapierte ein weiches Tuch auf Sherlocks Stirn und legte den Beutel mit dem Eis darauf. Den Kräutertee hatte er neben Sherlocks Handy auf seinen Nachttisch abgestellt. "Ruh dich aus, damit das Fieber sinkt", hörte der Dunkelhaarige ihn mit sanfter Bestimmtheit sagen, als ihn die Kühle der Eiswürfel erfasste und ihn sichtbar entspannen ließ. "Keine Medizin?", fragte er dennoch ungläubig nach und öffnete dann doch wieder seine zufallenden Augen. Er konnte doch kaum wieder schnell gesund werden, wenn er einfach nur dalag und nichts tat!? "Doch, Bettruhe und Tee. Sollte die nichts bringen, sehen wir weiter. Erstmal will ich sehen, wie dein Körper darauf reagiert, absolute RUHE zu haben."Ruhe, huh? Sherlock sah, dass John es ernst meinte und schloss wieder seine Augen. Er hatte keine Luft zu diskutieren. Sprechen war zu anstrengend."Hmm", brummte er demnach nur und verstärkte sein Missfallen mit einem ausgedehnten, hörbaren Schnaufen. "Brav." Sherlock sah ihm nach, verzog die Mundwinkel, als er sein Handy in Johns Hand entdeckte, doch kümmerte sich nicht weiter darum. Er wusste ja selber, dass er einfach nur ein wenig Ruhe brauchte. Keinen Fall, keine Deduktionen, kein Adrenalin. Wenn es nur nicht so furchtbar langweilig wäre... zu... schlafen... Stunden später erwachte Sherlock aus der samtenen Schwärze, als er eine Bewegung neben sich auf dem Bett spürte. Müde schlug er die Augen auf und stellte überrascht fest, dass es im Zimmer recht dunkel war, nur wenige Lampen erhellten den Raum. Hatte er den ganzen Tag verschlafen? Sein Blick fiel auf John, der gerade einen Waschlappen faltete und sich wieder dem Jüngeren zuwandte, als er dessen Blick bemerkte. "Hey, wie fühlst du dich?", kam die samtene Stimme des Doktors leise und er tupfte mit dem Tuch Sherlocks Stirn ab.Der zog die Augenbrauen leicht zusammen, schloss erneut die Augen und schwieg kurz, während er seinen Körper innerlich abtastete und versuchsweise Muskeln anspannte, die er vor dem Schlaf nicht mehr hatte spüren können. "Besser", antwortete er mit schwacher Stimme und öffnete wieder die Augen. "Dein Fieber ist auch etwas gesunken. 38,5° Grad." Hatte John ihm das Ding im Schlaf in den Mund gesteckt? Verdammt... "Dann bin ich morgen wieder fit?", fragte der Jüngere unbeirrt. John lachte leise auf. Doch Sherlock konnte es ihm nicht ganz abkaufen. John schien müde, ermattet - sorgenvoll? Irgendetwas schien ihm widerfahren zu sein, was nicht an Sherlock selber gelegen haben konnte. "Vielleicht, Sherlock. Wir müssen die Nacht abwarten. Es kann gut sein, dass das hier erst der Anfang einer Grippe ist." "Oh man", murrte der Jüngere und legte sich den Unterarm über die Augen. Er wollte hier raus. "Ich weiß, dass es für dich die Hölle ist, nicht aktiv sein zu können. Aber dein Körper braucht absolute Ruhe. Und du musst trinken", mahnte er ihn und hielt ihm nun ein Glas Wasser mit einem Strohhalm hin. "Oder Medizin", murmelte Sherlock, lugte unter seinem Arm hervor und sog kurz widerwillig an dem Plastikhalm. John schürzte die Lippen und schüttelte leicht den Kopf. "Weißt du, dein Körper will unerwünschte Keime loswerden und reagiert daher mit Fieber. Natürliche Schutzfunktion. Da dein Fieber bereits etwas gesunken ist, kann es genauso gut sein, dass er es von selbst schaffen kann. Du solltest dich nicht voreilig mit Drogen vollpumpen, auch wenn du das gern wolltest. Daher warten wir die Nacht ab und morgen sehen wir weiter." Seufzend drehte Sherlock sich von John weg, ohne etwas auf dessen Predigt zu antworten. Irgendwo hatte John vielleicht recht. Aber wenn es morgen nicht besser wurde, würde sich der Lockenkopf halt selber mit Medikamenten vollpumpen, würde John ihm nichts starkes geben wollen. "Versuch zu schlafen, Sherlock." John legte seine Hand kurz auf die Schulter des Jüngeren, strich federleicht mit dem ausgestreckten Zeigefinger über dessen Hals und entfernte sich dann wieder aus dem Raum, schloss jedoch nicht die Tür. Zum Teufel... Wie sollte Sherlock mit dieser Gänsehaut, die sich von seinem Hals binnen Millisekunden in Gesicht und Oberkörper ausgebreitet hatte, verdammt nochmal schlafen!? ~~~~~ To be continued... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)