Miyaos Tagebuch von _King_Dedede_ (Das Leben eines verbotenen Mädchens) ================================================================================ Kapitel 1: 15. Mai 1560 ----------------------- Schloss Yoshida-Koriyama, der neugebaute Hauptsitz der Provinz Aki nördlich des Dorfes Akitakata, der Wohnort des aufstrebenden alten Mannes, welcher sich vor fünf Jahren in dieser Domäne einfand, saß gerade an seinem Schreibtisch. Im Gegensatz zu den anderen Daimyos der Provinzen hatte er keine prunkvollen Altarräume und war alles andere als stolz auf seinen Reichtum, dafür umso mehr auf seine Taten. Denn das, was er machte, schadete keinen Menschen, sondern beschützte sie, er wärmte ihre Herzen in Anbetracht ihrer Ängste vor dem Krieg. Er verbarg den Krieg nicht vor den Augen des Volkes, aber er ließ nicht zu, dass die Leute zu sehr an diesen dachten, indem er die Neutralität in der Provinz wahrte. „Vater? Seid Ihr hier?“ Die Stimme eines Kindes war zu vernehmen, eines Jungen, dessen Schicksal noch in der Hand vielerlei Menschen lag. Es war das vierte leibliche Kind Motonaris, geboren vor ganz genau neun Jahren genoss der Junge seinen Geburtstag. Der Name dieses Jungen war Motokiyo, sein vierter Pfeil in den drei Pfeilen seines Herzens. Und ebenso wichtig war für Motonari auch dessen Mutter, Akane, eine Frau, die der verstorbenen Mutter seiner drei ältesten Kinder vom Herzen her ähnelte. Doch sie war anders, sie ließ in Motonari etwas aufleben, was er so nie richtig fühlte: Die Hoffnung auf ein friedliches Weiterleben. Sie mochte über zehn Jahre jünger sein als Motonari, hatte zwar ihre Blüte nach der langen Zeit verwelkt, doch was für ihn zählte war die innere Schönheit Akanes, die ihn so glücklich machte. Und ebenso wie Motokiyo kehrte Akane in das Büro ein, jedoch nur um ihren Sohn davon abzuhalten, Motonari abzulenken. „Mein Mann, es tut mir leid… ich konnte ihn nicht aufhalten.“ Motonari wirkte nicht aus seiner Konzentration gestört, im Gegenteil, er wirkte ruhig, gelassen, beinahe sogar fröhlich, als er sich seinem Sohn näherte und seinen Kopf streichelte. „Du musst dich nicht entschuldigen, meine Liebste. Er ist nun einmal ein kleiner Wildfang.“ „Aber ich bin kein Fildwang.“ Lächelnd hockte sich Motonari vor dem kleinen Jungen hin, legte seine Hand auf die Wange seines Kindes und schaute ihm in die Augen. „Das heißt Wildfang, mein Kleiner.“ Ein unschuldiges Lächeln kam von derer beiden Lippen. „Gerade habe ich nichts zu tun, der Friedensvertrag mit Araki Murashige ist ausgestellt und wir haben jetzt unsere eigene Handelsroute, um untereinander Güter zu tauschen. Also, wenn du willst können wir jetzt etwas spielen, mein Sohn.“ Akane lächelte den beiden Männern zu, sie war überaus glücklich über die Tatsache, dass sich die beiden so gut verstanden. Auch wenn es etwas schade war, dass sein Vater etwas alt war für so einen Sohn, genoss sie es wenn die beiden miteinander spielten. Lächelnd nahm der Fürst einen Lederball zur Hand und warf ihn dem Jungen wie ebenso seiner Mutter zu. Zu dritt spielten sie damit bis zum Beginn der Mittagsstunden, wobei eine Gruppe von Leuten das Fest im Palastsaal vorbereiteten – einen Platz, den Motonari nur selten besuchte, aber wenn ganz besonders zu solchen Anlässen wie Geburtstagen oder Gesprächszeremonien mit seinen Untergebenen. Heute Abend war die Geburtstagsfeier des kleinen Jungen, den Motonari überraschen wollte, weswegen er seine Dienerschar dazu verurteilt hatte, zu beaufsichtigen, dass niemand in den Thronsaal kam, der die Vorbereitungen stören konnte. Außerhalb der Burg trieben sich die anderen drei Brüder herum, um genau zu sein in der Stadt mit dem gleichen Namen wie das Schloss, welches eine direkte Verbindung zu den Trampelpfaden im Gebirge darbot. In einem Strandhaus saßen Motonaris ältester Sohn Takamoto, ebenso wie seine Ehefrau Hanamoto, eine zierliche, als Geisha anmutende Frau, welche ihrem Ehemann vollkommen ergeben war. Ihre schwarzen Haare waren zu einem wunderschönen Zopf zusammengebunden, während sie immerzu einen waldgrünen Kimono an ihrer Haut trug. Und im Gegensatz zu den tausenden anderen Frauen Japans schminkten sich die Frauen der Provinz Aki nicht. Es war das Prinzip des Rechtes, welches er vertrat. Für ihn waren alle Menschen gleichgestellt, selbst er als Fürst verbeugte sich vor zwei Jahren vor einer armen Bäuerin, weil sie dafür sorgte, dass das Land nicht am Hunger starb. Seine beiden Brüder verstanden bis jetzt noch nicht, warum er das getan hatte, daher ließen sie die Sache beruhen. Jedenfalls schlenderte Takamoto in grüngelber Kleidung, geschmückt mit einem durch einen Kinnriemen befestigten, hohen Hut am Strand herum, während sich der sechsjährige Terumoto und seine zwei Jahre jüngere Schwester Miyao, welche gerade nach einem ausgiebigen Spielenachmittag in der Nähe des Strandhauses auf dem Boden saßen, in die Sonne starrten. Man merkte sofort, dass Miyao und Terumoto nicht blutsverwandt waren, da Terumotos pechschwarz gekraustes Haar sich in Kontrast zu dem hellbraun gefärbten, glatten langen Haaren Miyaos befand. Eine leichte Brise überkam den Strand, der süße Duft nach Gemüsesuppe lag in der Luft, da die beiden Kleinen diese ganz besonders mochten. Miyao wirkte bereits ein wenig verschlafen, konnte das Essen nicht mehr abwarten, starrte aber dennoch in die Berge und genoss es einfach, in der Sonne zu sitzen und sich vergnüglich am Boden niederzulassen. „Du, Miyao?“ „Ja, großer Bruder?“ „Weißt du was Tugend ist?“ Fragend blickte der Junge zu seiner zwei Jahre jüngeren Schwester, welche keine Antwort darauf wusste. Mit vier Jahren war das noch kein Wunder. „Ist es was mit Gähnen?“ „Kann sein, Papa hat mir davon erzählt, als ich ihn fragte, woher du kommst.“ Ein wenig traurig wirkte das Mädchen auf diese Frage, sie zog ihre Knie ein, legte ihre Ellbogen darauf und versteckte in dieser selbstgebauten Schutzhülle ihr Gesicht. Sie hatte diese Frage schon von vielen Kindern gefragt bekommen, und da sagten einige von ihnen, dass sie keine Mori war sondern ein Monster, das Menschen fraß, damit es zu denen werden konnte. Die anderen Kinder ließen sich sehr viel einfallen, wenn es darum ging, Miyao aufzuziehen. Sie wusste schon genau, was das alles bedeutete und daher war sie alles andere als glücklich darüber. „Monster…“ Kleine Tränen kullerten von den Augen des Mädchens, sie wiederholte das Wort immer wieder und es tat ihr einfach weh, das zu hören. „Wo ist ein Monster?“ Schreckhaft stand Terumoto von seinem Platz auf, wollte dieses Monster suchen, doch da war keines. Im Gegenteil, es war vollkommen ruhig. Er kniet sich vor dem Mädchen hin, die in totales Weinen ausbrach, wodurch die Mutter aufmerksam wurde und zu ihrem Kind rannte. Vorsichtig hockte sie sich vor der kleinen hin, die lauthals weinte. „Was ist passiert?“ Hanamoto wirkte erschrocken, als Miyao immer wieder Monster sagte. Sie wiederholte es immer wieder, während ihre Tränen kullerten. Vorsichtig hob sie das Mädchen auf dem Arm, wiegte sie sachte hin und her und summte ein Schlaflied um sie zu beruhigen, doch sie weinte weiter. Kurz darauf ging ihr Blick zu dem Jungen, welcher traurig zu seiner Schwester hochstarrte. „Terumoto, warum weint sie?“ „Ich weiß nicht, Mama… ich habe sie nur gefragt, ob sie weiß was Tugend ist. Hat sie sich wehgetan?“ Vorsichtig wiegte sie das Mädchen im Arm, summte das Lied weiter und schaute zu ihr. „Sie sagt immer Monster… was ist Monster?“ Daraufhin fiel es wie Schuppen von Hanamotos Augen. „Das ist ein böses Wort, sag es bitte nicht, wenn Miyao da ist, okay?“ Besorgt blickte der Junge auf, schämte sich ein wenig dafür, dass er das gesagt hatte, folgte aber dennoch seiner Mutter zurück ins Haus. Traurig blickte er auf seine kleine Schwester, die nicht aufhören wollte zu weinen. Vorsichtig setzte Hanamoto das kleine Mädchen auf dem Bett ab und strich ihr vorsichtig über den Kopf. „Meine Kleine, du bist kein Monster…“ „Aber… die anderen sagen ich bin ein Monster…“ „Nein, Schwester… du bist kein Monster… sie ist nicht böse, oder, Mama?“ „Das ist sie nicht… hörst du, Miyao? Du bist kein Monster… du bist etwas ganz Besonderes, ebenso wie Papa und dein Bruder, hörst du Miyao?“ Ihre Tränen verstummten allmählich, sie versuchte ein wenig mehr Fassung zu bekommen, wollte auf das hören, was ihre Mutter sagte. „Aber, sie sagen ich bin ein Monster…“ „Sie wissen nicht, was für ein besonderer Mensch du bist, kleine Miyao…“ „Mama…“ „Ihr beiden seid Kinder der Tugend… die besten Kinder, die sich eine Mutter wünschen könnte… meine und Takamotos Kinder.“ „Aber Mama, was heißt denn Tugend?“ Beinahe zeitgleich kam die Frage der beiden Kinder auf die Mutter zu, sie wusste sich selbst keiner richtigen Antwort, doch das musste sie auch nicht mehr, denn in diesem Moment kehrte auch der Vater zurück, der diese Frage von seinen beiden Kindern hörte. Lächelnd schaute Takamoto zu dem Dreigestirn, wobei das kleine Mädchen noch immer leicht aufgelöst im Bettchen lag und schwach wirkend in die Decke kuschelte, in welche sie von Hanamoto gedeckt wurde, ehe sie sich wieder ums Essen kümmerte. Terumoto setzte sich zu Miyaos Füßen aufs Bett, starrte zu seinem Vater und lauschte ebenso gespannt wie das kleine, traurige Mädchen. „Tugend ist eine ganz besondere Fähigkeit, die niemand bekommen kann, es ist eine Fähigkeit, die man selbst lernen muss, um sein Leben einem Ziel zu widmen. Tugend bedeutet, dass wir unserem Gegenüber jeden Fehler verzeihen können, dass wir einem Menschen helfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten und uns bei Menschen bedanken, ohne die wir nicht leben können, mag es selbst ein kleiner Getreidebauer sein. Tugend bedeutet, für das gerade zu stehen was wichtig ist, für das Gute zu leben, zu kämpfen und zu sterben wenn es nötig ist. Der Glaube an die Tugend ist der Glaube an das Gute in jedem Menschen und die Entscheidung, das eigene Leben hinter sich zu lassen und es einem Menschen zu geben, der es wert ist, dass er deine Tugend empfängt.“ Vorsichtig legte der Vater der beiden die Hand um die Wange seines Sohnes, streichelte diese und schaute ihm in die Augen. Sein Blick war einerseits liebevoll wie der eines Vaters, und doch auch stark wie der eines Soldaten, obwohl er die Rüstung nicht trug und sein Schwert nicht in der Nähe war. Diesen Blick spürte der kleine Junge auch, wodurch sich eine kleine Gänsehaut bildete, als sich die Blicke seines Vaters mit den seinigen trafen. Selbst jetzt wurde der kleine Junge ehrfürchtig, obwohl Takamoto ihm nur zulächelte. „Ihr beiden seid Kinder der Tugend, weil ihr die Botschaft der Mori mit in euren Herzen trägt. Ihr beide glaubt daran, dass es irgendwo in dieser Welt Menschen gibt, die tief in ihrem Herzen gut sind. Und das will ich, dass ihr für immer in euren Herzen trägt… nun sag, meine Tochter, warum weinst du?“ „Vater… da sind diese Leute, die mich Monster nennen… ich bin aber kein Monster…“ „Nein, meine Kleine… das bist du nicht… nur wissen sie selbst ebenso wenig was ein Monster ist… darum möchte ich, dass du vergisst und ihnen verzeihst.“ „Verzeihen… aber sie waren so böse zu mir…“ „Ja, nur… wenn du etwas Böses sagst, dann tust du damit anderen Leuten weh, die dir dann wieder wehtun…“ „Das verstehe ich nicht… wieso tu ich ihnen weh wenn sie mir wehtun?“ „Du bist noch etwas zu jung, um es zu verstehen, meine Kleine… aber ich möchte, dass dein großer Bruder auf dich aufpasst… er soll dich beschützen…“ „Ja, Vater, ich werde sie beschützen…“ Es war unfassbar, dass der kleine Junge dachte, er könnte seine zwei Jahre jüngere Schwester beschützen, beinahe schon grausam, dass er dazu seinen eigenen Sohn dazu abkommandierte, zumindest hatte es so den Anschein. Denn Takamoto dachte sich etwas ganz Besonderes. Er wollte, dass seine beiden Kinder von selbst lernten, was es bedeutete, für jemanden zu kämpfen, der einem wichtig war. Nur wusste das eben Hanamoto nicht. „Du kannst doch ein Kleinkind nicht dazu zwingen, dass es seine kleinere Schwester beschützt!“ „Terumoto und Miyao sind sehr schlau, sie werden wissen, was das Richtige ist. Außerdem sind sie in dem Dorf sicher.“ „Wenn du es sagst, Liebster…“ Besorgt klang ihre Stimme, andererseits war sie sich auch sicher, dass ihr Mann das Richtige tat, so wie die vielen Male zuvor. Sie vertraute ihm sogar ihr Leben an, wenn es notwendig war. Dieses Vertrauen war es auch, dass dieses Paar heranreifen ließ. Nur wenige Minuten später ging die kleine Miyao wiederrum mit ihrem größeren Bruder durch die Straßen, welcher sich diesmal rührend um seine kleine Schwester kümmerte. Schützend ging sie ihm voraus, während sie seine Hand hielt und sich ganz nahe an ihn drückte. Leicht verängstigt war sie, doch vertraute sie auch Terumoto, der ebenso wie seine kleine Schwester das Flüstern der Größeren vernahm, es aber ignorierte. Die Kleine jedoch hörte jedes einzelne Wort, wobei ihr diese wirklich sehr im Herzen wehtaten. Sie drückte sich gegen ihren Bruder, versteckte ihr Gesicht in seinem Rücken, wollte nicht, dass sie auf einmal wieder anfing, zu weinen. „Beruhige dich, kleine Schwester… niemand wird dir wehtun, ich beschütze dich.“ Kaum fielen die besänftigenden Worte aus der Kehle des Jungen, starrte sie bereits eine Gruppe größerer Kinder an, die sich die Dreistigkeit erlaubten und die kleine Miyao beleidigten. „Fürst Terumoto… was macht Ihr mit dieser Bestie?“ Schockiert über die Worte versuchte sie das Ausbrechen in Tränen zu vermeiden, sie wollte das nicht hören. „Wer ist hier eine Bestie?“ Wütend darüber, wie die Kinder seine kleine Schwester bezeichneten, ballte er die Faust und starrte sie an. Sie waren in der Überzahl, größer und auch stärker als er selbst, trotzdem hielt es ihn nicht davon ab, seine Schwester zu beschützen. „Eure Freundin, mein Vater sagte mir, auf ihr liegt der Fluch des Tempels.“ „Das ist kein Fluch… und sie ist meine Schwester und nicht meine Freundin!“ „Vater sagte, sie durfte nicht geboren werden…“ Das Volk wurde auf diese Streitereien aufmerksam. Einige ältere Herrschaften starrten auf die Kinder und fingen allmählich an, ihre Stimmen zu erheben. Dass der Mut eines Kleinkindes ausreichte, um sich gegen eine so große Gruppe aufzulehnen war stark, aber auch naiv. Dies fiel jedoch einem ganz besonderen Menschen auf, der sich allmählich der Menschenmenge näherte, die sich bildete. „Seid ruhig…“ Schämend und mit leiser, ängstlicher Stimme starrte das kleine Mädchen zu Boden, während Terumoto immer wütender wurde. „Hört auf!“ Terumoto wollte nicht einfach nur dastehen, er wollte seine Schwester beschützen und ballte nun seine Faust, und auch wenn er noch sehr jung war, sein Schlag traf den Älteren mit einer Stärke wie der eines rollenden Felsens. Er war leicht einen Kopf größer als Terumoto, dennoch fiel er wie ein Kartoffelsack zu Boden. Wütend richtete sich der Junge auf, war kurz davor, dies zu kontern, doch da stand stattdessen eine ältere Person hinter ihm. Ein erwachsener Mann, gut gebaut und mit starken Oberarmen. „Ihr schlagt meinen Sohn?!“ Wütend wirkte der anscheinende Vater auf diesen Angriff seines Erstgeborenen, leicht verängstigt über die Größe dieses Mannes zuckte Terumoto zurück, hielt sich jedoch dennoch verteidigend vor seiner Schwester. „Niemand… darf sagen… dass…“ Seine Worte verstummten bei dem Anblick des Riesen vor seinen Augen. Zitternd versuchte er seine Schwester zu beschützen, sein Schicksal war ihm gerade egal. Er wollte nur seine Schwester beschützen, breitete seine Arme vor der am Boden kauernden, jungen Maid aus und schloss die Augen. „Rühr meine Schwester nicht an…“ „Dies ist nicht eure Schwester… sie ist eine Krankheit, die euch befallen hat. Mein Fürst, ich werde eure Krankheit vernichten, damit Ihr nicht mehr euren dummen Weg folgt.“ Erschrocken starrte Miyao nun zu dem älteren Herren, versuchte sich irgendwie noch in Deckung zu bringen, doch das ging nicht: die Menschenmenge bildete einen zu festen Kreis hierfür. Terumoto wurde von dem Größeren weggestoßen wie ein Blatt im Wind, der Größere näherte sich nun dem Mädchen, setzte seine Faust an und schlug zu… Ängstlich versuchte Terumoto aufzustehen, doch dieser Stoß ließ ihn so fallen, dass er sich den Fuß verstauchte. Schmerzgekrümmt schreite der Junge auf, wollte er doch seine Schwester beschützen, nur konnte er es nun nicht mehr. Er kroch mehr oder minder zurück zu ihr, versuchte die Situation noch zu retten, doch er schaffte es bei weitem nicht. Miyaos Blick war steifgefroren, vollkommen ängstlich und zittrig, ihre Hände waren schwer, ihr Herz pochte vor Angst und weinerlich starrte sie zu dem Größeren hoch, fühlte sich so, als würde sie sterben, davor hatte sie unfassbare Angst. Dies konnte der Mann aus dem Publikum nun nichtmehr ertragen, mit rasender Geschwindigkeit rannte er auf das kleine Mädchen zu, hockte sich zwischen ihm und dem Riesen und wehrte so den Schlag mit seinem Rücken ab, welcher von seinem mit Stacheln verstärkten Stahlpanzer bekleidet war. Erschrocken erblickte Miyao, was nun passierte, doch realisieren konnte sie es nicht… sie war noch immer von der Angst übermannt, die sie vor diesem Hünen hatte, der mit der geballten Faust drohte, sich jedoch schmerzerfüllt krümmte, da er mit voller Kraft gegen die Stahlnoppen schlug. Über seiner Faust floss die rote Lebensflüssigkeit hinunter, seine Finger wirkten vollkommen zerfetzt unter dem enormen Impuls, den er selbst erzeugte. Der Körper des Soldaten vibrierte immer noch leicht unter dem starken Schlag, doch diese schien sich allmählich zurückzuziehen. Allmählich hob er sich vom Mädchen hoch und drehte sich um. Die Menschenmenge verstummte nun vollkommen in Anbetracht des Gesichtes, welches sie vor ihren Augen hatten. Ehrfürchtig knieten sie sich vor dem Mann hin, welcher gerade Miyao beschützte. Ihre erzürnten Schreie wichen vollkommener Demut, selbst der große Schläger und sein Sohn verbeugten sich vor dieser Präsenz, ebenso wie Terumoto. Nur Miyao starrte zu dem Mann noch, ohne sich zu verbeugen. Sie wusste nicht, wer es war, wodurch das Gerede nach kurzer Zeit wieder losging, dass sie vom Teufel kam. „Bürger der Provinz. Wenn Ihr etwas zu sagen habt, dann sprecht es laut aus oder schweigt. Doch zuerst will ich euch eine Frage stellen.“ Ehe er die Frage stellte, hockte sich der anscheinend Adlige vor dem Mädchen hin, welches noch immer überaus erschrocken in seine Augen starrte. Vorsichtig nahm er ihre Hand, sah, wie ihre Augen noch immer überaus feucht waren und hielt diese vorsichtig fest, half ihr langsam hoch und ließ die Hand nicht mehr los. „Was hat dieses Mädchen so an sich, dass Hunderte ehrenhafter Menschen zusehen, wie sie und ihr Bruder geschlagen werden?“ Die Leute schwiegen alle, kein Einziger erhob das Wort, wodurch der Adlige einen von ihnen direkt fragte, dieser stotterte jedoch nur und wollte das Wort jemand anderen weitergeben, ehe Terumoto, der sechsjährige Junge für die Menge sprach. „Sie nannten meine Schwester eine Bestie…“ „Eine Bestie?!“ Verblüfft starrte der Adlige auf die Menge, drehte sich einmal herum und wunderte sich nicht nur über die Tatsache, dass für ein ganzes Dorf nur ein einzelner Junge sprach. „Wie kann dieses Kind eine Bestie sein?“ Der Sohn des Schlägers starrte auf zu dem Adligen, schaute ihm in die Augen und sprach mit gebrochener, verängstigter Stimme. „Sie wurde im Tempel… im Miyao-Tempel geboren… sie ist ein verfluchtes Kind…“ „Deswegen wolltet ihr sie also niedermetzeln… verstehe…“ Der Adlige ließ die Hand des Kindes los, doch Miyao blieb stehen. Still schweigend zückte der Soldat ein Messer, welches er an seinem Gürtel trug, wodurch es Miyao wiederrum mit der Angst zu tun bekam. Sie schaute zu dem Messer, welches nun in der Hand war, die das kleine Mädchen zuvor hielt, doch es schien nicht auf sie gerichtet zu sein, sondern auf den Boden. „Sag, wann wurdest du geboren, kleines Mädchen.“ Ängstlich starrte sie hinauf zu dem Älteren, wusste nicht, was er mit dem Messer wollte, hatte jedoch Angst, dass er ihr ebenso wehtat, wie seinerzeit die anderen beiden. Daher schwieg sie anstatt eine Antwort zu geben. Andererseits dachte sie, das konnte den Mann erzürnen. „Meine Schwester… ist am 18. Oktober 1555 im Miyao-Tempel geboren… Vater sagte, dass er sie bei einer Mutter gesehen hatte, die während der Schlacht starb…“ Überrascht, dass wiederrum der Junge antwortete, selbst mit einer Kraft der eines Löwen gleich, starrte der Mann zu diesen hinab. „Wie ist dein Name, Knabe…“ „Terumoto Mori, und sie ist meine Schwester Miyao…“ „Terumoto Mori… der Sohn Takamotos und der Enkel Motonaris?“ „Ja, mein Herr…“ „Dann verstehe ich… und ihr sollt es auch verstehen, naive Bürger…“ Bis dahin verstand Miyao nicht, woher sie kam, da ihr nie erzählt wurde, wie sie in den Miyao-Tempel kam und woher der Name stammte. „Dieses kleine Mädchen wurde im Miyao-Tempel zur Welt gebracht, während eine grausame Schlacht zwischen den Eltern der beiden Kinder und dem Tyrannen, Harukata Sue entflammte. Damals fand Takamoto nach der Schlacht dieses Kind und überzeugte seinen Vater, es zu behalten und großziehen zu dürfen. Was Takamoto zu ihm sagte, weiß ich nicht, doch was ich weiß, ist die Tatsache, dass dieses Kind das Vermächtnis der Familie Mori und der gesamten Provinz Aki ist, zumindest sagte es Takakage Kobayakawa.“ „Ihr kennt meinen Onkel…?“ „Er war mein bester Freund, während er sich auf die Lehren der Strategie und der Kunst des Tötens spezialisierte. Nach seiner Ausbildung hatten wir noch regen Kontakt… und da erfuhr ich auch von seiner Nichte, Miyao Mori… wie er es selbst betitelte das Wunder, das den Tempel wieder rein wusch, nachdem tausende Menschen ihr Leben verloren und ihr Blut mit den Brunnen tränkten, so hatten ihre Tränen alleine den Brunnen wieder rein gewaschen. Wenn ihr sie für das verurteilt, was sie ist, könnt ihr die ganze Familie Mori verurteilen, weil sie euch von diesem Tyrannen befreit habt. Wenn ihr sie für das verurteilt, was sie ist, dann verurteilt ihr die Provinz Aki und jeden Einzelnen seiner Einwohner dafür, dass sie nun in Freiheit leben.“ Das Volk wirkte zwar nicht so, doch es war überzeugt von den Aussagen des Adligen. Nur wollte es sich keiner anmerken lassen, weil sie dachten, dass der neben ihnen anders dachte. Der Schläger zog sich in der Menschenmenge zurück, schämte sich für die Wunde an seinem Arm und wollte nichts mehr von dem Helden wissen. „Nun, Volk von Akitakata… ihr habt nun die Wahl. Wenn ihr das Mädchen töten wollt, wegen dem was sie ist, dann werde ich sie mit meinem Leben beschützen, denn sie ist nicht nur das Kind der Familie Mori, sondern auch ihre Zukunft. Sie ist die Liebe zum Volk, sie ist das Schwert des Vertrauens, welches die Feinde der Familie Mori vor ihrem Tod bewahrt. Sie ist die Ehre der Familie Mori, und für diese Ehre würde selbst ich zu Grunde gehen. Alles Gute, was Aki groß gemacht hat, das zeigt dieses Mädchen… Warmherzigkeit, Glück und Tugend… und alles, wofür die Familie Mori steht hat der Junge unter Beweis gestellt. Wenn selbst diese beiden Kinder eine so himmlische Tugend leben können, dann würde ich sie nicht hassen, sondern wäre stolz darauf, in der Provinz Aki zu wohnen und unter der Familie Mori zu leben.“ Der kleine Junge stand wieder von seiner Verbeugung auf, sah zu dem Adligen auf und hob die Faust. „Lang lebe Nagamasa Azai!“ Diesen Namen kannte das kleine Mädchen nicht, nicht einmal vom Hörensagen, etwas verwirrt starrte sie hoch zu ihm, wusste nicht, was es nun zu tun galt. Sie starrte zu ihrem kleinen Bruder, zu den anderen Leuten, die dem Beispiel des Jungen folgten und anfingen, Nagamasa zu bejubeln. Erschrocken klammerte sie sich wiederrum ungeniert an den Älteren, da sie davor trotzdem noch eine Heidenangst besaß. Nur wenige Sekunden später bot Nagamasa ihr seine Hand an, Miyao starrte ungläubig zu dem Mann hoch, wusste sie doch nicht, was er wollte, hatte aber ein seltsames Gefühl dabei, als sie ihm in die Augen sah. Vorsichtig nahm sie die Hand des Älteren, löste sich von seinem Bein und hielt sie ganz fest, mit aller Kraft, wie es nur möglich war. „Leute von Itsukushima! Bringt mich zu Fürst Mori, damit ich die Tyrannei der Provinz vollkommen begraben kann.“ Jubelnd ging die Parade in die Richtung des Schlosses, welches sich hoch gelegen auf dem Berg befand, sie schienen die Worte nicht verstanden zu haben. Sie waren begeistert von Nagamasa und seinem Tatendrang, so begeistert, dass sie selbst außerhalb der Burgmauern jubelten, wodurch Motonari aufmerksam wurde. Schnell vernahm er die Schreie der Bürger, wie sie allmählich der Burg näher kamen. Eine Handvoll Soldaten war an den Burgmauern stationiert und wollte sich bereits zum Schuss bereit machen, doch Motonari erreichte noch zuvor die Burgmauern. „Was ist hier los?“ „Die Bauern scheinen einen Putschversuch zu starten, Fürst Motonari…“ „Einen Putsch? Wissen wir etwas über den Aufrührer?“ „Ein Mann namens Nagamasa Azai, mein Fürst…“ „Verstehe… öffnet die Tore, lasst ihn herein.“ „Aber…“ „Tut, was ich sage…“ Schnellen Schrittes ging Motonari von der Burgmauer hinunter, er stand wenige Sekunden später ganz alleine im Palastplatz, jedoch seine Söhne sahen dies und rannten zu ihm, wobei Motoharu ihn regelrecht anbrüllte. „Vater, was macht Ihr da?“ „Meine Pflicht erfüllen… bringt mir meine drei Pfeile.“ „Aber Vater…!“ „Vertraut mir, meine Söhne. Mir wird nichts passieren.“ Nur Takamoto schwieg in Anbetracht der Lage, stattdessen gab er seinen Brüdern den Befehl zum Rückzug. „Wir gehen…“ „Bist du irre, Takamoto?! Vater wird niedergemetzelt und wir verziehen uns feige?“ „Motoharu, Vater weiß ganz genau was er tut… das hat er immer und wird er immer.“ Der dritte Bruder schien nun auch seiner Vernunft Lauf zu lassen. „Takamoto hat recht… er braucht unsere Hilfe nicht… zumindest jetzt nicht.“ Motoharu nickte nur, wusste, dass seine beiden Brüder Recht hatten, nur hatte er nicht mehr so viel Vertrauen zu den Kampffähigkeiten Motonaris, da er diese noch nie zu Gesicht bekam. Zwei Bauern kamen mit der Armbrust her, die Motonari an seinem Handgelenk befestigte, während bereits die ersten Bauern im Tor standen. Sie wussten nicht, was genau los war, doch verstanden sie, dass Nagamasa die Tyrannei vernichten wollte. Er stand hinter der Menschenmenge, welche sich bereits innerhalb der Stadtmauern befand. Alle sahen sie ehrfürchtig, demütig zu ihrem Fürsten, welcher von dem halben Dorf umkreist wurde. Sein Blick ging hin und her, in die Gesichter des Volkes, es lag kein Aufruhr in ihren Augen, keine Gewalt, sondern Hoffnung und Freude, die sie verspürten. „Volk von Aki, egal was ihr nun zu sehen bekommt, wagt es nicht, euch in das einzumischen.“ Verwirrt starrte die Menge hin und her, abgesehen von Nagamasa, welcher starken Blickes zu den Palastmauern lief, durch das steinerne Pagodentor, dicht gefolgt von den beiden Kindern, während die Menge direkt vor ihm stand, ihm jedoch wich, als seine stählernen Beinschienen den Steinboden betraten. Wie durch eine Schockwelle gelenkt verzogen sich die Leute, welche sich am Platz des Palastes eingefunden haben, um dem Adligen Platz zu machen. Seine Rüstung reflektierte in der untergehenden Sonne jeden einzelnen Stachel an seinem Panzerrücken, neben ihm tauchte ein Diener auf, welcher einen goldenen Ritterspeer mit sich trug, den Nagamasa mit nur einer Hand nahm und ihn wie ein Schwert hielt, obwohl dieser beinahe seine eigenen Maße überschritt. Er war verziert mit kleinen, in Gold geschlagenen Schriftzügen, welche um den Speer gingen: Liebe, Ehre und Glaube. Motonari stattdessen bekam neben der Armbrust noch eine goldgelbe Jacke, seine ehemalige Offiziersjacke, als er noch nicht Daimyo der Provinz Aki war. Damit kämpfte er immer, da diese ihm Freiheit und Schutz gleichermaßen darbot, sie war gepolstert mit starkem Leder, ging ihm bis zu den Beinen und unter seiner Jacke befanden sich Magazine seiner Pfeile. „Motonari Mori… endlich sehen wir uns wieder… mein Vater hatte diesen Tag lange herbeigesehnt…“ „Wie geht es eurem Vater, Nagamasa?“ Ein kurzes Schweigen lief über die Gegend. „Er wollte, dass ich nun in seine Fußstapfen trete und den Clan in eine neue Ära führe.“ Motonari überraschte diese Tatsache doch sehr, da er selbst Nagamasas Vater unterrichtete und er es normalerweise nicht von ihm gewohnt war, dass er das Handtuch warf. „Und jetzt übernehmt Ihr die Herrschaft des Clans eures Vaters? Wie alt seid Ihr?“ „Fünfzehn, Fürst Motonari, doch ich musste in meinem kurzen Leben bereits mehr Kämpfe ausfechten als so mancher Krieger, dennoch vertraute ich auf meinem Geist und meinem Körper.“ „Ihr beherrscht also bereits den Kampfstil der zwei Flüsse… nun gut, wenn Ihr mich besiegt, bekommt Ihr die Schriftrolle eures Vaters zurück.“ Niemand wusste genau, worum es in diesem Kampf ging, nur schien es zwischen den beiden Kontrahenten ganz genau abgeklärt zu sein. Viele konnten umso weniger glauben, dass dieser Mann… oder besser gesagt dieser Junge einen so starken Hünen aus den Socken riss, doch bewies er damit, dass die Kraft eines Menschen enorm sein kann. Terumoto rannte wie gelenkt zurück zu seinem Großvater, an diesem vorbei zu seinem Vater, dieser nahm ihn hoch und versuchte ihn festzuhalten. Doch Miyao schien sich nicht von Nagamasas Stelle zu rühren, stattdessen hielt sie immer noch seine Hand und schaute zu ihrem Großvater. Vorsichtig löste sich Nagamasa von ihr, nahm nun die Lanze mit beiden Händen und nickte nun. „Lasst uns beginnen, Fürst Motonari…“ Nur ein kurzes Lächeln entfuhr vom Gesicht des Fürsten, die Familie schaute nur zu… von zwei verschiedenen Seiten, denn nun gesellte sich auch Takakage zu Miyao, die wie gefroren vorm Tor stehen blieb. Sie hatte ein so seltsames Gefühl in seiner Nähe, dass sie nicht wusste, was sie tun musste. Er verkörperte etwas, was sie auch in ihrem Vater sah, weswegen sie nicht von ihm wich. „Was hast du, Miyao…“ „Onkel Takakage… was… machen sie hier?“ „Sie werden kämpfen… Nagamasa will etwas von deinem Großvater, das er nur bekommt, wenn er ihn besiegt…“ Erschrocken starrte die Kleine zu den Kämpfern, wollte das nicht wahrhaben, nur wusste sie, dass sie es nicht aufhalten konnte oder durfte, da sie sich sonst selbst in Gefahr brachte. Außerdem hätte sie ihr Onkel ebenso aufgehalten. Erschrocken über den Kriegsschrei, der aus Nagamasa ausbrach, drückte sie sich wiederrum gegen das Bein ihres Onkels, leicht verängstigt, doch nicht mehr so sehr wie zuvor bei Nagamasa. Ein enorm starker Speerhieb gegen die Armbrust Motonaris eröffnete den Kampf. Einem Tänzer gleich wich Motonari aus, trotz dieses enormen Altersunterschieds schien Nagamasa langsamer als sein Kontrahent, weitaus langsamer. Bis jetzt schoss Motonari auch nicht aus seiner Armbrust, sie diente ihn anscheinend nur als Schild, doch kaum war Nagamasa einen Moment unachtsam, schlug Motonari mit einem schnellen Fausthieb seiner entsicherten Armbrust gegen die Rüstung seines Kontrahenten. Und auch wenn die Pfeile ihn nicht durchschlugen, durch den starken Impuls der aus schleudernden Armbrust bekam Nagamasa einen starken Hieb in den Bauch, der seine Rüstung schwer verbeulte. Er selbst musste einige Schritte von seinem Gegner zurückgehen, hinterließ einige starke Hustenanfälle und konnte sich selbst kaum noch auf den Beinen halten. „Was… zum…“ Erschrocken stützte sich Nagamasa an seinem Speer ab, starrte hinauf zu seinem Kontrahenten, fiel auf die Knie und lehnte sich an den Speer. Die Audienz begannen nun wieder ihre Jubelschreie, sie schrien doch nun ihrem Fürsten zu, welcher in diesem Kampf klar in Führung lag. „Dieser Kampf ist noch nicht entschieden, Nagamasa… steh auf!“ Seufzend tat der Kontrahent das auch. Motonari war überaus fair zu ihm, dennoch auch ein unfassbar starker Feind, wie man es als letzten von einem alten Mann erwartet hätte. Diese Kraft beeindruckte selbst seine drei Söhne, da sich Motonari normalerweise immer nur bedeckt im Hintergrund hielt wenn es um die Schlachten ging. Takakage ließ sich jedoch nicht davon beeindrucken, eigenartigerweise wie Miyao. Im Gegenteil, sie blieben still stehen, vielleicht hatte Miyao es nicht so genau bemerkt, aber sie hatte keinen tiefen Eindruck von ihrem Großvater. Nagamasa richtete sich auf, stand wieder und hielt die Ritterlanze mit beiden Händen hoch, attackierte diesmal mit seiner Lanze voraus, ein Regen aus Stacheln prasselte auf Motonari nieder, doch er wich immerzu aus, wodurch Takakage selbst verblüfft war. „Da hatten wir ihn wohl alle unterschätzt…“ Kopfnickend starrte Miyao aufs Schlachtfeld, auch wenn sie etwas weinerlich wirkte, weil sie das so falsch fand, was hier passierte. Sie verstand nicht warum die beiden kämpften… ebenso wenig, wie ansonsten jeder hier, nur ihr ging das überaus nahe, auch wenn man es ihr nicht anmerkte. Schlag um Schlag setzte Nagamasa seinem Gegner zu, doch kein einziger Treffer entstand auf Motonaris Körper, selbst sein Gewand blieb vollkommen unberührt von den Angriffen seines Kontrahenten. „Ihr habt es immer noch nicht gelernt…“ Mit diesen Worten setzte Motonari seine ungeladene Armbrust ein weiteres Mal an, diesmal an der rechten Wange des Feindes, welche sich zwar unter einem Helm befand, jedoch eine gigantische Aufprallwucht empfing, da der Armbrustbogen durch den starken Impuls seiner Waffe ausschlug und ihn von seinen Füßen warf. Mit dem Kopf voraus landete Nagamasa auf dem Boden, ähnlich wie durch einem Keulentreffer landete er mit dem Gesicht auf der Seite, von diesem Schlag erholte sich der junge Mann sicherlich nicht so schnell. Motonari drehte sich um, ließ seinen liegenden Feind aus den Augen und starrte ins Volk hinein. „Volk von Aki… mein Volk… Dieser Mann, der hier auf dem Boden liegt, bekämpfte bereits Barbaren, die weitaus stärker waren als ich es bin, und davon womöglich sogar Hunderte trotz seines jungen Alters. Dennoch… mich hat er nicht besiegt.“ Vorsichtig legte Motonari einen einzelnen Pfeil in die Fassung seiner Waffe, ohne dass es sein Kontrahent bemerkte. Stattdessen sah es das gesamte Volk, dessen Jubeln mit der Einführung seines Pfeiles innehielt. Darunter auch Takamoto, der ganz genau wusste, was das bedeutete. „Vater! Nein!“ Die einzige Stimme, die sich gegen das Todesurteil Nagamasas erhob, war die seines Sohnes. Doch im Herzen trug noch jemand diese Worte mit sich… der ganz genau wusste, was das bedeutete, wenn Motonari seinen Pfeil zog. Takakage blieb still, mischte sich nicht in diese Streitigkeiten ein. Stattdessen folgte Motoharu dem Ruf seines großen Bruders und schrie ebenso aus der Audienz heraus. „Lass ihn leben, Vater!“ Motonari hörte nicht auf seine Söhne, ganz langsam drehte er seinen Arm in die Richtung des liegenden Nagamasa, welcher verzweifelt versuchte, sich aufzurichten, um seinem Schicksal zu entgehen. „Halt!“ Verzweifelte Schreie kamen aus dem Publikum, es wurden immer mehr, die an die Barmherzigkeit und den Schutz des Mannes appellierten, doch jedwedes Wort prallte von ihnen ab. Jeder wünschte sich das Leben für Nagamasa… Motonari zielte mit seinem Pfeil gegen seinen Kontrahenten, niemand verstand, warum er ihn töten wollte, obwohl ihr Fürst so sehr den Frieden pries. Mit aller Kraft kniete sich Nagamasa hin, seine Hände lagen immer noch auf dem Boden, während Motonari sein Ziel genauer unter die Lupe nahm… doch das, was nun passierte, erschütterte nun Motonari selbst. Rasend schnell näherte sich jemand dem Duellpaar, Schritt für Schritt kam jemand näher, obwohl dessen Schritte unter den Verzweiflungsschreien der Audienz verstummten. Nur sahen sie auch, was jetzt geschah und dadurch verstummte jeder, außer Takamoto… „Miyao!“ Erschrocken über die Tatsache, dass sich die Kleine nun direkt zwischen Motonari und seinem Ziel befand, zuckte er zurück… seine Enkelin verriet ihn… so sah es für das Volk der Provinz aus. Motonari konnte nicht glauben, was gerade passierte. Miyao, seine Enkelin, beschützte den scheinbaren Feind der Familie. Dies bemerkte auch Nagamasa, der ebenso erschrocken über die Tatsache war. Ein Kind wollte das Leben für einen Fremden geben… Der Älteste verblieb in seiner Position, rührte sich nicht, konnte diesen abrupten Wechsel des Zieles kaum fassen… Das Mädchen beschützte den Mann, welches ihren Großvater bekämpfte. Die Leute schienen ebenso erschrocken, ein kalter Schock durchfuhr die gesamte Stadt, welche sich in diesen Anlagen versammelte. „Großvater… tu ihm nicht weh…“ Ihre Augen tropften zwar, doch in ihrer Stimme war nichts Weinerliches, im Gegenteil… mit einer so unfassbaren Stärke wie jetzt sprachen nicht einmal die größten Generäle. Takamoto rannte gerade zu ihr, da näherte sich Motonari seiner Enkelin, hielt ihr jedoch nicht mehr die Waffe entgegen, sondern schoss seinen Pfeil in Richtung Boden, welcher sich zwischen den Steinen festkeilte. Langsam näherte sich der Großvater seiner Enkelin, konnte gerade nicht fassen, was nun geschah, ging jedoch langsam auf das Mädchen zu, aus seiner Miene konnte man nicht sehen, was er gerade empfand, ob es Hass gegenüber seiner Enkelin war oder einfach nur die Kälte, die ansonsten Takakage immer darbrachte. Das Publikum blieb noch immer vollkommen schockiert stehen, weitere Tränen flossen der Kleinen übers Gesicht… sie hatte Angst, sie schloss die Augen, da sie gerade jetzt das Schlimmste erwartete, es aber wiederrum nicht sehen wollte. Sie zitterte, ging einen Schritt zurück, weil sie immer mehr befürchtete, dass sie jetzt eine Strafe von ihrem Großvater bekam und hoffte dennoch, dass sie zumindest Nagamasas Leben retten konnte. In seiner stählernen Rüstung nahm Nagamasa nun wieder all seine Kraft zusammen, doch nur schrittweise erhob er sich wieder auf die Beine. Nun stand Motonari direkt vor seiner Enkelin, konnte es nicht fassen, dass sie ihr Leben riskierte und hob seine Hand. Dies sah Nagamasa, wodurch er sich schnell aufhob und seinen Speer fallen ließ, stattdessen nahm er die Hand der Kleinen und zog sie schützend hinter sich. Miyao öffnete die Augen, befand sich nun hinterm Rücken des Größeren und drückte sich verängstigt an ihm, zumindest soweit es die Spieße an seinem Panzer zuließen. Motonari zuckte zurück, nahm wiederrum seine Waffe, wollte sie gerade aufladen, doch da passierte das, was er schlussendlich erwartet hatte. Motonari konnte seinen Arm nicht bewegen, jemand hielt ihn fest. „Vater… nein!“ „Takakage…“ Vor ihm baute sich Motoharu auf, welcher bereits mit seiner Waffe bereitstand. Überaus wütend wirkte er, als er miterlebte, was hier passierte. „Vater, wenn Ihr jemanden angreift, der ein Kind beschützt, dann kann und will ich das nicht hinnehmen. Lieber sterbe ich…“ „Motoharu…“ Selbst Takamoto setzte sich für Nagamasa ein, indem er seinen Arm um seine Schulter legte und den noch immer benebelten Krieger vom Schlachtfeld trug, gefolgt von der kleinen Miyao. „Ich kann es einfach nicht fassen…“ Ungläubig schüttelte Motonari den Kopf, legte den Arm auf seine Waffe und zeigte, dass sie nicht geladen war. Keiner seiner Krieger war mutig genug, ihm Einhalt zu gebieten, bevor dieses Mädchen zuschlug. Es überraschte ihn sehr, dass gerade Miyao dafür sorgte, dass der Kampf zu Ende ging. Motonari warf die Waffe weg, legte sie auf dem Boden und starrte das kleine Mädchen an, lächelte im Ansatz, wodurch Miyao allmählich aus ihrer Schockstarre erwachte und allmählich einem kleinen Tränenfluss entwich. „Verzeih mir… Großvater… aber… ich…“ Motonari schaute zu seinen beiden Söhnen, welche bemerkten, dass ihr Vater wieder ruhig wurde. Takakage ließ ihn los, Motoharu ihn vorbei, bis er vor der kleinen Miyao stand. „Du… dummes Ding… du hättest sterben können…“ Erschrocken zuckte sie wiederrum vor ihrem Großvater zurück, trotz ihres gezeigten Mutes schien sie wieder die Furcht in Person zu sein, wodurch sie nicht einmal ein Wort herausbrachte. „Warum hast du dich vor ihn gestellt…“ „Großvater… ich… wollte ihn…“ „Du wolltest ihn beschützen, oder?“ Nur ein kurzes Nicken kam über ihr Gesicht, welches noch immer von einigen Tränen befleckt war. Sie schämte sich dafür, dass sie das getan hatte, sie dachte, dass sie etwas Schlimmes getan hatte. „Verzeih mir bitte… Großvater…“ Motonari hob seine Hand, es schien gerade angebracht zu dieser Reaktion, wodurch das kleine Mädchen ein drittes Mal die Augen schloss. Miyao fürchtete sich sehr, sie verkrampfte sich vollkommen, legte ihre Schultern hoch und faltete ihre Hände ineinander. Vor Schreck wollte sie das nicht sehen, was nun mit ihr geschah. „…bitte… Großvater…“ „Was…“ „Tu Fürst Nagamasa nicht mehr weh…“ Motonaris Hand landete auf den Haaren des kleinen Kindes, anstatt einer Ohrfeige, streichelte Motonari das kleine Mädchen. Wiederrum bekam Miyao eine Gänsehaut, erfror unter dieser Berührung im ersten Moment, nur mit der Zeit gewöhnte sie sich daran, nur obgleich wunderte sie sich über diese Sanftheit. „Großvater…?“ „Meine kleine Enkelin… du machst mich wirklich stolz…“ Sie konnte auf dieses Lob keine Antwort geben, denn sie schien gerade alles andere als stolz darüber zu sein, da sie sich zuvor gegen ihn wehrte, stattdessen starrte sie nur zu Boden, obwohl Motonari sie vorsichtig streichelte. Die beiden Brüder standen dort, sahen dem zu, was da geschah, während Takamoto den Kontrahenten ins Krankenhaus brachte. „Du bist ganz genau wie dein Vater…“ Vorsichtig hob Motonari das Kinn Miyaos hoch, so dass er ihr in die Augen sehen konnte, diese öffnete sie ganz leicht, und dabei bemerkte sie, dass ihr Großvater wirklich nicht wütend war, im Gegenteil, er lächelte überaus glücklich. „Du hättest dein Leben für einen fremden Mann gegeben, den du nicht einmal kanntest… obwohl er versucht war, mich zu töten…“ „Nein… Fürst Nagamasa wird niemanden so Lieben töten wie dich, Opa…“ Erschrocken schaute das Volk zu den beiden, diese Wortwahl… niemand hätte einen Fürst als lieb bezeichnet oder ihn so familiär angesprochen wie Miyao gerade. Ebenso erging es selbst den drei großen Brüdern, welche absolut nicht aus wussten. Takamotos Frau Hanamoto schien alles andere als überrascht, sie fing sogar an zu kichern, als sie diese Worte aus dem Mädchen hörte. Ihr Sohn Terumoto sowie dessen Onkel Motokiyo, der vierte Sohn Motonaris standen neben ihr, wobei sie die Hände der beiden Kinder hielt. Grinsend gab Motonari Miyao einen Kuss auf die Stirn, starrte ihr noch kurz in die Augen und strich dann mit seiner Hand über ihre Wange. „Takamoto hat dir die Tugend beigebracht, oder?“ Wiederrum ein leichtes Kopfnicken kam von dem kleinen Mädchen, dessen Tränenfluss mit diesem kleinen Kuss versiegte, stattdessen rieb sie sich die Feuchte aus den Augen und lächelte schüchtern. „Fürst Nagamasa hat Tugend…“ „Ja, das hat er… das hat er, meine Kleine…“ Nur vorsichtig drückte Motonari das kleine Mädchen an sich, wusste er ja, wie zerbrechlich die Kinder in diesem Alter waren. Er hob sie hoch, hielt sie fest und reflexartig drückte sich das kleine Mädchen an den Hals des Großvaters. „Opa…“ Vorsichtig brachte er seine Enkelin zurück in den Palast, vorbei an der Familie, vorbei an der schockierten Menge, welche nur wenige Minuten später wieder zum Jubeln begann. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)