Kupfererz von BlackClover ================================================================================ Prolog: -------- Angst Sie war erfüllt von kalter, den Körper lähmender Angst. All diese Schreie. In manchen schwang Entsetzen und Furcht mit. Doch die meisten Stimmen waren von einer gierigen Erwartung und beihnahe ekstatischen Freude durchwoben, die sich mehrstimmig zu einem schrillen Misston wandelte, der in Mark und Bein fuhr und die Knochen vor Schmerzen schwingen lies. Wie ein fernes Donnergrollen, dass sich mit stetig zunehmender Kraft auf sie zubewegte, verschlucke das tosende Rauschen nun aber nach und nach, die Geräusche, der anderen... Bis sie alle nach und nach verstummten und nur noch das Rauschen überdauerte. Ein kaum hörbares Wimmern schlüpfte zwischen ihren Lippen hindurch. Es erinnerte sie an das verzweifelte aufjaulen eines sterbendes Fuchses. Erschrocken presste sie ihre Lippen fest aufeinander. So fest, dass sich ihre Zähne in das weiche Fleisch gruben und aus den schmerzenden Wunden warmes metallisches Blut in ihren Mund sickerte. Doch sie hieß den Schmerz willkommen, dämpfte er doch den grausamen Klang der tosenden Wassermassen. Wie ein Seidentuch sammelten sich nun feine Tröpfchen um sie herum und woben ein feines Netz, dass kühl ihre Haare und ihre Haut benetze. Bald schon rannen kleine Tropfen an ihren Armen herab, bis ihre Nässe von den groben Seilen, die fest um ihre Handgelenke geschlungen waren, aufgesogen wurde. Die Seile schnürten sich tief in ihre Haut ein und hielten ihre Hände auf dem Rücken gebunden. Sie sollten einen Fluchtversuch verhindern... Als sie daran dachte wusste sie nicht, ob sie nun weinen oder lachen sollte, denn wohin sollte sie fliehen. Sie wusste genau was nun passieren würde, und sie wusste es gab kein Entrinnen. Kapitel 1: 1 ------------ Ein fernes Rufen weckte sie. Ohne sich zu bewegen öffnete Maer ihre Augen und wartete, bis ihre zunächst verschwommene Umgebung langsam an Klarheit und Schärfe gewann. Durch den Spalt drang ein kleiner Strahl in ihre dunkle Behausung und ließ den Staub, der in wirbelnden Bewegungen mit ihrem Atem zu tanzen schien, erglühen. Eine Weile betrachtete sie dieses rhythmische Schauspiel, dann richtete sie sich mit einem leichten Seufzer auf und teilte so das wirbelnde Glitzern. Unter ihr raschelte das trockene Stroh, dass ihre Lagerstätte, in der kleinen Höhle, polsterte. Durch die Bewegung aufgeschreckt huschte eine Eidechse schnell durch den Spalt und verschwand im gleißenden Licht. Maer runzelte die Stirn. Die Sonne schien schon sehr hoch am Himmel zu stehen. Auch hatte das mittägliche Summen, der vielen Stadtbewohner, die in den Gassen ihren Verrichtungen nachgingen, das geschäftige morgendliche Singsang der unzähligen Menschen, die durch das Stadttor strömten, verdrängt. Von irgendwoher erreichte erneut ein vertrauter Ruf ihre Ohren. Aufgeschreckt wie die Eidechse, die sie zuvor verscheucht hatte, zog Maer sich nun eilig ihren Rock und das Hemd über und wandte sich geduckt vom Spalt ab. Der Eingang ihrer Höhle war wie immer sorgfältig mit einer flachen Steinplatte abgedeckt, die sich perfekt in das umliegende Mauerwerk einfügte und zusätzlich mit einem Stock nach hinten abgestützt war. An der Steinplatte angelangt hielt Maer noch einmal kurz inne und lauschte angestrengt. Dann nahm sie lautlos die Stütze ab und rückte die Steinplatte so leise wie möglich, Stück für Stück zur Seite, immer aufmerksam ihre Umgebung belauschend. Als der sich öffnende Spalt gerade groß genug war duckte sie sich durch das schwarze Loch in die Dunkelheit. Nun kam der anstrengende Teil. Mit ihren Fingerspitzen tastete sie die kantige Oberfläche der Steinplatte ab, bis sie die kleinen griffigen Vertiefungen gefunden hatte. Mit einiger Anstrengung schaffte sie es die Platte wieder an ihren richtigen Platz zu rücken. Nun würde niemand ihr Versteck finden, wenn er nicht gerade mit aller Kraft gegen die Steinplatte trat. Maer befand sich nun in vollkommener Finsternis. Vorsichtig geduckt lief Maer nun den schmalen Gang zu ihrer Rechten entlang. Immer wieder musste sie sich durch Verengungen hindurchzwängen und unter Vorsprüngen hindurch kriechen, doch schließlich sah sie in einem Spalt zu ihrer rechten grau das Licht hindurch scheinen. Wieder lauschte sie und als es ihr sicher erschien rückte sie das alte Holzbrett, das wie zufällig an die Mauer gelehnt stand, zu Seite und huschte ins Licht. Als ihre Augen sich an die plötzlich helle Umgebung gewöhnt hatten, warf sie schnell einen verunsicherten Blick um sich, doch sie schien es auch heute unbemerkt heraus geschafft zu haben. Während sie, so gut es ging, den verräterischen Staub von ihren Kleidern klopfte entspannte sie sich allmählich. Maer schaute zum Himmel auf. Alles überschattend ragte nun hinter ihr die Alte Mauer auf. Einst, vor langer Zeit, so hatte ihr der alte Weired erzählt, hatte sie die gesamte Stadt umfasst. Jedoch wuchs mit den Jahren die Stadt und als im Inneren der Mauern kein Platz mehr für alle Bewohner war, siedelten sich die Menschen auch vor der Stadtmauer an und bauten neue Viertel und mit ihnen eine neue Stadtmauer auf. Seitdem redete man in der Stadt immer von der Alten. Nun nicht mehr zum Schutz gebraucht überließ man das alte Bollwerk sich selbst und sie verfiel mit den Jahren. Nur dass sie nicht ungenutzt war, denn all jene, die in den Häusern und Gassen der Stadt nichts verloren hatten, die Waisenkinder, Bettler, Diebe und Aussätzigen der Stadt. (Oftmals alles zugleich) All jene nisteten sich wie eine schar Spatzen in den Höhlen, Gängen und Überständen der Alten ein. Oft kam es vor, dass ein ungewolltes Kind in der Dunkelheit irgendwo an der Mauer abgelegt und seinem Schicksal überlassen wurde. So auch Maer. Sie konnte sich nicht mehr an viel aus ihrer Kindheit erinnern und bedauerte auch nicht den Umstand ihre richtigen Eltern nicht zu kennen, denn sie hatte Weired. Bei dem Gedanken an ihn zog sich schmerzlich ihr Herz zusammen. Schlurfende Schritte rissen Maer aus dem Wirrwarr an Erinnerungen. Aus einer nahen Seitengasse war ein gebückter alter Mann herausgetreten, zumindest vermutete sie einen alten Mann, denn sein Gesicht lag noch im Schatten verborgen. Doch Maer wartete nicht darauf es herauszufinden. Unbeteiligt, so als hätte sie nur innegehalten um etwas am Himmel zu beobachten, wandte sie sich von der Gestalt ab und lief in die entgegengesetzte Richtung, der Gasse an der Mauer entlang folgend. Kurz darauf bog sie in eine abzweigende Seitengasse. Hier standen die Häuser dicht aneinander und rückten sich, mit jedem Stockwerk, immer ein Stückchen näher, so dass oftmals vom Sonnenlicht nur noch ein blasser Rest zum Boden vordrang. Immer weiter drang sie in das Grau der Gassen vor, nahm eine Abzweigung, dann wieder - und noch einmal. Dann plötzlich trat sie auf einen weiten Platz, der vom gleißenden Licht der Mittagssonne erfüllt war. Geblendet schirmte sie die Augen mit der Hand ab und betrachtete, die Sonnenstrahlen angenehm auf ihrer Haut prikelnd, die Szenerie. An den Außenrändern wechselten sich die Auslagen der hiesigen Händler in einer eingespielten Gleichförmigkeit ab und hier und da traten mal eine Magd, mal ein Botenjunge, schwer bepackt mit den erstandenen Einkäufen, aus den Schatten der Häuser und machten sich auf den Weg zu ihren Herren. Ein alltägliches Bild. Jedoch der Platz selbst war erfüllt von einem bunten Durcheinander. Überall wurden vielfarbige Zelte aufgebaut, deren Stoffbahnen aus den unterschiedlichsten Stoffen zusammengeflickt waren. Händler ordneten detailverliebt die Ware auf ihren Auslagen und beobachteten argwöhnisch ihre Umgebung. Ein Grinsen stahl sich über Maers Gesicht. Denn sie sah, wie eine Horde Jungen zusammentrat um ihr nächstes Ziel ins Visier zu nehmen. Nach kurzer Verständigung löste sich der größte der Jungen aus der Gruppe und steuerte auf einen Wagen zu, auf dem ein junger Mann vorsichtig Äpfel, Birnen und anderes Obst zu kleinen Pyramiden auftürmte. Der Junge hatte unauffällig seine Schritte beschleunigt und stieß im Vorbeigehen wie zufällig gegen den Wagen. Durch die Erschütterung in Bewegung gebracht kullerte die Ware nun kreuz und Quer über den Platz, wo sie flux von den anderen Jungen aufgelesen wurde. Fluchend Setzte sich der Händler in Bewegung, doch noch bevor er hinter seinem Wagen hervorgetreten war, hatten sich die Jungen an Maer vorbei in die Gasse verdrückt. Zunächst machte der Mann Anstalten den Jungen zu folgen, dann besann er sich aber eines Besseren und machte sich daran die Überreste des kleinen Überfalls einzusammeln. Plötzlich ragte über ihm ein Schatten auf und der braune Rock raschelte leise, als sich eine weibliche Gestalt zu ihm herunterbeugte. Maer lächelte den jungen Mann mitleidig an und reichte ihm einen Apfel, der vor ihre Füße gekullert war. „Heute ist wohl nicht der beste Tag um seine Wahre hier feilzubieten.“ Der Junge Mann zuckte mit den Schultern. „Das ist es nie, wenn Markt zur Mondgleiche ist, aber wie der Alte schon sagt. Wenn Mondmarkt ist, sind alle immer am ausgelassensten und kaufen viel.“ Besorgt blickte er sich nach seinem Stand um, dann warf er seufzend einen letzten Blick auf eine, nun von den Passanten platt getretene Ansammlung von Trauben. „Ich muss zurück zum Stand...“ sagte er mit einem entschuldigenden Lächeln „Hier ist nicht mehr viel zu retten.“ Maer sammelte noch ein paar mehr Äpfel und Pfirsiche auf und folgte dem Jungen Mann zum Stand. Als sie die aufgesammelten Stücke an ihren angestammten Platz legte schaute er auf. Plötzlich verlegen nuschelte er ein „Danke!“ und hielt ihr einen der angemackerten Äpfel hin. Doch Maer lächelte nur und lehnte dankend ab. „Lass nur ich habe gerne geholfen.“ Im weggehen wandte sie sich noch Einmal um und sagte mit einem verschmitzten Schmunzeln „Ich mag lieber Pfirsiche“ Dann machte sie sich durch das Gedränge auf den Weg zum Zentrum des Platzes. Hier stand durch eine Treppe erhöht ein großer Brunnen. Aus dessen fein ausgearbeiteten Wasserspeiern in der Form von schuppigen, finster dreinblickenden Wesen, sprudelte zu allen vier Seiten klares Wasser, dass sich im tiefen Rund darunter sammelte. Mit einem Satz schwang Maer sich nun rücklings auf den Rand und verfolgte aufmerksam das Geschehen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes errichtete eine Gruppe Gaukler gerade ihr Lager. Von ihrem erhöhten Posten aus sah sie, wie ein altes Pärchen zwei große gelbe Katzen mit schwarzen Flecken an einem Pflock anband. Den Katzen schien das nicht zu gefallen, sie zerrten an den Stricken um ihren Hals. Maer ließ ihren Blick schweifen, während der Schatten des Brunnenpfahls langsam wanderte. Mit einem hohlen Platschen wurde neben ihr ein Eimer ins Wasser getaucht. „Wo warst du denn den ganzen Morgen? Ich bin schon zum fünften mal hier!“ drang nun gereizt eine kratzige Stimme an ihr Ohr. Entspannt ließ Maer ihren Blick weiter über die Menge schweifen. „Es ist gestern etwas später geworden – Naja...“ Er gab ein unwilliges Schnauben von sich „Dann sorge dafür, dass es nicht mehr so spät wird - und jetzt komm!“ Er hiefte den vollen Eimer aus dem Wasser, dabei blieb er mit der Unterkante wie zufällig am Rand hängen und ein Schwall des eisigen Wassers ergoss sich über Maers Schoß. Sie fuhr herum und funkelte den Urheber erbost an. Schwarzes, zu einem Zopf gebundenes Haar umrahmte sein dunkles Gesicht, aus dem seine Kohlefarbenen Augen nun herausfordernd zu ihr aufblickt Er wartete lauernd auf eine falsche Regung ihrerseits. Ruß nahm jede Gelegenheit wahr um Maer zu sticheln und ihre Schwachpunkte zu erforschen. Maer wusste es genau und sie war nicht dumm genug auf seine Tricks herein zu fallen. Sie setze ein leichtes Lächeln auf und winkte ihm wie zum Abschied zu, dann schlug sie die Beine übereinander und breitete ihren nassen Rock so gut es ging aus, so dass die Sonne ihn trocknen konnte. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie ein enttäuschter Ausdruck über sein Gesicht huschte, er zögerte noch einen Augenblick, dann machte er kehrt und verschwand in der Menge. Maer ließ ihren Blick wieder ziellos über den Platz streifen, die beiden Katzen hatten sich mittlerweile ergeben niedergelegt, die langen geschmeidigen Körper ausgestreckt, den Kopf auf den Pfoten abgelegt, hechelten sie in der nachmittäglichen Hitze. Kurze Zeit später rutschte Maer von ihrem Patz an der Sonne und schlenderte scheinbar ziellos über den Platz, am Rand bog sie dann genau in die Gasse ein, aus der Ruß zuvor gekommen war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)