Prince of Lies von Morwen (Kid Loki vs. The Avengers) ================================================================================ Kapitel 4: Fire in the Sky -------------------------- A meteor shower is a celestial event in which a number of meteors are observed to radiate, or originate, from one point in the night sky. These meteors are caused by streams of cosmic debris called meteoroids entering Earth's atmosphere at extremely high speeds on parallel trajectories. Most meteors are smaller than a grain of sand, so almost all of them disintegrate and never hit the Earth's surface... ~*~ „Mir gefällt das nicht“, sagte Clint leise zu Natasha. Er warf einen misstrauischen Blick zu den Neuankömmlingen hinüber, die sich auf dem Balkon angeregt mit Steve, Tony und Carol unterhielten. Es handelte sich um drei Männer, die ihm alle vage bekannt vorkamen, insbesondere ihr Anführer, ein kahlköpfiger, älterer Herr, der in einem Rollstuhl saß. Die beiden anderen waren ein junger Mann Mitte zwanzig, der eine futuristisch aussehende Brille mit roten Gläsern trug, sowie ein Mann unschätzbaren Alters – zwischen fünfunddreißig und fünfundfünfzig schien alles möglich zu sein – der mit grimmiger Miene neben seinen Begleitern stand, ohne etwas zu sagen, auch wenn seine wachsamen Augen keine Zweifel daran ließen, dass er die Diskussion genau verfolgte. Seine Instinkte sagten Clint, dass dieser Mann gefährlich war, und der Eindruck bestätigte sich, als der andere den Kopf in seine Richtung drehte, als hätte er seine Gedanken gehört, und ihm ein wölfisches Grinsen schenkte. Und plötzlich wusste er wieder, woher er ihn kannte. Clint drehte sich weg. Sein Bick fiel dabei auf Loki, der mit untergeschlagenen Beinen auf der Couch saß, und die Fremden ebenfalls mit großem Interesse musterte. Seine Augen wanderten dabei unablässig zwischen den Sprechern hin und her, und Clint fragte sich, ob er versuchte, die Worte von ihren Lippen abzulesen. Gewundert hätte es ihn nicht. Der Junge mochte die anderen Teammitgliedern mit seiner Fassade von Unschuld und Hilflosigkeit erfolgreich um den kleinen Finger gewickelt haben, doch Clint hatte bemerkt, dass er ein aufmerksamer Beobachter war, dem nichts um ihn herum entging, und der ebenso wenig in der Lage zu sein schien, abzuschalten, wie er selbst. Wäre Loki keine nordische Gottheit, die wiederholt versucht hatte, sie alle zu töten, dann wäre der Junge der perfekte Anwärter für die nächste Generation von S.H.I.E.L.D.-Agenten gewesen. Clint musste bei diesem Gedanken den Kopf schütteln. Loki bei S.H.I.E.L.D.... langsam ging es mit ihm zu Ende. Er drehte sich um, als er hörte, wie sich die Balkontür öffnete. Offenbar war man zu einer Art von Entscheidung gekommen und hatte beschlossen, sie den restlichen Anwesenden mitzuteilen. „Einige von euch sind bereits mit unseren Gästen vertraut“, wandte Steve sich an das Team. „Doch dem Rest möchte ich sie an dieser Stelle noch einmal vorstellen.“ Er nickte dem Mann im Rollstuhl zu und fuhr dann fort: „Dies ist Charles Xavier, Gründer und Direktor des ‚Instituts für begabte Jugendliche‘, einer Privatschule in Westchester, New York.“ „Und außerdem einer Schule für Mutanten“, sagte Pietro laut genug, dass es alle hörten, und Clint verdrehte die Augen. Der junge Mann hatte das Feingefühl eines heranrasenden Schnellzuges – was bei seinen Kräften vermutlich keine Überraschung war, doch manchmal war sein Timing wirklich nicht das beste. Wanda warf ihrem Zwillingsbruder einen erzürnten Blick zu und sagte ein paar Worte in ihrer Muttersprache, und Pietro senkte betroffen den Blick. Doch Charles Xavier schenkte ihm nur ein beruhigendes Lächeln. „Es ist in Ordnung, Pietro“, wandte er sich an den jungen Mann. „Ich denke, es ist für alle hier Anwesenden ein offenes Geheimnis, wofür der Name unseres Instituts steht.“ Sein Blick schweifte kurz durch den Raum – und erstarrte auf einmal, als er auf Loki fiel. „Oder fast alle“, fügte er nach ein paar Sekunden hinzu, einen Ausdruck auf dem Gesicht, der an Erstaunen grenzte und der Clint nicht entging, obwohl sich Charles‘ Miene sofort wieder glättete. Steve räusperte sich. „Professor Xaviers Begleiter sind Scott Summers, der auch am Institut lehrt...“ „Freut mich, euch kennenzulernen“, sagte der Mann mit der roten Brille und nickte ihnen zu. „... sowie Logan, der ebenfalls dort arbeitet.“ Der schweigsame Mann, dessen schlichte Existenz in Clint das Bedürfnis weckte, in die entgegengesetzte Richtung zu rennen, brummte nur etwas Unverständliches. Steve und Charles tauschten einen kurzen Blick, dann sagte Steve: „Alles andere wird euch Professor Xavier mitteilen.“ Charles nickte ihm dankbar zu und ergriff dann das Wort: „Wie ihr mittlerweile wisst, war Westchester – um genau zu sein unser Institut – eines der Ziele, die von den Raketen des Avengers Towers getroffen wurden.“ Bei den Worten wurden die Zwillinge bleich und es erhoben sich gemurmelte Gespräche im Raum, die jedoch sofort wieder erstarben, als Charles fortfuhr. „Zu unserem großen Glück wurde niemand verletzt“, sagte er. „Aufgrund der konstanten Bedrohungen, denen unser eigenes Team ausgesetzt ist, verfügt das Institut über ein Frühwarnsystem für Fälle wie diese, und die Rakete konnten von unseren telekinetisch begabten Mitarbeitern rechtzeitig abgefangen und entschärft werden.“ Ein kollektives Aufatmen war zu hören, und auch Clint fiel ein Stein vom Herzen, als er dies hörte. „Nachdem wir ihren Ursprung ermittelt hatten, sind wir unverzüglich aufgebrochen, um uns mit den Avengers zu beraten“, fuhr Charles fort. „Da wir in den letzten Jahren sowohl zu Mr. Stark als auch zu Captain Rogers freundschaftliche Beziehungen unterhalten haben, war uns klar, dass euer Team nicht die Ursache dafür sein konnte.“ Charles wurde mit einem Mal sehr ernst und sah sie alle der Reihe nach an. „Wer auch immer hinter dem Anschlag steckt, wir werden uns nicht einschüchtern lassen und nicht zulassen, dass Misstrauen zwischen Avengers und Mutanten geschürt wird“, sagte er. „Stattdessen werden wir die Täter gemeinsam ausfindig machen – und aus diesem Grund bieten wir euch unsere Zusammenarbeit an.“ „... und damit sind wir bei dem Teil, der euch vermutlich nicht gefallen wird, aber nötig ist, um diese Sache so schnell wie möglich zu klären“, meldete sich Tony an dieser Stelle zu Wort. „Und zwar haben wir gemeinsam mit Charles beschlossen, jeweils einen Vertreter der jeweiligen Gruppe zum Hauptquartier des anderen Teams zu schicken, um dort Nachforschungen anzustellen. Vielleicht entdecken sie als Außenstehende neue Hinweise, die dem Rest bisher verborgen geblieben sind.“ Stille kehrte ein und plötzlich schien jeder damit beschäftigt zu sein, angestrengt in die Luft oder auf die eigenen Füße zu starren. „Ich nehme an, dies ist der Moment, in dem ihr darauf wartet, dass sich ein Freiwilliger meldet“, sagte Natasha schließlich trocken. Steve seufzte. „Um ehrlich zu sein: nein“, entgegnete er. „Denn wir haben bereits eine Wahl getroffen. – Es tut mir sehr leid, Nat.“ „Schon gut.“ Natasha zuckte mit den Schultern, während Clint sie mit einem Anflug von Panik ansah. Hatten sie etwa ernsthaft über ihren Kopf hinweg beschlossen, sie zu den X-Men zu schicken? „Ich werde dann mal meine Sachen packen...“ „Das wird nicht nötig sein“, meinte Carol und schenkte ihr ein Lächeln. „Denn unsere Wahl fiel auf Luke. – Luke?“ Der große Mann sah sich um, als hoffte er, jemand anderes mit seinem Namen würde sich melden, und seufzte dann ergeben auf. „Bekomme ich ein eigenes Zimmer?“, fragte er und Clint konnte sich ein erleichtertes Seufzen nicht verkneifen. „Sogar mit Bad“, entgegnete Charles und schmunzelte. „Deal“, sagte Luke. „Ich denke, es tut mir ganz gut, für eine Weile aus dieser Stadt rauszukommen. – Gebt mir fünf Minuten, um zu packen.“ Mit diesen Worten machte er sich auf den Weg zu seinem Zimmer. „Und wen bekommen wir dafür?“, fragte Pietro und sah die drei Mutanten misstrauisch an. „Einen unserer besten Agenten“, entgegnete Charles und warf dem Mann zu seiner Rechten dann einen Blick zu. „Logan... wenn ich bitten darf?“ „Was?“, entfuhr es Clint. „Was?“, fragte Logan nicht minder irritiert. Selbst Scott wirkte überrascht. „Ist das Ihr Ernst, Professor?“ „Diese Sache ist sehr wichtig“, erwiderte Charles ruhig, aber unnachgiebig. „Ich setze alle meine Hoffnungen in dich, Logan.“ „... fantastisch“, knurrte der andere. Oh ja, dachte Clint. Einfach fantastisch. Er wollte schon immer mal Wolverine als Mitbewohner haben. ~*~ „Der Junge, den ihr aufgenommen habt“, sagte Charles später, als er und Tony für ein paar Minuten allein waren, „nehmt euch in Acht vor ihm.“ Sie befanden sich im Hangar vom Avengers Tower, nicht weit vom Jet der X-Men entfernt, in dem Luke gerade mit Scotts Hilfe seine Sachen verstaute. „Warum?“, fragte Tony und hob eine Augenbraue. „Was hast du in seinen Gedanken gesehen?“ „Nichts“, entgegnete Charles. „Ich bin gar nicht erst so weit durchgedrungen. Sein Geist wird von starker Magie geschützt.“ „Wahrscheinlich kehren seine magischen Fähigkeiten langsam zurück“, meinte Tony nachdenklich und rieb sich den Nacken. „Wir behalten ihn auf jeden Fall im Auge.“ „Gut.“ Charles wirkte zufrieden. Dann schien er für einen Moment tief in Gedanken versunken zu sein. „Ich weiß, es geht mich nichts an“, fuhr er schließlich behutsam fort. „Aber was diese andere Sache betrifft...“ „Welche andere Sache?“ Tony sah ihn fragend an. „Rede mit ihm“, sagte Charles ruhig. „Ihr funktioniert sonst nicht. Und für das, was vielleicht noch auf uns zukommt, ist es wichtig, dass ihr es tut. Als Team... und als Partner.“ Ein harter Ausdruck trat bei diesen Worten auf Tonys Gesicht und er verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast Recht“, erwiderte er kühl. „Es geht dich tatsächlich nichts an.“ Charles nickte verstehend. „Verzeih mir. Alte Gewohnheiten sterben nur schwer aus.“ Sie sprachen für ein paar Minuten kein Wort miteinander, sondern sahen zu, wie die beiden anderen Männer ihre Arbeit beendeten und schließlich an Bord gingen, bevor Scott wenig später den Antrieb startete. „Es ist so weit“, sagte Charles schließlich und lenkte seinen Rollstuhl in Richtung des Jets. „Es wird Zeit, zum Institut zurückzukehren.“ Tony lächelte schwach. „Passt gut auf unseren Mann auf.“ „Das werden wir“, versprach Charles. „Und was auch immer sich für Neuigkeiten aus seinen Nachforschungen ergeben werden: wir werden sie sofort an euer Team weiterleiten.“ „Danke“, sagte Tony, und er meinte es auch. Dann fügte er hastig hinzu: „Das gleiche gilt natürlich auch für unsere Untersuchungen. Und Logan.“ Charles lächelte. „Logan kann gut auf sich selbst aufpassen, aber ich bin mir sicher, er wird eure Bemühungen zu schätzen wissen.“ Tony lachte auf. „Falls nicht, dann sprechen wir uns wieder, wenn er sich das erste Mal mit dem Hulk anlegt.“ „Das will ich doch hoffen!“, entgegnete Charles. „Ich lasse mir ungern eine gute Geschichte entgehen.“ Vom Jet her ertönte eine Stimme. „Brauchen Sie Hilfe, Professor?“ „Das wird nicht nötig sei, Scott, aber danke!“, rief Charles zurück, und reichte Tony die Hand. „Alles Gute, Mr. Stark.“ „Und Ihnen, Professor X“, sagte Tony und erwiderte den Händedruck. Dann lenkte der andere seinen Rollstuhl die Rampe des Jets hinauf, und Tony trat ein paar Schritte zurück, als sie sich hinter ihm schloss und das Flugzeug langsam vom Boden abhob. Der Jet rotierte auf der Stelle um hundertachtzig Grad, bevor er sich in Bewegung setzte und in dem Tunnel verschwand, der ein paar Kilometer weiter in den East River mündete. Tony sah ihm nicht nach. Er hatte zu tun. ~*~ Als Tony das nächste Mal auf die Uhr sah, war es bereits kurz nach Mitternacht. Er saß inmitten eines Feldes von Trümmern, das sich auf dem Boden seiner Werkstatt ausbreitete – die Überreste der Einrichtung des Cafés, in denen er hoffte, auch Reste der Bombe zu finden. Carol und Bruce hatten ganze Kisten voll damit zum Tower zurückgebracht, die Tony schon seit Stunden systematisch durchsuchte, wobei er keinen einzigen Drahtrest oder verbrannten Fetzen Papier außer Acht ließ. JARVIS war ihm dabei eine große Hilfe, doch auch seine Scanner hatten ihre Grenzen, weshalb Tony alle Reste elektronischer Gerätschaften, die die KI entdeckte, noch mal genauer unter die Lupe nahm. Doch bisher hatten seine Bemühungen keinen Erfolg gezeigt. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er nicht merkte, wie sich die Tür öffnete. Erst, als er ein leises Räuspern hörte, wurde ihm bewusst, dass er nicht länger allein war. „Hey.“ Überrascht sah Tony auf. Steve lehnte im Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah ihm bei seiner Arbeit zu. Er war blasser als sonst, und obwohl er sichtbar dagegen ankämpfte, fielen ihm vor Müdigkeit immer wieder die Augen zu. Er hatte den Großteil des Tages über mit allen möglichen Regierungs- und Medienvertretern gesprochen und den Vorfall noch einmal genauer geschildert, wobei er sein Bestes getan hatte, die Sprecher davon zu überzeugen, dass die Avengers mit der ganzen Sache nichts zu tun hatten, sondern selbst nur Opfer eines Angriffs waren. Doch Tony zweifelte nicht daran, dass Steve insbesondere bei den Raketen in Erklärungsnot gekommen sein musste, und er hatte sich innerlich bereits darauf eingestellt, alle Verantwortung zu übernehmen. Steve sah jedoch nicht so aus, als wäre er deswegen gekommen. Stattdessen wirkte er nur völlig erschöpft und Tony merkte, wie ihn sein Gähnen ansteckte. „Komm ins Bett, Tony“, sagte Steve leise. „Du musst die Welt nicht in einer Nacht retten. Morgen ist auch noch ein Tag.“ Tony sah auf die geschmolzenen Überreste des Smartphones herab, die er gerade untersucht hatte, und legte sie dann vorsichtig beiseite. Er stand auf, wobei er Steve nicht ansah, und fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare. „Zuerst müssen wir reden“, meinte er. „Über das, was heute passiert ist.“ Doch zu seiner großen Verwirrung schüttelte Steve nur den Kopf. „Nicht heute“, entgegnete er, als er Tonys Unsicherheit bemerkte. „Ich kann mich nicht auch noch damit auseinandersetzen. Lass uns morgen reden, Tony. Heute möchte ich einfach nur noch ins Bett, und ich... ich würde mich freuen, wenn du mich begleitest.“ Er stockte kurz, und fuhr dann schnell fort, als könnte Tony ihn missverstehen. „Nicht, um zu... uhm.“ Er stockte erneut. „... sondern einfach nur zum Schlafen.“ Er senkte den Blick. „Bitte...?“, fügte er dann etwas hilflos hinzu. Und er wirkte so aufrichtig und hoffnungsvoll und verletzlich, dass Tony einen Moment lang versucht war, ihm nachzugeben. In Steves Armen würde er die Sicherheit und Erholung finden, die er so dringend brauchte. Und wenn sie am Morgen erwachten, würde er ihm sein Herz ausschütten, und Steve würde ihm geduldig zuhören und ihm alles verzeihen, wie er es am Ende immer tat. – Bis zum nächsten Mal, wenn Tony sein Vertrauen missbrauchte, und Steve ihn ansah wie ein Welpe, den man bei strömendem Regen vor die Tür gesetzt hatte. Es war ein endloser Kreislauf, und so sehr Tony sich auch bemühte, er schaffte es nicht, daraus auszubrechen. Und nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie lange Steves Herz seine Eskapaden noch mitmachen würde. Und darum verweigerte er sich diese Chance auf Frieden und Erholung, sondern nahm sich stattdessen vor, seine Fehler wieder gutzumachen, und entgegnete: „Ist schon okay, Steve. Geh schlafen. Ich werde das hier noch beenden, dann komme ich nach.“ Und er stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Steve schloss die Augen und seufzte leise. Sie wussten beide, dass Tony in dieser Nacht nicht mehr ins Bett gehen würde. Doch Steve akzeptierte seine Entscheidung und drängte ihn nicht weiter, sondern presste seinerseits einen Kuss auf Tonys Haare, bevor er sich abwandte und die Werkstatt verließ. Kaum war er gegangen, stürzte sich Tony mit neuer Verbissenheit in seine Arbeit und war bald wieder so darin vertieft, dass er den Schmerz in seiner Brust nicht länger wahrnahm. ~*~ „... ist es morgen Abend wieder an der Zeit für den alljährlichen Besuch der Perseiden“, tönte die Stimme aus dem Radio. „Also schnappt euch eine Decke und ein Fernglas, Freunde, bald könnt ihr euch wieder etwas wünschen! – Mehr zum Meteorstrom und den besten Orten in New York, an denen man Sternschnuppen beobachten kann, folgt nach der Pause.“ Die Melodie einer bekannten Deo-Werbung setzte ein und Wanda verdrehte genervt die Augen. „Pietro, mach das aus“, sagte sie, bevor sie sich wieder ihrem Buch widmete. „Aber der Bericht geht noch weiter!“, protestierte ihr Bruder, der neben ihr auf dem Bett saß, den Controller seiner XBox in der Hand. „Du hörst eh nur mit einem Ohr hin“, entgegnete Wanda ungerührt. „Ich bin Multitasker, liebe Schwester, ich kann Nachrichten hören und die nächste Runde bei Mortal Kombat erreichen.“ „Aha“, machte Wanda. „Wie soll morgen dann das Wetter werden?“ „Sonnig! Wie es sich für den Sommer gehört“, entgegnete Pietro voller Überzeugung. Seine Schwester seufzte. „Es soll morgen Vormittag regnen, Dummkopf, das haben sie sogar mehrfach gesagt“, sagte sie. „Siehst du, du hörst nicht mal richtig zu!“ Pietro starrte sie an. „Warum bist du plötzlich so gereizt?“, fragte er und plötzlich war Sorge in seiner Stimme. „Du regst dich sonst nie über solche Kleinigkeiten auf.“ „Ich weiß es nicht“, sagte Wanda leise. Sie starrte auf die Seite, ohne auch nur ein Wort wahrzunehmen. „Aber die Nachrichten... irgendwie habe ich ein schlechtes Gefühl dabei.“ Sie ließ ihr Buch sinken. „Wanda...?“ Trotz der warmen Sommerluft fröstelte sie kurz, und Pietro legte den Controller beiseite und nahm sie in die Arme. Dankbar schloss sie die Augen und lehnte die Wange an seine Schulter. „Ich glaube, dass ein Sturm auf uns zukommt...“ ~*~ Die Liste von Personen, die Bruce als Laborpartner akzeptierte, war sehr kurz. Genau genommen umfasste sie nur drei Namen. An oberster Stelle stand dabei Tony, der zu keiner festen Zeit im Labor arbeitete, sondern kam und ging, wie seine eigenen Projekte in seiner Werkstatt es gerade erforderten. Seine Nähe fühlte sich für Bruce natürlich an, und er empfand Tonys unregelmäßige Besuche zu keinem Zeitpunkt seiner Arbeit als störend. Oft halfen sie sich gegenseitig aus, ohne einander auch nur anzusehen, jeder von ihnen vertieft in seine eigenen Forschungen, doch mit einer Umsicht, als könnten sie die Gedanken und Bedürfnisse des anderen erahnen. An zweiter Stelle kam Hank, der häufig den ganzen Tag über zeitgleich mit Bruce im Labor war. Die Zusammenarbeit mit ihm war ebenfalls professionell, wenn auch wesentlich distanzierter und kühler, und während bei Tony oft Rockmusik aus dem Lautsprecher schallte, herrschte bei Hank für gewöhnlich Stille. Auch sprachen sie kaum miteinander, außer in jenen seltenen Momenten, wenn sie beide über einem Projekt völlig in ihrer Arbeit aufgingen und gemeinsam das Problem in Angriff nahmen. Dann ergänzten sie einander perfekt und arbeiteten mit einer Effektivität zusammen, die sie allein niemals aufgebracht hätten. Dies waren auch die Momente, in denen Bruce die Zusammenarbeit mit Hank am meisten genoss und in denen ihm bewusst wurde, wieso er ihn als Kollegen so schätzte. Und zu guter Letzt kam Janet. Sie war ebenfalls täglich im Labor anzutreffen, wenn auch oft nur für wenige Stunden, da sie danach noch anderen Tätigkeiten nachging, deren Ziel es häufig war, das öffentliche Ansehen der Avengers zu verbessern. Janet plauderte für ihr Leben gerne, und selbst Bruces und Hanks einsilbige Antworten hinderten sie nicht daran, ihnen stundenlang von ihrer letzten Modenschau oder der nächsten Wohltätigkeitsveranstaltung zu erzählen. Dabei hatte sie immer gute Laune und verbreitete eine angenehme, menschliche Wärme in der sterilen Laborumgebung. Den beiden Männern half sie oft bei Experimenten, die sie allein nicht hätten durchführen können, und sie war stets konzentriert und mit einer Präzision dabei, mit der sonst nur noch Tony konkurrieren konnte. Bruce arbeitete gerne mit ihr zusammen. Wer jedoch definitiv nicht auf der Liste stand, war der Junge, der seit dem späten Vormittag im Eingangsbereich des Labors herumlungerte und neugierig alle Geräte und Anzeigen betrachtete, auch wenn er klug genug war, nichts anzufassen. Bruce ertappte sich dabei, wie er schon zum dritten Mal die gleiche Tabelle mit Messwerten überflog, ohne dabei auch nur eine einzige Zahl wahrzunehmen, weil seine Aufmerksamkeit ganz bei dem Jungen war, der auf einem Drehstuhl saß und mit den Beinen baumelte. Schließlich gab er es auf und schob seufzend den Holo-Bildschirm zur Seite. „Loki“, sagte er. „Was willst du?“ Der Junge erstarrte und warf ihm einen erschrockenen Blick zu, und Bruce wurde beschämt bewusst, dass er harscher geklungen hatte, als er beabsichtigt hatte. „... ich möchte gerne zuschauen, was ihr macht“, erwiderte Loki schließlich zögernd. „Ich finde es sehr spannend, was ihr hier tut.“ „Was, mit Mikroorganismen experimentieren und stundenlang auf Bildschirme starren?“, fragte Bruce stirnrunzelnd, und die grünen Augen des Jungen flackerten auf. Er rutschte von seinem Stuhl und ging zur Tür. „Tut mir leid“, murmelte er. „Ich gehe ja schon.“ „Unsinn!“, sagte Janet, die gerade aus dem Nachbarraum ins Labor trat. Sie stemmte die Hand in die Seite und warf Bruce einen vorwurfsvollen Blick zu. „Lass ihn doch zugucken, wenn er möchte. Oder stört er dich?“ „Er ist Loki“, erwiderte Bruce, als würde dies alles erklären, doch als er Janets Miene sah, wurde ihm klar, wie lächerlich diese Begründung klang. Es gab keinen rationalen Grund, dem Jungen zu misstrauen. Es war lediglich Bruces tiefsitzende Abneigung gegen die machthungrige Gottheit, die er einst gewesen war, die ihn so misstrauisch machte. Er seufzte erneut. „Na schön“, meinte er. „Bleib, wenn du möchtest. Aber fass bitte nichts an.“ Die Augen des Jungen leuchteten auf. „Danke!“ „Willst du mich ein bisschen begleiten?“, fragte Janet ihn und lächelte. „Du kannst ja heute mein Gehilfe sein.“ „Janet, hältst du das wirklich für eine gute-“, meldete sich nun auch Hank zu Wort, der bisher schweigend der Diskussion zugehört hatte. Doch Janet unterbrach ihn sofort. „Shh“, machte sie und legte demonstrativ den Zeigefinger an die Lippen. „Ich will keine weiteren Beschwerden hören. – Loki? Komm mit mir.“ Der Junge folgte ihr eilig, als sie wieder in den Nebenraum ging. Der Raum diente in erster Linie als Lager für alle möglichen Substanzen, die sich in mehr als einem Dutzend Kühlschränken aneinanderreihten. „Du kannst mir beim Einpacken helfen“, sagte Janet und trat auf einen Tisch zu, auf dem eine Reihe von kleinen, durchsichtigen Behältern stand. „Was ist das?“, fragte der Junge mit großen Augen und nahm vorsichtig eine der Proben in die Hand. „Das?“ Janets Augen weiteten sich kurz, als sie sah, was er hielt, dann nahm sie ihm vorsichtig den Behälter ab. „Wenn du das einatmest, dann verflüssigen sich deine Knochen und dein Körper wird wie Gummi.“ „... oh.“ Der Junge schluckte. „Ja.“ Schaudernd griff sie nach einer von mehreren doppelwandigen Kisten, die unter dem Tisch gestapelt waren, öffnete sie und setzte den Behälter in die dafür vorgesehene Fassung. Anschließend klappte sie den Deckel zu, wobei sich das Schloss der Kiste automatisch verriegelte. „Unschöne Sache. Allein der Bericht über den ersten und bislang einzigen Testversuch hat mir völlig gereicht...“ „Und das?“, fragte Loki, der bereits den nächsten Behälter in der Hand hielt. „Ex... tre... mis“, las er das Etikett darauf vor. „Davon habe ich schon mal gehört. Tony und Bruce haben sich vor ein paar Tagen darüber unterhalten...“ „Extremis ist womöglich die größte Errungenschaft der Menschheit“, sagte Janet, und es schwang Bewunderung in ihrer Stimme mit. „Warum?“ Behutsam stellte Loki die Probe wieder auf den Tisch. „Weil es programmierbar ist“, erklärte Janet mit leuchtenden Augen. „Der Virus überschreibt die menschliche DNA gemäß seiner jeweiligen Programmierung und kann den Patienten im Idealfall nach dessen Wünschen ‚verändern‘. Kann alle seine Krankheiten heilen oder ihm übermenschliche Kräfte verleihen...“ Sie nahm den Behälter in die Hand und sah die trübe Flüssigkeit in seinem Inneren an. „Extremis wäre der Schlüssel zur Heilung sämtlicher Krankheiten – wäre es nur nicht so instabil und würde den Großteil seiner Patienten in lebende Bomben verwandeln.“ Seufzend griff sie nach der nächsten Kiste und setzte den Behälter hinein. „Bis zur Heilung aller Krankheiten wird es wohl noch weiterhin ein langer Weg sein.“ Loki sah zu, wie sie die Kiste verschloss. Er wirkte sehr nachdenklich. „Ist es nicht gefährlich?“, fragte er schließlich, und Janet hob den Blick, um ihn anzusehen. „Diese Dinge hier zu lagern, meine ich. Gerade, wenn ihr angegriffen werdet...“ „Du hast Recht“, entgegnete Janet und lächelte. „Das ist auch der Grund, weshalb ich sie alle einpacke.“ Er sah sie verwirrt an. „Hank, Bruce und ich haben beschlossen, die besonders gefährlichen Sachen zu unseren Kollegen im Baxter Building zu schicken“, erklärte sie. „Die Fantastic Four sind auf solche Dinge spezialisiert und haben wesentlich bessere und sicherere Lagerungsmöglichkeiten. Bei ihnen werden die Proben gut aufgehoben sein.“ Doch die Antwort schien dem Jungen nicht zu reichen. „Aber warum überhaupt aufheben?“, fragte er. „Warum vernichtet ihr sie nicht einfach, wenn sie so viel Schaden anrichten können?“ „Ah“, sagte Janet und dachte für einen Augenblick nach. „Das ist eine berechtigte Frage... Und die Antwort ist wahrscheinlich ebenso einfach, wie komplex: weil wir Wissenschaftler sind. Und Wissenschaftler sind zu neugierig, als dass sie das Feuer, das sie verbrennen könnte, in Ruhe lassen oder gar löschen könnten. Denn hin und wieder machen sie Entdeckungen, die das Spiel damit lohnen.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Hilfst du mir jetzt, den Rest auch noch zu verpacken?“ ~*~ „Du gehst falsch an die Sache heran“, sagte Logan, nachdem Carol den mittlerweile vierzehnten Augenzeugen zur Explosion im Café befragt hatte, ohne irgendwelche neuen Informationen erhalten zu haben. Logan hatte im Nachbarraum gestanden und die Gespräche durch die getönte Glasscheibe hindurch mitverfolgt. „Hast du eine bessere Idee?“, fragte Carol und rieb sich die Schläfen. Ihr Kopf schmerzte nach den stundenlangen Verhören, und ihre Geduld neigte sich allmählich dem Ende zu. „Ja“, erwiderte Logan ungerührt. „Du hoffst, mit dieser Methode die Nadel im Heuhaufen zu finden. Stattdessen solltest du vielleicht die Quelle direkt befragen.“ „Gerne doch – wenn du mir sagst, wer der Drahtzieher hinter dem Anschlag ist“, entgegnete sie bissig. Doch er schüttelte nur den Kopf, unwillig, sich provozieren zu lassen, und Carol bedauerte ihre scharfe Äußerung sofort wieder. „Das meinte ich nicht“, brummte er. „Aber ich habe ebenfalls die Nachrichten gesehen. Alle Sender haben in ihren Berichten über die Explosion das Wort ‚Mutant‘ verwendet, doch die Frage ist: wer von ihnen war der erste? Und woher kam die Idee?“ Carol starrte ihn einen Moment lang mit offenem Mund an. Dann schlug sie sich mit der Handfläche gegen die Stirn. „Oh mein Gott!“, stöhnte sie. „Du hast Recht! Dass ich nicht sofort daran gedacht habe...!“ Sie sah zur Decke hinauf. „JARVIS“, sagte Carol. „Welcher Nachrichtensender hat als erster Mutanten hinter dem Anschlag vermutet?“ „Meinen Datenbanken zufolge dürfte das Fox News gewesen sein, Miss Danvers“, entgegnete JARVIS. Carol verdrehte die Augen. „Natürlich. Wer sonst?“ Sie griff nach ihrem Stark Phone und begann, eine Nummer zu tippen. „Dann wollen wir mal herausfinden, wer der zuständige Reporter war...“ ~*~ Sie trafen sich wenig später zu dritt in Tonys Werkstatt. „Das hat er gesagt?“ Steve hob zweifelnd eine Augenbraue, als Carol von ihren Nachforschungen berichtet hatte. „Das ist nicht sehr hilfreich.“ „Ich weiß“, entgegnete Carol. „Aber so hat der Typ von Fox seine Quelle beschrieben: als großen, breitschultrigen Mann mit Kapuze, dessen Gesicht er nicht genau gesehen hat... Eine Beschreibung, die auf eine Menge Leute in New York passen würde. Im Prinzip können wir also wieder bei null anfangen.“ „Nicht ganz“, sagte Tony. Er saß barfuß auf der Couch und trank mittlerweile die dritte Tasse Kaffee seit dem Beginn ihres Gesprächs. Mit seinen tiefen Augenringen und ungekämmten Haaren sah er aus wie eine zerzauste Eule, doch sie waren diplomatisch genug, seinen Zustand nicht zu kommentieren. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihn so sahen. „Du sagtest, dass dieser Reporter seine Stimme als ‚ungewöhnlich‘ beschrieben hat“, fuhr er fort. „Was hat er damit gemeint?“ Carol zuckte mit den Schultern. „Das konnte er mir selbst nicht so genau sagen“, entgegnete sie. „Nur dass sie irgendwie... künstlich klang und er noch nie eine derartige Stimme bei einem Menschen gehört hat.“ „Okay“, sagte Tony und nickte. „Okay. Damit haben wir also drei Optionen.“ „Drei?“ „Ja. Entweder es war ein Mensch, der seine Stimme verstellt hat“, zählte Tony auf, „oder es war tatsächlich ein Mutant, der durch seine Mutation vielleicht so klang, oder...“ Er legte eine dramatische Pause ein und Steve und Carol tauschten einen vielsagenden Blick. „Oder es war etwas vollkommen anderes, das wir bisher noch nicht in Betracht gezogen haben.“ „Wie, etwas ‚vollkommen anderes‘?“, fragte Carol. „Meinst du sowas wie Marsmenschen oder asgardische Götter?“ „Zum Beispiel“, entgegnete Tony und prostete ihr mit seiner Kaffeetasse zu. Carol schüttelte nur den Kopf. „Okay“, sagte Steve und in seiner Stimme schwang Resignation mit. „Gut. Merken wir uns diese Information erst mal für später. Vielleicht finden wir noch andere Hinweise, in deren Kontext wir sie verwenden können. Im Moment habe ich nur noch eine Frage... Tony?“ „Hm?“ „Hast du sonst schon irgendetwas gefunden?“ Steve ließ den Blick über das Meer an Trümmern schweifen, die sich in der Werkstatt ausbreiteten. Der andere schüttelte den Kopf. „Ich bin erst die Hälfte aller Kisten durchgegangen. Kann sein, dass ich noch etwas entdecke, aber bisher war das nicht der Fall.“ „Also haben wir... nichts“, stellte Carol pragmatisch fest. „Nicht ganz“, meinte Steve. „Wir müssen immer noch herausfinden, wohin die letzte Rakete verschwunden ist. “ Bei diesen Worten huschte ein Schatten über Tonys Gesicht und er stellte seine Tasse beiseite. „Ich habe da eine Vermutung“, sagte er und öffnete mit einer Handbewegung einen Holo-Bildschirm vor sich in der Luft. Darauf war eine Karte der Nordostküste der Vereinigten Staaten und Kanadas zu sehen. Tony deutete auf einen blinkenden Punkt mitten im Ozean. „Das ist die Stelle, an der sie runtergekommen ist und wo wir die Verbindung verloren haben“, sagte er. Dann wanderte sein Zeigefinger gemäß der Flugbahn in einer geraden Linie weiter nach oben. „Und wie du weißt, befindet sich hier irgendwo...“ „Oh.“ Steves Augen weiteten sich, als er begriff, worauf der andere hinauswollte. „Du glaubst, sie ist die restlichen... was? Dreihundert, vierhundert Kilometer bis dorthin unter Wasser gereist? Könnte sie das denn?“ Tony starrte auf den Bildschirm. „Theoretisch ja.“ Carol sah von einem zum anderen und runzelte die Stirn. „Tut mir leid, aber kann mir vielleicht jemand sagen, worum es geht? Was war das Ziel der Rakete?“ Tony und Steve sahen sich an. „Atlantis“, sagte Tony schließlich. „Ich glaube, ihr Ziel war Atlantis.“ ~*~ Wie jede große Katastrophe begann auch diese klein und unscheinbar. Loki lag auf seinem Bett und spielte Candy Crush auf seinem Stark Phone, als etwas gegen seine Fensterscheibe prallte. Die Elster, die sich neben ihm auf dem Bett ausgeruht hatte, hob den Kopf. „Was war das?“, fragte sie verschlafen. Loki ließ sein Smartphone sinken und stand auf, um an die Fensterfront heranzutreten. An einer Stelle entdeckte er ein faustgroßes Loch in der Scheibe, und davor einen schwarzen Brandfleck auf dem Boden. Er hockte sich hin und inspizierte ihn genauer. Ein Steinchen hatte ihn verursachte, das noch immer schwach dampfte. Nach einer Weile verging der Rauch und der Junge wagte es schließlich, den kleinen Stein aufzuheben. Er war völlig unscheinbar, sah man einmal davon ab, dass er vom Himmel gefallen war. Vom Himmel gefallen... Loki stand langsam auf und sah durch die Scheibe zum Nachthimmel empor. Er war nicht länger dunkel. Im Sekundentakt huschten Sternschnuppen über den Himmel, heller und zahlreicher, als der Junge sie jemals gesehen hatte. Wäre nicht eine davon soeben in seinem Zimmer gelandet, hätte Loki den Meteorschauer vermutlich die ganze Nacht hindurch bewundert. Stattdessen wandte er sich ab und zog sich in die Ecke seines Zimmers zurück, die am weitesten von der Fensterfront entfernt war. „Etwas stimmt nicht“, sagte er. „JARVIS! Bitte öffne die Tür und lass mich raus, ich muss den anderen sagen, was passiert ist!“ „Ich befürchte, das kann ich nicht tun, Sir“, entgegnete die KI. „Mr. Stark war sehr nachdrücklich, was Ihre Auflagen anging.“ Loki stöhnte auf. „Dann sag ihm Bescheid! Er muss wissen, was los ist. Bitte, JARVIS!“ „Mr. Stark schläft im Moment. Seine Ruhe hat zurzeit absolute Priorität.“ „Dann sprich mit Steve!“ „Es tut mir leid, Sir, Captain Rogers schläft ebenfalls-“ „Und Thor? Janet? Irgendjemand muss doch noch wach sein!“ Loki verlor allmählich die Geduld, und nur seine Selbstbeherrschung hinderte ihn daran, sich einfach in den Nachbarraum zu teleportieren. JARVIS schwieg für ein paar Sekunden, dann entgegnete er: „Ihr Bruder ist noch wach, Sir. Was soll ich ihm ausrichten?“ Loki seufzte vor Erleichterung auf. „Sag ihm, dass wir...“ „... angegriffen werden? Dafür hast du keine Beweise“, sagte die Elster, die ihren angestammten Platz auf seiner Schulter eingenommen hatte. „Alles, was du hast, ist ein Loch im Fenster und ein ungutes Gefühl.“ Und Loki hasste sie, hasste sie in diesem Moment mehr als je zuvor, doch er musste zugeben, dass sie Recht hatte. „Sir?“, fragte JARVIS geduldig. Schließlich traf Loki eine Entscheidung. Zeit, den Joker auszuspielen. „Sag ihm, dass ich ihn brauche“, entgegnete er. „Gewiss, Sir.“ Dann schwieg JARVIS erneut und Loki vermutete, dass er Thor seine Nachricht übermittelte. Eine halbe Minute später stürmte sein Bruder mit erhobenem Hammer in sein Zimmer, wobei er die Tür halb aus den Angeln riss. „Sir, Sie können nicht einfach-!“, protestierte JARVIS, doch der andere ignorierte ihn. „Loki!“, rief er stattdessen, während seine Augen nach seinem Bruder suchten. „Was ist los? Geht es dir gut...?“ Die Elster begann krächzend zu lachen. Loki ignorierte sie, sondern lief auf Thor zu und schlang die Arme um ihn. „Thor, ich brauche deine Hilfe, und du bist der einzige, der mir glaubt!“, sagte er. „Du musst mir helfen, die Avengers zu mobilisieren!“ Thor sah überrascht auf ihn herab und ließ den Hammer wieder sinken. „Loki, was-“ Doch der Junge ließ ihn nicht aussprechen. „Bitte, Bruder!“, sagte er mit ernster Miene. „Ich glaube, uns steht etwas Schreckliches bevor...“ ~*~ Clint fluchte, und das nicht zum ersten Mal in dieser Nacht. Im Central Park hatte sich eine nicht unerhebliche Menge von Menschen versammelt, um den Meteorschauer zu beobachten – Menschen, die nun schnellstmöglich evakuiert werden mussten, da ihnen seit ein paar Minuten alles um die Ohren flog. Nachdem Thor das Team lautstark geweckt hatte und sie alle in verschiedenen Stadien der Müdigkeit ihre Ausrüstung zusammengesammelt hatten, war der erste Meteor im Central Park gelandet. Er konnte nicht größer als ein Baseball gewesen sein, doch der Krater, den er verursacht hatte, hatte einen Durchmesser von mehreren Metern, und die Meteore, die dem ersten folgten, wurden danach nur noch größer. „Warum eigentlich immer New York?“, rief Clint, während er sich gegen einen umgestürzten Baumstamm stemmte, unter dem eine junge Frau eingeklemmt war. „Dieser Planet ist riesig, aber irgendwie sind immer wir diejenigen, die die Superschurken oder außerirdischen Invasoren abbekommen! Das kann doch kein Zufall sein!“ „Ich habe da eine Theorie“, entgegnete Tony, der gemeinsam mit Thor und Carol hoch über ihren Köpfen dahinflog und versuchte, die heranrasenden Meteore mit seinem Blastern in der Luft zu pulverisieren, bevor sie die Erde erreichen konnten. „Oh ja“, klinkte sich Hank in das Gespräch ein. „Erzähl ihm von deiner Theorie. Es ist eine gute Theorie.“ „Danke, Hank“, sagte Tony und verwandelte einen weiteren Meteor mit einem schnellen Schuss in eine Wolke aus kosmischem Staub. „Und zwar habe ich die Vermutung, dass die schlechten Dinge immer deshalb New York treffen, weil sie wissen, dass wir hier sind.“ Clint runzelte die Stirn. „Das... ergibt absolut keinen Sinn, Stark“, erwiderte er und half der jungen Frau dann beim Aufstehen. „Meteorschauer können nicht denken.“ „Wie gesagt, es ist nur eine Theorie“, verteidigte sich Tony. „Tony, achte auf deine Flugbahn“, meldete sich in diesem Moment Steve. „Du wärst schon wieder fast abgeschossen worden!“ „Steve, ich bin dick gepanzert und kann fliegen, ich komme schon klar. Du solltest dir eher Sorgen um dich machen...“ Das restliche Team stöhnte kollektiv auf. „Hallo!“, war plötzlich eine weitere Stimme zu hören. „Tut mir leid, dass ich euch störe, aber das Bootshaus brennt und es scheinen dort noch Leute festzustecken. Also falls jemand gerade in der Nähe ist...“ „Loki?!“, fragte Tony überrascht. „Was zum Teufel machst du in der Leitung?“ „Es war meine Entscheidung“, entgegnete Thor. „Er hat uns auf den Meteorsturm aufmerksam gemacht – er verdient es zu wissen, was los ist!“ „Loki, wo bist du gerade?“, fragte Steve. „Sag nicht, dass du-“ „Ich weiß es nicht genau“, sagte der Junge. „Thor hat mich auf einem Hochhaus am Rand vom Park abgesetzt und gemeint, ich soll aufpassen und alles Wichtige an euch weitergeben.“ „Ihr könnt solche Entscheidungen nicht einfach allein treffen!“, rief Steve und Tony fügte hinzu: „Dieser Ort ist viel zu gefährlich für ein Kind.“ „Er ist kein hilfloses Kind, sondern ein Gott!“, grollte Thor. „Wie lange wollt ihr ihn noch einsperren?“ „Bitte hört auf, euch zu streiten.“ Lokis Stimme klang beinahe flehend. „Ich will nur helfen! Bitte lasst mich helfen.“ Für eine Weile herrschte Stille in der Leitung, dann sagte Natasha: „Cap.“ Steve seufzte. „Na schön“, entgegnete er. „Bleib, wo du bist, und pass auf. Aber bring dich in Sicherheit, wenn es gefährlich wird!“ „Mache ich!“, versicherte Loki ihm eifrig. „Gut. Also, ihr habt ihn gehört, Leute. Wer kann sich um das Bootshaus kümmern?“ „Schon unterwegs.“ Das war Pietro. „Ich hoffe, wir werden diese Entscheidung nicht bereuen...“, murmelte Tony. ~*~ Loki sah auf den Central Park hinab. Von oben hatte er Ähnlichkeiten mit einem Schlachtfeld. Unzählige Krater übersäten mittlerweile die weitläufigen Rasenflächen und überall brannte es. Aus der Höhe waren die Schreie der Menschen zu hören, die versuchten, dem Meteorregen zu entgehen, und die Avengers hatten alle Hände voll zu tun, um sie in Sicherheit zu bringen. „Findest du nicht auch, dass der Anblick Erinnerungen weckt“, sagte die Elster nostalgisch. Loki sagte nichts. Er musste an Tonys Theorie denken. Schlechte Dinge treffen uns, weil sie wissen, dass wir hier sind. Aus der großen Höhe, in der er sich befand, und mit dem Überblick, den Loki hatte, ergaben diese Worte plötzlich einen Sinn. Mehr Sinn sogar, als selbst Tony geahnt hätte. Denn von oben betrachtet schien fast eine Art Schema hinter dem Meteorsturm zu stecken. Er traf beinahe ausschließlich den Central Park, so als würde er die bevölkerten Gebiete der Stadt bewusst meiden. Als würde jemand ihn lenken. Doch zu welchem Zweck? Niemand zerstörte ausgerechnet das Gebiet einer Stadt, in dem es die wenigsten Opfer geben würde. Das war kein Angriff. Es war eher... „... als würde jemand versuchen, auf sich aufmerksam zu machen“, flüsterte Loki. „Was?“ Die Elster sah ihn fragend an. Weiter kam der Junge jedoch nicht, denn im nächsten Moment traf ein größerer Meteor das Dach, auf dem er stand, und zermalmte den Beton unter seinen Füßen. Loki stolperte über das Dach, das sich plötzlich in einer bedenklichen Schräglage befand, und versuchte krampfhaft, sich irgendwo festzuhalten. Doch die Neigung war zu steil und seine Finger fanden keinen Halt, und er glitt immer weiter hinunter... und rutschte schließlich über die Dachkante. Und fiel. Das Haus war sehr hoch, und dementsprechend lang war sein Fall. Der Gegenwind erstickte den panischen Schrei in seiner Kehle, während eine endlose Reihe von Fenstern an ihm vorbeiflog, doch als er versuchte, sich wieder an das Wort zu erinnern, mit dem er sich teleportieren konnte, lachte die Elster nur. „Du kannst unseren Fall nicht bremsen!“, rief sie. „Selbst wenn du uns über einen See teleportieren würdest, würden wir immer noch so schnell fallen, dass wir uns beim Aufprall auf dem Wasser das Genick brechen würden!“ „DAS IST NICHT HILFREICH!“, brüllte Loki. Und dann war der Boden ganz nahe und der Junge schloss die Augen, denn dies würde ganz gewiss das Ende sein. Bis plötzlich jemand einen Arm um ihn schlang und seinen Fall bremste. Loki hätte vor Erleichterung beinahe gelacht. Stattdessen verlor er das Bewusstsein. „Loki“, weckte ihn wenig später eine leise Stimme, und der Junge spürte eine Hand an seiner Wange. „Hey, Loki!“ Er schlug die Augen auf. Jemand kniete neben ihm. „... Sam?“, flüsterte er, als er das Gesicht des Mannes unter der Flugbrille erkannte. Der andere grinste ihn an. „Sieh an, du lebst ja doch noch“, entgegnete er und half dem Jungen dabei, sich vorsichtig aufzusetzen. „Wo sind die anderen?“, fragte Loki und rieb sich die Schläfe. Sein Kopf dröhnte noch immer. „Noch damit beschäftigt, den Park zu sichern“, entgegnete Sam, während er den Blick über den brennenden Park schweifen ließ. „Der Meteorregen ist fast vorbei und das Schlimmste ist überstanden.“ Loki entgingen seine Anspannung und Unruhe jedoch nicht. „Geh“, sagte er. „Ich komme schon klar.“ Sam sah ihn überrascht an. „Ist das dein Ernst?“ Loki stemmte sich ächzend hoch und kam schließlich auf unsicheren Beinen zu stehen. „Du kannst mehr ausrichten, wenn du gehst und ihnen hilfst, anstatt Kindermädchen zu spielen“, erwiderte er und grinste schwach. Sam fluchte leise. „Du kannst kaum laufen und erwartest von mir, dass ich dich im Stich lasse?“ „Du hast mehr für mich getan, als du ahnst“, sagte Loki leise. „Es ist schon in Ordnung. Geh.“ Sam warf ihm einen letzten, zögernden Blick zu. Doch dann nickte er und erhob sich. „Sei vorsichtig“, sagte er. Dann entfalteten sich die Flügel auf seinem Rücken und er schwang sich in die Luft. Als Sam außer Sichtweite war, gaben Lokis Beine nach und er fiel unsanft auf den Hintern. „Erinnere mich in Zukunft daran, nicht mehr von Dächern zu fallen“, sagte er erschöpft zu der Elster, die mit zerzaustem Gefieder neben ihm saß und ebenso elend aussah, wie er sich fühlte. „Mit Vergnügen“, krächzte der Vogel und hüpfte dann in Lokis Schoß. Der Junge drückte ihn an sich und für lange Zeit sagte keiner von ihnen ein Wort. Schließlich beruhigte sich der Himmel über New York wieder. Aus allen Richtungen ertönten die Sirenen der Feuerwehr, die sich daran machte, die zahllosen Brände im Park zu löschen. Loki war noch immer wie betäubt, als er sich zwischen den obligatorischen Zuschauern hindurchzwängte, während er nach dem Rest des Teams suchte. Beim Fall hatte er den Kommunikator verloren, den Thor ihm gegeben hatte, und er hoffte, dass er auf einen der Avengers stieß, damit er ihn zum Tower mitnehmen konnte. Stattdessen entdeckte er in einem der Meteorkrater etwas, von dem er sich später noch oft wünschen sollte, er hätte es nie gefunden. Es war ein Android. Loki konnte ihn nur deshalb als solchen identifizieren, weil an der Stelle, wo sein Unterkörper hätte sein sollen, Dutzende von zerfetzten Kabeln aus seinem Leib ragten. Seine Haut war grau und leblos, und sein Kopf kahl. Seine Augen waren weit geöffnet und leer, und wäre nicht das leise Piepsen gewesen, das aus seinem Inneren drang, hätte Loki ihn für defekt gehalten. Er war etwas kleiner, als der Junge, und lag genau im Zentrum des Kraters. Loki zweifelte keine Sekunde lang daran, dass er im Meteorschauer vom Himmel gefallen war – wenn er nicht sogar die Ursache für den Sturm gewesen war. Zaghaft berührte Loki seine Stirn, und als würde der Android durch den Kontakt aktiviert, erwachte er plötzlich zum Leben. Seine Augen begannen zu leuchten und er fing an, mit metallischer Stimme in einer Sprache zu sprechen, die Loki noch nie gehört hatte. Doch da er eine asgardische Gottheit war und ebenso wie sein Bruder die Fähigkeit besaß, alle Sprachen zu sprechen, verstand er jedes Wort. „Dies ist eine Warnung an alle intelligenten Spezies dieses Planeten“, sagte der Android, während seine blicklosen Augen durch Loki hindurchsahen. „Er kommt. Bleibt, und ihr werdet sterben. Ihr könnt ihn nicht aufhalten; ihr könnt euch nicht vor ihm verstecken. Denn er, der Vernichter von Welten, wird euch finden. Er wird euren Planeten in Asche verwandeln und sämtliches Leben im Keim ersticken. Flieht, solange ihr noch könnt. Dies ist eure einzige Chance, zu überleben.“ Der Android schwieg für ein paar Sekunden, dann begann die Botschaft erneut. „Dies ist eine Warnung an alle intelligenten Spezies dieses Planeten. Er kommt...“ Loki ließ die Hand sinken, und die Stimme des Androiden erstarb. Das Licht in seinen Augen erlosch, und mit ihm erstarb auch das Piepsen im Inneren seinen Körpers. Auch als der Junge ihn erneut berührte, blieb er still. Der Android hatte seine Botschaft überbracht. Sein Auftrag war erfüllt. „Was um alles in der Welt war das?“, wisperte Loki mit bleichem Gesicht. Selbst die sonst so vorlaute Elster war mit einem Mal sehr still geworden. Doch schließlich begann sie zu sprechen. „Es gibt eine Legende“, krächzte sie. „Doch selbst in Asgard ist sie nicht mehr als ein Schauermärchen, das man sich am Lagerfeuer erzählt...“ Loki schlang die Arme um die Knie und hörte ihr schweigend zu. „Es ist die Legende des Planetenfressers, der von Anbeginn der Zeit durch das All fliegt und alle Hochkulturen vernichtet, auf die er trifft. Er hat schon mehr Welten gefressen, als es Sand am Meer gibt, und wo immer er hinkommt, hinterlässt er nichts als Tod und Zerstörung.“ Die Elster legte den Kopf zur Seite und starrte den leblosen Androiden an. „Vater... Odin erzählte mir die Geschichte einst, als ich noch klein war. Er wollte mir Angst einjagen, weil ich unartig gewesen war.“ Sie lachte krächzend. „Wenn er nur geahnt hätte, dass ich ihm tatsächlich eines Tages begegnen würde.“ Loki starrte sie an. „Aber wenn dieses Ding so groß und mächtig ist, wie du sagst“, entgegnete er. „Was können wir dagegen tun?“ An dieser Stelle hob die Elster den Kopf und sah ihn an. „Wir? Wir können gar nichts tun“, sagte sie. „Außer zu rennen.“ Loki schluckte schwer. „Soll das heißen, dass wir... dass die Erde...?“ „Ja“, sagte die Elster. „Dieser Planet ist nicht mehr zu retten.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)