Ein Traum aus Asche von Palmira (Denn Blut ist auch dicker als Lyrium [Fenders]) ================================================================================ Prolog: Hängen und gehängt werden --------------------------------- Es gab schon mehrere Situationen in Anders‘ Leben, in denen er die Hüfte von jemandem umklammert hatte. Prägnant war da die liebgewonnene Erinnerung, wie er sich mit vierzehn einen Ringkampf mit einem älteren Novizen auf dem Boden der Schlafsäle geliefert hatte, weil ebenjener eine sehr schwach untermauerte These zur Verbreitung von Inzucht und Perversion in Anderfels zum Besten gegeben hatte. Anders hatte übrigens gewonnen, und wären Templer nicht ein so notorisch spaßloses Pack, hätte er auch noch eine formelle Entschuldigung aus dem Kerl herausprügeln können. Als er erwachsen und erheblich mehr verdorben war als damals, hatte er Velanna Kraft seiner neugewonnenen Vernunft zurückgehalten, als sie dasselbe (oder Schlimmeres) mit einem Söldner tun wollte, der ihr an den Hintern gegriffen hatte – auch wenn diese Tat der Einsicht von ihm verlangt hatte, sich über den ganzen Tisch zu werfen und seine Robe mit Eintopf zu tränken, um die Dalish noch zu erwischen. Velanna hatte Verständnis für sein zeitgemäßes und besonnenes Einschreiten gehabt und ihm zum Dank mit dem Ellbogen die Nase gebrochen. Ohne dabei hinzusehen, und das war vielleicht das einzige Mal, das er Nathaniel jemals lachen gehört hatte. Leider war Anders selbst immer noch nicht so weit, es lustig zu finden. Dann gab es natürlich noch solche Griffe der weniger brutalen Art, und wenn man Anders‘ Reputation glauben durfte, reichten seine intimen Eskapaden für ein ganzes Fresko in der berüchtigten ‚Perle‘ in Denerim. Und hätten es auch verdient, nebenbei. Es gab eine Menge Personen, bei denen er sich hätte vorstellen können, sie ebenfalls zu dieser Liste hinzuzufügen. Fenris gehörte nicht dazu. Und doch fand Anders sich jäh in dieser Situation wieder, und der Elf stieß ein angestrengtes, grollendes Stöhnen aus. Anders umschlang ihn so fest, als hinge sein Leben davon ab. Nun, das mochte daran liegen, dass es wirklich davon abhing. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Fenis presste einen hässlichen Fluch auf Tevene heraus, von dem Anders nur die Hälfte übersetzen konnte, aber wenn es noch genug Atem zum Fluchen gab, konnte es nicht so schlimm um sie bestellt sein. Anders atmete flach und spürte das Gewicht an seinem linken Unterschenkel, wo sich Krallen panisch durch das dicke Leder seines Stiefels gruben, spürte das Reißen seiner Muskeln, spürte die entsetzliche Tiefe unter sich. Weit, weit unter ihnen brandeten die Wellen des Wachen Meeres mit zermalmender Gewalt gegen die Klippen. Klippen, an denen bereits ganze Galeonen zerschellt waren, und Körpern aus Fleisch und Blut würde es höchstwahrscheinlich nicht besser ergehen. Und alles, was sie davon abhielt, war eine verdammte Qunari-Axt, die unter einen salzzerfressenen Stützbalken einer uralten und sinnlos in den Himmel führenden Brücke gehakt war. Fenris krallte sich am Griff seiner Waffe fest, die Anstrengung ließ die Stränge zäher Muskeln unter seiner olivfarbenen Haut hervortreten. Zum ersten Mal fand Anders sie wesentlich interessanter als die verschlungenen Bahnen von Lyrium. Und erheblich nützlicher. „Das ist alles… Eure Schuld, Magier“, spuckte der Elf, auch wenn sein mörderischer Unterton dadurch gebremst wurde, dass er nach Atem schnappte. Anders spürte das Hämmern seines Herzens selbst durch das silbrige Metall des Brustpanzers, ein stures Pumpen. Wäre er nicht gerade darauf angewiesen, sich irgendwie an Fenris‘ zu diesem Zweck nicht entwickeltem Gürtel und seinen typisch männlich-schmalen Hüften festzuklammern, hätte Anders ihm eingehend unter die Nase gerieben, dass es ihn einen Scheiß interessierte, denn Fenris waren gerade wortwörtlich die Hände gebunden, ihn dafür zu zerfleischen. Warum fielen ihm diese schönen Kalauer eigentlich erst dann ein, wenn ihn ein kurzer Fall vom Verrecken trennte?! Zu allem Überfluss hatte er seinen Stab verloren, versunken in der schäumenden Gischt unter ihnen. Anders argwöhnte, dass er entweder schwer hellseherisch oder schwer betrunken gewesen war, als er das Ding Ruf der Freiheit genannt hatte. Ausnahmsweise hatte er so gar keine Lust, diesem Ruf zu folgen. „Halt durch“, knurrte er und grub seine Finger in den Gurt, der Fenris‘ Brustpanzer an seinem Rücken festschnallte. Und meinte damit nicht sein lebendiges Haltetau, sondern das Bündel nassen Fells, das sich unter anklagendem Miauen an seinen Stiefel genagelt hatte. Fenris holte rasselnd Atem, und Anders machte den Fehler, aufzuschauen. Der Krieger war schweißüberströmt, und die Glieder seiner Kettenhandschuhe begannen, seine schwieligen Finger aufzureißen. Blut sickerte zwischen ihnen hervor und machte den Griff der Axt noch glitschiger. Es war extrem besorgniserregend, dass Fenris ihn nicht einfach abgeschüttelt hatte wie einen optimistischen Kanarienvogel. Denn es bedeutete nicht, dass der Elf plötzlich seine Liebe zu Anders entdeckt hatte oder wenigstens ausnahmsweise mal jemand Anderem außer sich selbst den Arsch retten wollte – sondern dass er es nicht konnte, ohne selbst abzurutschen. Anders traute Fenris nicht weiter, als er den Elf werfen konnte (samt seiner dämlichen Axt, für die er plötzlich dankbarer war als jemals zuvor). Aber er traute den Überlebensinstinkten eines ehemaligen Sklaven, der einen mörderischen Dschungel überlebt hatte. Etwas musste geschehen. Vorzugsweise, bevor sie in Hass vereint in einen schaumigen Tod stürzten. „Ich brauche… meine Hände frei.“ Es kostete Anders Mühe, gegen die Trockenheit in seiner Kehle anzusprechen. Vielleicht riss der heulende Wind ihm die Worte von den Lippen, aber… Andraste sei gedankt für die langen Ohren von Elfen. Das gutturale Knurren verschaffte ihm eine genaue Ahnung davon, was Fenris darüber dachte. Zwischen diesen langen Ohren befand sich nämlich das Solidaritätsdenken einer Seepocke. „Schlingt Eure verdammten Beine um mich, Mann!“ Anders spürte, wie Schweiß seine Finger glitschig machte. Er konnte sich nicht lange halten, und auch wenn Fenris für einen reaktionären Granitschädel beschissen stark war, das Gewicht von zwei Körpern und eines fetten Fellknäuels überstieg auch seine Kräfte. Er würde es nicht einsehen. Offenbar zerplatzte er lieber wie ein rohes Ei da unten, als sich von Magie retten zu lassen. Anders schloss die Augen und keuchte sämtliche Verwünschungen in sämtlichen Sprachen, die er kannte. Schien ihm eine gute Art zu sterben – fluchend und in inniger Umklammerung mit der Person, die er vielleicht nicht am meisten auf der Welt hasste, aber die nur gegen die Konkurrenz verloren hatte. Knapp. Plötzlich schlossen sich schlanke schwarze Beine um seinen Brustkorb und pressten den Atem heraus, sodass der Strom an Flüchen mit einem ungrazilen ‚Uff!‘ endete. Wer auch immer Fenris‘ Bett teilte, man konnte ihn oder sie sicherlich daran erkennen, dass am nächsten Morgen alle Rippen gebrochen waren. Anders lockerte seine Finger und rutschte ein erschreckend großes Stück ab, seine Robe schrammte gegen den Panzer, und er musste alle Selbstbeherrschung aufbieten, um sich nicht wieder festzuklammern. Fenris‘ nackte Zehen gruben sich in seinen Rücken, und seine Oberschenkel zitterten, als der Elf alles aufbot, was er sich noch abverlangen konnte. An diesem Punkt war es vermutlich nicht mehr Muskel-, sondern Willenskraft. Anders zwang sich, die Magie zu rufen, sie durch seinen Geist fließen zu lassen, auch wenn jeder panische Gedanke sie zu blockieren versuchte. Es war nicht, wie einen Oger mit gesenkten Hörnern auf sich zustürmen zu sehen. Das war nicht die Hitze des Gefechts. Es war eher: Wenn du nicht in den nächsten zwei Herzschlägen das bisschen Elementarmagie zusammenkratzt, was du hast, wirst du so krepieren, wie Oghren es immer gesagt hat: mit dem Gesicht im Schritt eines anderen Kerls und deinen Röcken über’m Kopf. Dürfte Spaß machen, Anders. Die Magie antwortete ihm. Aber nicht nur sie. Fenris‘ Male glommen auf wie ein Netzwerk giftiger Ranken, das einen tosenden Strom Lyrium in die Ordnung von Anders‘ Zauber rammte. Anders konnte nicht einmal schreien, als die schiere Wucht sie in die Tiefe riss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)