Schatten der Vergangenheit von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1 --------- Blut hat einen ganz und gar eigenen Geschmack. Ebenso ist es mit dessen Geruch. Jedes hat seine eigene, individuelle Note und trotzdem auch etwas, was es mit dem Blut eines jeden anderen Lebewesens verbindet. Für Menschen ist das nicht erkennbar. Für sie ist es nur eine rote Flüssigkeit, die durch sie hindurchfließt, sie mit Sauerstoff versorgt, sie am Leben hält. Für sie hat es nur einen metallen, salzigen Geschmack, ein Geschmack, der sie oft anekelt. Für sie hat es auch keinen Geruch. In den meisten Fällen hat es nicht einmal eine besondere Bedeutung, es ist einfach nur da. Sie leben damit, ohne dass sie ihm richtige Beachtung schenken. Doch für einen Vampir…für einen Vampir bedeutet Blut alles. Es kontrolliert ihn, lässt ihn alles um sich herum vergessen. Riecht ein Vampir den Duft des Blutes verfällt er in einen Rausch und es ist ihm beinahe unmöglich sich diesem zu entziehen. Er wird von einer Trance ergriffen, die ihn nach nur wenigen Sekunden dazu bringen wird sich auf das zu stürzen, was ihn in diesen Zustand versetzt hat. Er wird die wenigen Emotionen, die noch in ihm hausen ausschalten, und sich voll und ganz seinen Instinkten hingeben. Und wenn das erst einmal geschehen ist, wird sein Opfer unumgänglich der Tod erwarten. Für einen Menschen ist Blut nichts, nur eine rote Flüssigkeit in ihren Körpern. Für einen Vampir, wie mich, ist Blut alles… „Alice?“, fragte Bella vorsichtig und sah sie prüfend über den Tisch hinweg an. „Alice, was siehst du?“ „Ich…“, begann die Angesprochene neben mir, brach dann ab und sah weiter mit starren Gesichtsausdruck regelrecht durch ihre Freundin hindurch. Sofort spürte ich, wie Bella unruhig wurde und es vergingen nicht einmal zwei Sekunden, bis sie sich zur Seite drehte und ihren Freund Edward fragend ansah. „Edward? Was ist los?“ „Nichts…alles okay…“, murmelte dieser, schenkte ihr ein kurzes Lächeln und begann schnell damit sich ein paar Nudeln auf die Gabel zu spießen und zwischen den schneeweißen Zahnreihen hindurch in den Mund zu schieben. Er war ganz offensichtlich bemüht, sich normal zu verhalten und Bella kaufte es ihm nach einem weiteren skeptischen Blick ab. Doch ich wusste es besser. Mir war der überraschte, geradezu erschrockene Ausdruck in seinen Augen nicht entgangen und auch die nicht sehbare Unruhe, die sich in ihm breitmachte, konnte er mir nicht verbergen. Selbst Vampire waren vor meinen telekentischen Fähigkeiten nicht geschützt. Und so spürte ich die Angst, die gerade den Geist der Person an meiner Seite zu füllen begann. Man sah es Alice nicht an. Der starre Blick verhinderte, dass irgendjemand auch nur eine Idee bekam, was in ihrem Inneren vorging. Doch ich fühlte es, als wären es meine eigenen Emotionen. Also legte ich beruhigend einen Arm um ihre Schulter und wartete, dass ihre Vision vorüber gehen würde. Sie dauerte länger an, als sonst und schien deutlich heftiger zu sein, denn immer wieder zog Alice kurz die Augenbrauen zusammen oder presste die Lippen fest aufeinander. Allmählich fing auch ich an unruhig zu werden, genauso wie meine anderen Adoptivgeschwister und aus den Augenwinkeln sah ich, wie einige Schüler um uns herum Alice irritierte Blicke zu warfen. Dann jedoch kam beinahe schon abrupt wieder Leben in sie. Mit einem leisen Stöhnen entspannten sich ihre verkrampften Züge wieder und für den Bruchteil einer Sekunde sackte sie erschöpft in meinen Armen zusammen. „Alice?“, fragte ich besorgt und betrachtete sie eindringlich. Die Verwirrung und fast schon Angst in ihrem Gesicht waren auch ohne meine besonderen Fähigkeiten kaum zu übersehen. „Jasper…“, murmelte sie und berührte mich sanft an der Wange. „Ja“, antwortete ich und lächelte leicht. „Was ist los? Was hast du gesehen?“ Ihr merkwürdiges Verhalten beunruhigte mich, irgendetwas stimmte nicht. „Alles okay“, hauchte sie und senkte schnell den Blick. Ich wusste, dass sie log, ich spürte es sofort. Warum tat sie das? Was war nur los? Gerade wollte ich sie ein weiteres Mal fragen, als sie sich auf einmal zu Edward umdrehte und ihn eindringlich ansah. Dieser sah sofort zurück und nickte schließlich langsam, er musste ihre Gedanken gelesen haben. „Ey Leute, was ist hier los?“, meldete sich da plötzlich Emmett lautstark zu Wort und beugte sich sichtlich neugierig, aber auch beunruhigt, zu uns hinüber. „Das würde mich jetzt aber auch mal interessieren“, fand Bella und war nun offenbar nicht länger von der vorherigen ausweichenden Antwort Edwards überzeugt. Rosalie, die letzte verbleibende Person an unserem Schulcafeteriatisch, sagte kein Wort, betrachte lediglich ihre wohlgeformten Nägel und warf uns hin und wieder einen desinteressierten Blick zu. „Alice?“, fragte ich wieder und strich ihr liebevoll über den Rücken. „Es ist nichts!“, sagte sie und versuchte ihr strahlendes Lächeln wieder aufzusetzen. „Wirklich!“ „Alice, du lügst!“, erklärte ich ohne große Umschweife und sah ihr direkt in die schönen Augen. „Was ist los?“ „Nichts!“, antwortete Edward an ihrer Stelle und warf uns nacheinander einen mehr oder weniger beruhigenden Blick zu. „Hört auf, ich weiß, dass ihr nicht die Wahrheit sagt. Ihr…“, ich brach ab. Plötzlich stieg mir ein Geruch in die Nase, ein Duft. Er war süß, auch ein wenig salzig. Blut! Ich brauchte nicht einmal eine Sekunde, um das zu erkennen. Es war der Duft von Blut, der Duft menschlichen Blutes. Vermutlich das eines Mädchens. Ich schätzte sie auf sechzehn Jahre, vielleicht etwas jünger, und sie war hier im Raum. Innerhalb von Sekundenbruchteilen schossen diese Gedanken durch meinen Kopf, versorgten meine tödlichen Killerinstinkte mit den nötigen Informationen, um das Opfer zu finden. Wie von allein zuckte mein Kopf herum und rasend schnell suchten meine Augen die Cafeteria nach dem Ursprung des Duft es ab. Sofort fanden sie ihn. Es war tatsächlich ein Mädchen, das Alter kam hin. Sie stand nur wenige Meter von mir entfernt und hatte blondes, langes Haar, welches das nach unten zeigende Gesicht und somit ihren Blick verdeckte. Doch ich wusste auch so, dass sie ihren Finger betrachtete, den sie sich gerade verletzt haben musste. Denn da war etwas, etwas Rotes. Wunderschön glänzte es im Licht der Neonleuchten, glitzerte regelrecht. Selbst mit meinen übernatürlich scharfen Augen war es mir kaum möglich zuerkennen, wie der rote Tropfen leicht im Takt ihres Herzschlages pulsierte. Doch ich sah es und plötzlich war es auch das einzige, was ich nach wahrnahm. Die rote Farbe, der verlockende Duft, das Pulsieren und der auf einmal ohrenbetäubend laute Herzschlag des Mädchens waren nun alles, was an meine Sinnesorgane drang und augenblicklich packte mich die Gier. Hunger stieg in mir auf. Ich wollte trinken, diesen kleinen, schwachen Menschen bis auf den letzten Tropfen Blut aussaugen. Ich sehnte mich nach dem Gefühl, meine messerscharfen Zähne in ihr weiches Fleisch zu rammen und den warmen Saft meine Kehle hinunter rinnen zu lassen. Er würde meinen eiskalten Körper wärmen, mir für einen kurzen Moment das Gefühl geben wieder wirklich zu leben. Ich wusste, dass es falsch war. Ich wusste, dass ich das Mädchen töten würde. Doch ich wusste auch, dass ich mich nicht zurückhalten konnte. Denn schon war ich auf gesprungen, den Blick starr auf mein Opfer geheftet. Ich fletschte die Zähne, knurrte leise, spreizte die Finger mit den spitzen, als Nägel getarnten Krallen. Dann setzte ich zum Sprint an, ging in die Hocke, wie eine Raubkatze, leckte mir gierig über die Lippen. Es würde nicht einmal eine Sekunde dauern und ich wäre bei ihr und keine weitere bis sie starb. Ein weiteres Knurren entwich meinem Mund und gerade als ich losrennen wollte, packte mich jemand mit starkem Griff am Handgelenk. Ich wusste sofort, dass es Edward war und wie durch einen Schleier hörte ich seine Stimme nach Emmett und Rosalie rufen. Wütend riss ich mich los, versuchte ein weiteres Mal mich auf mein Opfer zu stürzen, wurde jedoch ein erneut gepackt. Dieses Mal waren es sogar mehrere Hände. Kräftige Finger bohrten sich wie Bärenfallen in meine Schultern und Arme. Ein paar mal gelang es mir, die Hände abzuwehren oder unter ihnen durchzutauchen, den Blick die ganze Zeit über auf mein Ziel geheftet, jedoch waren meine Gegner zu zahlreich und es dauerte nur wenige Momente bis sie mich fest im Griff hatten. Sofort kochte der Zorn in mir hoch und ich schnappte nach ihnen wie ein rasender Hund. Helfen tat mir das jedoch in keiner Weise. Mit offensichtlich großer Kraftanstrengung, aber ohne zu Zögern wurde ich rasch immer weiter von dem Mädchen weggezerrt und nach wenigen Sekunden befand ich mich im Freien. Sofort spürte ich wie der Bann des Duftes auf Grund der frischen Luft an Kraft verlor, trotzdem wehrte ich mich weiter und so zogen mich meine Geschwister nun deutlich schneller, da sich kaum jemand mehr um uns herum befand, in Richtung den angrenzenden Waldes. Bald hatten wir ihn erreicht und kaum waren wir ihm Schutz der Bäume, rannten sie los, trugen mich in übernatürlichem Tempo immer weiter, bis Edward sie schließlich zu stehen bleiben aufforderte. Dann ließen sie mich los und betrachteten mich prüfend. „Alles wieder okay, Alter?“, fragte Emmett sofort und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter. „Er hat sich beruhigt“, antwortete Edward für mich und ich war ihm dankbar dafür. Ich wollte jetzt nicht reden, nichts erklären. Ich hatte die Kontrolle verloren, erneut. „Sollen wir dich allein lassen?“, fragte Edward und ich nickte. „Ja…danke für eure Hilfe…bitte entschuldigt…“, sagte ich leise und senkte wütend den Kopf. Wie oft sollte mir das denn noch passieren!? Ich war schon so lange bei Carlisle und in all diesen Jahren hatte ich kaum Fortschritte gemacht. Ich war schwach! Ein Tropfen Blut genügte und ich verlor den Verstand! „Mach dir keinen Kopf!“, lachte Emmett und tätschelte mich erneut. Dann hob er die Hand zu Abschied, nahm mit der anderen Rosalies, die mir kurz zu lächelte, und sauste los. Edward nickte noch einmal in meine Richtung und machte sich dann ebenfalls auf den Rückweg. Danach war ich allein. Eine Weile lang rannte ich einfach nur, rannte so schnell ich konnte. In wahnsinnigem Tempo rasten die Bäume an mir vorbei oder sprangen mir auf einmal in den Weg, sodass ich ihnen ausweichen musste. Dann schlug ich instinktiv einen Haken oder zertrümmerte zu tief hängende Äste kurzerhand. Ich war wütend, so unendlich wütend. Beinahe hätte ich dieses Mädchen getötet. Wäre ich allein gewesen, wäre sie gestorben. Ich hätte mein brennendes Gift in ihrem Körper gepumpt, sie damit vor Schmerzen gelähmt und sie bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt. Sie wäre gestorben, elendlich in meinen Armen verreckt und ich ganz allein hätte Schuld daran gehabt. Schon viel zu oft war mir das passiert. Schon viel zu häufig hatte ich unnötig Leben ausgelöscht und nicht selten war das der Grund dafür gewesen, dass meine Adoptivfamilie und ich den Ort hatten verlassen müssen. Ich hatte auch Schuld daran getragen, dass wir Forks damals hinter uns gelassen hatten. Ich hatte Bella angegriffen. Bella! Das Mädchen, das vermutlich einmal Teil dieser Familie werden sollte. Nicht einmal vor solchen Menschen konnte ich halt machen, nicht einmal vor Menschen, die uns oder mir etwas bedeuteten. Ich war ein Mörder, ein Monster in menschlicher Gestalt! Irgendwann blieb ich auf einer Lichtung stehen, um mich hinzusetzen, als ich plötzlich etwas hörte. Ein leises, hölzernes Knacken, welches schnell lauter wurde und dann vollkommen abrupt verstummte. Schnell sah ich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war und erstarrte augenblicklich. Dort stand auf einmal eine Gestalt zwischen den Bäumen, eine Frau. Sie war groß, schlank und langes, dunkles Haar umspielte ihre feinen Züge. Sie trug eine enge Röhrenjeans und ein dunkelblaues Top, ihre Haut war schneeweiß und als ich keinerlei Puls oder Atmung feststellen konnte wusste ich sofort, dass sie ein Vampir war. Und nicht nur irgendein Vampir. Ich kannte diese Frau, sehr gut sogar, wahrscheinlich sogar besser als mir lieb war. Ein Blick auf ihre schmalen Hände hatte genügt, um sie zu erkennen. Sofort stieg Verwirrung in mir auf, was machte sie hier? „Jasper?“, fragte die Frau mit vertrauter Stimme und zögernd hob ich den Blick. Langsam tastete er sich nach oben, den fast weißen Hals entlang, dann zu den Lippen, der Nase und schließlich zu den Augen. Sie waren leuchtend rot… Nervös ballte ich die Fäuste und erwiderte ihren fragenden Blick. „Maria…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)