Überraschungen von Kassna ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Überraschungen "Was zum Geier machst du da?" Violen erhob sich gerade weit genug vom Sofa, um über die Lehne zur Wohnungstür zu schauen, durch die sein Mitbewohner gerade hereinstolperte. Eine große Tüte im Arm. Das war nie ein gutes Zeichen, soviel war sicher. "Ich war einkaufen!" "Ach. Das sehe ich auch. Die Frage, die sich mir stellt, lautet auch eher 'Der Kühlschrank ist voll. Der Wocheneinkauf war gestern. Möchtest du unseren Balkon zum Gefrierschrank umfunktionieren oder erwartest du spontan das halbe Bataillon zum Abendessen? Ungeachtet der Tatsache, dass wir dienstfrei haben, Commander Edwards sowieso nie mit deinen Kochkünsten einverstanden sein wird und diese Wohnung selbst für ein Viertel der Truppe zu klein wäre?!'." Er hob spöttisch eine Augenbraue und beobachtete, wie Kim die Einkäufe auf dem Esstisch ablud. Klischeegerecht wählte eine Tomate just diesen Augenblick, selbstmörderisch davonzukullern - sie kam allerdings nicht weit, denn noch hatte sich niemand die Mühe gemacht, das Geschirr von gestern Abend wegzuräumen. "Als ob ich Edwards und die Jungs hier reinlassen würde. Nee. Das ist eine Überraschung! Also, für dich. Glaub' ich." Kim blies sich eine vorwitzige dunkle Haarsträhne aus der Stirn und grinste breit. "Weil du doch mein Lieblings-Vio bist." Wenn er bedachte, dass er noch vor einigen Jahren vor Schreck auf dem Flur der Akademie erstarrt war, als er den berüchtigten Offiziersanwärter mit dem schlagkräftigen Ruf das erste Mal gesehen hatte, wunderte sich Kim schon manchmal, wie es soweit hatte kommen können, dass er solche Scherze machen konnte, ohne dafür mächtig auf die Nase zu bekommen. Ganz zu schweigen davon, dass sie sich inzwischen sogar eine Wohnung teilten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er nach allen Regeln der Kunst zusammengeschlagen im Krankenhaus enden würde, war auf jeden Fall viel höher gewesen als die, dass sie sich heute nur noch an der Spielkonsole virtuell verprügelten... Nicht, dass er sich beschweren wollte. So war es ihm auf jeden Fall lieber. Doch bei seinem Plan für den Abend hatte er wie immer gar nicht groß über eventuelle Konsequenzen nachgedacht. Im Laden war es ihm wie eine gute Idee erschienen - der direkte Blickkontakt mit diesen dunklen, spöttischen Augen brachte seinen Optimismus dann allerdings doch kurz ins Wanken. Ruckartig drehte er sich zum Kühlschrank um und begann, den Inhalt desselben intensiv zu mustern. "Eine Überraschung. Für mich." Der pure Unglaube war sehr gut zu vernehmen. "Jepp. Also, wenn du vielleicht nicht ganz so genau zugucken würdest..." Hinter seinem Rücken hörte er, wie das Sofa leise ächzte. Schritte tappten leise in seine Richtung. "Ich muss eh noch ein paar Berichte schreiben. Bin in meinem Zimmer, wenn du mich dann suchst." Kurz wurde ihm durch die halblangen Haare gestrubbelt, dann klackte eine Tür und Kim war allein in der Wohnküche. In seinem Zimmer lief Violen erstmal metaphorische Spuren in den Teppichboden. Er hatte Geduld gelernt in den letzten Jahren - zumindest redete er sich das ein. Die Wahrheit war wohl eher, dass er immer besser darin wurde, seine Ungeduld zu verstecken, auch vor sich selbst. Es war nur... Er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, hier zu sein. Hier, bei einem anderen Menschen, einem Freund. Als er aus Amerika nach Deutschland gekommen war - na gut, 'von seinem Vater gezwungen wurde, spontan umzusiedeln' - um die Akdamie zu besuchen, war er zornig gewesen, gewillt, alle von sich zu stoßen (den Herrn Papa an vorderster Front). Das hatte gut funktioniert. Nun ja, bis Kim aufgetaucht war und sich nach einer langen Schockstarre viel mehr für ihn und seine Freundschaft interessiert hatte, als es ihm recht gewesen war. Aus der heutigen Perspektive gesehen musste er ihm dankbar sein. Mit diesem Gedanken und einem mittlschweren Seufzer ließ er sich auf den Schreibtischstuhl fallen und wischte einige der nervigen "Was wäre, wenn"-Fragen von seiner geistigen Liste. Nutzte ja alles nichts. Ja, er wäre ein anderer Mensch, hätte er Kimberley Hale nie getroffen. Er wäre wohl immer noch der bösartige Kotzbrocken, der alle in den Wahnsinn treiben konnte - seinen Vater mal ausgenommen. Und was war er jetzt? Ein mittelprächtiger Kotzbrocken mit einer ungesunden Fixierung auf die einzige Person im Umkreis, die mit ihm umzugehen wusste. NeinNeinNEIN. Argh. Zu pessimistisch. Zu weit an der Realität vorbei. In gewisser Hinsicht vielleicht aber auch zu nah. Als es geraume Zeit später leise klopfte, starrte Vio immer noch auf die leeren Blätter auf dem Schreibtisch. Das ganze Grübeln hatte nichts gebracht und die Berichte hatten sich leider auch nicht wie von Zauberhand selbst geschrieben. Seufzend stand er auf und verließ sein Zimmer. Im Türrahmen blieb er allerdings abrupt stehen. "Äh... Kim? Gibt es da etwas, was du mir sagen möchtest?!" Hochgradig verwirrt betrachtete er den Esstisch. Zwei Gedecke, Weingläser, verführerisch dampfende Töpfe, Kerzen. Und als wäre das noch nicht genug, sogar eine Tischdecke! Er fühlte spontan den Drang, sich einfach auf den Boden fallen zu lassen und hilflos zu lachen. Was zum Geier...? "Überraschung!" Der Verursacher des ganzen Dilemmas stand locker an den Tisch gelehnt da und grinste bis über beide Ohren. "Jetzt schau' nicht so. Setz' dich lieber, bevor du noch umfällst." Galant zog er einen Stuhl zurück und bedeutete Vio mit großer Geste, doch bitte Platz zu nehmen. Als der immer noch völlig Geschockte zu seiner Zufriedenheit saß, ging er selbst auf die andere Seite des Tisches und ließ sich weiterhin grinsend auf den Stuhl fallen. "Habe ich was verpasst? Ist heute der erste April?" "Mitten im Februar? Nee. Viel besser. Weißt du, eigentlich wollte ich zur Feier des Tages meine Schwester einladen, aber die kann derzeit nicht weg und das Geld, um deine Hanna aus den USA einfliegen zu lassen, das hab' ich auch nicht..." "Also?" "Also tut es mir sehr leid, aber du wirst heute mit mir vorlieb nehmen müssen. Mit mir und meinen kümmerlichen Kochkünsten." Mit diesen Worten hob er die Deckel von den Töpfen und offenbarte den Blick auf... Nudeln. Und Tomatensoße. Das führte dazu, dass Vio nun doch lachen musste und es gelang ihm tatsächlich, es nicht mehr ganz so hilflos klingen zu lassen. "Einen Salat gibt es auch. Und Pudding. Und Wein!" "Das einzige an der ganzen Menüfolge, wovon du wirklich was verstehst, oder?" "Genau. Mit irgendwas muss ich doch glänzen können." Kim zwinkerte schelmisch. "Ich hab' auch kurz darüber nachgedacht, dir eins von diesen kitschigen Lebkuchenherzen zu kaufen, aber die Aufschriften entsprachen alle nicht ganz dem, was ich mir vorgestellt hätte... Daher gibt es jetzt das kitschige Essen, ohne Lebkuchenherz und leider ohne Damenbesuch. Wie gesagt, eine hat keine Zeit, für die andere hab' ich kein Geld." Er stockte kurz und verzog das Gesicht. "Ähm... Ja. Bevor ich noch mehr komischen Kram raushaue... Guten Hunger. Und frohen Valentinstag!" ... "Kim?" "Hm?" "Du hast schon irgendwie 'nen Schaden, oder?" "Ja. Deshalb bist du mit mir befreundet, schon vergessen?" ... "Kim?" "Jepp?" "... Danke." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)