Coming Closer -REMAKE- von Nea-chan (Wer sagt, dass Liebe einfach ist?) ================================================================================ Prolog: Band ~I~ Prolog: "On the Way" ------------------------------------- Coming Closer Band I - "Unverhofft kommt oft!" Prolog ~On the Way~ Hurry on, hurry on time, it's going so fast Hurry on, I can't save you Can't slow it down, you know this is your fate Are you feeling lonely? So lonely, lonely, lonely… „Nina?“ …No one hears, no one hears you… Sie zog die Nase kraus und grummelte verschlafen vor sich hin, die Musik in ihrem Ohr vermischte sich mit einem Rufen aus weiter Ferne. „Annina!“, rief es lauter, fordernder als zuvor und die Melodie verebbte gänzlich. Müde blinzelnd blickte Nina in das Gesicht ihrer besten Freundin. Hellblaue Augen die von hochgezogenen Mundwinkeln erreicht wurden, musterten sie erwartungsvoll. „Hey Chrissie… hast du mir grad den Ohrstöpsel aus dem Ohr geklaut?“ Ihre rotblonde Sitznachbarin schwang zur Antwort herausfordernd ein schwarzes, dünnes Kabel in ihrer rechten Hand herum, das zu einem MP3-Player führte und lächelte. „Schau mal lieber aus dem Fenster, wir sind so gut wie da!“ Irritiert blinzelte Nina sie an, richtete sich dann auf und beugte sich vor um durch das kleine Flugzeugfenster zu schauen. Ein ängstlicher Schauer lief ihr beim Anblick der Höhe, in der sie sich befanden, über den Rücken, doch dann wurden ihre Augen größer und ihr Mund klappte auf. Ihre Freundin grinste breit und selbstzufrieden. „Wahnsinn! Ist das Japan?!“ „Besser! Das ist Osaka! Wir fliegen den Flughafen bereits an!“ In Chrissies Stimme schwang überschäumende Vorfreude mit, ihr Ton war höher und schriller als normal. „Waaa~h! Warum hast du mich nicht eher geweckt? Oh, das ist so irre! Sie dir das an, Japan! Vor unserer Nase! In Echt!“ Ihre dunklen, braungrünen Augen wanderten über die eng besiedelte Küste, Haus an Haus stand dort in fahlem Grau aneinander. Keine Wolkenkratzer wie man es sich vorstellte, so mochte es wohl in den großen Metropolen aussehen, aber hier waren es einfache Plattenbauten, wie sie es aus Berlin kannten. Wie ihre Blicke so über die Landschaft schweiften, bekam sie nachdenkliche Falten auf der Stirn. „Du sag mal, wo ist denn der Flughafen? Ich sehe weit und breit nur Häuser.“ Chrissies Lächeln war verheißungsvoll, eine Gänsehaut überlief sie. „Da unten ist er.“ Nina folgte mit ihren Augen dem ausgestreckten, feingliedrigen Zeigefinger ihrer besten Freundin und blieb mit dem Blick schließlich auf einer rechteckigen, zuzementierten kleinen Insel direkt im Meer hängen. Erschrocken und ungläubig starrte sie den vermeintlichen Flughafen und anschließend ihre belustigt dreinschauende Freundin an. „Das ist ein Scherz, oder? Das da ist unser Flughafen?!“ Ihre Stimme klang ängstlich erregt, denn sie hatte furchtbare Flugangst. Es war ein Krampf gewesen sie überhaupt in Berlin-Schönefeld in das Flugzeug zu bekommen und erst der Start… es war ein peinliches Drama gewesen! Chrissie hatte viel Beruhigungsarbeit geleistet und letztendlich tapfer ihre Hand hingehalten, als der Flieger abhob, bereit jedes Opfer zu bringen, wenn es sie dafür beide nach Japan brachte. Doch Ninas Furcht war auch bei den beiden Zwischenstopps in Moskau und Seoul nicht weniger geworden. Eine anstehende Landung auf einer längentechnisch begrenzten Landebahn, die am Ende ins Meer mündete, klang für sie fast genauso furchtbar wie direkt abzustürzen. „Ach nee~… oh nein… oh nein, muss das sein?! Hilfe…“ Chrissie lachte leise und tätschelte aufziehend Ninas schwarz gefärbtes Haupt. „Alternativ könnte man die Stewardess ja mal fragen, ob auch eine Direktlandung im Wasser möglich ist, wenn du dich so vor der Insel graust.“ „Neeeiii~n!“, kreischte Nina empört und lies sich zurück in ihren Sitz sinken, während ihre rothaarige Freundin amüsiert lachte und verkrallte sich rechts und links in ihren Lehen. „Jetzt stell dich nicht so an, denk einfach daran, dass du danach für gute zwei Wochen im Land deines Lieblings verbringen darfst.“ Ehe Nina auf diese Anspielung antworten konnte, wurde eine Durchsage gemacht, welche die Landung ankündigte, zum Anschnallen aufforderte und in der man sich bedankte, dass man mit dieser Fluggesellschaft geflogen war. Die Vorfreude dämpfte die unbegründete Angst ein wenig, es war alles irgendwie noch sehr unwirklich… Nach Japan zu fliegen war für sie beide keine Selbstverständlichkeit! Noch vor wenigen Monaten war das für sie undenkbar gewesen. Es sei denn, man hatte mit knapp 18 Jahren genug Geld locker sitzen, um es sich aus eigener Kraft zu ermöglichen, was bei ihnen allerdings nicht der Fall war. Doch hier waren sie, hoch oben in der Luft und kreisten über ihrem Lieblingsland Japan, über Osaka und bald schon würden sie ihren ersten Schritt auf dessen Erde tun… Annina und Christin – wie sie voll ausgeschrieben hießen - waren schon seit vielen Jahren begeisterte Japan-Fans und seiner Kultur, seinen Speisen und der japanischen Populärkultur, die Manga, Anime und vor allem moderne Musik mit einschloss. Das sie die Gelegenheit bekommen hatten, ihr Traumland hautnah erleben zu dürfen, war für sie wie ein Wunder. Angefangen hatte alles einige Monate zuvor, im frühen Winter 2004… „Du Nina sag mal, kennst du die TV-Werbung wo eine Japanreise verlost wird? Hast du den Spot vielleicht schon mal gesehen?“ Nina sah mit ihren großen, mandelförmigen Augen von ihrem Teller auf. Sie saßen, ein Reisgericht essend, bei Chrissie in der Küche. Ihre Eltern waren aufgrund des Weihnachtsgeschäfts nicht da und wie sooft zuvor war Nina bei ihrer besten Freundin zu Besuch, um ihr die Langeweile zu vertreiben. „Nö, hab’sch nisch.“, sprudelte es aus ihrem vollen Mund. „Ey, lass deine Reiskörner bei dir, ich hab genug eigene.“, sagte Chrissie mit einem Anflug von einem Grinsen im Gesicht und streifte sich gespielt angewidert imaginäre Krümel von der Bluse. Genau wie sie erwartet hatte, begann Nina zu lachen. Sie hielt sich mit beiden Händen den Mund zu und lief rot an, was so lustig anzusehen war, dass ihre Freundin tonlos nach Atem ringend mit einstimmte. Als der Lachanfall langsam aber sicher an Intensität verlor und der Rothaarigen wieder möglich war, normal zu atmen, war es auch Nina endlich möglich gewesen, zu schlucken und sich wieder zu akklimatisieren. „So, jetzt aber!“, japste sie noch immer mit Lachtränen in den Augen. „Du hast die Werbung also noch nicht gesehen?“ Nina, die Größere von beiden, schüttelte den Kopf und leerte nebenbei noch schnell vorsorglich ihren Teller. Man konnte nie wissen, wie lange die nächste Lachattacke auf sich warten lies, wenn sie beide zusammen waren. „Ich hab in letzter Zeit nur noch strikt nach Fernsehzeitung die guten Filme geguckt… ich wollte meine Zeit nicht mit sinnloser Werbung oder Soaps vergeuden… Ich vergnüge mich lieber anderweitig!“ Ein breites, vielsagendes Grinsen hing am Ende des Satzes in ihrem Gesicht, verträumt blickte sie an Chrissies welliger Mähne vorbei. „Ah ja, womit denn, wenn man fragen darf?“ Ninas Feixen wechselte von vielsagend zu verlegen. „Och... Ich hab nur mal wieder an meiner Fanfiktion getüftelt.“, quietschte sie. „An Welcher?“, fragte ihr zierliches Gegenüber fordernd. „ Na, Mensch! An welcher wohl?! An der Shônen-Ai FF mit...“ Genau in diesem Moment klingelte das Telefon und sie mussten das Gespräch unterbrechen. Nina stand derweilen von ihrem Holzhocker auf, warf ihre glatten, achsellangen Haare mit einer lässigen Bewegung über die Schultern und verlies die kleine, gemütlich eingerichtete Küche und steuerte zielstrebig Chrissies Zimmer an. „War nur kurz meine Mutter. Ich schlage vor, über deine Fanfiktion reden wir später…“, sie warf Nina dabei einen Blick zu, der ihr ein Widersprechen unmöglich machte, „…kommen wir jetzt mal zu diesem Preisausschreiben.“ Die Dunkelhaarige setzte sich auf den Fußboden und lehnte sich an einen Sitzsack mit Leopardenmuster. Das Zimmer ihrer Freundin hatte die übliche Durchschnittsgröße eines Kinderzimmers. Links vom Eingang verlief bis über die gegenüberliegende Ecke eine hohe Kleiderschrankkombination, die Chrissie notgedrungen bei sich im Zimmer dulden musste, da ihre Eltern eindeutig zu viel Kram, aber gleichzeitig zu wenig Platz hatten. Rechts neben der Tür schloss ein Hochbett aus Zedernholz an, es bildete einen Durchgang zum hinteren Bereich des Zimmers. Unter ihm stand auf der rechten Seite ein kleiner Computerschreibtisch und gegenüber war eine kleine Vitrine, in der Chrissie ihre geliebten Fantasy Bücher und eine üppige Mangasammlung aufbewahrte. Hinten unter dem einzigen Fenster des Zimmers stand links ein Schriebtisch an dem sie Schularbeiten und andere Dinge verrichtete und rechts stand noch eine hohe Glasvitrine, in der Delfinfiguren und andere hübsche Sachen deponiert waren. Genau zwischen diesen beiden Möbelstücken saß Nina und lauschte gespannt. „Also, die suchen da für irgend so ein Dings ein Maskottchen, mitmachen darf jeder, der bis zur Bekanntgabe der Gewinner 18 Jahre alt geworden ist. Das wäre dann gegen Ende März nächsten Jahres." „Du mit deinem Dingsisch immer... Und worauf willst du nun hinaus?“ „Aber du mit deinem Gelegenheits-Mou, oder wie? Nun, was das Maskottchen angeht sind dem Künstler keine Grenzen gesetzt, aber es muss zu dem vorgegebenen Thema passen!“ Ein Paar blauer Augen strahlte so hell und erwartungsvoll, dass Nina sich fast sicher war, dass Chrissie nachts keine Nachttischlampe brauchen würde. „Ok… so wie du mich anschaust hast du bestimmt im Sinn, dass ich irgendwas zu diesem Wettbewerb beisteuere.“ „Du hast es erfasst! Mein Gott, das muss ich im Kalender rot anstreichen… Nina kommt mal alleine auf etwas… (i)Autsch!“ Die Gehörnte hatte einen Hausschuh nach ihr geworfen, als sie ihren stichelnden Spruch zum Besten gegeben hatte. „Du kannst gerne alleine zeichnen und teilnehmen, wenn du meine geistigen Fähigkeiten für unterbemittelt hältst!“ Herausfordernd funkelten sie sich an, natürlich lagen sie sich nicht wirklich in den Haaren. Dies war ein gespieltes Streitgespräch wie es bei ihnen durchaus öfter vorkam. Wenn man wie sie seit der 8. Klasse miteinander befreundet war, wusste man, wann der andere einen Spaß machte und wann nicht. „Erzähl mir lieber erstmal, was denn eigentlich das Thema ist, damit ich überhaupt einschätzen kann, was mich erwartet.“ Chrissie erzählte Nina von dem Thema “Süßigkeiten“ und ihrer Idee, dass sie beide doch gemeinsam ein Maskottchen entwerfen könnten, was Nina dann durch Ausreizen ihres zeichnerischen Talents zu Papier bringen müsste und sie dann unter Chrissies Namen einschicken würden. Sie wurde nämlich einen guten einen Monat vor ihrer Freundin volljährig. Nina musste nicht lange überlegen und war sogleich Feuer und Flamme, immerhin wurde dem Gewinner eine zweiwöchige Reise nach Japan finanziert, inklusiv einer Begleitperson! Zwar musste man die Organisation der Reise so gut wie selbst übernehmen, doch davor scheuten sie sich gerade am wenigsten. Noch am selben Abend hatten sie sich ein Konzept überlegt und ehrgeizig wie Nina war, stellte sie die ersten groben Skizzen des potenziellen Maskottchens fertig. Ihre Idee war es den Hauptgewinn Japan thematisch mit dem Süßigkeiten-Thema zu verbinden und herausgekommen war eine im wahrsten Sinne des Wortes zuckersüße Lolita. Pastell-Bonbonfarben wohin das Auge sah waren geplant und selbst die Accessoires waren allesamt zum vernaschen, ein bisschen mehr Kitsch und man lief wahrscheinlich Gefahr allein vom Ansehen des Bildes Karies zu bekommen. Im Verlauf der folgenden Woche stellten sie gemeinsam aus allen Skizzen die perfekte Bonbon-Lolita zusammen und Nina brachte eine passable Reinzeichnung zustande, die mit viel Geduld und Hingabe am Computer coloriert wurde, bevor sie dann fix und fertig endgültig in Richtung Bestimmungsort geschickt werden konnte. Nachdem sie den Briefumschlag in einen Briefkasten nahe Christins Zuhause eingeworfen hatten, machten sie sich auch schon wieder auf den Heimweg. Nina faltete ihre Hände wie zum Gebet vor ihrer Brust zusammen. „So, ab jetzt heißt es abwarten und Tee trinken!“ „Und nebenbei Gackt und Hyde gucken und hören.“, warf die Rothaarige ein und machte einen schmachtenden Gesichtsausdruck. „Mou! Hai! Gackto! Gackto!“, quietschte Nina vergnügt und fing an vor Begeisterung zu hüpfen. „Oh Mann, hoffentlich haben wir eine Chance! Wa~h! Ich sterbe, wenn ich nur daran denke!“, fügte sie noch hinzu. „Ist ja nicht das erste Mal, das du beim Klang seines Namens stirbst.“, gab ihr Chrissie sarkastisch zurück. „Danke! Du mich auch!“, maulte Nina vorwurfsvoll. „Nee, dann doch lieber Hyde.“ Sie grinsten sich an, die Leute auf dem Bürgersteig um sie herum schauten bereits irritiert, doch wen störte das? Die beiden Mädchen jedenfalls kein bisschen! Gackt und Hyde waren zwei in Japan sehr berühmte und begnadete Sänger, die schon seit vielen Jahren im Geschäft waren. Ihre Musik war mit keiner Westlichen zu vergleichen, selbst von der üblichen J-Musik hoben sie sich durch ihren Stil und die stimmlichen Charakteristiken stark ab. Vor ca. zwei bis drei Jahren hatten sie sich mit einem Mädchen aus einem ihrer Japanisch-Sprachkurse angefreundet, die sie damals an Gackt herangeführt hatte, durch den man dann unweigerlich auch zu Hyde kam. Seither waren sie von ihrem Talent und ihrer Ausstrahlung hin und weg. Chrissie hing jedoch mehr an Hydes Lippen, während bei Nina daheim Gackts Songs auf und ab liefen, doch jede mochte den Liebling der Anderen genauso gern. So hatten sie beide schon viele Stunden gemeinsam vor dem PC verbracht um sich unendlich viele Musikvideos, Interviews, Shows und Bilder anzuschauen und immer auf dem Laufenden zu bleiben, was die neusten Lieder betraf. Während die Freundinnen anfangs fast jeden Tag kein anderes Thema als den Wettbewerb und die eventuelle Reise hatten, stapelten sich über die gelungene Zeichnung bald andere Bilder und Unterlagen aus Ninas kreativ chaotischen Haushaltsführung und irgendwann verschwand sie schließlich – genauso wie das Gesprächsthema – in einer Schublade und damit in vorläufige Vergessenheit. Weihnachten, Neujahr, das Tauwetter, den Frühlingsbeginn, Chrissies Geburtstag und Ostern hatten sie lange hinter sich gelassen, als Annina mal wieder seit längerem zu der Uhrzeit vor dem Fernseher saß, wo eigentlich gar nichts Interessantes lief. Es war warm, die Sonne schien mild auf Berlin nieder und gelangweilt von der Einöde ihrer kleinen Einraumwohnung, löffelte sie genüsslich einen Vanillejoghurt, während das laufende Unterschichtenprogramm auf sie einrieselte. Wahllos und mit dem Löffel noch im Mund wechselte Nina die Kanäle auf der verzweifelten Suche nach einem Samstag-Mittag-Programm, das man ertragen konnte, als sie plötzlich auf einem Sender landete, auf dem sie eine hübsche Melodie dazu brachte den Daumen von der Skip-Taste zu nehmen. Es dauerte nur wenige Sekunden in denen ein paar bunte Bilder vor ihren Augen herumtanzten, doch in ihrem Kopf schien etwas ausgesetzt zu haben. Mit einem Mal rutschte ihr der Löffel aus dem Mund und fiel geräuschvoll auf den Laminatfußboden, ihre Augen waren groß wie Untertassen und sie kroch mit ihrer Nase geradezu in die Mattscheibe ihrer alten Röhre. Fröhlich zur Musik tanzte dort im TV eine kleine, hübsche Figur mit einer Fahne in der Hand die für ein Produkt der Süßwarenindustrie warb. Ninas Blick schweifte einen Moment lang in weite, zurückliegende Fernen ab und sie erinnerte sich schwach daran, dass im Fernsehen wohl angekündigt worden war, wann die Bekanntgabe der Gewinner für jenes bestimmte Preisausschreiben war, doch sie hatte es nur mit einem Schulterzucken wahrgenommen gehabt. Gewinner würden doch wohl nicht erst zur offiziellen Bekanntgabe Bescheid bekommen, oder?! Mit einem Satz sprang sie von ihrer Couch und stolperte durch ihr Zimmer bis in den Flur, wo ihr schnurloses Telefon stand. Mit zitternden Händen wählte sie Chrissies Nummer. „Geh schon ran!“ Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hob sich am anderen Ende der Hörer. Noch ehe überhaupt jemand etwas sagen konnte, brüllte sie unkontrolliert ins Telefon. „MACH DEN FERNSEHER AN!!!“ Chrissie entfernte den Hörer sofort geschockt um eine Armlänge von sich. „Bitte was?“, fragte sie vorsichtig zurück, als sie sich halbwegs sicher war, dass ihr Trommelfell das Telefonat überleben würde. „Scheiß egal! Mach einfach! Der Sender mit der Dauerwerbung, mir fällt grad der Name nicht ein!“ Ein wenig genervt von Ninas Ton und gleichzeitig etwas nervös, schlenderte sie nachgiebig samt Telefon am Ohr ins Wohnzimmer ihrer Eltern und bat ihre jüngere Schwester darum, den Sender zu wechseln. „Fertig?“, hakte Nina am anderen Ende drängelnd nach. „Ja, ja, Moment.“, antwortete Chrissie noch halbwegs gelassen, bis auch sie endlich den richtigen Sender gefunden hatte. STILLE Das Einzige, was Nina noch hören konnte, war die ausklingende Musik des Sendung, die sie selbst auch nebenher laufen ließ. „Mou... Chrissie? Noch da?“ „Scheiße...“ „Hä? Wie, was?“ „Scheiße!“ „Nani?“ „SCHEIßE!!!“ „Ist ja gut! Ich hab's kapiert!“ „Das… das ist sie! Ich meine, das ist unser...! Shit, ich hab den Brief vergessen!“, stotterte Chrissie atemlos in den Hörer und klang dabei ziemlich aufgeregt. Nina grinste sich an ihrem Ende jetzt ziemlich dämlich dreinblickend einen ab, den Gesichtsausdruck ihrer Freundin konnte sie sich lebhaft vorstellen. Doch dann kam die letzte Bemerkung Chrissies bei ihr im Kopf an und ungläubig musterte sie ihr Telefon, grade so, als könnte sie durch ihn hindurch ihre Gesprächspartnerin sehen. „Äh, was denn für einen Brief?!“ „Nina, lass alles stehen und liegen, beweg deinen Hintern auf der Stelle hier her und versuch gar nicht erst mir zu widersprechen!“ Dut, Dut, Dut... „Als ob du mir eine Wahl lassen würdest...“, murmelte Nina noch in das Mikro und stürmte dann zurück in ihr Wohnzimmer um den Fernseher auszuschalten und sich ihre Tasche zu schnappen, in der sie immer bereit allen nötigen Krimskrams hatte. Zu ihrem Glück war sie vor Kurzen direkt nach ihrem Geburtstag bei ihren Eltern ausgezogen, da sie keinerlei Ambitionen hatte mit ihnen in ein weit entferntes Ödkaff außerhalb der Stadt zu ziehen. Daher wohnte sie nun unmittelbar bei Chrissie in der Nähe und es würde mit viel Glück, was den Nahverkehrsanschluss betraf, vielleicht knapp eine viertel Stunde dauern, dann wäre sie von ihrer Neugier über den ominösen Brief befreit. Aufgeregt bearbeitete Nina die Klingel vor Chrissies Haustür, bis endlich das Türzeichen erklang und sich vor ihr die sonst so verhassten Stufen bis in den fünften Stock auftaten, die es wie immer zu erklimmen galt. „Die Zeit hätte man stoppen sollen.“, wurde sie oben angekommen von ihrer kleineren Freundin aus dem Türrahmen heraus begrüßt und ungeduldig herein gewunken. „Warte, ich geh noch mal zurück und mach’s noch mal.“, keuchte Nina schwer atmend und setzte an Kehrt zu machen. „Untersteh dich!“, drohte ihr Chrissie zischend, packte sie an ihrem linken Arm und zerrte sie in die Wohnung. Sie ließ Nina gerade genug Zeit und Luft um sich die Schuhe von den Füßen zu streifen und orderte sie dann in diktatorischer Manier in ihr Zimmer, das ab da hermetisch abgeriegelt war. Sicher vor sämtlichen Zugriffen nerviger kleiner Schwestern oder gar neugieriger Eltern. „Oh man Chrissie, jetzt sag schon, was ist los? Was für ein Brief und was war das da im Fernsehen?! Ich dachte, ich seh’ nicht richtig“, krächzte Nina und sank erschöpft auf ihre Knie, direkt vor Chrissies PC-Schreibtisch. „Das du auf dem Fußboden sitzt ist schon mal gut, dann kannst du mir jetzt wenigstens nicht mehr vom Stuhl fallen.“, sagte die Rotblonde in einem bedeutsamen Tonfall und zog unter ihrer Tastatur einen Briefumschlag hervor, der bereits geöffnet war und schwenkte ihn kurz vor Ninas Nase herum. Ein verzweifelt unterdrücktes, irres Grinsen lag ihr auf den Lippen und das machte Nina Angst! „Ich war so frei in der Zwischenzeit, wo du unterwegs zu mir warst, diesen Brief zu öffnen und mir den Rest von der Sendung anzusehen.“ Ihre Stimme wurde jetzt hoch und sie piepste etwas beim Sprechen, in Ninas Kopf ratterte alles, eine Ahnung brannte auf ihrer Zunge, schließlich logen bewegte Bilder nicht und wenn doch, dann war sie sich bei Chrissies Miene jetzt auf jeden Fall todsicher. „Wir haben gewonnen?“, hauchte sie vorsichtig. Das, was aus Ninas Mund mehr wie eine Frage als eine Feststellung geklungen hatte, wurde von ihrer Freundin mit einem jauchzenden Aufschrei bejaht und eine heftige Knuddelattacke folgte. „Jaaaa~h!!! Haben wir!!! Dieser dämliche Brief, meine Mum hatte ihn mir hingelegt, doch ich hab ihn einfach nicht beachtet!!! Da steht es schwarz auf weiß, wir fliegen nach Japan!!!“, quietschte sie ihrer am Boden liegenden Freundin ins Ohr und zappelte dabei wie ein Aal auf dem Land. Nina schlag die Arme um Chrissies schmalen Oberkörper, drückte sie fest und wälzte sich mit ihr mit. „Kreisch, nein, das glaub ich nicht… das ist einfach zu geil!“ Den restlichen Tag über telefonierten sie in der Gegend herum. Zuerst mit der Werbeagentur um das längst überfällige Telefonat bezüglich des Gewinns nachzuholen. Ehe sie sich bei der zuständigen Reisegesellschaft meldeten um das Datum der Reise festzulegen, unterhielten sich über ihre Pläne und malten sich die tollsten Erlebnisse aus. Es brauchte nicht viel um sie darauf zu bringen, das im Sommer schon oft eine ganz gewisse Person eine Tour in Japan gab, es galt also ein paar kurze Recherchen anzustellen und tatsächlich: Gackts neuste Tour fiel auf ein Datum, das mit ihren Ferien, beziehungsweise ihrem Urlaub zusammenfiel. Hibbelig forsteten sie sich gemeinsam durch die Japanischen Schriftzeichen und arbeiteten sich erfolgreich zu einem Kartenkauf für ein Konzert in Kyoto vor. Sie mussten ihre per Kreditkarte bezahlten Konzertkarten jetzt nur noch vor Ort abholen. Mit zitternden Händen telefonierte Chrissie anschließen mit der Reiseagentur und legte Datum und Zielort für die Reise fest. Ein paar Augenblicke lang sagten sie gar nichts, sondern sahen sich nur aus großen Augen gegenseitig an, in ihren Mägen fuhr eine Achterbahn der Gefühle und ihnen war irgendwie sehr mulmig zumute, aber auf eine positive Art und Weise. Dann platzte es aus Nina zuerst heraus. „Das Datum ist ideal! Stell dir nur mal vor, wir werden die Gelegenheit bekommen, Gackts neue Tour zu sehen! Wir werden ihn sehen!“, jubelte Nina. „Oh ja und ich muss unbedingt mal schauen, ob ich auch was über Laruku rausfinde… wenn wir die auch noch zu Gesicht bekämen…!“, fügte Chrissie feierlich schwärmend hinzu. Laruku war die Insider-Abkürzung von L’Arc~en~Ciel, dem Bandnamen der Gruppe, von denen Hyde der Frontsänger war. Ninas Herz so klopfte laut und wild, dass es schmerzte. Ihr kamen schon fast die Tränen bei dem Gedanken Gackt hautnah mitzuerleben, wenn es denn mit der Reservierung geklappt haben sollte, das war nämlich seit Beginn ihres Fandaseins immer eine unmögliche Hoffnung gewesen. Chrissie ging es im Bezug auf eine eventuelle Hyde-Begegnung sehr ähnlich, doch ihr Kopf war gerade voll genug um sich damit jetzt auch noch beschäftigen zu können. Es gab noch so viel zu tun, sie mussten ihre Eltern aufklären, die Reise planen und noch vieles, vieles mehr… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)